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Social Media und Soziale Arbeit

22.11.2016    Benedikt Geyer

Liebe Leser_innen,

das kennen Sie vielleicht: Dokumentation von Fallverläufen, Fortschreibung von Hilfe- und Förderplänen, Protokolle von Sitzungen, Qualitätsmanagement, die tägliche E-Mail-Flut, die Erstellung von Flyern und Jahresberichten etc. pp. – Viele Fachkräfte im sozialen Sektor haben täglich mit digitalen Medien zu tun und sehen dies häufig eher als Notwendigkeit denn als echte Chance. Geht hierbei nicht unnötig Zeit für die eigentliche Arbeit mit Klient_innen verloren?

Meiner Beobachtung nach scheint es so, dass viele Sozialprofessionelle wenig Affinität zur Nutzung und Gestaltung digitaler Medien haben. Dem hier zu Grunde gelegten Medienbegriff ist impliziert, dass das eine nur im Analogen stattfindet und das andere im rein Digitalen verhaftet bleibt. Nun schon wieder jemand, der für den Einsatz von digitaler Kommunikation (auch via Social Media) wirbt?

Social Media ist weder auf Facebook (soziales Netzwerk), YouTube (Content Community), Wikipedia (Kollaborationsplattform) noch Blogs oder Podcasts beschränkt. Es sind jedoch genau solche Plattformen und Formate, die das, was wir heute unter Social Media fassen, greifbarer machen. Kurz gesagt geht es um neue(re) Formen der Kommunikation, des Austauschs und der Zusammenarbeit, sowie um die gemeinsame Erstellung von Inhalten, weg von klassischen Sender-Empfänger-Modellen.

Warum sollten wir den Bereich Social Media keinesfalls ignorieren – sondern offensiv(er) für uns und unsere Klientel nutzen?

  1. Unsere Klient_innen sind mobil (Smartphone)
  2. Unsere Klient_innen sind online (mobil und/oder Festnetz)
  3. Unsere Klient_innen kommunizieren auch online über diverse Kanäle, z.B. Chatten via WhatsApp
  4. Unsere Klient_innen nutzen das Netz zur Informationsbeschaffung und Unterhaltung
  5. Unser Kolleg_innen und Vorgesetzten, Netzwerkpartner_innen kommunizieren ebenfalls online und via Social Media
  6. und vieles mehr.

Mir sind insbesondere folgende Aspekte der Sozialen Arbeit wichtig, wenn wir über den Einsatz von Social Media im Sozialsektor sprechen:

Soziale Arbeit besteht aus und lebt von

  • Kommunikation
  • Erreichbarkeit
  • Bekanntheit
  • Förderung von Teilhabe
  • kooperativem und kollaborativem Arbeiten
  • Schaffen von Zugängen (via Gatekeeper)
  • Netzwerkarbeit
  • Beseitigung von Informationsdefiziten
  • Interdisziplinarität
  • und vielem mehr.

Bei dieser Aufzählung wird schnell ersichtlich, wo die Schnittmengen zwischen Sozialer Arbeit und der Nutzung von Social Media bestehen und wie ein echter Mehrwert für die Klient_innen geschaffen werden kann.

Die Frage, ob im sozialen Sektor auch Social Media gezielt genutzt werden sollte, ist damit obsolet: Eine Soziale Arbeit ohne Social Media ist in Teilen nicht nur „unsichtbar“, sie verpasst auch die einmalige Chance mit Klient_innen, Angehörigen, der Öffentlichkeit, weiteren Einrichtungen und Behörden netzwerkförmig und niedrigschwellig in Dialog zu treten. Dies geschieht freilich in vielen Bereichen auch schon analog und nicht für jede Einrichtung ist es zu jedem Zeitpunkt sinnvoll und machbar in Social Media zu investieren.

Selbstverständlich steht unsere Profession auch vor großen Herausforderungen in den Bereichen des Datenschutzes, der Transparenz und der Vermarktung unserer Inhalte durch die jeweiligen Plattformenanbieter.

Hieraus können verkürzt gesagt zwei Handlungsoptionen abgeleitet werden:

  1. Entweder verharren wir in einer Art „Schockstarre“, ignorieren die Möglichkeiten im Bereich der digitalen Kommunikation und rekurrieren auf sämtliche problematischen Aspekte.
  2. Oder wir nehmen die Herausforderung an, eignen uns neue Fähigkeiten im Umgang mit Medien an (Fort- und Weiterbildung, Verankerung im Curriculum) und konzentrieren uns auf die Generierung von echten Mehrwerten für unsere Klient_innen (Niedrigschwellige Zugänge, Informationsbereitstellung etc.) und unsere Einrichtungen (Fundraising, Sichtbarmachung, Öffentlichkeitsarbeit etc.)

Seien Sie neugierig auf die neuen Möglichkeiten, probieren Sie sich in Social Media aus und vor allem: beziehen Sie die Klient_innen, Mitarbeiter_innen und Stakeholder mit ein!

Ressourcen bei socialnet

  • Annika Busse, Malina Kruse-Wiegand: Wir machen dieses Social Media. O´Reilly Verlag GmbH & Co. KG 2013. ISBN 978-3-86899-976-1. Rezension lesen
  • Tanja Carstensen: Social Media in der Arbeitswelt. Herausforderungen für Beschäftigte und Mitbestimmung. transcript 2016. ISBN 978-3-8376-3408-2. Rezension lesen
  • Stefanie Aßmann, Stephan Röbbeln: Social Media für Unternehmen. Das Praxishandbuch für KMU. Galileo Press 2013. ISBN 978-3-8362-1977-8. Rezension lesen
  • Wolfgang Lietzau (Hrsg.): Praxishandbuch Social Media in Verbänden. businessFORUM 2011. ISBN 978-3-940060-04-4. Rezension lesen
  • Daniel Michelis, Thomas Schildhauer (Hrsg.): Social Media Handbuch. Theorien, Methoden, Modelle und Praxis. Nomos Verlagsgesellschaft 2015. ISBN 978-3-8487-2278-5. Rezension lesen
  • Philippe Wampfler: Generation „Social Media“. Wie digitale Kommunikation Leben, Beziehungen und Lernen Jugendlicher verändert. Vandenhoeck & Ruprecht 2014. ISBN 978-3-525-70168-3. Rezension lesen

Benedikt Geyer
Sozialarbeiter/Sozialpädagoge M.A.
Homepage www.benedikt-geyer.de
E-Mail benedikt.geyer@socialnet.de
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