Altersbildung
Prof. Dr. Julia Steinfort-Diedenhofen
veröffentlicht am 12.12.2023
Mit dem Begriff Altersbildung werden vielfältige Lern- und Bildungsansätze sowie die damit verbundenen Konzepte und Settings bezeichnet, die sich auf spezifische Lern- und Bildungsanlässe des Alters beziehen.
Überblick
1 Begriffsklärung
Der Begriff Altersbildung wird nicht einheitlich verwendet und findet in vielfältigen Handlungsfeldern statt, wie der offenen Altenarbeit/der stationären Altenhilfe oder der Erwachsenenbildung und der Familienbildung. Bildungsprozesse sind hier in die jeweils handlungsfeldspezifischen Konzepte und Ansätze integriert – ihnen gemeinsam ist die Förderung der Kompetenzentwicklung und Begleitung der Lernanlässe in den höchst heterogenen Lebenssituationen des späteren Erwachsenenalters bis hin zum hohen Alter. Die Begriffe Altenbildung, Alternsbildung und Geragogik werden in der Praxis weitestgehend analog verwendet. Gleichzeitig verweisen sie auf eine historische Entwicklung, die sich in drei Stadien skizzieren lässt:
- Im Jahr 1983 legt Elisabeth Bubolz-Lutz eine erste Veröffentlichung zu „Bildung im Alter“ vor. In diesem Grundlagenwerk werden in einem interdisziplinären Blick verschiedene Ansätze systematisiert und ein eigenständiger geragogischer Diskurs in Deutschland eröffnet (Bubolz-Lutz 1983).
- 2010 erscheint das „Lehrbuch Geragogik“ (im Jahr 2022 in 2., erw. Auflage), in dem Bildung und Lernen im Prozess des Alterns, u.a. im Hinblick auf leitende Konzepte und Methoden gebündelt werden. Bildung im und für das Alter(n) wird hier als Teil eines auf einen speziellen Lebensabschnitt gerichteten Konzepts „lebensbegleitenden Lernens“ aufgefasst (Bubolz-Lutz et al. 2022).
- Die fortschreitende Vielfalt von Handlungsansätzen und Methoden wird 2018 im Handbuch „Alter(n), Lernen, Bildung“ (Schramek et al. 2018) sowie 2022 in der Veröffentlichung „Diversität der Altersbildung“ (Schramek et al. 2022) zusammengeführt.
Was sich in der Entwicklung zeigt: Von den zunächst eher eng gefassten Begriffen der „Altenbildung“ und der „Altersbildung“ ausgehend, prägt heute ein weit gefasstes Verständnis das Anliegen, Bildungsmöglichkeiten in einer alternden Gesellschaft zu etablieren. Damit richtet sich der Fokus nicht allein auf ältere Menschen, sondern es werden auch Bildungsanliegen verschiedener Generationen zu Altersthemen über den Lebenslauf hinweg mitbedacht.
2 Themenspektrum und Zugänge
Das thematische Spektrum der Altersbildung, das sich aus lebensweltlichen Erfahrungen mit dem Alter(n) ergeben, lässt sich in folgenden neun Themenbereichen (Steinfort-Diedenhofen 2023, S. 47) zusammenfassen:
- Biografie und Identität: einen sensiblen und aufmerksamen Umgang mit der eigenen Lebensgeschichte und biografischen Prägungen finden.
- Sinn und Spiritualität: zurückliegende Lebenserfahrungen in eine Ordnung bringen und (neu) bewerten; Bewältigung von Sinnfragen in kritischen Lebensereignissen oder menschlichen Grenzsituationen.
- Kreative Lebensgestaltung: im schöpferischen Umgang mit der eigenen Ausdruckskraft zur Gestaltung der eigenen Identität und zur Teilhabe beitragen.
- Ökologie und Nachhaltigkeit: Auseinandersetzung mit eigenen und gesellschaftlichen Werten und die Entwicklung einer nachhaltigen Haltung.
- Gesundheit/​Krankheit/​Behinderung: Investitionen in Gesundheitsförderung und Prävention, aber auch Leben lernen mit Einschränkungen.
- Generationendialog: Wechselseitigkeit zum Verständnis fördern, generationenspezifische Fähigkeiten nutzen.
- Digitalisierung/​Technik: z.B. Überwindung von Barrieren digitaler Teilhabe und eine abwägende Nutzung von (digitalen) Hilfsmitteln.
- Engagement: aktive und mitverantwortliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
- Globale Herausforderungen: Anpassung an Krisen und Konflikte, deren Lösungen größtenteils außerhalb der eigenen Einflussmöglichkeiten liegen.
Die Altersbildung bezieht sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher (jedoch noch auszubauenden) Strukturen, Leistungen und Angebote, die die Gestaltung und Bewältigung des Lebens im Alter fördern, begleiten oder unterstützen.
Im stetigen Ringen um ihre strukturellen, rechtlichen, aber auch didaktischen Rahmungen trägt die Altersbildung dazu bei, über die Grenzen einzelner Disziplinen (beispielsw. Erziehungs-/​Bildungswissenschaft, Soziale Arbeit, Soziale Gerontologie) hinweg Ermöglichungsstrukturen zu schaffen. Kompetent begleitete, geragogisch fundierte Lern- und Bildungsprozesse wollen dazu beitragen, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilhaben zu können und Lebensqualität bis zum Lebensende hin zu erhalten.
3 Quellenangaben
Bubolz-Lutz, Elisabeth, 1983. Bildung im Alter: d. Beitr. therapeut. Konzepte zur Geragogik. Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag. ISBN 978-3-7841-0241-2
Bubolz-Lutz, Elisabeth, Stefanie Engler, Cornelia Kricheldorff und Renate Schramek, 2022. Geragogik. Bildung und Lernen im Prozess des Alterns. Das Lehrbuch. 2., erweiterte und überarbeitete Auflage. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-040692-6 [Rezension bei socialnet]
Schramek, Renate, Cornelia Kricheldorff, Bernhard Schmidt-Hertha und Julia Steinfort-Diedenhofen, Hrsg., 2018. Alter(n) – Lernen – Bildung. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-032751-1 [Rezension bei socialnet]
Schramek, Renate, Julia Steinfort-Diedenhofen und Cornelia Kricheldorff, 2022. Diversität der Altersbildung: Geragogische Handlungsfelder, Konzepte und Settings. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-040756-5
Steinfort-Diedenhofen, Julia, 2023. Bildungsarbeit mit älteren Menschen: Reflexions- und Handlungswissen für die Soziale Arbeit. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-042179-0
Verfasst von
Prof. Dr. Julia Steinfort-Diedenhofen
Professorin für Theorien, Konzepte und Methoden Sozialer Arbeit mit dem Schwerpunkt Geragogik an der Katholischen Hochschule NRW/Köln, Fachbereich Sozialwesen
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Es gibt 2 Lexikonartikel von Julia Steinfort-Diedenhofen.
Zitiervorschlag
Steinfort-Diedenhofen, Julia,
2023.
Altersbildung [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 12.12.2023 [Zugriff am: 14.10.2024].
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