Abweichendes Verhalten
Prof. Dr. Nina Oelkers
veröffentlicht am 18.06.2019
Abweichendes oder deviantes Verhalten bezeichnet in der Regel Verhaltensweisen und Handlungen von Individuen und Gruppen, die sich mit Erwartungen, Normen, Normalitätsannahmen und Wertvorstellungen, die in einer Gesellschaft als richtig und erwünscht angesehen werden, nicht vereinbaren lassen. Abweichendes Verhalten wird auch als Devianz oder Abweichung gefasst.
Als abweichend bezeichnetes Verhalten oder Handeln stimmt nicht mit gesellschaftlich akzeptieren Handlungsweisen überein und ist folglich nur im Verhältnis zu den bestehenden sozialen Normen zu bestimmen. Das Gegenteil (norm-)abweichenden Verhaltens ist (norm-)konformes Verhalten bzw. Handeln.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Normalität und Abweichung
- 3 Gesellschaftliche Bedeutung von Abweichung
- 4 Abweichung wovon?
- 5 Abweichendes Verhalten als Gegenstand wissenschaftlicher Disziplinen
- 6 Erklärungsansätze abweichenden Verhaltens
- 7 Professionelle Bearbeitung abweichenden Verhaltens
- 8 Kritische Anmerkungen
- 9 Quellenangaben
- 10 Literaturhinweise
- 11 Informationen im Internet
1 Zusammenfassung
Wenn menschliches Verhalten als subjektiv sinnvoll betrachtet wird, wäre Handeln, und nicht Verhalten, der passendere Begriff. Aus der Kategorie des subjektiv sinnhaften Verhaltens oder sozialen Handelns lässt sich eine Unterkategorie herausgreifen, die als abweichendes Verhalten bzw. Handeln bezeichnet wird. Innerhalb dieser Unterkategorie abweichenden Verhaltens oder Handelns ist kriminelles Verhalten oder Handeln ein Teilbereich, der sich auf den Bruch strafrechtlich kodifizierter Normen bezieht.
2 Normalität und Abweichung
Im Alltagsverständnis ist Normalität ein selten hinterfragtes Deutungsmuster. Erst die Abweichung von der sogenannten Normalität lässt abweichendes Verhalten oder Handeln in das Bewusstsein treten. Unhinterfragt und selbstverständlich wird im Alltag davon ausgegangen, dass normale Handlungsweisen oder Personen von solchen unterschieden werden können, die in irgendeiner Weise abweichend z.B. außergewöhnlich, unpassend, störend oder irritierend sind (Stehr 2006, S. 130 f.). Normalität und Abweichung werden folglich als Gegensätze betrachtet. Aus diesem Verständnis resultiert die Annahme, dass Abweichung als Merkmal oder Eigenschaft bestimmter Menschen und ihrer Handlungen deutlich feststellbar sei. Die Konsequenz daraus ist die problematische Vorstellung einer Zweiteilung von Menschen in „normale“ Menschen, die dem wie auch immer festgelegten Standard der Normtreue entsprechen und dem „Abweichler“ oder der „Abweichlerin“, der oder die wahlweise als „kriminell“, „gewaltbereit“, „verrückt“, „krank“, „pervers“, „unmoralisch“, „behindert“, „hilfsbedürftig“, „asozial“, „verwahrlost“ u.v.m. bezeichnet wird (ebd., S. 130). Die Bezeichnung einer Person oder ihres Verhaltens als abweichend ist regelmäßig mit einem Werturteil und mit Stigmatisierungs- oder sogar Kriminalisierungsprozessen verbunden. Die Stigmatisierungen können sich z.B. auf „abweichende“ Eigenschaften oder Merkmale wie Geschlecht, Hautfarbe, Kleidung, Behinderung bzw. Verhaltensweisen wie sexuelle, politische, religiöse oder kulturelle Orientierungen und Praktiken beziehen.
3 Gesellschaftliche Bedeutung von Abweichung
Abweichendes Verhalten oder Handeln ist in vielerlei Hinsicht gesellschaftlich nützlich und notwendig, denn ohne Abweichung von üblichen und bekannten Verhaltensweisen ist keine Weiterentwicklung einer Gesellschaft möglich. So wären wissenschaftliche, technische, künstlerische und soziale Innovationen bei absoluter Verhaltenskonformität nicht denk- und umsetzbar. Aber auch als sozialschädlich bewertetes, abweichendes Verhalten oder Handeln, wie z.B. Kriminalität, hat eine gesellschaftliche Funktion: Normalität gilt als „Kitt“ der Gesellschaft, denn die Vorstellung von geteilten Werten und Normen hat eine soziale Integrationsfunktion, die durch eine gewisse Quote an Abweichung erst wahrnehmbar, bestätigt und gestärkt wird (Durkheim 1973). Allerdings führt in diesem Gesellschaftsmodell eine zu hohe Quote an Abweichung, Pluralismus, sozialem Wandel und Differenzierung zu Normlosigkeit (Anomie), die wiederum als schädlich für eine Gesellschaft gilt (Bettmer 2005; ausführlich Böhnisch 2005). Um eine zu hohe Abweichungsquote zu verhindern, werden gesellschaftliche Praktiken der Normanpassung oder Normalisierung entwickelt und eingesetzt, wie z.B. soziale Kontrolle und Sanktionierung, aber auch Sozialisation und Erziehung, die die bestehenden Normen und Werte durchsetzen und festigen sollen. Ansatzpunkt für die Normalisierungspraktiken ist die Unterscheidung von konformem und abweichendem Verhalten einerseits sowie von akzeptierter bzw. geduldeter und nicht akzeptabler bzw. duldbarer Abweichung andererseits.
4 Abweichung wovon?
Abweichendes Verhalten bezieht sich auf menschliche Verhaltensweisen oder Handlungen, die als irritierend, problematisch oder sogar gesellschaftlich unerträglich eingestuft werden. In dieser unkritischen und verkürzten Perspektive gelten Personen und Handlungsweisen als abweichend, wenn diese nicht den gesellschaftlichen Normalitätsvorstellungen von richtigem, vernünftigem, erwünschtem bzw. normtreuem Verhalten entsprechen. Gesellschaftliche Normen werden als fraglos gegeben gesetzt, sodass abweichendes Verhalten immer als eine Fehlanpassung gedeutet wird, die nicht mit dem Normsystem konform geht.
Normen und Normalitätsvorstellungen sind allerdings historisch, kulturell und sozial veränderlich. Es ist zum Teil auch nicht klar geregelt was wann abweichend oder konform ist, sodass die normativen Grenzziehungen unscharf sind. Abweichung ist zudem in hohem Maße von den Normsetzungen und -durchsetzungen dominanter gesellschaftlicher Gruppen abhängig. Es besteht ein breiter Toleranzbereich, Verhaltensweisen und Handlungen nach Einzelfall und Situation unterschiedlich zu bewerten (Dollinger und Raithel 2006, S. 11). Würden dagegen empirisch vorfindbare, statistische Abweichungsquoten für die Bestimmung von Normalität herangezogen werden, dann wären einige Abweichungen normal, weil sie gesellschaftlich weit verbreitet sind. Es stellt sich folglich eher die Frage, unter welchen Bedingungen, wie und warum jemand abweicht, sowie wer warum befugt ist, Abweichung zuzuschreiben.
Das Problem der Trennschärfe und Flexibilität wird auch in der Differenzierung von Devianzarten und -feldern nach Dollinger und Raithel (ebd., S. 13) aufgegriffen. Unterschieden werden konventionelles, provozierendes und problematisches abweichendes Verhalten bzw. Devianz.
4.1 Konventionelles abweichendes Verhalten oder konventionelle Devianz
Verhaltensweisen gelten als konventionelle Devianz, die an der Grenze zwischen Konformität und Devianz angesiedelt und damit aus der Normalisierungsperspektive eher unspektakulär sind (ebd., S. 12). Zu diesem Bereich gehören auch wissenschaftliche, technische, künstlerische und soziale Innovationen, die in Bezug auf geltende (Geschmacks-)Normen und Verhaltenserwartungen abweichend sind.
4.2 Provozierendes abweichendes Verhalten oder provozierende Devianz
Normverletzendes Verhalten wird als provozierende Devianz bezeichnet, wenn es auf Missbilligung stößt, ohne grundsätzlich kriminell zu sein (ebd., S. 12). Es geht dabei um Verhaltensweisen die unerwünscht sind, aber in der Regel nicht formell sanktioniert, also geduldet werden (z.B. Unhöflichkeit). Allerdings können provozierend deviante Handlungen, wie ungebührliches Verhalten, sehr wohl informell sanktioniert werden, wie z.B. durch soziale Ächtung oder Antipathie.
4.3 Problematisches abweichendes Verhalten oder problematische Devianz
Abweichendes Verhalten, das nicht nur provoziert, sondern darüber hinaus auch als Problem anerkannt ist, gilt als problematische Devianz. Hier geht es um unerwünschtes, nicht tolerierbares Verhalten, das spezielle Gegenmaßnahmen zur Behebung oder Regulation, wie z.B. bei Drogenkonsum, hervorruft und zu deren Institutionalisierung führt (ebd., S. 12). Kriminalität ist ein Beispiel für problematische Devianz und stellt eine klar umrissene Art von Abweichung dar: Hier geht es um Verhalten, das gegen strafrechtlich kodifizierte Normen verstößt. Darüber hinaus gibt es Devianzarten, die nicht als kriminell, wohl aber als problematisch kategorisiert werden, wie z.B. Sucht, Krankheit, Behinderung, Arbeitslosigkeit.
5 Abweichendes Verhalten als Gegenstand wissenschaftlicher Disziplinen
Abweichendes Verhalten ist aus soziologischer Perspektive eine Unterkategorie all jener menschlichen Verhaltensweisen, die mit einem subjektiven Sinn verbunden sind, sodass das Verhalten zum Handeln wird (Lamnek 2013, S. 15). Bezieht sich dieses Handeln auf andere Menschen, dann geht es um soziales Handeln, das es zu verstehen und zu erklären gilt. Wenn also von abweichendem Verhalten die Rede ist, steht soziales Handeln im Fokus, welches subjektiv sinnhaft erfolgt und sich direkt oder indirekt auf andere Menschen bezieht (ebd.).
Gleichzeitig wird kriminelles oder delinquentes Verhalten bzw. Handeln als Unterkategorie dem abweichenden Verhalten bzw. Handeln zugeordnet und damit vom konformen Verhalten bzw. Handeln unterschieden. Die kodifizierten Normen des Strafrechts sind der Maßstab für abweichendes Verhalten oder Handeln im Sinne von Kriminalität oder Delinquenz. Mit der Bezeichnung Kriminalität kommt zudem eine eindeutige Missbilligung zum Ausdruck, die sich in der Regel auf Rechtsverletzung durch Erwachsene bezieht. Der Begriff Delinquenz verweist auf eine eher differenziertere Betrachtung mit der z.B. die Normverstöße Jugendlicher als Spezialfälle von abweichendem Verhalten bezeichnet werden (Peuckert 2001, S. 416; Bettmer 2005, S. 1).
Abweichendes Verhalten oder Handeln ist Gegenstand unterschiedlicher Professionen und wissenschaftlicher Disziplinen. Kriminologie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik, (Neuro-)Biologie, Medizin und Soziale Arbeit sind nur einige disziplinäre Wissenssysteme, die sich mit Abweichung befassen. Je nach erkenntnistheoretischer Ausrichtung geht es in den wissenschaftlichen Disziplinen um das Erklären und/oder Verstehen von abweichendem Verhalten oder Handeln (Kunz 2004, S. 5–14). Eine weitere Facette ist die praktische Anwendbarkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum abweichenden Verhalten im Sinne der Vermeidung und Bearbeitung abweichenden Verhaltens oder Handelns. Es geht dabei um die Fragen:
- Warum verhält bzw. handelt jemand abweichend und wird er oder sie in Zukunft wieder abweichen? Es geht folglich um professionelle Diagnosen und Prognosen hinsichtlich abweichenden Verhaltens.
- Wie kann Abweichung und zu welchem Zeitpunkt verhindert werden? Es geht folglich um professionelle Ansätze zur Prävention und Intervention abweichenden Verhaltens.
6 Erklärungsansätze abweichenden Verhaltens
In sogenannten Kriminalitätstheorien finden sich Ansätze, um (norm-)abweichendes Verhalten zu erklären (Lamnek 2013). Die Erklärungsansätze unterscheiden sich nach den jeweiligen disziplinären Zugängen wie z.B. Kriminologie, Soziologie, Psychologie, Pädagogik, (Neuro-)Biologie, Medizin und Soziale Arbeit. Die in Kriminalitätstheorien aufgestellten theoretischen Überlegungen haben ein unterschiedliches Erklärungspotenzial und werden in der Regel in empirischen Studien überprüft. Gleichzeitig sind die aufgestellten Erklärungsansätze abhängig von gesellschaftlichen Wert- und Moralvorstellungen, sind also zeit- und ortsabhängig. Unterschiedliche Ansatzpunkte werden zum Ausgangspunkt für die Erklärung von abweichendem Verhalten aufgegriffen. Je nach Erklärungsansatz gilt abweichendes Verhalten bzw. Handeln
- als Missverhältnis zwischen kulturellen bzw. ökonomischen Zielen und gegebenen Möglichkeiten der Zielerreichung. Kriminalität entsteht z.B. gemäß der Anomietheorien insbesondere als Folge des Drucks, der von der Ungleichverteilung der sozioökonomischen Ressourcen in der Gesellschaft ausgeht;
- als Ergebnis der biologischen Beschaffenheit eines Menschen. Moderne Theorien, z.B. biosoziale Theorien, gehen von einem Zusammenspiel von biologischen und sozialen Faktoren bei der Entstehung abweichenden Verhaltens aus;
- als Ergebnis eines spezifischen Entwicklungsprozesses im Lebenslauf. Sogenannte Entwicklungstheorien, haben z.B. gemeinsam, dass sie Kriminalität und deren Ursache prozesshaft, und nicht als einzelne Ereignisse sehen;
- als Ausdruck einer gesellschaftlichen Ungleichheit bzw. der ungleich verteilten Macht und Herrschaft. Herrschafts- oder gesellschaftskritische Theorien gehen davon aus, dass sowohl Kriminalität wie auch Prozesse der Kriminalisierung Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnissen sind bzw. auf eine Ungleichverteilung von Ressourcen zurückzuführen sind (z.B. Labeling-Theorien, Etikettierungsansätze sowie marxistische und feministische Kriminalitätstheorien);
- als Resultat fehlender innerer oder äußerer Kontrolle und Bindung. Kontrolltheorien versuchen nicht deviantes Verhalten, sondern konformes zu erklären (z.B. Bindungstheorien oder die General Theory of Crime);
- als emotionsbetonte Aktivität (Kultur bzw. Emotion oder Situation). Die hier ansetzenden Kriminalitätstheorien verstehen kriminelles Verhalten als eine lustbetonte Aktivität, deren Sinnhaftigkeit und Bedeutung sich aus der konkreten Handlungssituation erklären lässt (z.B. die Cultural Criminology);
- als Ergebnis von Sanktionierung. Sanktionierungstheorien sind Weiterentwicklungen aus den Labeling-Theorien und gehen davon aus, dass Strafe in unterschiedlichen Kontexten verschiedene Wirkungen haben kann (z.B. Defiance Theory);,
- als Ergebnis von Lernprozessen (Lernen bzw. Subkultur). Lerntheorien gehen davon aus, dass sowohl abweichende wie auch konforme Verhaltensweisen in Interaktionen mit anderen Gesellschaftsmitgliedern erlernt werden (z.B. Theorie der differentiellen Assoziation, Theorie des sozialen Lernens, Subkulturtheorie, Theorie der differentiellen Gelegenheiten, Neutralisierungsthese);
- als Ergebnis von rationalen Kosten-Nutzen-Kalkulationen (Rational Choice). Die in der Kriminologie angewandte Version der Rational Choice Theory versteht Kriminalität als Folge individuellen rationalen Abwägens zwischen dem erwarteten Nutzen und den erwarteten Kosten der kriminellen Handlung;
- als Ergebnis von Gelegenheit oder sozialer Desorganisation. Die Kernthese von Theorien der sozialen Desorganisation, auch soziale Raumtheorien genannt, geht davon aus, dass bestimmte Umgebungen abweichendes Verhalten fördern (z.B. der Broken Windows-Ansatz).
7 Professionelle Bearbeitung abweichenden Verhaltens
Es kann zusammengefasst werden, dass die professionelle Bearbeitung abweichenden Verhaltens bzw. Handelns im Sinne der Diagnose und Prognose sowie der Prävention und Intervention z.B. in die Bereiche der Psychologie, Psychiatrie, Pädagogik und Sozialen Arbeit fällt. Auf problematisches abweichendes Verhalten bzw. Handeln (problematische Devianz) – um die oben genannten Devianzarten nochmals aufzugreifen – wird mit speziellen Maßnahmen zur Behebung oder Regulation reagiert. In der Regel sind dies Abweichungen, die gesellschaftlich als soziale Probleme anerkannt sind und zu deren Regulation personenbezogene soziale Dienstleistung vorgehalten werden wie Beratung, Unterstützung und Therapie.
8 Kritische Anmerkungen
Die Bestimmung von abweichendem und konformem Verhalten erfolgt über das Konzept der Norm, im Sinne einer Steuerung sozialer Interaktionen (Popitz 1980). Die Definition von abweichendem Verhalten über soziale Normen und Normalitätsvorstellungen ist jedoch mit Referenzproblemen verbunden: Ein Verhaltensmuster kann je Bezugsgruppe sowohl als abweichend wie auch als konform definiert werden, denn mit Blick auf ganze Gesellschaften, aber auch schon auf kleinere gesellschaftliche Einheiten (z.B. Gemeinschaften), kann nicht von einem einheitlichen normativen Bezugsrahmen ausgegangen werden. Die Definition und Durchsetzung von Normen und Normalitätsvorstellungen in einer Gesellschaft hat folglich auch immer etwas mit (Deutungs-)Macht gesellschaftlicher Gruppen zu tun.
Was in einer Gesellschaft als abweichendes Verhalten oder sogar als kriminelles Verhalten bestimmt wird, also als Verstoß gegen Verhaltensforderungen (Normen) mit unterschiedlicher Verbindlichkeit, ist historisch wandelbar und gesellschaftlich konstruiert. Die Verbindlichkeit der Verhaltensforderung variiert von Sitten und Gebräuchen, zu gesellschaftlichen Regeln bis zu im Strafrecht kodifizierten Normen.
Mit Blick auf die unterschiedlichen Devianzarten wird deutlich, dass abweichendes Verhalten oder Handeln und die daraus abgeleiteten Handlungsbedarfe im Zusammenhang mit den bestehenden sozialen Normen zu betrachten sind. Eine wesentliche Unterscheidung richtet sich auf informelle Normen wie Sitten und Gebräuche, sowie auf formal kodifizierte Normen wie etwa Gesetze. „Das Maß an Verbindlichkeit, das den Normen zugesprochen wird, drückt sich im Grad ihrer Institutionalisierung und in der Härte der negativen Sanktionen aus, die im Falle einer entdeckten Normverletzung angewendet werden. Normen sind folglich von unterschiedlichem Gewicht, haben differierende Geltungsbereiche und sind historischem Wandel unterworfen“ (Plewig 2008, S. 222). Abweichendes Verhalten oder Handeln bleibt – insbesondere jenseits von strafrechtlich relevanter Normabweichung – ein mehrfach unklarer Interventionsanlass.
9 Quellenangaben
Bettmer, Franz, 2005. Abweichung und Normalität. In: Hans-Uwe Otto und Hans Thiersch, Hrsg. Handbuch Sozialarbeit, Sozialpädagogik. 3. Auflage. München: Ernst Reinhardt Verlag, S. 1–6. ISBN 978-3-497-01817-8 [Rezension bei socialnet]
Böhnisch, Lothar, 2005. Lebensbewältigung: Ein sozialpolitisch inspiriertes Paradigma für die Soziale Arbeit. In: Werner Thole, Hrsg. Grundriss Soziale Arbeit. 2.überarbeitete und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Opladen, S. 199–214. ISBN 978-3-531-14832-8
Dollinger, Bernd, 2010. Ansatzpunkte eines reflexiven Begriffs von Jugendkriminalität: Eine kulturtheoretische Annäherung. In: Bernd Dollinger und Henning Schmidt-Semisch, Hrsg. Handbuch Jugendkriminalität: Kriminologie und Sozialpädagogik im Dialog. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 173–186. ISBN 978-3-531-16067-2 [Rezension bei socialnet]
Dollinger, Bernd und Jürgen Raithel, 2006. Einführung in die Theorien abweichenden Verhaltens: Perspektiven, Erklärungen und Interventionen. Weinheim und Basel: Beltz Verlag. ISBN 978-3-407-25424-5
Durkheim, Emile, 1973. Der Selbstmord. Neuwied: Luchterhand. ISBN 978-3-472-72032-4
Kunz, Karl-Ludwig, 2004. Kriminologie. 4. Auflage. Stuttgart: Haupt Verlag. ISBN 978-3-258-06361-4
Lamnek, Siegfried, 2013. Theorien abweichenden Verhaltens I: „Klassische“ Ansätze. 9. Auflage. München: Wilhelm Fink Verlag. ISBN 978-3-8252-3935-0
Peuckert, Rüdiger, 2001. Abweichendes Verhalten. In: Bernhard Schäfers, Hrsg. Grundbegriffe der Soziologie. 7., durchgesehene Auflage. Opladen: Leske und Budrich, S. 416–419. ISBN 978-3-8100-0600-4
Plewig, Hans-Joachim, 2008. Devianz und Delinquenz. In: Thomas Coelen und Hans-Uwe Otto, Hrsg. Grundbegriffe Ganztagsbildung: Das Handbuch. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 222–231. ISBN 978-3-531-15367-4 [Rezension bei socialnet]
Popitz, Heinrich, 1980. Die normative Konstruktion von Gesellschaft. Tübingen: J.C.B. Mohr. ISBN 978-3-16-543151-3
Stehr, Johannes, 2006. Normalität und Abweichung. In: Albert Scherr, Hrsg. Soziologische Basics: Eine Einführung für Pädagogen und Pädagoginnen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 130–134. ISBN 978-3-531-14621-8
10 Literaturhinweise
Bettmer, Franz, 2005. Abweichung und Normalität. In: Hans-Uwe Otto und Hans Thiersch, Hrsg. Handbuch Sozialarbeit/ Sozialpädagogik. 3. Auflage. München: Ernst Reinhardt Verlag, S. 1–6. ISBN 978-3-4970-1817-8
Lamnek, Siegfried, 2013. Theorien abweichenden Verhaltens I: „Klassische“ Ansätze. 9. Auflage. München: Wilhelm Fink Verlag. ISBN 978-3-8252-3935-0
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2019.
Abweichendes Verhalten [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 18.06.2019 [Zugriff am: 13.09.2024].
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