
Der Aufsichtsrat als ehrenamtliches Steuerungsorgan für Vereine – Beitrag zum NPO Tag 12. Oktober 2023 in München
14.06.2023 Dr. Rafael Hörmann und Elisabeth Schechner
Inhalt- Ausgangslage
- Risiken für Verein und Vorstand im klassischen Ehrenamtsmodell
- Mögliche Strukturänderungen
- Ausgliederung auf Tochtergesellschaft
- Überführung des ehrenamtlichen Vorstands in einen hauptamtlichen Vorstand
- Überführung des ehrenamtlich tätigen Vorstands in ein Aufsichtsgremium als Gestaltungsvorschlag
- Zulässigkeit der Einführung eines Aufsichtsgremiums und Gestaltungsmöglichkeiten
- Vorteile eines Aufsichtsrats, Haftungsfragen
Seit über fünfzehn Jahren wird in der Praxis der ehrenamtliche Aufsichtsrat in Verbindung mit einem hauptamtlichen Vorstand zur Steuerung wirtschaftlich aktiver Vereine genutzt. In dem Beitrag werden die Vorzüge des einst nur als „exotischen Sonderfall“ bekannten und zu einem Standardmodell für viele Nonprofit Organisationen avancierten Gestaltungsmodell erläutert sowie alternative Gestaltungsansätze aufgezeigt.
NPO Tag am 12.10.2023 in München - Onlineteilnahme kostenlos
Im Rahmen des NPO Tags wird Herr Dr. Hörmann zusammen mit dem Vorstand einer Gesundheitseinrichtung Einblicke und Erfahrungen zu einer erfolgreich absolvierten Einführung eines ehrenamtlichen Aufsichtsrats geben. Die teilnehmende Gesundheitseinrichtung hat vor wenigen Jahren die in diesem Artikel beschriebenen Wege ausgelotet und eine Variante zur Einführung eines ehrenamtlichen Aufsichtsrats und hauptamtlichen Vorstands umgesetzt. Sie erhalten als „Best Practice“ Erfahrungsberichte und praktische Tipps aus Berater- und Anwendersicht.
Ausgangslage
„Die Mitglieder des Vorstands sind unentgeltlich tätig.“ Dieser gesetzliche Regelfall – der in der Vereinssatzung abweichend geregelt werden kann – entspricht in den meisten Fällen auch der gelebten Vereinspraxis. Gerade in kleineren Vereinen, etwa im ländlichen Raum, ist die ehrenamtliche Vereinsführung durch die Vorstandsmitglieder die Norm und Rückgrat der Vereinslandschaft.
Herausfordernd und problematisch kann die ehrenamtliche Vorstandstätigkeit jedoch insbesondere dann werden, wenn ein einst wirtschaftlich kleiner Verein im Laufe der Jahrzehnte gewachsen ist und nunmehr eine erhebliche wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet bzw. erhebliches eigenes Vermögen – etwa Immobilien – verwaltet.
Neben Haftungsfragen und kaum bewältigbaren Zeitaufwänden, denen sich ehrenamtliche Vorstandsmitglieder ausgesetzt sehen, bestehen in der Praxis erhebliche Probleme, Personen zu finden, die in diesem Fall als Nachfolger für die Vorstandsämter kandidieren möchten. Gewachsene Strukturen sind den amtierenden Vorstandsmitgliedern regelmäßig vertraut, wobei potenzielle Nachfolger in solche Strukturen häufig einen Rückzieher machen. Gerade dann stellen sich Fragen zur Strukturanpassung, die im Nachfolgenden erläutert werden.
Risiken für Verein und Vorstand im klassischen Ehrenamtsmodell
Haftungsrisiken
Mit einem entsprechenden Wachstum des Vereins bzw. seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geht grundsätzlich auch ein gesteigertes Risiko von Fehleinschätzungen und Fehlverhalten einher. Die üblichen Risikobereiche sind dabei:
- Arbeitsrecht, insbesondere Lohnsteuer und Sozialversicherung, Scheinselbstständigkeit
- Steuerrecht, insbesondere Umsatzsteuer
- Beantragung und Abwicklung von Zuschüssen
- Vergaberecht
- Immobilienverwaltung und allgemeine Vermögensverwaltung
- Allgemeine Compliance-Verstöße im Rahmen der laufenden Geschäftsbetriebe
- Gemeinnützigkeitssteuerrecht, soweit der Status als gemeinnützig besteht
- Spendenbescheinigungen und Spendenhaftung
- Insolvenzrisiken
Von besonderer Bedeutung ist auch das Organisationsverschulden in Verbindung mit dem Fehlverhalten von Mitarbeitenden. Dies kann eine große Zahl von Situationen betreffen, z.B. die Verletzung der Aufsichtspflicht gegenüber Kindern oder die mangelhafte Wartung von Ausstattung. Neben finanziellen Schäden kann den Vorstand auch der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung treffen.
Zeitaufwand bzw. eine Geschäftsführung ist auch nicht immer eine Lösung
Ehrenamtliche Vereinsarbeit ist regelmäßig der Freizeit vorbehalten. Auch wenn diese Tätigkeiten mit großer Begeisterung ausgeübt werden – die dafür einsetzbare Zeit ist schlicht begrenzt. Es versteht sich andererseits von selbst, dass es bei größeren Vereinen, die über einen umfangreichen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfügen, nicht damit getan ist, wenn der Vorstand einmal im Quartal zur Entscheidungsfindung zusammenkommt.
In der Praxis findet sich häufig die Lösung, dass eine hauptamtliche Geschäftsführung (ggf. als besonderer Vertreter nach § 30 BGB) durch den ehrenamtlich tätigen Vorstand eingesetzt wird.
Diese Lösung ist jedoch mit Vorsicht zu genießen:
Darf der Vorstand nach den Regelungen in der Satzung eine hauptamtlich tätige Geschäftsführung bestellen, so führt dies zwar zu einer erheblichen Arbeitserleichterung für den Vorstand.
An die Stelle der übertragenen Geschäftsführungsaufgaben tritt in diesem Fall jedoch die Pflicht, die Geschäftsführung zu überwachen.
Eine solche Überwachung und Führung ist bei einem größeren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bzw. einer umfangreichen Vermögens- und Liegenschaftenverwaltung im Rahmen eines Ehrenamts kaum umsetzbar.
Die so kaum geführte Geschäftsführung wird als Erfüllungsgehilfe des Vorstands für diesen tätig. Sämtliche Handlungen der Geschäftsführung werden dem Vorstand zugerechnet. Für etwaige Fehler der Geschäftsführung muss demnach auch der Vorstand haften. Die Einschaltung einer hauptamtlich tätigen Geschäftsführung mindert damit zwar den Arbeitsaufwand des ehrenamtlich tätigen Vorstands, ändert aber wenig an dessen persönlicher Haftung.
Mögliche Strukturänderungen
Ausgliederung auf Tochtergesellschaft
Eine in der Praxis häufig genutzte Möglichkeit, die Haftung und den Arbeitsaufwand des ehrenamtlich tätigen Vorstands zu reduzieren, besteht darin, Tochtergesellschaften - in der Regel in der Rechtsform der GmbH - zu gründen und wirtschaftliche Tätigkeiten – seien es Zweckbetrieb oder steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe – auf diese auszugliedern. Der Verein und damit der ehrenamtliche Vorstand agiert danach „nur noch“ als Gesellschafter der Tochtergesellschaften und nicht mehr unmittelbar im Rahmen der dort betriebenen wirtschaftlichen Aktivitäten. Diese werden durch eine hauptamtlich vergütete Geschäftsführung der Tochtergesellschaften verantwortet.
Der mit einer Ausgliederung verbundene zeitliche und organisatorische Aufwand sowie die damit verbundenen Beratungs- und Notarkosten sind allerdings nicht unerheblich. Auch die fortlaufenden Kosten für den organisatorischen und buchhalterischen Ablauf der Tochtergesellschaften sind beachtlich.
Überführung des ehrenamtlichen Vorstands in einen hauptamtlichen Vorstand
Eine schnellere, einfachere und kostengünstigere Alternative kann die Abänderung des ehrenamtlich tätigen Vorstands in einen hauptamtlich tätigen Vorstand sein.
In diesem Fall ist es zweckmäßig, den häufig aus mehreren Personen bestehenden Vorstand auf ein bis maximal drei Personen zu reduzieren. In der Praxis stellt sich hierbei allerdings vielmals das Problem, dass bislang ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder nicht bereit bzw. in der Lage sind, hauptamtlich für den Verein (mit dem damit verbundenem erhöhten Zeiteinsatz) tätig zu sein. Auch kann eine Reduzierung der Anzahl der Vorstandsmitglieder zu erheblichen internen, vereinspolitischen Unruhen führen. Auch besteht durch die Reduzierung der Vorstandsmitglieder die Gefahr, dass im bisherigen ehrenamtlich tätigen Vorstand vorhandene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen für den Verein abgeschnitten werden.
Überführung des ehrenamtlich tätigen Vorstands in ein Aufsichtsgremium als Gestaltungsvorschlag
Der bestehende, ehrenamtlich tätige Vorstand wird in ein Aufsichtsgremium überführt. Zugleich wird eine evtl. bereits vorhandene, hauptamtlich tätige Geschäftsführung (bzw. besonderer Vertreter) in einen hauptamtlich tätigen Vorstand überführt. Sofern noch keine Geschäftsführung vorhanden ist, wird erstmals ein hauptamtlich tätiges Geschäftsführungsorgan als hauptamtlicher Vorstand eingeführt.
Zulässigkeit der Einführung eines Aufsichtsgremiums und Gestaltungsmöglichkeiten
Das im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelte Vereinsrecht kennt nur die zwingend notwendigen Organe „Vorstand“ und „Mitgliederversammlung“ bzw. den besonderen Vertreter (§ 30 BGB). Vereinen steht es im Rahmen ihrer Satzungsautonomie allerdings weitgehend frei, neben diesen Organen weitere fakultative Organe vorzusehen. Hierbei sind folgende Punkte in der Vereinssatzung festzulegen:
- Name des Aufsichtsgremiums (z.B. Aufsichtsrat)
- Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsgremiums (hierbei kann ein schwacher oder ein starker Aufsichtsrat gebildet werden)
- Bildung des Aufsichtsgremiums (Zahl der Mitglieder, Zusammensetzung)
- Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsgremiums (Zuständigkeit, Verfahren, Amtszeit)
- Beschlussfassung des Aufsichtsgremiums (Ladung zu Sitzungen, Mehrheiten, Sitzungsleitung)
- Protokollierung der Beschlüsse
Generell ist zu regeln, wie das dann ehrenamtliche Aufsichtsgremium und der nun hauptamtlich agierende Vorstand zusammenarbeiten sollen. Dies kann in der Satzung erfolgen, vorzugsweise sollten Detailfragen jedoch in eine Geschäftsordnung oder bei Bestehen von Tochtergesellschaften in eine Unternehmensverbundrichtlinie ausgelagert werden. Letztere ist lediglich eine einheitliche Geschäftsordnung für den Vorstand und die Geschäftsführung der möglichen Tochtergesellschaften, die die konzernweite Zusammenarbeit regelt.
Im Rahmen von derartigen Geschäftsordnungen kann etwa ein Katalog von Tätigkeiten aufgenommen werden, für welche der hauptamtliche Vorstand der Zustimmung des ehrenamtlichen Aufsichtsgremiums bedarf. Ganz generell ist die Zusammenarbeit der Organe genau zu beschreiben und zu leben, wobei Geschäftsordnungen insofern leichter – durch Beschluss – an die geübte Praxis und die Erfahrung aus den ersten Jahren nach der Systemumstellung angepasst werden können.
Vorteile eines Aufsichtsrats, Haftungsfragen
Der hauptamtlich tätige Vorstand ist für die Geschäftsführung des Vereins verantwortlich. Hierfür übernimmt er die volle Haftung. Die Übernahme dieses Haftungsrisikos ist – anders als bisher beim ehrenamtlich tätigen Vorstand – durch die Entgeltlichkeit der Tätigkeit gerechtfertigt und kann mit üblichen Versicherungsprodukten entschärft werden.
Das Aufsichtsgremium (der bisherige ehrenamtlich tätige Vorstand) ist nicht mehr für die laufende Geschäftsführung zuständig. Fehler des Vorstandes werden dem Aufsichtsgremium nicht als eigene Fehler zugerechnet (kein Erfüllungsgehilfe).
Allerdings kann sich auch für das Aufsichtsgremium eine Haftung ergeben, wenn dieses seine in der Satzung geregelten Pflichten verletzt. Sind Aufsichtsratsmitglieder ehrenamtlich tätig, haften sie allerdings nur für vorsätzliche oder grob fahrlässige Verstöße gegen ihre satzungsmäßigen Pflichten. Für fahrlässige Pflichtverletzungen greift die Haftungsprivilegierung des § 31a BGB ein. Auch auf Ebene des ehrenamtlichen Aufsichtsrats lassen sich die verbleibenden Haftungsrisiken durch passende Versicherungsprodukte minimieren.
Durch die Überführung eines ehrenamtlich tätigen Vorstands in einen ehrenamtlich tätigen Aufsichtsrat kann ein Verbleib der betreffenden Personen und des von ihnen angesammelten Know-hows und Erfahrungswerten als Organmitglieder im Verein gewährleistet werden. Es kommt daher zu keinem Verlust der diesen Personen zuzurechnenden Fachexpertise.
Weiterführende Videos (YouTube):
Autor:innen
Dr. Rafael Hörmann
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht
Elisabeth Schechner
Rechtsanwältin / Steuerberaterin
Campbell Hörmann Rechtsanwälte & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB