Künstliche Intelligenzen und die radikale Transformation der (Arbeits-)Welt
04.10.2023 Dr. Nicolaus Wilder
Inhalt- Was ist KI?
- Auswirkungen von KI auf das Sozial- und Gesundheitswesen
- Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von KI
2017 vergleicht Andrew Ng, einer der führenden Wissenschaftler*innen im Bereich
Künstliche Intelligenz (KI), die gesellschaftsverändernde Kraft von KI, mit derjenigen der Elektrizität.
Er glaubt, dass es keine Branche geben wird, die nicht in Zukunft von diesem Wandel betroffen sein wird. Nach weniger als sechs Jahren ist diese Zukunftsvision bereits Realität geworden, und der Wandel ist weitreichend. Er betrifft zweifelsfrei alle Branchen, auch das Sozial- und Gesundheitswesen, und vollzieht sich mit einer Geschwindigkeit, die im Grunde keine gesicherten Prognosen für die Zukunft mehr erlaubt. Das bedeutet – nicht nur, aber insbesondere – für Führungskräfte, Entscheidungen für die Zukunft unter noch größeren Unsicherheitsbedingungen treffen zu müssen. Solche Entscheidungen zu vertagen oder den Wandel zu ignorieren, ist zwar eine theoretische Option, verschließt jedoch die Möglichkeit, Potenziale zu nutzen.
Was ist KI?
Eine Bestimmung dessen, was unter der Bezeichnung Künstliche Intelligenz verstanden werden soll, ist hochgradig umstritten.
Eine sehr allgemeine Bestimmung und vielleicht das, was einem Konsens gegenwärtig am nächsten kommt, findet sich im aktuellen Entwurf des EU AI Acts Art. 3 Abs. 1.
Dort werden KI-Systeme definiert als Software, die auf bestimmten Techniken beruht, wie insb. dem Maschinellen Lernen, „und im Hinblick auf eine Reihe von Zielen, die vom Menschen festgelegt werden, Ergebnisse wie Inhalte, Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen hervorbringen kann, die das Umfeld beeinflussen, mit dem sie interagieren“.
Darunter fällt sehr viel, von Wortvorschlägen auf Handytastaturen über Empfehlungen bei Onlineshops oder Streamingangeboten bis hin zur automatisierten Auswertung von Mammografien in der Krebsdiagnostik.
Auswirkungen von KI auf das Sozial- und Gesundheitswesen
Bislang zeigen sich hier deutliche Unterschiede: Während im Gesundheitswesen große Geldmengen in die Entwicklung und Implementation KI-gestützter Verfahren investiert werden, ist KI im Sozialwesen häufig allenfalls ein Randphänomen wie in der Sozialen Arbeit oder wird nahezu vollständig ignoriert, wie z. B. im Bereich frühkindlicher Bildung. Dieses Gefälle ist nachvollziehbar in Hinblick auf die Herausforderungen im Sozialwesen. Dennoch erscheint es nicht nur theoretisch unbegründet, sondern auch problematisch, weil große Potenziale zur Lösung eben jener Herausforderungen ungenutzt bleiben. Das illustriert exemplarisch ein Blick auf die Transformation der branchenübergreifenden, fundamentalen und durchaus zeitaufwendigen Praktik des Schreibens. KI-gestützt können beispielsweise
- E-Mails/Briefe/Aushänge schneller verfasst, gelesen und analysiert,
- Sitzungen unmittelbar protokolliert und zusammengefasst,
- Dokumentationen erstellt oder
- Texte in Echtzeit übersetzt werden;
Prozesse, die auch z. B. im Arbeitsalltag von Kitas stattfinden, und dort Ressourcen freisetzen könnten für die unmittelbare Arbeit am Kind.
Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von KI
Dabei markiert das Beispiel des Schreibens lediglich einen minimalen Ausschnitt aus den Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz, die sich, um nur einige Beispiele zu nennen, über die Felder
- Diagnostik,
- prädiktive Analysen,
- Erstellung individualisierter Behandlungspläne oder Zielvereinbarungen,
- Risikoeinschätzungen,
- Monitoring,
- Marktanalysen,
- beratende und therapeutische Unterstützung,
- Kommunikationshilfen oder
- die Erstellung individualisierter Bildungsangebote
erstrecken.
Zudem wird unter der Bezeichnung „Artificial Leadership“ diskutiert, ob nicht gerade bei Führungsentscheidungen, die häufig unter der Berücksichtigung großer Datenmengen und unter großer Unsicherheit getroffen werden müssen, KI eine Unterstützung sein kann und zu „besseren“ Entscheidungen führt.
Was es benötigt, ist eine offene, aber kritische Haltung gegenüber diesen disruptiven Technologien. KI-Technologie wird bleiben, sich weiterentwickeln und eine Vielzahl an Arbeitsprozessen transformieren. Will man nicht getrieben werden von diesen Entwicklungen, ist eine kritisch-differenzierte und reflexive Auseinandersetzung mit dieser Technologie erforderlich, um sowohl die Chancen als auch Risiken zu erkennen. Nur so kann eine Implementation KI-gestützter Systeme in die Praxis erfolgen, die im Dienst der Menschen steht, um die es in der Sozialwirtschaft geht.
Autor
Dr. Nicolaus Wilder
Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Allgemeine Pädagogik der Christian-Albrechts-Universität Kiel
Mitglied im Kernteam des Virtuellen Kompetenzzentrums Schreiben Lehren und Lernen mit KI (VK:KIWA)