
Kreativität und Innovation – Design Thinking in der Sozialwirtschaft
07.11.2023 Cläre McDaniel
InhaltDie Organisationen der Sozialwirtschaft sehen sich seit Jahren mit knappen personellen und finanziellen Ressourcen und komplexen gesellschaftlichen Problemen konfrontiert. Soziale Dienstleistungen müssen sich stetig verändern und sich an die unterschiedlichen Herausforderungen anpassen. Für die (Weiter-)Entwicklung der Angebote sind insbesondere Ideen notwendig, die sich häufig in Teamsitzungen und regionalen oder überregionalen Konferenzen entwickeln.
Kreativtechniken können dabei unterstützen, Ideen zu entwickeln oder bestehende Angebote zu verbessern. In anderen Branchen sind sie bereits in die Unternehmensstrukturen integriert und erweisen sich als effizient.
Das Design Thinking ist in der Sozialwirtschaft kein unbekannter Begriff mehr. Es wird zumeist in Projekten angewendet und dabei an die spezifischen Bedingungen sozialer Fragestellungen angepasst.
Was ist das Design Thinking?
Ursprünglich wurde das Design Thinking in den 1990er-Jahren in den USA als Innovationsmethode für kreative Prozesse entwickelt. Bei dieser Methode wird davon ausgegangen, dass Konzepte nur dann nachhaltig ihre Wirkung zeigen können, wenn sie den Menschen eine Lösung für ihr Problem bieten.
Das Design Thinking legt den Schwerpunkt daher auf die Perspektiven und Bedarfe der Zielgruppe und zielt darauf ab, für diese einen Mehrwert zu entwickeln.
Wie funktioniert Design Thinking?
Diese Methode wird möglichst in interdisziplinären Teams angewendet, um unterschiedliche Perspektiven berücksichtigen zu können. In der Sozialwirtschaft könnte dies etwa die Zusammenarbeit von Verwaltungsfachkräften, Sozialarbeiter:innen und den Adressat:innen sein.
Dabei verläuft der Prozess in sechs Phasen:
- Verstehen – Probleme definieren
Im ersten Schritt soll der Fokus auf die Adressat:innen des Angebots gelegt werden. Hierbei geht es darum, ihre Perspektive einzunehmen und zu erfassen, welche Probleme sie haben und welche Problemlösungen sie anwenden. Dabei kann bereits erfasst werden, was sie bei der Lösung ihres Problems unterstützen könnte. Dieser Schritt sollte durch intensive Recherche oder im Sinne von Empowerment von den Adressat:innen selber begleitet werden. - Beobachten – Bedürfnisse der Zielgruppe verstehen
In dieser Phase sind das Beobachten und Zuhören relevant. Hierfür können Interviews mit der Zielgruppe und Expert:innen geführt und dokumentiert werden. Dabei soll ein noch tieferes Verständnis für die Probleme und deren Lösungsansätze entstehen. - Synthese – Gesamtbild herstellen
Als Ergebnis der vorangegangenen Schritte kann nun ein Gesamtbild entwickelt werden, das mögliche Muster identifiziert und damit die Probleme, aber auch mögliche Lösungen abbildet. Hilfreich sind hier etwa grafische Darstellungen. - Ideen – Lösungen erkennen
In diesem Schritt sollen zunächst z. B. anhand von Brainstorming mögliche Lösungen zusammengetragen werden (noch keine Kritik erwünscht). Nach dem Sammeln können die Ideen diskutiert und bewertet werden. Dabei sollte auch die Umsetzung der Ideen auf Machbarkeit geprüft werden. Als hilfreiches Instrument erweist sich hier die SMART-Methode. Anschließend sollte eine Idee priorisiert werden. Dabei ist darauf zu achten, dass die Idee nicht zu komplex ist und sich konkret auf das Problem bezieht. - Prototyping – Angebot entwickeln
Die Idee sollte sich in einen Prototyp verwandeln. Dies kann etwa innerhalb eines Workshops geschehen. Der Prototyp in Form eines Angebots kann somit visualisiert und dokumentiert werden. Dies hilft dabei, aufkommende Fragen zu klären und eventuelle Lücken des Angebots zu füllen. - Testen – die Zielgruppe prüft
In diesem letzten Schritt sind die Rückmeldungen der Adressat:innen besonders relevant. In Projekten der Jugendhilfe können beispielsweise Jugendliche in einem Workshop überprüfen, ob das Angebot, auch wirklich eine Lösung für ihr Problem darstellt, bevor es dauerhaft umgesetzt wird. Dabei sollte es nicht darum gehen, die Zielgruppe von dem Angebot zu überzeugen, sondern zu prüfen, ob und wie das Angebot angenommen wird und wie es verbessert werden könnte. Eventuell wird deutlich, dass sich das Angebot nicht eignet oder implementiert werden kann.
Methodik und Haltung
Was hier nur in Kurzform ausgeführt wurde, ist unter Umständen ein langwieriger Prozess. Dabei ist Design Thinking nicht nur eine Methode, sondern erfordert auch die Haltung, erst das Problem durchdringen zu wollen und bereit zu sein, Ideen anzupassen oder zu verwerfen. Dabei steht die Lösung immer im Mittelpunkt.
Design Thinking ist kein kreatives Allheilmittel und es ist sicher nicht für den Einsatz in jedem Arbeitsbereich der Sozialwirtschaft geeignet. Es erfordert personelle und zeitliche Ressourcen und muss sich außerdem an die jeweiligen Leitbilder und Konzepte der Organisationen anpassen lassen können.
Wenn das Design Thinking in einem passenden Arbeitsbereich konzeptionell etabliert ist, kann es bei dem strategischen Lösen von Problemen z. B. bei Angebots- und Projektentwicklung unterstützend wirken.
Zur Vertiefung:
- Beispiel für die Anwendung von Design Thinking in einem Projekt der Sozialen Arbeit inkl. Handbuch mit Praxistipps
- Literatur zu Design Thinking in der Sozialwirtschaft bei den socialnet Rezensionen