Aufstellung
Aufstellungen dienen der Darstellung von Systemen, Strukturen und Beziehungen.
Überblick
1 Grundlagen
Jede Arbeit mit Aufstellungen hat ihren Ursprung im Psychodrama (Moreno 1959; 1981). Dies gilt auch dann, wenn dies nicht ausdrücklich so vermerkt wird. Sie dienten und dienen der Darstellung von Systemen, Strukturen und Beziehungen.
Aufstellungen gehören im Psychodrama zu den zentralen Arrangements. Sie dienen der Darstellung von Beziehungen, Systemen und Gruppenstrukturen bzw. der Einbindung eines bzw. einer Einzelnen in eine Gruppe. Es können beteiligte Personen (z.B. Familien, Teams), auch ganze Gruppen, Abteilungen von Organisationen oder auch innere Anteile eines einzelnen Klienten dargestellt werden. Eine psychodramatische Aufstellung unterscheidet sich vom Szenenaufbau, der auch Raum und Zeit einer anschließenden Szene konkretisiert. Ein Szenenaufbau dient letztlich der Vorbereitung für ein anschließendes szenisches Spiel.
2 Formen der Aufstellung
Es gibt mehrere Formen von Aufstellungen:- Skalen
- Soziometrische Aufstellungen
- Aufstellungen von Systemen
- Skulpturen
Die verschiedenen Formen dienen unterschiedlichen Zielen.
2.1 Skalen
Skalen sind zunächst Aufstellungen an einer Linie entlang anhand eines Kriteriums. Dies können zunächst einfache Ketten sein, die auch in der Anwärmung im Darstellenden Spiel Anwendung finden z.B.:
- alphabetische Aufstellung der Teilnehmenden in Bezug auf ihre Vornamen. Die Durchführung liegt in der Selbstorganisation der Gruppe, die auf diese Weise damit gefordert ist, sich gegenseitig nach den Vornamen zu fragen.
- nach der Anzahl der Dienstjahre der Teilnehmenden in der Organisation.
2.2 Soziometrische Aufstellungen (Aktionssoziometrie)
Die soziometrischen Aufstellungen folgen dem Konzept und den Prinzipien der Soziometrie. Für diese Aufstellungen hat sich der Begriff Aktionssoziometrie eingebürgert. Die dahinterstehende Idee ist, soziometrischen Aufzeichnungen nicht mehr auf Papier, sondern auf die Bühne zu bringen. Gellert bezeichnet diese Formen deshalb auch als „Lebendige Soziometrie“ (Gellert 1993).
- Einfache Skalen (z.B. Einstellungen zu einer These oder einem Thema)
- Ambivalenz-Soziometrie. Hier werden zwei Kriterien, die in einem Zusammenhang stehen, gleichzeitig abgefragt (sowohl als auch):
- Polare Aufstellungen
- Multipolare Aufstellungen
Es gibt inzwischen eine ganze Reihe weiterer Formen, die zwar nicht von Moreno selbst entwickelt wurden, aber seinen Prinzipien der Soziometrie verpflichtet sind. Hervorzuheben sind hier die Arbeiten von Anne Hale. (Hale 1985)
2.3 Aufstellungen von Systemen
Ziel ist es, die formellen und die unbewussten Strukturen sowie Systemdynamiken darzustellen und durch die Offenlegung befragbar zu machen. In Aufstellungen von Systemen werden die Repräsentanten von Gruppen oder Abteilungen durch Personen dargestellt. Es geht also nicht um die Personen selbst, sondern – wie gesagt – um die jeweilige Gruppe.
Eine Sonderform eines Systems ist das soziokulturelle Atom eines bzw. einer Protagonist:in.
2.4 Skulpturen
Die Arbeit mit Skulpturen ist im deutschsprachigen Raum in der Regel im Zusammenhang mit einem Protagonistenspiel bekannt. Er bzw. sie besetzt die Rollen durch Hilfs-Iche. Der bzw. die Protagonist:in kann sowohl das eigene innere Bild als auch das einer anderen Person darstellen. Hier ist besonders darauf hinzuweisen, dass die dargestellte Person oder auch andere Menschen die Beziehungen ganz anders sehen können.
Im Soziodrama werden Skulpturen verwendet, um z.B. Länder mit ihren Kulturen darzustellen. Die Vielfalt der Ausarbeitungen geht auf Augusto Boal zurück (Boal 1989, S. 239–254). Skulpturen als Arrangement im Soziodrama gehen also nicht auf Moreno zurück.
Sowohl im Protagonistenspiel als auch in einer soziodramatischen Arbeit liegt die Besonderheit darin, dass die Skulptur oder auch deren einzelnen Elemente in einem Rollenspiel in Aktion treten und in der Auswertung auch ein Rollenfeedback geben können.
3 Vergleich
Aufstellungen haben durch systemische Aufstellungen im Allgemeinen und Familienaufstellungen einen enormen Boom erfahren. Sie gehen zwar – wie gesagt – auch auf Moreno zurück, ersetzen aber den theoretischen Hintergrund durch Erkenntnisse aus der Systemtheorie. Folglich gibt es viele Überschneidungen zwischen systemischen und psychodramatischen Aufstellungen (z.B. Einfühlung in Rollen, Rollenfeedback). Beide Formen von Aufstellungen werden vor allem in unterschiedlichen Formen der Beratung angewendet und folgen dementsprechend den Prinzipien der Beratung.
Sowohl die systemische als auch die psychodramatische Anwendung in vielen Formaten der Beratung ist deutlich von Bert Hellingers Aufstellungsmethodik abzugrenzen. In beraterischer Perspektive liegt der entscheidende Grund darin, dass in Hellingers Konzept der bzw. die Berater:in nicht neutral und lösungsoffen auftritt, sondern angeblich allgemeingültige Prinzipien und „Wahrheiten“ verkündet, denen der bzw. die Fallgeberin zur Lösung seiner bzw. ihrer Problematik dann folgen soll. Hellinger zeigt hier auch seine Sympathien zur Nazi-Ideologie (Simon 2005).
4 Quellenangaben
Ameln, Falko und Josef Kramer, 2014. Psychodrama: Grundlagen (Bd. 1). Berlin, Heidelberg: Springer. ISBN 978-3-6424-4920-8
Boal, Augusto, 1989. Theater der Unterdrückten. Frankfurt: Suhrkamp Verlag. ISBN 978-3-5181-0987-8
Gellert, Manfred, 1993. Lebendige Soziometrie in Gruppen. In: Rainer Bosselmann, Eva Lüffe-Leonhardt und Manfred Gellert, Hrsg. Variationen des Psychodramas. Meezen: Christa Limmer, S. 286–301. ISBN 978-3-928922-01-2
Hale, Ann Elisabeth, 1985. Conducting Clinical Soziometric Explorations. Roanoke: Royal Publishing. ISBN 978-0-9315-7101-5
Hutter, Christoph, 2000. Psychodrama als experimentelle Theologie. Münster: Lit. ISBN 978-3-8258-4666-4 [Rezension bei socialnet]
Hutter, Christoph und Helmut Schwehm, 2009. J. L. Morenos Werk in Schlüsselbegriffen. Wiesbaden: VS-Verlag. ISBN 978-3-5311-9593-3
Moreno, Jakob L., 1959. Soziometrie als experimentelle Methode. Paderborn: Jungfermann
Moreno, Jakob L., 1981. Soziometrie als experimentelle Methode. Paderborn: Junfermann. ISBN 978-3-8738-7181-6
Simon, Fritz.B., 2005. Zauberer oder Forscher – Klassische systemische Therapie vs. Bert Hellingers Aufstellungsarbeit aus einer konstruktivistischen Perspektive. In Gunthard Weber, Gunther Schmidt und Fritz B. Simon. Aufstellungsarbeit revisited: …nach Hellinger?, S. 53–70. Heidelberg: Auer. ISBN 978-3-8497-0137-6
5 Literaturempfehlungen
Ameln, Falko und Josef Kramer, 2014. Psychodrama: Grundlagen (Bd. 1). Berlin, Heidelberg: Springer. ISBN 978-3-6424-4920-8
Hutter, Christoph, 2000. Psychodrama als experimentelle Theologie. Münster: Lit. ISBN 978-3-8258-4666-4 [Rezension bei socialnet]
Hutter, Christoph und Helmut Schwehm, 2009. J. L. Morenos Werk in Schlüsselbegriffen. Wiesbaden: VS-Verlag. ISBN 978-3-5311-9593-3
Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie. Heft 2, 2005): Szenenaufbau und Aufstellungen. ISSN 1619-5507
Zeitschrift für Psychodrama und Soziometrie. Sonderheft 2019: Aufstellungsarbeit. ISSN 1619-5507
Verfasst von
Thomas Wittinger
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Zitiervorschlag
Wittinger, Thomas,
2024.
Aufstellung [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 22.07.2024 [Zugriff am: 11.09.2024].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/29884
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