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Autismus

Prof. Dr. Georg Theunissen

veröffentlicht am 18.08.2020

Ähnlicher Begriff: Autismus-Spektrum-Störung

Etymologie: griech. autos selbst, für sich, allein

ICD-10: F84

Medizinischer Disclaimer: Herausgeberin und Autor:innen haften nicht für die Richtigkeit der Angaben. Beiträge zu Gesundheitsthemen ersetzen keine ärztliche Beratung und richten sich nur an Fachleute.

Autismus ist eine neurologische Besonderheit menschlichen Seins. Charakteristisch sind Wahrnehmungsbesonderheiten wie eine sensorische Über- oder Unterempfindlichkeit, ein atypisches Lernverhalten, Spezialinteressen, ein Bedürfnis nach Routine und Ordnung, motorische, sprachliche, emotionale und soziale Besonderheiten, beispielsweise durch den Rückzug auf die eigene Person. Spezifische Stärken zeigen sich bei der Wahrnehmung von Details, im konkreten und logischen Denken, im Regelbewusstsein sowie in Eigenschaften wie Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit oder Genauigkeit. All diese Merkmale gilt es individuell zu erschließen.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Begriffliches
  3. 3 Prävalenz
  4. 4 Ursachen
  5. 5 Autismus aus klinischer Sicht
    1. 5.1 Drei Kerncharakteristika
    2. 5.2 Hochfunktionaler und niedrigfunktionaler Autismus
    3. 5.3 DSM-5
  6. 6 Diskussion
    1. 6.1 Autistic Self-Advocacy Network
    2. 6.2 Neurodiversität
    3. 6.3 Wider die Pathologisierung von Autismus
  7. 7 Die Autismus-Spektrum-Sicht
  8. 8 Kritische Würdigung
  9. 9 Unterstützen statt behandeln
  10. 10 Quellenangaben
  11. 11 Literaturhinweise
  12. 12 Informationen im Internet

1 Zusammenfassung

Das Verständnis über Autismus befindet sich in den letzten 10 Jahren deutlich im Wandel. Wurden bisher aus klinischer Sicht verschiedene Autismus-Typen unterschieden (z.B. frühkindlicher Autismus, Asperger-Syndrom), so sind diese Bilder seit Einführung des weltweit anerkannten Klassifikationssystems DSM-5 unter dem Begriff der „Autismus-Spektrum-Störung“ zusammengefasst worden. Dahinter verbirgt sich die Erkenntnis, dass die bislang beschriebenen Autismus-Typen nicht klar voneinander abgrenzbar sind und mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweisen. Die weltweit größte Selbstvertretungsbewegung autistischer Personen, das Autistic Self-Advocacy Network, begrüßt diese Entscheidung im DSM-5, wendet sich aber gleichwohl gegen Tendenzen, den Autismus weiterhin zu pathologisieren und einseitig nur im Lichte von Defiziten zu betrachten. Anstelle des Begriffs der „Autismus-Spektrum-Störung“ wird der Ausdruck „Autismus-Spektrum“ bevorzugt, zudem bezeichnen sich Betroffene als Autist*innen oder autistische Personen, um dadurch ihrem „autistischen Sein“ Ausdruck zu verleihen. Ferner haben sie in einem eigenen Konzept Merkmale über Autismus herausgestellt, die von hohem Erfahrungswert und für ein Verstehen autistischen Verhaltens wegbereitend sind. Reflexionen über eine Unterstützungsperspektive für ein „Leben mit Autismus“ runden die Ausführungen ab.

2 Begriffliches

Der Begriff Autismus, abgeleitet vom griechischen Wort „autos“ (selbst), bezieht sich ursprünglich auf die Zurückgezogenheit und Selbstbezogenheit eines Menschen. Diesbezüglich betrachtete der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler (1857–1939) zu Beginn des 20. Jahrhunderts Autismus als ein Symptom der Schizophrenie.

Beobachtungen und klinische Untersuchungen von Kindern und Jugendlichen mit „sonderbaren“ Verhaltensweisen führten dann in den nachfolgenden Jahrzehnten – vertreten durch die russische Kinder- und Jugendpsychiaterin Grunja E. Ssucharewa (1891–1981), den aus Österreich stammenden und später in den USA tätigen Kinder- und Jugendpsychiater Leo Kanner (1896–1981) sowie den Wiener Kinder- und Jugendpsychiater Hans Asperger (1906–1980) – zu der Überzeugung, dass es jenseits der von Bleuler beschriebenen Schizophrenie ein eigenständiges psychiatrisch-klinisches Bild gebe, bei dem der Rückzug auf die eigene Person, ein In-Sich-Gekehrt-Sein in Verbindung mit weiteren Auffälligkeiten im motorischen, sprachlichen, kognitiven und emotionalen Bereich von zentraler Bedeutung sei (ausführlich Theunissen 2019a, S. 15 ff.). Ssucharewa wählte in Abgrenzung zu Bleuler die Bezeichnung „schizoide Psychopathie im Kindesalter“, Kanner sprach von „autistischen Störungen“ und einem „frühkindlichen Autismus“ und Asperger bevorzugte den Ausdruck „autistische Psychopathie“, worunter heute das sogenannte Asperger-Syndrom gefasst wird. Nach gegenwärtigem Wissen handelt es sich bei den Schriften von Ssucharewa, Kanner und Asperger um drei wissenschaftliche „Erstbeschreibungen“ über Autismus, die mit Blick auf ihren Erkenntnisgewinn als zeitlos und aktuell betrachtet werden können (Theunissen und Sagrauske 2019, S. 13 ff.).

3 Prävalenz

Viele Jahrzehnte war die Auffassung weitverbreitet, dass Autismus ein seltenes Phänomen sei. Neuere Statistiken aus führenden Industrienationen zeigen jedoch auf, dass es in den letzten Jahren eine deutliche Zunahme von Autismus-Diagnosen gab (Beyer 2015; CDC 2014). So wurden vor wenigen Jahren in den USA Zahlen veröffentlicht, nach denen davon ausgegangen werden kann, dass bei 68 Neugeborenen mit einem autistischen Kind gerechnet werden muss. Nach Erhebungen aus Europa liegt die geschätzte Prävalenz von Autismus derzeit bei über einem Prozent. Wenngleich für Deutschland keine verlässlichen Daten vorliegen, scheint sich auch hierzulande die Zahl an Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit einer Autismus-Diagnose deutlich zu erhöhen. Expert*innen legen gleichfalls für Deutschland den Wert von einem Prozent zugrunde. Das betrifft ungefähr 800.000 Menschen im Autismus-Spektrum.

Was die Hintergründe dieser weltweit zu beobachtenden Zunahme an Autismus-Diagnosen betrifft, so wird neben einem wachsenden gesellschaftlichen Bewusstsein und einer größeren Sensibilität in Bezug auf Autismus auf verfeinerte, genauere Instrumente zur Diagnostizierung autistischer Merkmale verwiesen. Davon profitieren unter anderem Mädchen und Frauen, bei denen vermutlich zu selten Autismus diagnostiziert wurde. Zudem waren bisher Personen mit dem sogenannten Asperger-Syndrom nicht adäquat erfasst.

Neben diesem „Nachholeffekt“ spielten in den letzten 15 Jahren vor allem in den USA aber auch Interessen und die Hoffnung von Eltern eine Rolle, durch eine Autismus-Diagnose bessere Unterstützungsleistungen für ihr behindertes Kind zu bekommen. Das betraf insbesondere Kinder, die ursprünglich als intelligenzbeeinträchtigt eingeschätzt wurden. Insofern ist der artifizielle Charakter der Zunahme an Autismus-Diagnosen nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Gleichwohl gab es in der Vergangenheit nicht selten Fehldiagnosen, indem betroffenen Personen im Kindesalter eine „geistige Behinderung“ oder schwere Störung im Sozialverhalten und erst im Erwachsenenalter eine sogenannte Autismus-Spektrum-Störung attestiert wurde.

4 Ursachen

Gab es in den 1950er- und 1960er-Jahren die Annahme einer psychogenetischen Verursachung von Autismus (Theunissen und Sagrauske 2019, S. 16 f.), so wird heute von einer „genetischen Vulnerabilität“ ausgegangen (Grabrucker und Schmeißer 2015, S. 384). Dabei spielt das Zusammenwirken von biologischen Faktoren (Genmutationen, Risikogenen) mit Umweltkomponenten (z.B. fortgeschrittenes Alter beider Elternteile, Erkrankungen der Mutter und Infektionen während der Schwangerschaft, prä- und perinataler Stress, Ausgesetzsein gegenüber Giftstoffen, Frühgeburt) die zentrale Rolle. Die genauen Zusammenhänge und auch Auswirkungen epigenetischer Prozesse sind jedoch nach wie vor unklar. Daher haben wir es überwiegend mit einem ideopathischen Autismus zu tun.

Dass Gene nicht von Umweltfaktoren und damit verknüpften individuellen Erfahrungen losgelöst betrachtet werden können, belegen vor allem Zwillingsstudien (ebd., S. 392). Trotz hoher Autismus-Konkordanzrate von 77 % bei männlichen und 50 % bei weiblichen eineiigen Zwillingen entwickelt nämlich nicht jeder zweite eineiige Zwilling ein autistisches Verhalten. Ferner scheint der Ausprägungsgrad der Behinderung bei eineiigen Geschwistern aus dem Autismus-Spektrum erheblich zu variieren.

Neben dem ideopathischen Autismus, bei dem die Ursache unklar ist, gibt es wenige klinische Bilder, die einen syndromalen Autismus kennzeichnen. Der syndromale Autismus geht zumeist mit komplexen (kognitiven) Beeinträchtigungen einher und weist auf bestimmte (mono-)genetische Ursachen hin, insbesondere auf durch Genmutationen verursachte Stoffwechselstörungen (z.B. Rett-Syndrom; tuberöse Sklerose), auf Chromosomenanomalien (z.B. Fragiles-X-Syndrom) oder auf eine Deletion (Verlust) oder Veränderung von chromosomalem Material (z.B. Angelman-Syndrom). Der syndromale Autismus betrifft 10 % bis 25 % aller als autistisch diagnostizierten Personen (Moss und Howlin 2009; Rosti et al. 2014; Richards et al. 2016).

Bezüglich der klinischen Bilder wird oft auf das Konzept der Verhaltensphänotypen verwiesen. Darunter versteht Sarimski „eine Kombination von bestimmten Entwicklungs- und Verhaltensmerkmalen, die bei Kindern und Erwachsenen mit einem definierten genetischen Syndrom mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auftritt als bei Kindern und Erwachsenen mit einer Behinderung anderer Ursache“ (1997, S. 15). Hierbei sind allerdings individuelle Unterschiede zu beachten. Zum Beispiel entwickeln nicht alle Kinder mit dem Angelman-Syndrom oder dem Fragilem-X-Syndrom in gleichem Maße autistisches Verhalten. Daher warnt Sarimski zu Recht vor „einer unzulässigen Verallgemeinerung, dass alle Kinder mit einem bestimmten Syndrom die jeweiligen Verhaltensformen in gleicher Ausprägung entwickeln“ (2013, S. 404). Außerdem verleitet das Konzept der Verhaltensphänotypen zu einer defizit- oder störungsorientierten Betrachtung des Verhaltens. Demgegenüber sollten wir in Betracht ziehen, dass es bezüglich der verschiedenen klinischen Bilder nicht nur Verhaltensauffälligkeiten, sondern ebenso verhaltensphänotypische Stärken oder Fähigkeiten gibt (dazu Theunissen und Drescher 2021). Darüber hinaus ist bei der Interpretation der Ähnlichkeiten zwischen Autismus oder autistischem Verhalten und den Verhaltensphänotypen bestimmter genetisch bedingter Syndrome (z.B. Fragiles-X-Syndrom; Sanfilippi-Syndrom) Vorsicht geboten (Moss und Howlin 2009).

Neuere Befunde lassen den Schluss zu, dass es auf dem Hintergrund der genetischen Vulnerabilität bei autistischen Kindern zu einer meist globalen neuronalen Hyperkonnektivität (Vernetzung, Verbindung) kommt, die mit einem ungewöhnlichen Hirnwachstum im frühesten Alter einhergeht. Diese Untersuchungsbefunde werden vor allem mit den Wahrnehmungsbesonderheiten und Auffälligkeiten im Sozialverhalten in Verbindung gebracht. Gleichwohl kommt es spätestens ab dem Schulalter zu Veränderungen und nicht selten zu einer Verringerung der neuronalen Konnektivität und Aktivität. Allerdings gibt es hierzu kein einheitliches Bild, sodass derzeit von einer „atypischen Konnektivität“ (Maximo et al. 2014) auf der Grundlage einer Fülle „konkurrierender neurobiologischer Hypothesen“ (Lai, Lombardo und Baron-Cohen 2014, S. 901) bei autistischen Personen ausgegangen wird. Eine Übersicht wichtiger neurowissenschaftlicher Theorien und Annahmen über Autismus ist der Schrift „Autismus Verstehen“ (Theunissen 2020) und dem „Handlexikon Autismus Spektrum“ (Theunissen et al. 2015) zu entnehmen.

5 Autismus aus klinischer Sicht

Nach dem noch gültigen Klassifikationssystem psychischer Störungen ICD-10 der Weltgesundheitsorganisation gilt Autismus als „tiefgreifende Entwicklungsstörung. Diesbezüglich wird unter dem Schlüssel F84 in F84.0: Frühkindlicher Autismus, F84.5: Asperger-Syndrom, F84.1 atypischer Autismus und F84.2 Rett-Syndrom unterschieden (Dilling, Mombour und Schmidt 2015).

Einer ähnlichen Einteilung begegnen wir in dem von der US-amerikanischen Psychiatriegesellschaft herausgegebenen Klassifikationssystem DSM-IV (Saß, Wittchen und Zaudig 1998).

Die Differenzierung zwischen „Frühkindlichem Autismus“ (oft auch als „klassischer Autismus“ bezeichnet) und „Asperger-Syndrom“ geht auf die „Erstbeschreibungen“ von Leo Kanner und Hans Asperger zurück. Jedoch wurde beiden Autoren unzureichend Rechnung getragen, so hatte Kanner zum Beispiel auf die Abgrenzung zwischen frühkindlichem Autismus und Intelligenzminderung Wert gelegt sowie Stärken bei den von ihm untersuchten Kindern attestiert (Theunissen 2019a, S. 33 ff.); und Asperger beobachtete nicht nur ein atypisches Lernverhalten sowie Formen einer Über- und Untersensibilität, sondern betrachtete Autismus als Schwäche und Stärke zugleich (ebd., S. 23 ff.).

5.1 Drei Kerncharakteristika

Gleichwohl wurde in der Folgezeit Autismus nur im Lichte von negativen Symptomen und ‚Krankheitsanzeichen‘ gesehen, die den beiden „Erstbeschreibungen“ zu entnehmen waren. Aus dieser Betrachtung sind dann drei Kerncharakteristika (triad of impairments) für die Diagnostizierung von Autismus hervorgegangen:

  1. Beeinträchtigungen der sozialen Interaktion und zwischenmenschlichen Beziehungen
    Hierzu werden zahlreiche Defizite genannt, so zum Beispiel das Unvermögen vieler autistischer Menschen, altersentsprechende Beziehungen zu entwickeln, fehlende Freundschaften zu Gleichaltrigen, der fehlende Wunsch, mit anderen Interessen zu teilen, die verminderte Fähigkeit, soziale bzw. nonverbale Signale anderer Personen intuitiv zu erkennen und zu interpretieren, sozial und emotional unangepasstes Verhalten oder fehlende soziale und emotionale Gegenseitigkeit.
  2. Beeinträchtigungen der (verbalen) Kommunikation
    Während Menschen, denen ein (schwerer) klassischer Autismus nachgesagt wird, sich häufig kaum sprachlich verständigen können (z.B. nur mit Lauten, in Ein- oder Zwei-Wort-Sätzen oder Echolalie), fallen Personen mit dem sogenannten Asperger Syndrom oft durch eine monotone Sprachmelodie, einen exzentrischen oder auch pedantischen Sprachstil auf.
  3. Ein eingeschränktes Repertoire an Interessen und Aktivitäten, verbunden mit repetitiven oder stereotypen Verhaltensweisen
    Hierbei geht es zum Beispiel um eine Fixierung auf spezielle Dinge, die üblicherweise nicht als Spielzeug verkauft werden, um den ungewöhnlichen und oft lang anhaltenden Gebrauch von Objekten, um eine rigide Befolgung von Routinen, um ein Beharren auf Routine sowie Streben nach Gleicherhaltung der Umwelt, um ein zwanghaftes Verhalten oder auch um motorische Manierismen oder Auffälligkeiten (Hände flattern, bizarre Fingerbewegungen, Drehbewegungen, Zehengang, Hyperaktivität, Unbeholfenheit in der Grob- oder Feinmotorik, unbeholfene Körpersprache, eingeschränkte Gestik und Mimik). 

5.2 Hochfunktionaler und niedrigfunktionaler Autismus

Allerdings gab es immer wieder Schwierigkeiten, zwischen den in den Klassifikationssystemen ausgewiesenen Autismus-Bildern genau zu differenzieren. Dies hatte zur Folge, dass manche Personen im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Autismus-Diagnosen erhielten. So gab es zum Beispiel Jugendliche mit „Frühkindlichem Autismus“, die nicht, wie ursprünglich angenommen, eher intelligenzgemindert, sondern durchschnittlich intelligent waren.

Bei anderen Jugendlichen mit klassischem Autismus wurde gar eine hohe Intelligenz festgestellt, was mitunter zu einer Asperger-Diagnose führte. In Anbetracht solcher diagnostischen Unsicherheiten wurden zunächst abgeleitet vom „Frühkindlichen Autismus“ zwei Subformen eingeführt, zum einen ein „niedrigfunktionaler Autismus“, der mit schweren Merkmalsausprägungen und kognitiven Beeinträchtigungen charakterisiert wird; zum anderen ein „hochfunktionaler Autismus“, der durch das Fehlen motorischer Auffälligkeiten von der Asperger-Diagnose abgegrenzt werden sollte, als leichte Ausprägungsform jedoch bis heute mit diesem Syndrom oft assoziiert wird. Insofern blieben Irritationen und letztlich Unzulänglichkeiten bestehen, die unter anderem auch dort auftraten, wo nicht-sprechende autistische Personen als „niedrigfunktional“ etikettiert wurden, tatsächlich aber in keiner Weise intellektuell beeinträchtigt waren.

Daraufhin kam es in verstärktem Maß zu Bemühungen, zwischen „Frühkindlichem Autismus“ und kognitiven Beeinträchtigungen genauer zu differenzieren. Galten bislang etwa 75 % aller Personen mit der Diagnose „Frühkindlicher Autismus“ als „geistig behindert“, so wird heute höchstens die Hälfte aller autistischen Kinder und Jugendlichen als unterdurchschnittlich intelligent eingeschätzt. Viele der Betroffenen wurden – wie man heute weiß – in den letzten Jahrzehnten nicht mit geeigneten (sprachfreien) Verfahren (z.B. Ravens Progressive Matritzen) getestet. Gleichwohl werden nach wie vor bei diesem Personenkreis spezifische Interessen, Gedächtnis- und Intelligenzleistungen (z.B. Stärken im Mosaiktest, Figurenlegen, hyperlexie-ähnliche Fähigkeiten, Detailwahrnehmung, visuelles Denken) unterschätzt und für eine spätere berufliche Tätigkeit zu wenig beachtet (Courchesne et al. 2015; Mottron 2011; 2017; Theunissen 2020).

Darüber hinaus musste die Fachwelt allmählich eingestehen, dass es mit Blick auf die Beschreibungen von Kanner und Asperger zwischen dem „Frühkindlichen Autismus“ und dem „Asperger-Syndrom“ mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt (Theunissen 2019a). Diese Erkenntnis wird durch die aus den 1920er-Jahren stammende „eigentliche Erstbeschreibung“ durch Ssucharewa weithin gestützt (dazu ebd., S. 15 ff.).

5.3 DSM-5

Vor dem Hintergrund all dieser Einwände und Erkenntnisse wurden die bisherigen Einteilungen und Differenzierungen vor etwa 10 Jahren gänzlich infrage gestellt. Von hier aus war der Schritt nicht weit, auf die Einteilung analog der Klassifikationssysteme ICD-10 oder DSM IV zukünftig zu verzichten. Mit dem DSM-5 liegt seit Frühjahr 2013 ein entsprechendes System vor, das unter dem neuen Begriff „Autism Spectrum Disorder“ (Autismus-Spektrum-Störung) die bisherigen Merkmale und Symptombeschreibungen verschiedener Autismus-Bilder eingeebnet und eingearbeitet hat (nach APA 2013; übersetzt ins Deutsche vom Verfasser):

A. Dauerhafte Defizite in der sozialen Kommunikation und sozialen Interaktion

  1. Defizite in der sozial-emotionalen Wechselseitigkeit
    (z.B. im Rahmen einer „normalen“ Konversation; reduzierter Austausch von Interessen oder Emotionen; reduzierte Initiative oder Vermeidung sozialer Interaktionen)
  2. Defizite in der nonverbalen Kommunikation im Rahmen sozialer Interaktionen
    (z.B. schlechte integrierte verbale und nonverbale Kommunikation; fehlender Blickkontakt, schwache Körpersprache, Mimik oder Gestik; Defizite im Verständnis und Gebrauch nonverbaler Kommunikation)
  3. Defizite in der Entwicklung, dem Aufrechterhalten und Verstehen von Beziehungen
    (z.B. Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung von Interaktionen in verschiedenen sozialen Kontexten; Schwierigkeiten beim gemeinsamen Fantasiespiel und bei einer Schließung von Freundschaften; Desinteresse an anderen Personen)
B. Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster, Interessen oder Aktivitäten
  1. Stereotype oder repetitive Sprache, motorische Bewegungen oder Verwendung von Objekten
    (z.B. einfache, motorische Stereotypien; Echolalie, repetitiver Umgang mit Objekten; idiosynkratische [eigensinnige] Sätze; Aufreihen von Spielzeug)
  2. Exzessives Festhalten an Routine, ritualisiertes verbales oder nonverbales Sprachverhalten, ausgeprägter Widerstand gegenüber Veränderung
    (z.B. Beharren auf Routine, z.B. auf der gleichen Wegstrecke oder auf gleichförmige Nahrung; motorische oder sprachliche Begrüßungsrituale; Veränderungsangst; unflexible, starre Denkmuster; extreme Stressreaktionen bei schon geringen situativen Veränderungen)
  3. stark eingeschränkte, fixierte Interessen, die mit „abnormer“ Intensität oder Fokussierung einhergehen
    (z.B. starke Bindung an ungewöhnliche Objekte; eng umschriebene, exzessive, anhaltende Beschäftigung mit ungewöhnlichen Dingen oder Interessen)
  4. Hyper- oder Hypoempfindlichkeit in Bezug auf sensorische Reize oder ungewöhnliches Interesse an sensorischen Umgebungsreizen
    (z.B. scheinbare Gleichgültigkeit gegenüber sensorischen Reizen wie Schmerz, Hitze, Kälte; ablehnende Reaktion in Bezug auf bestimmte Geräusche oder Gewebe; übermäßiges Beschnuppern oder Berühren von Objekten; Faszination für leuchtende oder sich drehende Objekte)

C. Die Symptome müssen in der frühen Kindheit zutage treten (können jedoch erst dann vollständig sichtbar werden, wenn sozialen Anforderungen begrenzte Leistungsfähigkeiten überschreiten oder können durch erlernte Strategien im späteren Leben verdeckt werden)

D. Die Gesamtheit der Symptome führen zu einer klinisch bedeutsamen Beeinträchtigung des Alltagsverhaltens (in sozialer, beruflicher, lebenspraktischer Hinsicht)

E. Die Symptome sind nicht durch eine Intelligenzminderung oder allgemeine Entwicklungsverzögerung erklärbar.

Für die Diagnose der Autismus-Spektrum-Störung (ASS) müssen die Kriterien für die Bereiche A (in allen drei Unterkategorien), B (in mindestens zwei Unterkategorien), C, D und E erfüllt sein.

Darüber hinaus gibt es zusätzliche Codes für „Komorbiditäten“ (wie z.B. intellektuelle Beeinträchtigungen [sog. „geistige Behinderung“], Sprach- oder Kommunikationsstörungen, Epilepsie, ADHS).

Im Unterschied zum DSM IV und zu der bisherigen Übereinkunft, zwischen drei Kerncharakteristika (triad of impairments) von Autismus zu differenzieren, werden mit der Zusammenfassung der ersten beiden Bereiche nur noch zwei Hauptkategorien unterschieden. Dieser Schritt wird vor allem mit der engen Verflechtung von Defiziten in der Kommunikation mit sozialen Verhaltensweisen begründet. Des Weiteren soll die Auswahl der genannten Symptome, die sorgfältig empirisch erforscht wurde, zu einer verbesserten spezifizierten Beurteilung von Autismus im Sinne einer Autismus-Spektrum-Störung beitragen. Hierzu ist zudem eine Einschätzung der beiden Kernkategorien in drei unterschiedliche Schweregrade zur Bestimmung eines Unterstützungsbedarfs vorgesehen.

6 Diskussion

Die Neufassung von Autismus nach dem DSM-5 ist nicht unumstritten (Theunissen 2020, S. 23). So besteht zum Beispiel die Sorge, dass zukünftig das sogenannte Asperger-Syndrom und die nicht-näher bezeichnete (atypische) Form von Autismus durch das DSM-5 seltener erfasst werden. Ferner wünschen sich einige Erwachsene, die sich selbst als Asperger oder Aspies bezeichnen, aus identitätsstiftenden Gründen die Beibehaltung der traditionellen Differenzierung.

Weithin begrüßt wird die Neuerung von mehreren Elternorganisationen in englischsprachigen Ländern, weil dort vielerorts bisher die Asperger-Diagnose (v.a. bei höherer Intelligenz) für staatlich finanzierte Unterstützungsleistungen nicht oder kaum in Betracht gezogen wurde.

6.1 Autistic Self-Advocacy Network

Ebenso findet die DSM-5 Kategorie Autismus Spectrum Disorder in der US-amerikanischen Autism Society (AS) sowie im Lager des Autistic Self-Advocacy Network (ASAN), der weltweit vernetzten und einflussreichsten Selbstvertretungsorganisation autistischer Menschen, Zuspruch. Das ASAN hatte an der Neufassung von Autismus beratend mitgearbeitet und Einfluss auf den Veränderungsprozess genommen (ausführlich dazu Kapp und Ne’eman 2020).

Positiv wird aus der Sicht der Betroffenen zum Beispiel die Berücksichtigung von Hyper- und Hyposensibilitäten vermerkt, die bisher auch in der Diagnostik weithin übergangen wurden. Forschungen und Erklärungsansätze aus den letzten 15 Jahren legen den Schluss nahe, dass gerade Wahrnehmungsbesonderheiten ein zentrales Merkmal von Autismus sind, weshalb ihre Vernachlässigung mittlerweile als Kunstfehler betrachtet werden darf (Theunissen 2020; Theunissen und Sagrauske 2019, S. 31 f.). Das bedeutet nicht, dass es auch unabhängig von Autismus Menschen mit sensorischer Über- oder Unterempfindlichkeiten geben kann. Außerdem wird die im DSM-5 aufgenommene Entwicklungsperspektive, dass sich autistische Merkmale auch nach der frühen Kindheit manifestieren können, als ein Weg in die richtige Richtung betrachtet (Theunissen und Sagrauske 2019, S. 177). Das gilt ebenso für den Verzicht auf den Heilungsaspekt (recovery), da Autismus ein dauerhaftes Seinsmerkmal darstellt. Diese Sicht kollidiert letztlich mit der Subsumierung von Autismus unter psychischen Störungen. Insofern wurde nicht alles erreicht. Das betrifft vor allem die unzureichende Berücksichtigung von eigenen Lernstrategien, Stärken oder Ressourcen, sprachlichen und motorischen Auffälligkeiten und Eigentümlichkeiten sowie der Besonderheiten in Bezug auf autistische Mädchen oder Frauen. Darüber hinaus wird die einseitige, negative Sicht von repetitiven, stereotypen Verhaltensweisen kritisiert, da solche Verhaltensmuster als ein sogenanntes Stimming (selbststimulierendes Verhalten) sehr wohl subjektiv bedeutsam sein können (z.B. der Beruhigung und dem Stressabbau dienen). Ebenso unzulänglich ist es aus der Betroffenenperspektive, wenn nur autistischen Personen „Defizite in der sozial-emotionalen Wechselseitigkeit“ nachgesagt werden. Denn nicht-autistische Personen können ebenso Empathieprobleme haben, nämlich Schwierigkeiten, sich in das Denken und Handeln von Autist*innen hineinzuversetzen und die Bedeutung ihres Verhaltens nachzuvollziehen (Milton 2012).

6.2 Neurodiversität

Eine grundsätzliche Kritik richtet sich gegen die Defizitsprache und die durch das DSM-5 fortgeschriebene Praxis, betroffene Personen zu pathologisieren. Letztlich wird die Klassifizierung von Autismus als psychische Störung nur aus äußeren Gründen (zum Erhalt von Unterstützungsleistungen) toleriert. Aus der Sicht der Autisten Steven Kapp und Ari Ne’eman (2020, S. 188 f.) sollte zudem nicht wie von der anti-psychiatrischen Bewegung nahegelegt auf die Autismus-Diagnose verzichtet werden, weil hintergründig das Phänomen der Neurodiversität beachtet werden müsse. Hierbei wird von einem „von Natur aus“ anders funktionierenden Gehirn ausgegangen, was sich im Vergleich zu Gehirnen nicht-autistischer (neurotypischer) Personen durch atypische neuronale Prozesse, Aktivitäten und Verschaltungen auszeichnet, damit ein „autistisches Sein“ kennzeichnet. Mit dieser Position geht es den Aktivist*innen neben der Entmedizinierung von Autismus zugleich um die Abwehr eugenischer Tendenzen durch biomedizinische Forschungen. Ferner wird dem Ansatz der Neurodiversität eine identitätsstiftende Funktion zugeschrieben. Allerdings sollte das an der Neurodiversität orientierte Selbstbild autistischer Menschen mit einer selbstkritischen Haltung und kritischen Rezeption neurowissenschaftlicher Erkenntnisse einhergehen (Russell 2020). Dadurch soll einerseits ein Ausschluss von autistischen Personen vermieden werden, die erhebliche Schwierigkeiten haben, für sich selbst zu sprechen (z.B. Personen mit zusätzlichen schweren kognitiven Beeinträchtigungen). Andererseits birgt die Verabsolutierung oder Erhöhung der Neurodiversitätshypothese die Gefahr eines reduktionistischen Biologismus, der das Eingebundensein in wechselseitige Beziehungen und Lebenswelten sowie soziokulturelle Einflüsse und Bedingungen übergeht. Von hier aus soll das Medizinische Modell von Autismus durch ein „nicht-pathologisches System“ (Kapp und Ne’eman 2020, S. 189) herausgefordert und überwunden werden.

6.3 Wider die Pathologisierung von Autismus

Im Alltag und in den Medien (Presse) wird der Autismus-Begriff oft negativ konnotiert und mit psychischem Leiden assoziiert.

Nach Ansicht vieler Selbstvertretungsorganisationen und einer wachsenden Zahl an nicht organisierten Expert*innen in eigener Angelegenheit stellt Autismus aber keine Krankheit oder psychische Störung dar, die per se ein Leiden beinhaltet. Stattdessen gilt Autismus als Ausdruck menschlichen Seins, weshalb Betroffene von Autistinnen, Autisten, autistischen Personen oder Menschen im Autismus-Spektrum sprechen. Formulierungen wie Mensch mit Autismus oder Autismus-Spektrum-Störungen werden hingegen verworfen. Weltweit renommierte Autismusforscher*innen haben sich dieser Position angeschlossen, indem manche die Bezeichnung „autism spectrum condition“ (ASC) favorisieren (Lai, Lombardo und Baron-Cohen 2014, S. 897), um dadurch sowohl autismustypische Probleme als auch Stärken abdecken zu können.

7 Die Autismus-Spektrum-Sicht

Vor diesem Hintergrund vertritt ASAN ein Autismus-Konzept, welches sieben Merkmale unterscheidet, die in den letzten Jahren ausführlich aufbereitet und durch einen achten Aspekt ergänzt wurden, der in den „Erstbeschreibungen“ über Autismus deutlich zutage tritt (dazu Theunissen und Sagrauske 2019, S. 39 ff.). Da es aus Platzgründen nicht möglich ist, auf die Komplexität dieser Merkmale einzugehen (ausführlich in Theunissen 2020), werden im Folgenden nur einzelne Aspekte aufgegriffen, die eine Annäherung an eine verstehende Perspektive von Autismus ermöglichen sollen. 

(1) Unterschiedliche sensorische Erfahrungen

Dieser Aspekt lenkt den Blick auf das breite Feld an Wahrnehmungsbesonderheiten, die bei vielen Autist*innen beobachtbar sind, zum Beispiel eine Übersensibilität gegenüber Geräuschen, Lichtern, Temperaturen, Schmerzen, Textilien oder Geschmacksstoffen. Ebenso ist eine Unterempfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen denkbar. So kann beispielsweise das Beklopfen und Beschnuppern von Gegenständen dazu dienen, sich verstärkt Reize zu verschaffen und die Konsistenz oder Eigenschaften von Dingen anzueignen. Ferner zählen Schwierigkeiten sensorische Reize zu diskriminieren, gleichzeitig zu verarbeiten und zu bewältigen, aber auch das Phänomen der Synästhesie und beachtliche Fähigkeiten wie das Erfassen von Details zu spezifischen Wahrnehmungsbesonderheiten, die nicht selten bei autistischen Personen beobachtbar sind.

(2) Unübliches Lernverhalten und Problemlösungsverhalten

Berichten und Beobachtungen zufolge hat es den Anschein, dass viele Autist*innen sich beim Lernen selbst Wege erarbeiten und selbstentwickelte Strategien nutzen, um Aufgaben zu lösen (Theunissen und Sagrauske 2019, S. 43 ff.). Nicht wenige Autist*innen imponieren dabei mit speziellen Denkweisen, indem sie sich zum Beispiel der Visualisierung (z.B. Denken in Bildern oder Mustern) und der Logik (durch konkretes, analytisches Denken) bedienen (Drenkhahn und Heuer 2020).

Darüber hinaus gilt es aber auch kognitive Schwierigkeiten im Rahmen exekutiver Funktionen zu beachten (z.B. vorausschauendes Planen, Einkalkulieren von Hindernissen, Prioritäten setzen, Handlungskontrolle, mangelnde kognitive Flexibilität), die sich bei der Bewältigung von Aufgaben des alltäglichen Lebens ergeben können.

(3) Fokussiertes Denken und Spezialinteressen

Wenngleich schon Kanner und Asperger in ihren „Erstbeschreibungen“ Stärken, Sonderinteressen oder sogenannte Inselbegabungen zu würdigen wussten, erfährt dieses Thema erst in den letzten Jahren die Wertschätzung, die ihm für alle Personen im Autismus-Spektrum zukommen sollte. Immer wieder wird vonseiten Betroffener berichtet, dass die Beschäftigung mit eigenen, speziellen Themen nicht nur der Wissensbereicherung und Gewinnung von Lebensqualität, sondern ebenso der Entspannung, Beruhigung oder Kompensation stresshafter Situationen dient (Preißmann 2012, S. 67).

(4) Atypische, manchmal repetitive Bewegungsmuster

Hierunter werden alle Verhaltensweisen gefasst, die als motorisch auffällig gelten, wie beispielsweise mit dem Oberkörper schaukeln, Zehengang, auf den Füßen wippen, mit den Händen flattern, bizarre oder verkrampfte Armbewegung oder steife Körperhaltung. Nicht selten handelt es sich dabei um ein selbst-stimulierendes, stereotyp wirkendes, repetitives Verhalten, das für die Person funktional bedeutsam ist: „Ich selbst reagiere sensibler auf die Einstellungen der Leute. Wenn ich weiß, dass jemand mich voller Neugier beobachtet, fühle ich mich unwohl. Mein Körper reagiert sofort darauf. Ich werde hyperaktiv und wedele mit den Händen, um meinen Stress wenigstens teilweise abzureagieren“ (Mukhopadhyay 2005, S. 103).

Eine weitere motorische Besonderheit bezieht sich auf sogenannte „Handlungsstörungen“ (Zöller 2020). Eine Person weiß in dem Fall, was sie zu tun hat, kann dies aber nicht ausführen, da sie motorisch „erstarrt“ ist. Diese motorische Auffälligkeit sollte nicht von Wahrnehmungsbesonderheiten und exekutiven Funktionen losgelöst betrachtet werden.

Darüber hinaus lassen sich unter diesem vierten Merkmal aber auch motorische Stärken (zum Beispiel hohes Geschick in der Feinmotorik) erfassen.

(5) Bedürfnis für Beständigkeit, Routine und Ordnung

Hier geht es um ein grundlegendes Bedürfnis, das im Leben autistischer Menschen oftmals eine zentrale Rolle spielt und auf potenzielle Ängste verweist, die entstehen können, wenn sich Betroffene in veränderten oder unbekannten Situationen zurechtfinden müssen. Routine und ein vorab festgelegter Ablaufplan mit eingebauten alternativen Lösungswegen können ein Gefühl von Sicherheit, Vertrautheit und Vorhersehbarkeit bieten. „Wenn etwas nicht genau an seinem Platz stand, musste ich es gerade rücken; und diese Tätigkeit, das Wiederherstellen von Ordnung, gab mir das Gefühl von Sicherheit“ (Williams 1992, S. 121). Viele autistische Personen legen Wert darauf, selbst inhaltliche und zeitliche Ablaufpläne sowie Regeln oder Ordnungsprinzipien zu erstellen, an denen alltägliche Handlungen ausgerichtet werden. Andernfalls sollten gemeinsam oder für eine Person zeitliche, aufgaben- oder arbeitsplatzbezogene Strukturierungshilfen erarbeitet werden, um dem Bedürfnis nach Ordnung und Beständigkeit Rechnung tragen zu können.

(6) Schwierigkeiten, Sprache zu verstehen und sich sprachlich auszudrücken, so wie es üblicherweise in Kommunikationssituationen (Gesprächen) erwartet wird

Einerseits lassen sich unter diesem sechsten Merkmal das Ausbleiben einer verbalen Verständigung, Verzögerungen oder Besonderheiten in der Sprachentwicklung (das Vertauschen von Personalpronomina), spezielle sprachliche Phänomene (z.B. Echolalie, auffällige Intonation) sowie Verständnisschwierigkeiten (wörtliches Verstehen, Ironie missverstehen) erfassen.

Andererseits sollten außergewöhnliche sprachliche Leistungen (Wortneuschöpfungen als kreative Leistung, Verfassen von Gedichten oder autobiografischen Texten, enzyklopädische Wortschatzsammlungen, Verständigung in mehreren Fremdsprachen) nicht unberücksichtigt bleiben.

Autist*innen, die sich sprachlich verständigen können, berichten, dass es häufig sehr anstrengend sei, die Modulation der Stimme adäquat zu beherrschen sowie in Gesprächssituationen „gleichzeitig zu sprechen und auf die Blicke, die Mimik und die Gestik der beteiligten Personen zu achten“ (Pinke zit. in Preißmann 2012, S. 100). Zudem können Wörter oder Zahlen, die im Rahmen einer Kommunikation wahrgenommen werden, unmittelbar als (sensorische) Reize zu Assoziationen, zur Kreation von Strukturen, Systemen, Reimen oder Gedichten verleiten (Mukhopadhyay 2005, S. 37), sodass dem eigentlichen Gespräch nicht mehr gefolgt werden kann und Verständnisprobleme auftreten. Solche Situationen erzeugen Stress; und um ihn zu vermeiden, wird der Situation ausgewichen oder gegebenenfalls geschwiegen. Wird Blickkontakt vermieden, dient dies nicht selten der besseren Konzentration beziehungsweise der Fokussierung auf das Gesagte. Was die Echolalie betrifft, die vielen Autist*innen nachgesagt wird, so ist sie für die Autistin Donna Williams (1992, S. 292) ein Mittel, „sich anderen zu nähern und zu zeigen, dass sie eine Beziehung herstellen können, wenn auch nur als Spiegel.“

(7) Schwierigkeiten, typische soziale Interaktionen zu verstehen und mit anderen Personen zu interagieren

Dieses Merkmal betrifft insbesondere zwischenmenschliche Begegnungs- und Umgangsformen, soziale Konventionen wie Begrüßung, Small Talk oder andere Formen der Kontaktaufnahme mit fremden Personen sowie die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen. Vielen autistischen Personen fällt es schwer, sich nicht-autistischen Menschen in Form einer „geteilten Aufmerksamkeit“ zuzuwenden. Vor diesem Hintergrund werden insbesondere im Kindes- und Jugendalter Freundschaften seltener gebildet und soziale Situationen durch Rückzug, Selbstisolation und In-Sich-Gekehrtsein gemieden.

Kommt es vor allem im Jugendalter zu Hänseleien, Mobbing, sozialen Ausgrenzungen und Diskriminierungen durch nicht-autistische Peers, führt dies bei nicht wenigen betroffenen Jugendlichen aus dem Autismus-Spektrum zu einem Leidensdruck und zur Entwicklung psychischer Begleitstörungen (z.B. affektive Störungen, Angst- oder Essstörungen). Manche versuchen über ein selbstbewusstes, nonkonformes Auftreten und Aussehen der Gefahr der psychischen Dekompensation gegenzusteuern oder über Spezialinteressen soziale Kontakte oder Freundschaften anzubahnen.

Ein grundsätzliches Problem, welches oftmals im Kontext sozialer Situationen zutage tritt und Interaktionen erschwert, besteht darin, dass nicht-autistische Personen das Verhalten und Erleben von Autist*innen nicht verstehen und dass zugleich autistischen Personen die nicht-autistische Bezugswelt fremd vorkommt. Wir stoßen hier auf das „doppelte Empathie-Problem“ (Milton 2012). Gleichwohl sei erwähnt, dass trotz der genannten Schwierigkeiten autistische Personen ein feines Gespür für soziale Beziehungen durch ein hohes Reflexionsvermögen entwickeln können (Seng 2019, S. 116). Hierzu genügen ihnen bereits augenblickhafte Beobachtungen sozialer Situationen und anderer Personen durch einen Seitenblick. Zudem sind autistische Personen sehr wohl befähigt, die inneren Zustände eines anderen Menschen zu erspüren (Vero 2020, S. 26). Die Autistin Gee Vero bezeichnet dieses Phänomen als „Sensing“ (ebd.).

(8) Emotionale Besonderheiten

Emotionale Besonderheiten, die schon in den „Erstbeschreibungen“ über Autismus zutage treten, betreffen zum Beispiel eine schwach ausgeprägte emotionale Bindung an Personen und eine nicht selten stark ausgeprägte emotionale Bindung an Objekte oder Tiere, ferner „abgeflachte“ Gefühle gegenüber nicht-autistischen Personen oder Schwierigkeiten, eigene Gefühle zu erkennen, einzuschätzen und damit umzugehen.

Ebenso lässt sich das achte Merkmal durch neurowissenschaftliche Theorien begründen, die eine neuronale „Übererregung“, eine überreaktive Amygdala („Angstzentrale“ des Gehirns) und „erhöhte Emotionalität“ bei autistischen Personen annehmen (ausführlich in Theunissen 2020, S. 57 ff.). In der Tat berichten Betroffene häufig über erhöhte Ängste, erhöhte emotionale Sensitivität und mitunter über eine leichte emotionale Erregbarkeit, über explosive Gefühlsäußerungen mit mangelnder Impulskontrolle oder Affektregulation (meltdown). Dieses Submerkmal emotionaler Besonderheit kann allerdings ebenso ein Symptom für ADHS sein. Im Falle von Autismus wird es im Zusammenhang mit erhöhter Reizempfindlichkeit, Stressanfälligkeit (Vulnerabilität) und Versagensängsten (durch einen „Überperfektionismus“) diskutiert.

8 Kritische Würdigung

Was die Lesart dieser acht Aspekte betrifft, so können sie bei einer Person in abgeschwächter oder stark ausgeprägter Form in Erscheinung treten. Dies bedeutet, dass die einzelnen Charakteristika nur individuell erschlossen werden können. Dabei darf ihr Zusammenspiel und -wirken nicht aus dem Blick geraten, wenn eine Einschätzung im Hinblick auf Autismus vorgenommen werden soll. Zu diskutieren wäre, wann nach dem skizzierten Konzept eine Person als autistisch bezeichnet werden kann. Treten nur wenige autistische Merkmale ausgeprägt in Erscheinung, hätten wir es mit Sicherheit nicht mit dem „Vollbild“ von Autismus zu tun. Bei nur leichten Ausprägungen mehrerer Merkmale verschwimmen die Grenzen zu einem „normalen Verhalten“, weshalb wir uns des Zuschreibungscharakters, der Abhängigkeit von Normen und subjektiven Einschätzungen bewusst sein sollten. Treten weithin alle Merkmale mehr oder weniger stark ausgeprägt in Erscheinung, sollte hingegen der Autismus unstrittig sein.

Da das Konzept des Autismus-Spektrums im Unterschied zum DSM-5 nicht operationalisiert wurde, wird es aus wissenschaftlicher (klinischer) Sicht kritisch betrachtet. Insofern kommt ihm angesichts der fehlenden empirischen Grundlage eine heuristische Funktion zu.

Seine prominente Bedeutung liegt unzweifelhaft darin, dass Merkmale berücksichtigt oder hervorgehoben werden, die bisher weithin diagnostisch vernachlässigt wurden. Ferner wird auf eine Sprache und Beschreibung verzichtet, die Defizite betont und das Autismus-Spektrum unmittelbar mit Störungen assoziiert.

9 Unterstützen statt behandeln

Diese durch das Autismus-Spektrum-Konzept grundgelegte Sicht hat Konsequenzen für die Praxis. Da Autismus nicht als Krankheit betrachtet wird, sollte nicht ein Heilungs- oder Behandlungsansatz praxisbestimmend sein. Die Kritik der Betroffenen richtet sich hier unmissverständlich gegen aversive Therapiemethoden, die bis heute nicht gebannt sind (Neumeier und Brown 2020; Theunissen 2019b). Ferner werden restriktive Interventionen unter dem Etikett der „angewandte Verhaltensanalyse“ (applied behavior analysis) abgelehnt (Craine 2020, S. 273; Kapp 2013). Dabei geht es um eine sogenannte ABA-Praxis, die Autismus auf der Grundlage des medizinischen Modells als eine „tiefgreifende Entwicklungsstörung“ betrachtet und mit dem Ziel größtmöglicher Anpassung an eine „normale“ (unauffällige) Entwicklung durch gezielte, streng empirisch kalkulierte Interventionen zu beeinflussen versucht. An dieser Stelle wurden bis vor Kurzem hohe Erwartungen an frühe Interventionen durch das „diskrete Lernformat“ (discrete trial training) als prominente Methode intensiver Verhaltenstherapie geknüpft. Mittlerweile ist die wissenschaftliche Einschätzung gegenüber den eng gestrickten (restriktiven) ABA-Interventionen verhalten (Theunissen und Sagrauske 2019, S. 97 ff.). So wurden zum Beispiel keine nachhaltigen Entwicklungsfortschritte bei autistischen Kindern mit schweren kognitiven Beeinträchtigungen und keine positiven Auswirkungen auf herausfordernde Verhaltensweisen, psychische Begleitstörungen oder Stress festgestellt. Außerdem gibt es Berichte über Formen mangelnder Spontaneität sowie traumatische Folgeerscheinungen.

Daher werden heute breit angelegte Präventions- und Interventionskonzepte, zum Beispiel das Early Start Denver Model empfohlen, in denen ABA-Methoden wie das diskrete Lernformat eingebettet, aber nicht priorisiert werden (dazu ebd.).

Allerdings wird mit diesen weiterentwickelten Ansätzen das Störungsbild von Autismus und Pathologiedenken noch nicht überwunden. Vielmehr liegt ihnen ein überholtes Verständnis von psychischer Gesundheit zugrunde.

Stattdessen wünschen sich das ASAN und andere Aktivist*innen aus der Rechte-Bewegung autistischer Menschen eine Orientierung an dem modernen Gesundheitsbegriff der Weltgesundheitsorganisation. Dieser legt eine gesundheitsfördernde Praxis nahe, bei der es darum geht, mit Problemen, kritischen Lebensbedingungen oder Lebensereignissen fertig zu werden (Coping), die das körperliche, seelische oder soziale Wohlbefinden beeinträchtigen. Unterstützt werden soll dieser Prozess durch eine „partizipative Gesundheitsförderung“, bei der es nicht nur um medizinisch-kurative Maßnahmen, sondern ebenso um die Schaffung von gesundheitsfördernden Lebenswelten geht (Kapp 2018). Fokussiert wird damit eine Unterstützungsperspektive für ein gesellschaftlich inklusives „Leben mit Autismus“ (ausführlich in Theunissen und Sagrauske 2019, S. 82 ff., 102 ff.).

10 Quellenangaben

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11 Literaturhinweise

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Aus der Sicht einer Mutter werden auf eindrucksvolle Weise ein an Stärken orientiertes Denken und feinfühlige Unterstützungsformen vor Augen geführt, die einem defizitorientierten Umgang mit Autismus kontrapunktisch gegenüber stehen.

Blodig, Ina. 2016. Hochfunktionale Autisten im Beruf: Navigationshilfen durch die Arbeitswelt. Paderborn: Junfermann. ISBN 978-3-95571-460-4 [Rezension bei socialnet]
Für alle, die sich konkrete Hilfen für den Einstieg autistischer Menschen in die Arbeitswelt sowie für eine erfolgreiche Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt wünschen, ist dieses Buch als Fundgrube bestens zu empfehlen.

Schmidt, Peter. 2020. Aus dem Rahmen gefallen: Praktische Autismuskunde von einem, der es wissen muss. Ostfildern: Patmos. ISBN 978-3-8436-1175-6
Dieses Buch bietet auf unterhaltsame Weise einen guten Einstieg ins Thema aus der Sicht eines Autisten.

Theunissen, Georg, Hrsg. 2016. Autismus verstehen: Innen- und Außensichtweisen. Stuttgart: Kohlhammer.ISBN 978-3-17-030786-5 [Rezension bei socialnet]
Diese Herausgeberschrift führt ins Thema des Autismus ein, bietet einen Überblick über aktuelle Theorien und lässt Eltern und prominente Persönlichkeiten aus dem Autismus-Spektrum mit eigenen Beiträgen über autistische Merkmale und Fähigkeiten zu Wort kommen.

Theunissen, Georg. 2014. Der Umgang mit Autismus in den USA: Schulische Praxis, Empowerment und gesellschaftliche Inklusion. Stuttgart: Kohlhammer.ISBN 978-3-17-023466-6 [Rezension bei socialnet]
Dieses Buch empfiehlt sich für alle, die sich über interessante Entwicklungen auf dem Gebiet des Autismus und insbesondere über innovative Angebote informieren möchten.

12 Informationen im Internet

Verfasst von
Prof. Dr. Georg Theunissen
Prof. em. Dr., Diplom-Pädagoge, Heil- und Sonderpädagoge, acht Jahre leitend tätig in einer großen Behinderteneinrichtung, seit 1989 Professor für Heilpädagogik, 25 Jahre tätig an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Philosophische Fakultät III Erziehungswissenschaften, 1994 – 2019 Ordinarius für Geistigbehindertenpädagogik und 2012 – 2019 für Pädagogik bei Autismus, damit Gründer des 1. Lehrstuhls für Pädagogik bei Autismus im deutschsprachigen Raum. Autor von gut 70 Fachbüchern (Monografien, Handbücher, Herausgerberschriften, Neuauflagen) und über 600 Fachbeiträgen in Fachzeitschriften und Büchern. Anfragen für Praxisberatung, Fort- und Weiterbildungen in Bezug auf Autismus und herausforderndes Verhalten (Positive Verhaltensunterstützung):
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Zitiervorschlag
Theunissen, Georg, 2020. Autismus [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 18.08.2020 [Zugriff am: 19.03.2025]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/286

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