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Vereinsrecht

Mittelverwendung im Ausland

09.02.2023    Dr. Rafael Hörmann und Josef Renner, LL.B.

Inhalt
  1. Aktivitäten gemeinnütziger Körperschaften im Ausland
  2. Unmittelbare (Selbst-)Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland
  3. Weitergabe von Mitteln an ausländische Körperschaften
  4. Förderkörperschaft für ausländische Körperschaften
  5. Vermögensausstattung
  6. Dokumentations- und Kontrollpflichten
  7. „Spiel über die Bande“ über juristische Personen des öffentlichen Rechts und kirchliche Einrichtungen
  8. Fazit

Krisen treffen in der Regel die Ärmsten. Neben den Leiden vieler Menschen aufgrund der zahlreichen Konflikte in der Dritten Welt rückt das Elend infolge des Ukrainekrieges aktuell wieder nach Europa und damit in unsere Nähe. Viele Akteure der Sozialwirtschaft fragen sich, nicht erst seit dem Ukrainekrieg, wie sie ihre Mittel, sei es Knowhow, Personal oder finanzielle Unterstützung, auch im Ausland einsetzen dürfen. Wie kann sich also eine in Deutschland ansässige gemeinnützige Körperschaft für die Menschen, die unter dem Ukrainekrieg leiden, einsetzen?

Im Folgenden werden hierzu kurz die Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts zu den verschiedenen Möglichkeiten eines Engagements im Ausland dargestellt.

Aktivitäten gemeinnütziger Körperschaften im Ausland

Die Aktivitäten und mithin die Mittelverwendung gemeinnütziger Körperschaften müssen aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht nicht an der Staatsgrenze der Bundesrepublik Deutschland enden.  Viel mehr können steuerbegünstigte Körperschaften ihre satzungsgemäßen Zwecke auch außerhalb des Staatsgebietes der Bundesrepublik Deutschland verwirklichen.

Sei es durch:

  • eigene Projekte;
  • die Unterstützung von Projekten anderer Rechtsträger;
  • die Gründung weiterer Rechtsträger bzw. auch Tochtergesellschaften;
  • die Mittelweitergabe an andere Rechtsträger.

Hierbei können grundsätzlich alle gemeinnützigen Zwecke - mit Ausnahme gemeinnütziger Zwecke mit explizitem Inlandsbezug wie z.B. die die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 NNr. 24 AO) - auch im Ausland umgesetzt werden.

Unmittelbare (Selbst-)Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland

Das Gemeinnützigkeitsrecht sieht grundsätzlich eine unmittelbare Zweckverwirklichung der jeweiligen steuerbegünstigten Zwecke durch die gemeinnützige Körperschaft selbst vor (§ 57 Abs. 1 Satz 1 AO). Allerdings kann die gemeinnützige Körperschaft auch sog. Hilfspersonen einschalten (§ 57 Abs. 1 Satz 2 AO). Dabei muss das Wirken der Hilfsperson nach den Umständen des Falls, insbesondere nach den rechtlichen und tatsächlichen Beziehungen, als eigenes Wirken der gemeinnützigen Körperschaft anzusehen sein. Dies kann im Widerspruch zur Rechtslage des Ziellandes stehen, wenn diese den Einfluss ausländischer Organisationen einschränkt.

Weitergabe von Mitteln an ausländische Körperschaften

Alternativ können gemeinnützige Körperschaften auch einer anderen, ebenfalls gemeinnützigen Körperschaft ihre Mittel zur Verwendung zu steuerbegünstigten Zwecken zur Verfügung stellen (§ 58 Nr. 1 Satz 1 AO). Es handelt sich hierbei um eine Ausnahme vom Grundsatz der Unmittelbarkeit.

Hat die geförderte Organisation ihren Sitz im Ausland, so muss die geförderte Organisation eine Körperschaft oder juristische Person des öffentlichen Rechts sein. Hier ist im Einzelfall ein Rechtsvergleich durchzuführen (LfSt Bayern, Verfügung betr. Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland vom 9.8.2021, S 0170.1.1-3/7 St31, Abschnitt 1.2.2. = DStR 2021, 2975; FM Sachsen-Anhalt, Erlass betr. Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland vom 1. März 2022, 42-S 0170-220, Abschnitt 2.2. = DStR 2022, 887. Zum Rechtsformvergleich können die Tabellen 1 und 2 im Anhang des BMF-Schreibens v. 24.12.1999 (BStBl. I 1999, 1076, BeckVerw 027468) herangezogen werden). Nach neuer Auffassung der Finanzverwaltung ist eine Zweckidentität zwischen hingebender und empfangender Körperschaft nicht mehr erforderlich (Ziffer 3 AEAO zu § 58 Nr. 1 AO).

Förderkörperschaft für ausländische Körperschaften

Eine weitere Möglichkeit ist das Auftreten als Förderkörperschaft. Hierbei übt die Körperschaft neben der Förderung anderer Körperschaften keine eigene unmittelbare Zweckverfolgung durch eigene operative Tätigkeiten aus. Es handelt sich folglich um eine Durchbrechung des Unmittelbarkeitskriteriums.

Dafür muss die Mittelbeschaffung selbst sowie ein zu fördernder steuerbegünstigter Zweck in der Satzung verankert sein (§ 58 Satz 1 Nr. 1 Satz 4 AO). Die konkreten Empfängerkörperschaften müssen hingegen nicht in der Satzung der Körperschaft aufgeführt werden (Ziffer 3 AEAO zu § 58 Nr. 1 AO).

Vermögensausstattung

Darüber hinaus können die Körperschaften ihre Überschüsse aus der Vermögensverwaltung, Gewinne aus den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben sowie den Zweckbetrieben, ganz oder teilweise und darüber bis zu 15 % ihrer sonstigen zeitnah zu verwendenden Mittel, einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, zur Vermögensausstattung zuwenden (§ 58 Nr. 3 AO).

Dokumentations- und Kontrollpflichten

Eine Tätigkeit im Ausland zieht jedoch erhöhte Dokumentations- und Nachweispflichten mit sich (§ 90 Abs. 2 AO). Als Teil der tatsächlichen Geschäftsführung (§ 63 AO) muss die Tätigkeit im Ausland hinreichend dokumentiert werden. Denn auch Jahre nach der Auslandstätigkeit muss die im Ausland tätige deutsche Körperschaft gegenüber dem Finanzamt die Einhaltung aller Bedingungen der Gemeinnützigkeit lückenlos nachweisen können. Dazu sollte bereits während der Auslandstätigkeit eine laufende Dokumentation der Tätigkeiten erfolgen. Hierfür können insbesondere folgende Unterlagen dienen (LfSt Bayern, Verfügung betr. Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland vom 9.8.2021, Ziffer 1.2.4. = DStR 2021, 2975; FM Sachsen-Anhalt, Erlass betr. Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland vom 1. März 2022, 42-S 0170-220, Abschnitt 2.3. = DStR 2022, 887):

  • Im Zusammenhang mit der Mittelverwendung abgeschlossene Verträge und entsprechende Vorgänge;
  • Belege über den Abfluss der Mittel in das Ausland und Bestätigungen des Zahlungsempfängers über den Erhalt der Mittel;
  • ­Ausführliche Tätigkeitsbeschreibungen der im Ausland entfalteten Aktivitäten;
  • Material über die getätigten Projekte, z. B. Prospekte, Presseveröffentlichungen;
  • ­Gutachten eines Wirtschaftsprüfers u. Ä. bei großen oder andauernden Projekten;
  • ­Zuwendungsbescheide ausländischer Behörden, wenn die Maßnahmen dort durch Zuschüsse u. Ä. gefördert werden;
  • ­Bestätigungen einer deutschen Auslandsvertretung, dass die behaupteten Projekte durchgeführt werden.

Gemeinnützige Körperschaften sollten hier nach dem Motto „better safe, than sorry“ vorgehen. Denn Lücken in der Dokumentation gehen zu Lasten der deutschen Körperschaft. Die deutsche Körperschaft kann sich insbesondere nicht darauf berufen, dass ein im Ausland ansässiger Vertragspartner keine Dokumentation beibringt, wenn in den Vereinbarungen keine harten Dokumentations- und Nachweispflichten vereinbart sind (LfSt Bayern, Verfügung betr. Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland vom 9.8.2021, Ziffer 1.2.3. = DStR 2021, 2975; FM Sachsen-Anhalt, Erlass betr. Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke im Ausland vom 1. März 2022, 42-S 0170-220, Abschnitt 2.3. = DStR 2022, 887). Demnach sollten gemeinnützige Körperschaften stets hinreichende Dokumentations- und Nachweispflichten vereinbaren.

„Spiel über die Bande“ über juristische Personen des öffentlichen Rechts und kirchliche Einrichtungen

Gemeinnützige Körperschaften können auch das erhöhte Vertrauen in öffentlich-rechtliche Rechtsträger nutzen, indem sie öffentlich-rechtliche Rechtsträger in ihre geplanten Vorhaben involvieren. In Betracht kommen hier zum Beispiel Gemeinden, Ministerien oder auch kirchliche Rechtsträger wie Pfarrkirchenstiftungen oder Diözesen.

Eine inländische juristische Person des öffentlichen Rechts kann beispielsweise zwischen der mittelzuwendenden inländischen und der mittelempfangenden ausländischen Körperschaft als Mittelsperson fungieren.

Auch sind für den Verwendungsnachweis in besonderem Maße Bescheinigungen kirchlicher Stellen geeignet. Es bietet sich demzufolge an, deutsche Auslandsvertretungen, ausländische staatliche Stellen oder auch kirchliche Stellen in Projekte einzubinden.

Fazit

Ob die Auslandstätigkeit einer steuerbegünstigten Organisation nebenbei oder als Kern des Organisationsauftrags erfolgt, kann dahinstehen. In beiden Fällen sind die komplexen Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts zu beachten. Der Beitrag zeigt vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei stellt die Steuerbegünstigung nur einen Aspekt erfolgreicher Auslandstätigkeit dar. Als weitere Aspekte denke man z.B. an kulturelle Unterschiede, andere Rechtssysteme, diffizile Sicherheitslagen oder Währungsrisiken.

Weiterführende Informationen:

Mittelverwendung im Ausland | Mittelweitergabe, Projekttätigkeit uvw. | Vereinsrecht.de

Autoren

Dr. Rafael Hörmann
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht
Josef Renner, LL.B.
Steuerjurist

Campbell Hörmann Rechtsanwälte & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB      
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