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Adoptionsstudien

Dr. Kerstin Haury

veröffentlicht am 06.12.2024

Synonym: Adoptivstudien

Englisch: adoption studies

Adoptionsstudien werden zum einen mit dem Ziel durchgeführt, Adoptierte und ihre Entwicklung besser zu verstehen. Zum anderen werden Adoptionsstudien als ein Untersuchungsdesign eingesetzt, um allgemein den Einfluss von Vererbung und Umweltfaktoren auf die Entwicklung verschiedener Fähigkeiten und Eigenschaften beim Menschen zu untersuchen.

Überblick

  1. 1 Untersuchungsfokus Adoptierte und ihre Entwicklung
  2. 2 Untersuchungsfokus Einfluss von Anlage und Umwelt
  3. 3 Literaturhinweise

1 Untersuchungsfokus Adoptierte und ihre Entwicklung

Adoptionsstudien untersuchen, ob adoptierte Kinder und Erwachsene sich in der Ausprägung spezifischer Eigenschaften, Fähigkeiten, Verhaltensauffälligkeiten und psychischer Erkrankungen von nicht-adoptierten Kindern unterscheiden. Zur Untersuchung der Entwicklungsverläufe von Adoptivkindern werden oftmals Gruppen adoptierter Kinder mit Gruppen nicht-adoptierter Kinder in verschiedenen Aspekten miteinander verglichen.

Ebenfalls von wissenschaftlichem Interesse ist es, welche Umweltfaktoren eine erfolgreiche Entwicklung von Adoptivkindern begünstigen oder erschweren. Besonders der Beitrag der Adoptivfamilie bzw. der Adoptiveltern zur Entwicklung der adoptierten Kinder steht dabei seit einigen Jahren im Fokus. So konnte zum Beispiel gezeigt werden, dass spezifische Elterntrainings die Entwicklungsmöglichkeiten der adoptierten Kinder deutlich steigern können.

2 Untersuchungsfokus Einfluss von Anlage und Umwelt

Mithilfe von Adoptionsstudien können im Rahmen der Entwicklungspsychologie Fragen zur Vererbung (Anlage) und Aneignung (Umwelt) verschiedener Verhaltensweisen und Persönlichkeitseigenschaften, aber auch psychischer Störungen untersucht werden. Häufig geht es dabei um die Frage, welchen Einfluss das genetische Erbe und welchen Einfluss Umweltfaktoren auf die Ausprägung einer Eigenschaft oder Verhaltensweise haben.

Zu diesem Zweck können zum Beispiel Kinder, die in einer Adoptivfamilie aufgewachsen sind, mit biologischen Geschwisterkindern, die in der Herkunftsfamilie aufgewachsen sind, hinsichtlich der interessierenden Merkmale verglichen werden.

Eine andere Variante ist der Vergleich von Adoptivkindern mit biologisch nicht verwandten Geschwisterkindern in der Adoptivfamilie sowie mit biologisch verwandten Geschwisterkindern in der Herkunftsfamilie. Dadurch kann ermittelt werden, ob es eine stärkere Ähnlichkeit in der Ausprägung der interessierenden Aspekte zwischen den Kindern gibt, die gemeinsam in der gleichen Familie aufgewachsen sind (Umwelt), oder zwischen den Kindern, die biologisch miteinander verwandt sind (Anlage).

Möglich ist auch ein Vergleich der Adoptierten mit ihren leiblichen Eltern und ihren Adoptiveltern. Ähneln sie in der untersuchten Eigenschaft eher den biologischen Eltern, spricht dies für einen hohen Vererbungsanteil, ähneln sie stärker den Adoptiveltern, spricht dies für einen hohen Umwelt-Anteil an der Ausprägung des Merkmals. Bei der Interpretation von Studienergebnissen sollte berücksichtigt werden, dass eine Verzerrung dadurch entstehen kann, dass Adoptivfamilien in der Regel sorgfältig ausgewählte, vorher auf ihre Eignung hin geprüfte Familien sind, die dadurch eine homogenere Gruppe bilden als biologische Familien. Diese im Vergleich zu biologischen Familien höhere Homogenität der Adoptivfamilien-Gruppe kann dazu führen, dass die Korrelationen zwischen Kind und Adoptivfamilie statistisch geringer ausfallen und dadurch der Umweltanteil an der Ausprägung eines psychologischen Merkmals unterschätzt wird.

3 Literaturhinweise

Bovenschen, Ina, Fabienne Hornfeck, Janin Zimmermann, Annabel Zwönitzer und Heinz Kindler, 2018. Gelingende und nicht gelingende Adoptionen: Eine Zusammenfassung internationaler Forschungsbefunde. München: Deutsches Jugendinstitut e.V. ISBN 978-3-86379-275-6

Lohaus, Arnold und Vierhaus, Marc, 2019. Entwicklungspsychologie des Kindes- und Jugendalters für Bachelor. 4. Auflage. München: Springer. ISBN 978-3-662-59191-8

Verfasst von
Dr. Kerstin Haury
Diplom-Psychologin. Nach mehrjähriger wissenschaftlicher Tätigkeit am Psychologischen Institut der Technischen Universität Darmstadt arbeitet sie heute in eigener Praxis mit den Schwerpunkten Adoptiv- und Pflegekinder sowie Belastung und Stress.
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Lothar Böhnisch, Heide Funk: Verantwortung - Soziologische und pädagogische Perspektiven. transcript (Bielefeld) 2023.
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