Politische Betätigungen gemeinnütziger Körperschaften
11.11.2021 Rafael Hörmann, Patrick Fischer
InhaltEinführung
Anstoß der bis jetzt andauernden Debatte über die Zulässigkeit politischer Betätigung war die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac. Derzeit ist noch eine Verfassungsbeschwerde des Attac-Trägervereins betreffend die politische Betätigung gemeinnütziger Körperschaften beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
Zuletzt sorgte die missglückte Aktion eines Greenpeace-Aktivisten vor dem Anstoß des EM-Vorrundenspiels in der Allianz-Arena (Gleitschirmflieger mit dem Banner „Kick out Oil“) für Aufsehen. Friedrich Merz regte hierbei die Prüfung der Gemeinnützigkeit des Greenpeace Deutschland e. V. an.
Das Thema politische Betätigung bleibt demnach auch weiterhin aktuell. Vielfach wollen gemeinnützige Körperschaften politische Statements setzen oder „nur“ ihre Haltung zu bestimmten Themen zeigen. Allerdings könnte auch die Verwendung der Regenbogenfarben – sei es im Real-Life oder in Social Media – oder die Verwendung von politischen Hashtags wie #metoo, #blacklivesmatter oder #stayonboard als politische Betätigung eingestuft werden.
Aktueller Handlungsrahmen
A. Zulässige politische Äußerungen
Eine zulässige politische Äußerung setzt nach Auffassung des BFH sowie der Finanzverwaltung voraus, dass
- „die Beschäftigung mit politischen Vorgängen im Rahmen dessen liegt, was das Eintreten für die satzungsmäßigen Ziele und deren Verwirklichung erfordert und zulässt,
- die von der Körperschaft zu ihren satzungsmäßigen Zielen vertretenen Auffassungen – trotz „zum Teil drastischer Sprechweise“ – objektiv und sachlich fundiert sind
- und die Körperschaft sich parteipolitisch neutral verhält.“
Die nach vorstehenden Voraussetzungen zulässigen politischen Äußerungen dürfen jedoch nicht die anderen Tätigkeiten der Körperschaft überwiegen.
B. Kritische Informationsarbeit
Die Äußerung politischer Standpunkte ist jedoch abzugrenzen von der kritischen Informations- sowie Diskussionsarbeit. So stellt das Nahebringen eigener Auffassungen gegenüber der Öffentlichkeit und Politikern durch kritische und öffentliche Information und Diskussion keine politische Einflussnahme und mithin keine politische Äußerung dar.
C. Politische Bildung
Ebenso sind politische Äußerungen von politischer Bildungsarbeit abzugrenzen. Denn politische Bildungsarbeit ist grundsätzlich eine gemeinnützige Zweckverfolgung im Sinne von § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO. Politische Bildungsarbeit ist jedoch nur insoweit zulässig, als sie sich auf folgende Inhalte beschränkt:
- Schaffung und Förderung politischer Wahrnehmungsfähigkeit und politischen Verantwortungsbewusstseins;
- Diskussion politischer Fragen „in geistiger Offenheit“. „Geistige Offenheit“ meint hierbei die offene Diskussion politischer Fragen. Eine Diskussion erfolgt hingegen nicht mehr in „geistiger Offenheit“, sofern die Diskussion auf eine Beeinflussung des Staatswillens durch die Einflussnahme auf Beschlüsse von Parlament und Regierung und mithin auf Macht gerichtet ist.
- Erarbeitung von Lösungsvorschlägen für Problemfelder der Tagespolitik.
Die Grenze zulässiger politischer Bildungsarbeit wird jedoch überschritten, sobald die entwickelten Ergebnisse durch Einflussnahme auf politische Willensbildung und öffentliche Meinung mittels weiterer Maßnahmen durchgesetzt werden sollen.
D. Zurechnung von Äußerungen
Ein Risiko für gemeinnützige Körperschaften im Bereich politischer Betätigung birgt die weitreichende Zurechnung der Tätigkeiten verschiedenster Personen. So ist gemeinnützigen Körperschaften grundsätzlich die Tätigkeit ihrer Organe, Hilfspersonen, Vertreter (auch Handlungs- oder Anscheinsvollmacht) sowie Erfüllungsgehilfen zuzurechnen. Auch werden kompetenzwidrige sowie gemeinnützigkeitsschädliche Tätigkeiten zugerechnet, sofern diese auf einem Organisationsverschulden beruhen.
Praxisempfehlungen
A. Prüfung der politischen Betätigungen
Gemeinnützige Körperschaften sollten ihre politischen Betätigungen daraufhin prüfen, ob die unter 2.1. dargestellten Voraussetzungen vorliegen. Insbesondere ist ein Bezug zum jeweiligen steuerbegünstigten Satzungszweck sicherzustellen.
Bei kritischer Informations- sowie Diskussionsarbeit bzw. politische Bildungsarbeit sollten gemeinnützige Körperschaften sicherstellen, dass keine Einflussnahme auf die politische Willensbildung und öffentliche Meinung erfolgt.
B. Code of Conduct
Grundsätzlich können unzulässige allgemeinpolitische Äußerungen sowie Verletzungen der Parteineutralität die Gemeinnützigkeit gefährden, sofern es sich nicht um Ausreißer handelt. Ob es sich hierbei nur um einen Ausreißer handelt, ist jedoch in der Praxis nur schwer nachweisbar und von der Finanzverwaltung leicht widerlegbar. Aus diesem Grunde sollten sich gemeinnützige Körperschaften einen Code of Conduct geben, der den Bereich politischer Betätigungen abschießend regelt. Mit einem solchen – auch tatsächlich gelebten – Code of Conduct kann u. E. rechtssicher und glaubhaft gegenüber der Finanzverwaltung dargestellt werden, dass eine problematische politische Äußerung nur ein „Ausreißer“ ist. Einen solchen Code of Conduct hat sich beispielsweise bereits die Klima Allianz Deutschland gegeben.
Hinweis: Ein Code of Conduct ist zwingender Bestandteil eines jeden sog. Tax-Compliance-Management-Systems. Verfügt eine gemeinnützige Körperschaft bereits über ein Tax-Compliance-Management-Systems, so ist dieses um einen Code of Conduct zu ergänzen.
Fazit
Mithilfe dieses ersten Überblicks über die Problemfelder der politischen Betätigung können Sie sich bereits an die Lösung der nachfolgend wiederholten Eingangsbeispiele wagen:
- Gleitschirmflieger mit dem Banner „Kick out Oil“ in der Allianz-Arena
- Verwendung der Regenbogenfarben (online oder offline)
- politische Hashtag wie #metoo, #blacklivesmatter oder #stayonboard
Hierbei könnten Ihnen folgende Fragen weiterhelfen: Handelt es sich hierbei schon um politische Betätigungen oder liegt noch eine kritische Informationsarbeit vor? Sind die Aktionen der jeweiligen gemeinnützigen Körperschaft zuzurechnen? Ist die jeweilige Äußerung vom gemeinnützigen Satzungszweck gedeckt?
Für eine vertiefte Auseinandersetzung empfehlen wir Ihnen die Lektüre des Beitrages Politische Äußerungen und Gemeinnützigkeitsrecht - Dürfen gemeinnützige Körperschaften am Christopher Street Day mit eigener politischer Aussage teilnehmen? von Patrick Fischer.
Autoren
Dr. Rafael Hörmann
Rechtsanwalt / Fachanwalt für Steuerrecht
Patrick Fischer
Rechtsanwalt / Steuerberater
beide
Campbell Hörmann Rechtsanwälte & Steuerberater Partnerschaftsgesellschaft mbB
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