Alltagsbegleiterin, Alltagsbegleiter
Jun.-Prof. Dr. Daniela Schmitz, Jan-Hendrik Ortloff
veröffentlicht am 23.04.2025
Alltagsbegleiter:innen helfen Menschen mit Unterstützungsbedarf bei der Verrichtung alltäglicher Tätigkeiten im Haushalt oder in einer Pflegeeinrichtung.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Bezeichnungen
- 3 Berufsfelder und Tätigkeiten
- 4 Zugangsvoraussetzungen
- 5 Ausbildungsinhalt und -ablauf
- 6 Berufsrecht
- 7 Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt
- 8 Geschichtliche Entwicklung
- 9 Quellenangaben
1 Zusammenfassung
Alltagsbegleiter:innen helfen Menschen, die in ihrem Alltag Unterstützung brauchen. Sie kümmern sich zum Beispiel um ältere Menschen sowie Menschen mit Demenz, psychischen Problemen oder einer Behinderung. Dabei unterstützen sie bei alltäglichen Verrichtungen, wie zum Beispiel Essen, Anziehen, Haushalt oder Einkaufen sowie durch Begleitung bei Terminen und gemeinsame Freizeitaktivitäten. Die Begleitung kann im Haushalt der betroffenen Person oder in einer Pflegeeinrichtung stattfinden (Bundesagentur für Arbeit 2024).
2 Bezeichnungen
Je nach Lehrgangsträger erhalten die Ausgebildeten nach ihrem Abschluss unterschiedliche Bezeichnungen:
- Alltagsbegleiter:in,
- Alltagsbetreuer:in,
- Betreuungsassistent:in,
- Betreuungskraft bzw. Betreuungskraft für Demenzkranke oder
- Senioren-Assistent:in.
Auch im Berufsalltag werden neben der Bezeichnung Alltagsbegleiter:in je nach Kontext, Bundesland oder Einrichtung andere Bezeichnungen verwendet (Döbler 2009, S. 73):
- zusätzliche Betreuungskräfte,
- Seniorenassistent:innen,
- Senior:innenbegleiter:innen oder
- Betreuungsassistent:innen.
Wichtig ist die Abgrenzung von Personen, die eine Ausbildung zur Alltagsbegleitung absolviert haben, zu Personen, die niedrigschwellige Betreuungsangebote im Rahmen eines bürgerschaftlichen Engagements (Ehrenamtliche) ausüben.
3 Berufsfelder und Tätigkeiten
Das Berufsfeld der Alltagsbegleitung umfasst Aufgaben der Betreuung sowie Assistenz von Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen. Dabei wird mit Haushaltsgegenständen, Unterhaltungsmedien und auch notwendigen Medizinprodukten für die begleitete Person hantiert.
Greb-Kohlstedt et al. (2015) teilen die Tätigkeitsbereiche wie folgt ein:
- Miteinander umgehen: Dieser Tätigkeitsbereich beinhaltet die Kommunikation mit den begleiteten Personen, den Aufbau von Beziehungen sowie den Umgang mit körperlichen Einschränkungen des Sehens, Hörens und Sprechens.
- Alltag begleiten: Dies umfasst alltagsstrukturierende Maßnahmen wie Aufstehen und Zubettgehen, die Einnahme sowie Vor- und Nachbereitung von Mahlzeiten, Aktivitäts- und Ruhezeiten, Besuchszeiten, Feste, Feierlichkeiten im Jahresturnus, Einhaltung der Wochentage, alltägliche oder bestimmte Rituale sowie feste Termine. Für Aktivierungen und Gestaltung von (Gruppen-)Angeboten braucht es dafür entsprechendes Material, welches auch für die Biografiearbeit mit Betroffenen eingesetzt werden kann.
- Alltagsbegleitung und Hygiene: Dies umfasst den hygienischen Umgang im Kontakt mit den begleiteten Personen, eigene Hände- und Körperhygiene sowie einen hygienischen Umgang mit Gegenständen.
- zusätzliche pflegehelferische Qualifikationen: Alltagsbegleiter:innen können weitere Aufgaben wie die Begleitung von Patient:innen zu Untersuchungen und Behandlungen sowie die Unterstützung der Pflegekräfte bei der Durchführung ärztlich verordneter Maßnahmen oder der Grundpflege und Mobilisation übernehmen, wenn sie über diese Qualifizierung verfügen. Die alleinige Durchführung von Grund- oder Behandlungspflege ist nicht erlaubt. Die Zusammenarbeit mit Pflegekräften sollte von einem regelmäßigen Austausch von Informationen über die begleitete Person gekennzeichnet sein.
- Alltagsbegleitung planen und dokumentieren: Ein Betreuungskonzept mit einzelnen Aktivitäten oder Wochenpläne können erstellt werden. Durchgeführte Tätigkeiten werden entsprechend den Zielsetzungen und Anforderungen an die Dokumentation festgehalten.
- Selbstpflege: Dies umfasst Strategien zum Umgang mit Belastungen und Stress, Maßnahmen zum Vorbeugen von Burn-out und der Prävention eines Helfersyndroms, um Ansätze für eine stressfreie Begleitung zu entwickeln.
Alltagsbegleitung schließt demnach die Tätigkeitslücke zwischen Hauswirtschaft und Pflege. Die Tätigkeit kann über ambulante Betreuungsdienste bei den betroffenen Personen zu Hause, in Einrichtungen der Tages- oder Kurzzeitpflege oder in stationären Pflegeeinrichtungen ausgeübt werden.
4 Zugangsvoraussetzungen
Grundsätzlich gibt es keine bestimmte Vorbildung, die Ausbildungsinteressierte nachweisen müssen. Für die Qualifizierung nach §§ 43b, 53b SGB XI (Sozialgesetzbuch Elftes Buch) sind keine speziellen Vorkenntnisse oder Abschlüsse erforderlich, weshalb sich diese Weiterbildung auch für einen beruflichen Quereinstieg eignet. Formale Nachweise als Zugang zur Ausbildung sind das Führungszeugnis, ein absolvierter Erste-Hilfe-Lehrgang und eine attestierte gesundheitliche Eignung. Es können jedoch eigene Zugangskriterien der Bildungsanbieter dazu kommen, die eine berufliche Vorbildung oder einschlägige berufliche Erfahrungen vorsehen. Je nach Anbieter sind formelle Vorgaben vorhanden, die ein Mindestalter von 16 bzw. 18 Jahren und eine gesundheitliche Eignung (körperlich und geistig) voraussetzen.
Als persönliche Voraussetzungen werden zudem soziale Kompetenzen wie eine ausgeprägte Kommunikationsfähigkeit, Teamfähigkeit sowie Freude und Bereitschaft im Umgang mit pflege- oder hilfsbedürftigen Personen genannt (Bundesagentur für Arbeit 2024). Maßgebend sollten persönliches Interesse an der Arbeit mit älteren Menschen sowie die Fähigkeiten sein, einfühlsame Gespräche führen zu können, geduldig aufzutreten wie auch Wünsche und Bedürfnisse der begleiteten Person zu berücksichtigen. Wichtig ist ein Verständnis für die Äußerungen der betreuten Person und ein eigenes Ausdrucksvermögen, um Gespräche mit den begleiteten Personen und ihren Angehörigen führen zu können (Bundesagentur für Arbeit 2024).
Aufgrund körperlicher Anforderungen sollten eine gute Belastbarkeit und ein guter Gesundheitszustand gegeben sein. Daneben braucht es alltagspraktische Fähigkeiten, zum Beispiel zum Planen von Aktivitäten oder Zubereiten, Servieren und Abräumen von Speisen.
5 Ausbildungsinhalt und -ablauf
Die Ausbildung ist nicht bundeseinheitlich geregelt, da je nach Lehrgangsträger sowohl die Zugangsvoraussetzungen als auch die Dauer und die Lehr-Lernformate im Rahmen der Ausbildung sowie die Abschlussbezeichnungen variieren können. Die Ausbildung umfasst insgesamt 160 Unterrichtsstunden, dazu ein zweiwöchiges Praktikum in einer Pflegeeinrichtung sowie zum Teil ein fünftägiges Orientierungspraktikum vor der Ausbildung. Der Abschluss der Ausbildung ist die Voraussetzung zur Ausübung der Tätigkeit Alltagsbegleitung. Nach der Ausbildung ist einmal jährlich die Teilnahme an einer zweitägigen Fortbildung vorgesehen.
Ein beispielhafter Aufbau der Ausbildung lässt sich wie folgt darstellen (Bundesagentur für Arbeit 2024):
- Basiswissen zur Betreuungsarbeit: 100 Unterrichtsstunden theoretisches Wissen und praktische Übungen; dazu werden folgende Lerninhalte vermittelt, die je nach Lehrgangsanbieter anders benannt, systematisiert und gewichtet sein können (Werner 2016):
- Grundlagen der Betreuung, Rolle der Alltagsbegleitung, Beobachtungsfähigkeit sowie Kommunikation und Interaktion,
- Kenntnisse über ausgewählte Krankheitsbilder, wie zum Beispiel Demenz, Parkinson, Depression, Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Suchterkrankungen,
- Wissen und Methoden zur Aktivierung und Freizeitgestaltung,
- rechtliche und ethische Grundlagen im Rahmen der Alltagsbegleitung, wie zum Beispiel Umgang mit sensiblen Informationen sowie Förderung der Würde und Autonomie der begleiteten Personen,
- Wissen zur Ernährung, Gesundheit und Haushaltsführung,
- Umgang mit schwierigen Situationen und Erste-Hilfe,
- Reflexion der eigenen Arbeitsweisen sowie Zusammenarbeit mit Angehörigen und Pflegefachkräften.
- Betreuungspraktikum: 2 Wochen in einer Pflegeeinrichtung zur praktischen und angeleiteten Mitarbeit, zur Schulung von Verantwortungsbewusstsein, Empathie und Kommunikationskompetenzen im Umgang mit den begleiteten Personen sowie dem Aufbau von professioneller Distanz
- Vertiefende Inhalte zur Betreuungsarbeit: 60 Unterrichtsstunden theoretisches Wissen und praktische Übungen aus den oben aufgelisteten Lerninhalten
6 Berufsrecht
Die Grundsätze der Arbeit und die Aufgaben der zusätzlichen Betreuungskräfte sind in § 53b SGB XI geregelt. Die darin enthaltenen Richtlinien werden vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen festgelegt und vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt. Laut den Richtlinien sind Betreuungskräfte in der stationären Altenhilfe verpflichtet, sich jährlich für 16 Stunden fortzubilden.
7 Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt
Mit der steigenden Anzahl an pflege- und hilfsbedürftigen Menschen steigt auch die Nachfrage nach zusätzlichen Betreuungskräften. Das Bundesministerium für Gesundheit verweist auf mehr als 52.000 Frauen und Männer, die als zusätzliche Betreuungskräfte für eine Verbesserung im Pflegealltag eingesetzt sind (Bundesministerium für Gesundheit 2025).
Zusätzliche Betreuungskräfte und Alltagsbegleiter:innen sind keine Pflegekräfte. Da Maßnahmen der Behandlungspflege ausschließlich qualifizierten Pflegekräften vorbehalten sind, dürfen Alltagsbegleiter:innen nicht in regelmäßige oder planmäßige körperbezogene Pflegemaßnahmen oder hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden werden. Die Verantwortung für die Einhaltung dieser Vorgaben liegt gemäß § 71 Abs. 3 SGB XI bei der zuständigen Pflegefachkraft.
Die Aufgaben von Alltagsbegleiter:innen umfassen Betreuungs- und Aktivierungsmaßnahmen, die darauf abzielen, das Wohlbefinden, den körperlichen Zustand und die psychische Stimmung der betreuten Personen positiv zu fördern. Entsprechend den Aufgabenfeldern können Betreuungskräfte und Alltagsbegleiter:innen Gesundheitsfachkräfte (Sozialarbeiter:innen, Therapeut:innen, Pflegefachkräfte etc.) bei der Versorgung und Tagesstrukturierung unterstützen, in Absprache mit dem jeweiligen Pflege- bzw. Sozialdienst jedoch auch eigene Angebote unterbreiten.
Die Bundesagentur für Arbeit (2024) verweist auf ein monatliches Bruttoentgelt für Betreuungskräfte/Alltagsbegleiter:innen von durchschnittlich 2791 €.
8 Geschichtliche Entwicklung
Mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz wurden Mitte 2008 die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung für Menschen mit Demenz, geistiger Behinderung oder psychischen Störungen erweitert.
Bis Ende 2014 konnten vollstationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) für Personen mit hohem Beaufsichtigungs- und Betreuungsbedarf zusätzliches Betreuungspersonal einstellen und die entsprechenden Zuschläge abrechnen. Ab 2013 galt dies auch für teilstationäre Einrichtungen wie Tages- und Nachtpflege, die ebenfalls zusätzliche Betreuungskräfte mit Refinanzierung durch die Pflegekassen einsetzen konnten.
2015 wurde der Anspruch auf zusätzliche Betreuung auf alle Bewohner und Tagesgäste in Pflegeeinrichtungen ausgeweitet. Seit 2017 haben Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen gemäß § 43b SGB XI Anspruch auf zusätzliche Betreuung und Aktivierung, die über die notwendige Pflege hinausgeht. Es gelten die entsprechenden Regelungen der §§ 84 Abs. 8 und 85 Abs. 8 SGB XI. Diese Bestimmungen ersetzen die bis Ende 2016 geltende Regelung des § 87b SGB XI a.F.
9 Quellenangaben
Bundesagentur für Arbeit, 2024. Betreuungskraft/​ Alltagsbegleiter/in: Ausbildungsberuf [online]. Nürnberg: Bundesagentur für Arbeit (BA) [Zugriff am: 10.12.2024]. Verfügbar unter: https://web.arbeitsagentur.de/berufenet/​beruf/9066
Bundesministerium für Gesundheit, 2025. Zusätzliche Betreuungskräfte [online]. Bonn: Bundesministerium für Gesundheit (BMG), 13.01.2025 [Zugriff am: 03.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/​pflege/​pflegekraefte/​zusaetzliche-betreuungskraefte.html
Döbler, Joachim, 2009. Von Beruf „Alltagsbegleiter“ – Neue Wege in der stationären Versorgung Demenzerkrankter [online]. In: ambet e.V., Hrsg. Demenz – Assistenz für einen gelingenden Alltag. Braunschweig: ambet e.V., S. 57–82 [Zugriff am: 14.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.doebler-online.de/pdf/assistenz_beruf.pdf
GKV-Spitzenverband, 2022. Richtlinien nach § 53b SGB XI zur Qualifikation und zu den Aufgaben von zusätzlichen Betreuungskräften in stationären Pflegeeinrichtungen (Betreuungskräfte-RL) vom 19. August 2008 zuletzt geändert durch Beschluss vom 21. Oktober 2022 [online]. Berlin: GKV-Spitzenverband [Zugriff am: 03.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/​dokumente/​pflegeversicherung/​beratung_und_betreuung/​betreuungskraefte/​20221121_Richtlinien_nach_53b_SGB_XI_Betreuungskraefte-RL_nach_Genehmigung_BMG.pdf
GKV-Spitzenverband, 2022. Zusätzliche Betreuungskräfte [online]. Berlin: GKV-Spitzenverband [Zugriff am: 03.04.2025]. Verfügbar unter: https://www.gkv-spitzenverband.de/pflegeversicherung/​beratung_und_betreuung/​betreuungskraefte_nach_87_b_sgb_xi/​betreuungskraefte_nach_87_b_sgb_xi.jsp
Greb-Kohlstedt, Bettina, Bettina Wichers, Sylke Werner, Marion van der Pütten, Thomas Dörflinger und Kerstin Becker, 2015. Pflege direkt. Alltagsbegleitung. Betreuung von Menschen mit Demenz. Braunschweig: Westermann Schulbuchverlag. ISBN 978-3-14-231219-4
Werner, Sylke, 2016. Alltagsbegleiter Notes: Das Kurznachschlagewerk für die Begleitung alter Menschen. Bern: Hogrefe. ISBN 978-3-456-85654-4
Verfasst von
Jun.-Prof. Dr. Daniela Schmitz
Dipl.-Päd., Juniorprofessur für Innovative und Digitale Lehr- und Lernformen in der Multiprofessionellen Gesundheitsversorgung an der Universität Witten/Herdecke
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Jan-Hendrik Ortloff
Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Innovative und digitale Lehr- und Lernformen in der multiprofessionellen Gesundheitsversorgung, Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit, Department für Humanmedizin
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