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Vom Wert der Weiterbildung

27.02.2021    Christian Koch

Inhalt
  1. Mitarbeitergewinnung und -bindung
  2. Marktzugang
  3. Stand der Technik
  4. Risikomanagement und andere Managementansätze
  5. Strategie
  6. Kosten
  7. Den Nutzen der Weiterbildung steigern
  8. socialnet Kalender

Sie alle kennen zu genüge die Redewendungen vom erforderlichen lebenslangen Lernen in der Wissensgesellschaft und der sinkenden Halbwertszeit in unserer schnelllebigen Welt. Die Aussagen sind sicher nicht falsch, insbesondere mit Blick auf die fortschreitende Digitalisierung und weitere gesellschaftliche (Anpassungs-)Prozesse, aber durch zu häufigen Gebrauch im Marketing auch etwas "abgenutzt". In diesem Editorial soll es um eine differenziertere Betrachtung gehen, welchen konkreten Nutzen die betriebliche Fort- und Weiterbildung (im Folgenden vereinfachend "Weiterbildung") bei sinnvoller Gestaltung haben kann.

Mitarbeitergewinnung und -bindung

Schon der Ruf, dass ein Arbeitgeber großzügig in Weiterbildung investiert, kann wesentlicher Teil einer Arbeitgebermarke werden und Interesse bei Arbeitssuchenden wecken. Insbesondere BewerberInnen, die sich in Ihrem Beruf engagieren wollen, werden im Bewerbungsgespräch entsprechende Angebote erfreut zur Kenntnis nehmen oder sogar von sich aus nachfragen. Im Wettbewerb gerade um besonders engagierte MitarbeiterInnen ist dieser Aspekt nicht zu vernachlässigen.

Im bestehenden Beschäftigungsverhältnis gibt es vielfältige Wirkungen der Weiterbildung auf die Mitarbeiterbindung:

  • Bekommen alle MitarbeiterInnen einen großzügigen Zugang zu Weiterbildungsmöglichkeiten, kann dies als ein Zeichen von Wertschätzung verstanden werden. Dass sind Sie mir wert!
  • Sofern sich MitarbeiterInnen verändern wollen, werden sie durch Weiterbildungsangebote unterstützt und an das Unternehmen gebunden. Dabei können im Rahmen einer Entwicklungs- oder Karriereplanung andere fachliche Schwerpunkte angestrebt werden oder eine Qualifizierung für eine (höhere) Leitungsposition erfolgen. Bei einer umfangreicheren Bildungsmaßnahme kann die Bindung an das Unternehmen auch vertraglich unterstützt werden, indem die Kostenübernahme von dem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses für einen bestimmten Zeitraum abhängig gemacht wird.
  • Die Weiterbildung kann auch auf die konkrete Lebenssituation Bezug nehmen und die Arbeitsbelastung reduzieren helfen, z.B. durch spezielle Angebote für Menschen mit Migrationshintergrund, nach einer längeren Erkrankung, mit Kindern, mit zu pflegenden Angehörigen, ältere Mitarbeitende etc. Durch diese Unterstützung sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeitende durch Krankheit ausfallen oder auf Grund von Überforderung aus dem Beruf aussteigen. Auch der Umfang der Reduzierung der Arbeitszeit kann ggf. im Sinne des Arbeitgebers beeinflusst werden.
  • Schließlich kann ein Bildungsangebot auch ausdrücklich als Incentive angeboten werden oder so gestaltet werden, dass es zumindest deutlichen "Wohlfühlcharakter" hat. Hier sollte an die Außenwirkung gedacht werden: Kann die Art der Veranstaltung der Öffentlichkeit als angemessen vermittelt werden?

Marktzugang

Bei einem Teil der Weiterbildungsmaßnahmen gibt es rechtliche Vorschriften, die einer Organisation keine Wahl lassen, ob sie diese Maßnahmen durchführen, sondern nur bei welchem (zugelassenen) Anbieter sie sie durchführen. Rechtliche Grundlagen können sich beispielsweise

  • aus der Betriebszulassung und den damit verbundenen Vorschriften
  • aus einer Leistungs- und Qualitätsvereinbarung
  • aus einer Weiterbildungsverordnung für einen Berufsstand

ergeben.

Verstöße gegen die genannten Regelungen können zu Bußgeldern, gekürzten Leistungsabrechnungen oder im schlimmsten Fall zu einer Betriebsschließung führen.

Neben rechtlichen Restriktionen können auch die Erwartungen der MarktteilnehmerInnen zu einem Quasistandard führen. So sind zwar einige Berufsbezeichnungen, wie z.B. SupervisorIn, rechtlich nicht geschützt, aber informierte KundInnen werden Wert auf eine Mitgliedschaft in einem anerkannten Fachverband legen, die wiederum an qualifizierte Aus- und Weiterbildungen geknüpft sein kann.

Stand der Technik

Im Sinne von téchne (Kunstfertigkeit) ist hier der aktuelle Stand des Fachwissens und allgemein anerkannter, guter praktischer Übung gemeint. Unabhängig von besonderen gesetzlichen Regelungen wird jeder Betrieb Leistungen auf dem aktuellen Stand der Technik erbringen wollen und auf Grund allgemeiner Rechtsgrundlagen auch erbringen müssen, um Schadensersatzforderungen oder gar strafrechtlicher Verfolgung vorzubeugen. Da aber fachliche Standards sich laufend weiterentwickeln, gespeist von praktischen Erfahrungen sowie wissenschaftlichen Erkenntnissen, gibt es einen immerwährenden Bedarf zur Anpassung, der durch laufende fachliche Qualifizierung zu decken ist.

Dieser Fortbildungsbedarf im angestammten Beruf trifft zwar an erster Stelle alle Fachkräfte, vom Buchhalter bis zur Chefärztin. Jedoch auch Hilfskräfte sollten, zumindest wenn sie Dienstleistungen unmittelbar an Menschen erbringen, keinesfalls ausgenommen werden.

Risikomanagement und andere Managementansätze

Bei einigen Managementansätzen spielt Weiterbildung eine entscheidende Rolle.

  • Beim Risikomanagement können Weiterbildungen zur Risikoreduktion dienen, z.B. kann der Gefahr gewalttätiger Übergriffe von KlientInnen auf MitarbeiterInnen u.a. mit Deeskalationstraining begegnet werden. Auch dienen formale Qualifikationen zum Nachweis, dass ausreichend kompetentes Personal eingesetzt wurde.
  • Beim Qualitätsmanagement kann Weiterbildung zur Motivation und zur Befähigung zu regelkonformem Verhalten beitragen.
  • Corporate Compliance (rechtskonformes Verhalten einer Organisation) wird durch die Vermittlung von Rechtsnormen und ihrer praktischen Bedeutung im Betrieb gestärkt, z.B. im Rahmen einer Schulung zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
  • Nonprofit Governance (verantwortungsvolle Unternehmenssteuerung) bedarf einer regelmäßigen Qualifizierung auch von ehrenamtlichen FunktionsträgerInnen, z.B. von Aufsichtsratsmitgliedern, damit diese ihre Kontrollfunktionen angemessen ausüben können.

Strategie

Und schließlich als langfristig wichtigste Aufgabe bedürfen die Umsetzung von Strategien und die Erhaltung von Wettbewerbsvorteilen gezielter Investitionen in Weiterbildung.

Eine strategische Neuausrichtung einer Organisation, wie die Einführung neuer Angebote (z.B. ambulante statt stationäre Betreuung) oder neuer Methoden (z.B. smarte Technologien im ambulant betreuten Wohnen), verlangen von den Mitarbeitenden neue Qualifikationen. Auch an das Management werden veränderte Anforderungen gestellt. Eine Strategie wird nicht nur durch wollen erreicht, sondern können ist ebenso erforderlich.

Bei Dienstleistungen hängt die Qualität unmittelbar vom Handeln der Mitarbeitenden ab. Wenn ein Anbieter auf Grund der Qualität seiner Dienstleistungen einen Wettbewerbsvorteil, vielleicht sogar ein Alleinstellungsmerkmal, erlangt hat, sind strategisch relevante "Erhaltungsinvestitionen" erforderlich. Diese Wettbewerbsvorteile können z.B. auf dem fachkundigen Umgang mit bestimmten (seltenen) Krankheitsbildern, interkulturellen Kompetenzen oder einer besonderen, wertegeprägten Haltung der Mitarbeitenden beruhen. In allen Fällen werden diese Vorteile durch personelle Wechsel und ggf. "Abnutzung" in der täglichen Praxis verloren gehen, wenn nicht eine systematische Auffrischung und Weiterentwicklung im Rahmen der Weiterbildung erfolgt.

Kosten

In einer verkürzten Kosten-Nutzen-Rechnung könnte die ControllerIn den Seminargebühren die erwartete Ersparnis, z.B. an Arbeitszeit, gegenüber stellen. Dabei sind beide Seiten der Kosten-Nutzen-Rechnung deutlich komplexer.

Zu den Kosten gehören nicht nur Seminargebühren, ggf. Fahrt- und Übernachtungskosten sowie der Ausfall an Arbeitszeit im Betrieb, sondern auch kontraproduktive Effekte der Fortbildung. Dabei kann es sich z.B. um nicht erfolgreiche Verbesserungsvorschläge ("Das machen wir hier jetzt auch so!"), Demotivationseffekte ("Bei den anderen SeminarteilnehmerInnen ist im Betrieb alles viel besser!") oder im ungünstigsten Fall sogar Abwanderung handeln (Kennenlernen anderer Arbeitgeber über das Seminar, aus der aktuellen Stelle "heraus qualifiziert werden").

Das der Nutzen weit über eine unmittelbar berechenbare Kosteneinsparung hinausgeht, wurde bereits in den vorherigen Abschnitten dargelegt.

Den Nutzen der Weiterbildung steigern

Weiterbildung ist eine Investition, um künftig MitarbeiterInnen erfolgreicher zu gewinnen, zu halten, zu motivieren und zu befähigen. Durch sie sollen strategische Ziele erreicht, Kunden durch gute Qualität zufriedengestellt und rechtliche Risiken abgewehrt werden. Die abschließenden Empfehlungen sollen dabei helfen, größtmöglichen Nutzen aus der Weiterbildung zu ziehen.

  • Strategische Ausrichtung: Ein wesentlicher Teil der Weiterbildungsmaßnahmen sollte unmittelbar die aktuellen strategischen Ziele unterstützen.
  • Systematik: Stellenbeschreibungen sollten um Kompetenzprofile ergänzt werden, in denen sowohl langfristig erforderliche Basiskompetenzen als auch aktuelle Veränderungen der Anforderungen dokumentiert werden.
  • Individuelle Bedarfsanalyse: Auf der Grundlage von Kompetenzprofilen sollte – z.B. in Personalgesprächen – der individuelle Weiterbildungsbedarf ermittelt werden.
  • Commitment gewinnen: MitarbeiterInnen sollten von den persönlichen Vorteilen der gemeinsam vereinbarten Weiterbildungsplanung überzeugt sein.
  • Methodenvielfalt: Lernen findet nicht nur im Seminarraum statt. Es gilt Freiräume für neue Ideen zu schaffen, Projekte durchzuführen, befristete Arbeitsgruppen einzurichten, Traineeprogramme für neue MitarbeiterInnen anzubieten, befristeten Arbeitsplatztausch mit befreundeten Organisationen zu organisieren, Barcamps zu veranstalten, …
  • Praxistransfer: Während und nach jeder Maßnahme sollte gefragt werden, was sich davon in die Praxis umsetzen lässt. Dabei hilft ein kurzes Feedback von jeder Veranstaltung in der Teamsitzung.
  • Controlling: Jede Maßnahme sollte nicht nur unter Kostengesichtspunkten betrachtet werden, sondern auch eine Nutzeneinschätzung von MitarbeiterInnen und Vorgesetzten erfasst werden.

Zur Vertiefung finden Sie im socialnet Lexikon

socialnet Kalender

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