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Nachhaltigkeit

Nachhaltiger Führen - mehr als Kosmetik

05.05.2023    Prof. Dr. Armin Schneider

Inhalt
  1. Rahmenbedingungen und Haltungen müssen verändert werden
  2. Mehrebenenansatz
  3. Ganz konkrete Beispiele für die Umsetzung in allen Feldern
  4. Schritte in die richtige Richtung

Ein paar LED-Lampen mehr oder einige Dienstreisen weniger werden für eine soziale, ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit nicht ausreichen. Angesichts dessen, dass wir alle (wenn wir ein Einkommen von über 1.200 € monatlich haben) zu den 10 % derer gehören, die für über 50 % der weltweiten Emissionen verantwortlich sind, sind hier ein Umdenken und ein weitaus größeres Engagement gefordert. Der Anspruch eine absolute Nachhaltigkeit erreichen zu wollen, ist ein zu hohes Ziel: denn was auch immer wir tun, alles hat Auswirkungen auf unsere gesellschaftliche und ökologische Umwelt. Für ein Mehr an Nachhaltigkeit sind Führungskräfte ein wichtiger Hebel.

Daher gilt es, Prämissen für eine nachhaltigere Führung und ein nachhaltigeres Management zu finden in dem Bewusstsein, hierbei jeweils den „State of the Art“ der Wissenschaft zu berücksichtigen und nachhaltiger zu handeln.

Rahmenbedingungen und Haltungen müssen verändert werden

Klar müssen sich die Rahmenbedingungen in politischer und gesellschaftlicher Hinsicht ändern.
Aber darauf zu warten und das eigene Handeln von Veränderungen der Rahmenbedingungen
abhängig zu machen, ist zu wenig. Genau wie auch das eigene Handeln Grenzen hat und nicht fehlende Rahmenbedingungen ersetzen kann. An erster Stelle scheint es daher bedeutsam zu sein, dass eine Nachhaltigkeit aus Sicht von Führungskräften gerade in der Sozialwirtschaft einerseits unerlässlich ist, andererseits immer auch einen Preis hat.

Die Rede ist hier von Tradeoffs: Ich kann z. B. im Einkauf auf ökologische und soziale Standards in den Lieferketten achten (und muss dies in Zukunft auch stärker tun), dies verursacht aber ggf. höhere Kosten oder aber eine Umstellung der eigenen und der Ansprüche der Mitarbeitenden und der Klientinnen und Klienten. Führungskräfte können nicht einfach nur die nachhaltige Perspektive zu den anderen Perspektiven der Wirtschaftlichkeit, der Wirksamkeit und der Gemeinwohlorientierung hinzufügen. Sie müssen vielmehr mit den Konflikten und mit der Widersprüchlichkeit unterschiedlicher Prämissen umgehen, sie aushalten und nach Lösungen suchen. Nachhaltigkeit verlangt, wenn sie denn umgesetzt werden soll, in Richtung einer „nachhaltigeren Führung“, dass damit auch positive Botschaften verbunden sind und nicht nur ein Weniger oder ein Verzicht. Diese Verhaltensänderung muss von Führungskräften getragen und umgesetzt werden.

Mehrebenenansatz

Nachhaltigere Führung bedarf der gesetzlichen Rahmenbedingungen auf der Makroebene. Es darf nicht länger der Fall sein, dass Unternehmen Nachteile haben, wenn sie stärker in Nachhaltigkeit investieren. Auf der Mesoebene in den Strukturen und Prozessen des Unternehmens muss Nachhaltigkeit eine mess- und steuerbare Größe sein. Schließlich ist auf der Mikroebene im Handeln der einzelnen Führungskräfte darauf zu achten, dass Nachhaltigkeit im Tagesablauf, in den Führungsinstrumenten, in allen Bereichen ankommt und nachvollziehbar gelebt wird. Die unterschiedlichen Ebenen müssen schließlich zusammen ein nachhaltiges Leitbild umsetzen und sich gegenseitig ergänzen. Dabei sind auch jeweils die anderen Ebenen mitzudenken, beispielsweise sollten Unternehmen auch auf die Rahmenbedingungen politischer Art über ihre Verbände und Zusammenschlüsse wirken.

Ganz konkrete Beispiele für die Umsetzung in allen Feldern

Grundsätzlich sind alle Felder eines Sozialunternehmens von A wie Ausschreibung, Ausbildung und Abfall bis Z wie Zukunftsstrategien von einer Nachhaltigkeit betroffen bzw. diese Dimension hier einzubeziehen. Hier daher nur einige Beispiele, die zumindest einmal mit reflexiven Fragen beginnen:

  • Beschaffungswesen: Wo und an welcher Stelle werden bei Ausschreibungen und bei der Beschaffung Vergleichsrechnungen zu unterschiedlichen ökologischen und sozialen Fußabdrücken für eine Entscheidung zugrunde gelegt?
  • Personalentwicklung: Welche Haltungen von Mitarbeitenden gegenüber Nachhaltigkeit werden gefördert?
  • Energiemanagement: Wo kann nicht nur Energie eingespart werden, sondern wo können erneuerbare Energien gefördert werden?
  • Gebäudemanagement: Wie können Altbauten mit altem Inventar, mit guten Ideen unter Aufwendung weniger Ressourcen umgestaltet werden?
  • Aufsicht und Kontrolle: Welche initiative Rolle müssen und sollen Aufsichtsräte für eine stärkere gesellschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit spielen?

Schritte in die richtige Richtung

Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit brauchen Ressourcen vor allem im Bereich von Zeit, von Räumen und Möglichkeiten. Je nach Umgebung und Situation bieten sich die folgenden Denkansätze an:

  • Nutzung und Weiterentwicklung persönlicher Kompetenzen der Führungskräfte.
  • Stabsstellen Nachhaltigkeit.
  • Zusammenwirken von Top Down und Bottom Up.
  • Vorbildfunktion gezielt nutzen.
  • Nudging: Anstöße schaffen für Verhaltensänderungen.
  • Umgang mit Regressionen.
  • Mit Projekten anfangen.
  • Erfolge messbar machen und feiern!

Weiterführende Literatur

Autor

Prof. Dr. Armin Schneider
Professor für Sozialmanagement und empirische Sozialforschung. Dekan des Fachbereichs Sozialwissenschaften der Hochschule Koblenz. Direktor des Instituts für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz (IBEB)