Asylbewerber
Prof. Dr. Annegret Lorenz
veröffentlicht am 20.03.2020
Als Asylbewerber werden Ausländer bezeichnet, die in der Bundesrepublik Schutz suchen und ein darauf abzielendes Schutzverfahren, das sog. Asylverfahren, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) erstreben. Rechtsstellung und die Entstehung des „Status“ als Asylbewerber sind vor allem im Asylgesetz (AsylG) geregelt.
Überblick
1 Zusammenfassung
Das Asylgesetz selber verwendet den Begriff des Asylbewerbers nicht. Vielmehr finden sich die Formulierungen „Asylbegehrender“ (vgl. etwa § 44 Abs. 1, Abs. 2 AsylG), „Asylsuchender“ (vgl. etwa §§ 55 Abs. 1, 63a Abs. 1 AsylG) und „Asylantrag“ (§§ 13, 14 AsylG), ohne dass der Gesetzgeber diese Begriffe seinerseits weiter konkretisiert bzw. differenziert (Hundt 2017, S. 15, 29; Heinold 2015, S. 95). In der Sache ist jedoch zu unterscheiden zwischen dem materiellen Asylgesuch und dem förmlichen Asylantrag (ebd.).
2 Asylantrag
Offiziell eingeleitet wird ein Asylverfahren durch einen förmlichen Asylantrag. Dieser kann ausschließlich beim Bundesamt gestellt werden (Sieweke in BeckOK AuslR AsylG § 14 Rn. 2).
Konkret zuständig ist in aller Regel die Außenstelle des Bundesamtes, in dessen Zuständigkeitsbereich die für den Ausländer zuständige Aufnahmeeinrichtung liegt (§ 14 Abs. 1 AsylG). Welche das konkret ist, richtet sich nach dem Verteilungsverfahren (§§ 45, 46 AsylG), sodass der Ausländer die für ihn zuständige Stelle nicht frei wählen kann. In der Konsequenz kann er einen wirksamen Asylantrag erst dann stellen, wenn er zuvor das Verteilungsverfahren durchlaufen hat (Sieweke in BeckOK AuslR AsylG § 14 Rn. 2).
In Abstimmung mit der von der obersten Landesbehörde bestimmten Stelle kann das Bundesamt den Ausländer verpflichten, seinen Asylantrag bei einer anderen Außenstelle zu stellen (§ 14 Abs. 1 S. 2 AsylG). In bestimmten Fällen muss der Ausländer seinen Antrag direkt bei Bundesamt stellen (§ 14 Abs. 2 AsylG).
Der Aufenthalt des Asylantragstellers zur Durchführung des Asylverfahrens ist vom Gesetz erlaubt. Der hierfür zur Verfügung stehende Aufenthaltstitel ist die Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 AsylG). Über die Aufenthaltsgestattung wird dem Schutzsuchenden nach der förmlichen Asylantragstellung eine Bescheinigung ausgestellt (§ 63 Abs. 1 AsylG).
3 Asylgesuch
3.1 Begriff
Vom Asylantrag zu unterscheiden ist das bloße Asylgesuch (Sieweke in BeckOK AuslR AsylG § 14 Rn. 2). Der Gesetzgeber verwendet irreführenderweise auch hierfür den Begriff „Asylantrag“ (Hundt 2017, S. 15, 29; Heinold 2015, S. 95). Als Asylbegehrender oder Asylsuchender wird ein Ausländer bezeichnet, der sich bei einer offiziellen Stelle als asylsuchend zu erkennen gegeben hat (Battis et al. 2014, S. 1609).
Das Asylgesuch ist die materielle Bitte um Schutz. An diese werden keine besonderen formalen Anforderungen gestellt: Ein Asylgesuch liegt vor, wenn der Ausländer sich mündlich, schriftlich oder auf sonstige Weise dahingehend äußert, dass er im Bundesgebiet Schutz vor Verfolgung oder sonstigen Gefahren suchen will. Damit muss das Schutzgesuch lediglich inhaltlich eine politische Verfolgung (Asyl bzw. Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 Abs. 1 AsylG) oder aber eine andere Gefährdung im Herkunftsland deutlich machen, die die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylG) erlaubt (§ 13 Abs. 1 AsylG).
Das Asylgesuch muss nicht beim für die Entscheidung über den formalen Asylantrag zuständigen Bundesamt gestellt werden, sondern kann auch bei den Grenzbehörden (§ 18 Abs. 1 AsylG), Ausländerbehörden bzw. der Polizei (§ 19 Abs. 1 AsylG) oder auch einer Aufnahmeeinrichtung (§ 13 Abs. 3 AsylG) gestellt werden (Heinold 2015, S. 95).
3.2 Konsequenzen des Asylgesuchs
Nicht immer fallen materielles Asylgesuch und formaler Asylantrag zusammen. In aller Regel wird zunächst ein Asylgesuch bei einer Grenzbehörde, der Ausländerbehörde oder aber der Polizei gestellt. Diese behandelt den Ausländer zunächst erkennungsdienstlich und entscheidet dann über das weitere Vorgehen.
3.2.1 Ankunftsnachweis
Liegen keine Besonderheiten vor, leiten die angegangenen Behörden den Asylsuchenden an die zuständige Außenstelle des Bundesamtes bzw. – wenn diese nicht bekannt ist – an die nächstgelegene Aufnahmestelle weiter (§§ 18 Abs. 1 und 5, 19 Abs. 1 und 2 AsylG). Wurde der Ausländer bereits erkennungsdienstlich behandelt, hat aber noch keinen formalen Asylantrag gestellt, so stellt die Aufnahmeeinrichtung dem Ausländer eine Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender (sog. Ankunftsnachweis) aus (§ 63a Abs. 1, Abs. 3 AsylG). Der Schutzsuchende ist jetzt offiziell als solcher registriert. Mit Ausstellung des Ankunftsnachweises entsteht das vorläufige Aufenthaltsrecht, das dem Ausländer den Aufenthalt für die Dauer des Asylverfahrens erlaubt, die Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 AsylG). Der förmliche Asylantrag, der dann das Asylverfahren zur Prüfung seines Schutzersuchens einleitet, wird erst später gestellt. Trotzdem ist bereits jetzt kraft Gesetzes ein Aufenthaltsrecht entstanden, der Aufenthalt des Schutzsuchenden ist rechtmäßig.
Wird kein Ankunftsnachweis ausgestellt, entsteht die Aufenthaltsgestattung erst mit formaler Stellung des Asylantrags (Neundorf in BeckOK AuslR AsylG § 63a Rn. 6). Ein Ankunftsnachweis wird etwa für folgende Gruppen nicht ausgestellt:
- Asylfolgeantragsteller. Diese müssen einen förmlichen Asylantrag bei der zuständigen Außenstelle des Bundesamtes stellen (§ 55 Abs. 1 S. 3 AsylG). Erst dann entsteht die Aufenthaltsgestattung (§ 55 Abs. 1 S. 3 AsylG).
- Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Für sie wird generell kein Ankunftsnachweis ausgestellt, weil sie vom Jugendamt in Obhut genommen werden (Neundorf in BeckOK AuslR AsylG § 63a Rn. 7). Bis zur förmlichen Asylantragstellung ist ihr Aufenthalt geduldet (ebd.). Ab der förmlichen Asylantragstellung ist ihr Aufenthalt gestattet.
3.2.2 Zurückweisung
Dieser Verlauf ist allerdings nicht zwingend. Denkbar ist nämlich auch, dass die zunächst mit dem Asylgesuch befassten Behörden den Ausländer zurückweisen. Die Grenzbehörden sind in folgenden Fällen verpflichtet, einem Asylsuchenden die Einreise zu verweigern (§ 18 Abs. 2 AsylG).
- Der Ausländer reist aus einem sicheren Drittstaat ein. Sichere Drittstaaten sind alle Mitgliedstaaten der EU sowie Norwegen und die Schweiz (Anlage I zu § 26a AsylG).
- Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass ein anderer Staat aufgrund von EU-Recht oder einem völkerrechtlichen Vertrag für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
- Der Asylsuchende bedeutet eine Gefahr für die Allgemeinheit, weil er in der Bundesrepublik Deutschland wegen einer besonders schweren Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 3 Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist und seine Ausreise nicht länger als 3 Jahre zurückliegt.
Treffen die Grenzbehörden einen Asylsuchenden, auf den diese Voraussetzungen zutreffen, im grenznahen Raum an, so ist er zurückzuschieben (§ 18 Abs. 3 AsylG). Gleiches ist denkbar, wenn das Asylgesuch bei einer Ausländerbehörde oder der Polizei geäußert wird: Ist der Ausländer unerlaubt aus einem sicheren Drittstaat eingereist, kann die Ausländerbehörde anordnen, dass er in diesen zurückgeschoben wird (§ 19 Abs. 3 AsylG).
3.2.3 Schutzssuchende vor der Ausstellung des Ankunftsnachweises
Unklar ist die Situation von Schutzsuchenden in dem Zeitraum zwischen der Registrierung eines Asylgesuches bei einer eigentlich unzuständigen Behörde und der Ausstellung des Ankunftsnachweises (Neundorf in BeckOK AuslR AsylG § 63a Rn. 6a). Rechtlich besteht ein Schwebezustand (ebd.).
4 Quellenangaben
Battis, Ulrich, Stephan Mitschang und Olaf Reidt, 2014: Das Gesetz über Maßnahmen im Bauplanungsrecht zur Erleichterung der Unterbringung von Flüchtlingen. In: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht. 22(24), S. 1609–1613. ISSN 0721-880X
Heinold, Hubert, 2015. Recht für Flüchtlinge: Ein Leitfaden durch das Asyl- und Ausländerrecht für die Praxis. 7. Auflage. Karlsruhe: v. Loeper Literaturverlag. ISBN 978-3-86059-590-9 [Rezension bei socialnet]
Hundt, Marion, 2017. Aufenthaltsrecht und Sozialleistungen für Geflüchtete: Praxisleitfaden für Verwaltungs- und Sozialeinrichtungen, Fachkräfte und Ehrenamtliche. Regensburg: Walhalla Fachverlag. ISBN 978-3-8029-7652-0 [Rezension bei socialnet]
Neundorf, Kathleen, 2019. § 63a. In: Winfried Kluth und Andreas Heusch, Hrsg. Beck’scher Onlinekommentar Ausländerrecht [online]. AsylG. 24. Edition. München: C.H.Beck [Zugriff am: 04.02.2020]. Verfügbar unter: https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata%2fkomm%2fBeckOKAuslR_24%2fASYLVFG%2fcont%2fBECKOKAUSLR%2eASYLVFG%2eP63A%2eglB%2eglI%2ehtm
Sieweke, Simon, 2019, § 14. In: Winfried Kluth und Andreas Heusch, Hrsg. Beck’scher Onlinekommentar Ausländerrecht [online]. AsylG. 24. Edition. München: C.H.Beck [Zugriff am: 04.02.2020]. Verfügbar unter: https://beck-online.beck.de/?vpath=bibdata%2fkomm%2fBeckOKAuslR_24%2fASYLVFG%2fcont%2fBECKOKAUSLR%2eASYLVFG%2eP14%2eglB%2ehtm
Verfasst von
Prof. Dr. Annegret Lorenz
Professorin für Recht mit Schwerpunkt Familien-, Betreuungs- und Ausländerrecht am Fachbereich Gesundheits- und Sozialwesen der Hochschule Ludwigshafen am Rhein
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