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Betriebliche Fortbildung

Prof. Dr. Reinhold Weiß

veröffentlicht am 09.01.2024

Synonym: Betriebliche Weiterbildung

Betriebliche Fortbildung ist ein Teilbereich der Fortbildung. Sie umfasst betrieblich organisierte und/oder finanzierte Fortbildungsmaßnahmen. Zielgruppe sind Betriebsangehörige, das heißt Beschäftigte, das Management sowie die selbstständig tätigen Unternehmer:innen und Freiberufler:innen.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Abgrenzungen
    1. 2.1 Fließende Grenzen zur individuellen Fortbildung
    2. 2.2 Vielfalt der Veranstaltungsformate
  3. 3 Ausrichtung auf den Bedarf
    1. 3.1 Strategieerfüllend oder auch strategiegestaltend?
    2. 3.2 Instrumente der Bedarfsermittlung
    3. 3.3 Mitarbeiter:innenwünsche und -interessen
    4. 3.4 Mitwirkung des Betriebsrates
  4. 4 Verankerung in der betrieblichen Organisation
  5. 5 Quantitative Bedeutung
  6. 6 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Betriebliche Fortbildung ist als Teil der Personalpolitik ein Instrument zur Realisierung von Unternehmenszielen. Bei der Identifikation von Bedarfen können die Wünsche und Interessen der Mitarbeitenden aber nicht ausgeblendet werden. Betriebliche Weiterbildung ist daher ein Verhandlungsgegenstand zwischen der Unternehmensleitung und dem Betriebsrat, aber auch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitenden.

Arbeitgeber organisieren oder finanzieren Fortbildung in insgesamt drei von vier Fällen. Betriebe sind somit für das größte Segment der Fortbildung verantwortlich. Charakteristisch ist eine kurze Dauer von wenigen Tagen. Fortbildung findet überwiegend innerhalb der Arbeitszeit statt. Die Kosten der Lohnfortzahlung machen gut die Hälfte der betrieblichen Kosten aus.

2 Abgrenzungen

2.1 Fließende Grenzen zur individuellen Fortbildung

Betriebliche Fortbildung wird entweder intern von entsprechenden Organisationseinheiten geplant und durchgeführt, bei externen Dienstleistern eingekauft oder durch die Entsendung von Mitarbeitenden zu Veranstaltungen externer Bildungsanbieter realisiert. Entscheidend ist dabei, dass der Arbeitgeber die Kosten trägt. Das sind zum einen die unmittelbar mit der Durchführung verbundenen Kosten wie Honorare, Reisekosten und Lehrgangsgebühren, zum anderen aber auch die Kosten der Lohnfortzahlung, wenn die Fortbildung während der Arbeitszeit stattfindet oder Fortbildungszeiten in der Freizeit auf Arbeitszeiten angerechnet werden.

Die Abgrenzung zur individuellen Fortbildung der Mitarbeitenden ist fließend. Betriebliche Fortbildung findet zwar überwiegend in der Arbeitszeit und bei Fortzahlung des Gehaltes statt. Zum Teil setzen Mitarbeitende aber auch einen Teil ihrer Freizeit ein, ohne dafür einen zeitlichen oder finanziellen Ausgleich zu erhalten. Derartige Maßnahmen zählen im strengen Sinne daher nicht zur betrieblichen, sondern zur individuellen Fortbildung. Umgekehrt kann es sein, dass sich ein:e Mitarbeiter:in auf eigene Initiative zu einem Seminar anmeldet und der Betrieb im Nachhinein, zum Beispiel bei einem erfolgreichen Abschluss, die Kosten hierfür übernimmt. In diesem Fall wird aus einer ursprünglich privaten eine betriebliche Fortbildung.

Betriebe führen Fortbildungsmaßnahmen unter Umständen nicht nur für Mitarbeitende durch, sondern beispielsweise auch für Kund:innen oder Partnerunternehmen. Sie werden dadurch zu Bildungsdienstleistern. Die durchgeführten Kurse zählen dann nur aus Sicht der entsendenden und finanzierenden Kund:innen und Partnerunternehmen zur betrieblichen Fortbildung, nicht aber für das durchführende Unternehmen.

2.2 Vielfalt der Veranstaltungsformate

Seminare und Lehrgänge können zum einen als interne, ausschließlich für Mitarbeitende geplante Fortbildungsmaßnahmen stattfinden. Sie können sehr genau auf den jeweiligen Bedarf der Zielgruppe ausgerichtet werden. Unternehmen können Mitarbeitende aber auch bei externen Bildungsveranstaltern zu Fortbildungsmaßnahmen anmelden und die Kosten dafür übernehmen. Das wird immer dann der Fall sein, wenn es jeweils nur um wenige Mitarbeitende geht oder das entsprechende Know-how im Unternehmen nicht vorhanden ist.

Eine zunehmende Bedeutung kommt dem mediengestützten Lernen zu. Während der Coronapandemie sind die lehrgangsmäßig organisierten Fortbildungen deutlich zurückgegangen. Stattdessen haben viele Unternehmen digitale Formate eingesetzt. Dazu wurden Lernplattformen aufgebaut und Präsenzmaßnahmen in E-Learning-Programme umgewandelt. Auf längere Sicht ist jedoch keine vollständige Substitution von Präsenzveranstaltungen durch E-Learning zu erwarten. Unternehmen nutzen beide Formate vielmehr ergänzend und in Kombination zueinander (Käpplinger 2023, S. 23). Letzteres wird auch als „blended learning“ bezeichnet. Inzwischen werden bereits in 43 Prozent aller Fortbildungsveranstaltungen digitale Instrumente eingesetzt. Die Spanne reicht vom Austausch in WhatsApp-Gruppen, die Nutzung des Internets für die Kommunikation, die Arbeit mit Lernprogrammen bis zu computerunterstützen Testverfahren (BMBF 2020, S. 23).

Ergänzend nutzen Unternehmen ein breites Repertoire an weiteren Veranstaltungsformen. Sie verfolgen nicht primär Bildungsziele, unterliegen auch nicht der Planung des Weiterbildungspersonals, vermitteln aber sehr wohl relevante berufliche Kompetenzen.

  • Informationsveranstaltungen dienen dazu, relativ schnell und ohne pädagogischen Anspruch Informationen weiterzugeben oder auszutauschen. Hinter diesem Sammelbegriff verbergen sich unter anderem kurzzeitige Workshops, Vortragsveranstaltungen sowie der Besuch von Messen und Ausstellungen.
  • Immer schon nahm das Lernen im Prozess der Arbeit einen breiten Raum ein. Neben dem informellen Lernen, das implizit mit dem Arbeiten verbunden ist, gibt es verschiedene strukturiert eingesetzte Instrumente. Dazu gehören beispielsweise Lernstatt- oder Qualitätszirkel, Mentoring und Coaching sowie das unterstützte Anlernen und Einarbeiten.

Die Verantwortung für diese Lernformen liegt nicht bei den Fortbildungsverantwortlichen, sondern ist Teil der Führung und Ausdruck einer lernförderlichen Unternehmenskultur.

3 Ausrichtung auf den Bedarf

3.1 Strategieerfüllend oder auch strategiegestaltend?

Betriebliche Fortbildung ist den Unternehmenszielen verpflichtet und soll einen Beitrag zum Erfolg des Unternehmens leisten. Sie wird mit dem Anspruch durchgeführt, betrieblichen Bedarfen gerecht zu werden. Bedarfe werden zum einen aus der strategischen, taktischen oder operativen Unternehmensplanung abgeleitet. Anlässe können Investitionen sein, die Neuorganisationen von Organisationen und Abläufen, die Unterstützung von Marketingaktionen oder auch die Entwicklung von Nachwuchskräften.

Fortbildung kann somit erst realisiert werden, nachdem die Unternehmensplanung vollzogen worden ist. Damit muss die Fortbildung systematisch zu spät einsetzen. Sie kann nur auf bereits erkennbare Probleme und Qualifikationslücken reagieren. Aus diesem Grund wird seit Langem die Forderung nach einer Einbeziehung der Fortbildungsplanung in die Personal- und Unternehmensplanung erhoben. Eine derartige „strategiegestaltende“ Fortbildung setzt bei den Mitarbeiterpotenzialen an. Ziel ist ein „ganzheitliches Management der Humanressourcen“ im Sinne der Lern und Fortschrittsfähigkeit der Organisation (Pawlowsky und Bäumer 1996, 46). Das Ziel einer „lernenden Organisation“ haben inzwischen viele Unternehmen in ihr Leitbild aufgenommen. Gleichwohl ist die Fortbildung nach wie vor in erster Linie auf jeweils aktuell und vielfach spontan festgestellte Bedarfe ausgerichtet.

3.2 Instrumente der Bedarfsermittlung

Instrumente zur Identifizierung von Bedarfen können Abfragen bei Führungskräften und Mitarbeitenden sein, Strategieworkshops, Schwachstellenanalysen, Arbeitsplatzanalysen oder auch Mitarbeiter:innengespräche oder Zielvereinbarungen sein. Die Ergebnisse der Fortbildungsplanung sind Grundlage für die Aufstellung von Fortbildungsbudgets, Fortbildungsprogrammen und den Abschluss von Verträgen mit externen Dozent:innen und Bildungspartnern.

Generell geht es darum, eine Diskrepanz zwischen festgestellten und benötigten Kompetenzen festzustellen. Ein Fortbildungsbedarf wird daraus, wenn diese Deckungslücke durch Fortbildung besser, das heißt effizienter ausgeglichen werden kann als auf anderem Wege. Alternativen zur Fortbildung sind insbesondere Umbesetzungen von Stellen, Neueinstellungen oder die Auslagerung von Aufgaben auf externe Partner.

Eine Bedarfsermittlung kann sich auf aktuelle Anforderungen konzentrieren, die sich aus unmittelbaren Problemen oder Aufgaben ergeben. Sie sollte aber auch künftige Anforderungen in den Blick nehmen. Dabei besteht indessen eine große Unsicherheit, zumal in volatilen Märkten mit raschen Veränderungen. Um dem Rechnung zu tragen, achten Unternehmen bei Neueinstellungen auf möglichst breite Qualifikationsprofile der Bewerber:innen. So fällt die Anpassung an neue Anforderungen leichter.

Gemessen an der Bedeutung, die der Ausrichtung auf den Bedarf im Selbstverständnis der Unternehmen zukommt, erscheinen die Instrumente zu seiner Ermittlung in der Praxis häufig wenig strukturiert und systematisch. Es dominieren Kommunikations- und Aushandlungsprozesse zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften, Fortbildungsverantwortlichen und Entscheidungsträgern in den Organisationseinheiten. Maßgebend sind letztlich die Entscheidung und Einwilligung der jeweiligen Vorgesetzten. Betriebliche Fortbildung wird daher zu Recht auch als eine nicht delegierbare Führungsaufgabe verstanden.

Während größere Betriebe differenzierte Instrumente zur Identifikation von Fortbildungsbedarfen und als Grundlage für die Fortbildungsplanung einsetzen, beschränken sich die meisten Betriebe auf spontane Entscheidungen, die im Zusammenhang mit aktuellen Anforderungen gefällt werden. Das mag im Interesse einer systematischen Fortbildungsplanung als defizitär erscheinen. Es hat aber den Vorteil, dass schnell und zielgenau reagiert werden kann.

3.3 Mitarbeiter:innenwünsche und -interessen

Individuelle Wünsche und Interessen der Mitarbeitenden spielen bei der Bedarfsermittlung eine eher nachrangige Rolle. Allerdings müssen die betrieblich identifizierten Bedarfe immer konkretisiert und auf einzelne Mitarbeiter:innen oder Mitarbeiter:innengruppen heruntergebrochen bzw. entsprechend umgesetzt werden. Damit kommen die Mitarbeitenden unweigerlich ins Spiel. Mitunter werden sie zu Fortbildungsmaßnahmen delegiert, ohne sie in den Entscheidungsprozess einzubinden. In der Regel jedoch liegen der Entscheidung Informations- und Aushandlungsprozesse zugrunde. Dabei gehen dann auch die Wünsche der Mitarbeitenden ein. Dies ist Ausdruck einer mitarbeiterorientierten Personalpolitik und Führungskultur. Insbesondere bei spezialisierten Fachkräften und Führungskräften können es sich Unternehmen einfach nicht leisten, die Mitarbeitenden nicht einzubeziehen. Dies würde die Loyalität der Mitarbeitenden und das Betriebsklima allgemein belasten.

Aus dem Blickwinkel der Erziehungswissenschaft ist die Ausrichtung auf betriebliche Bedarfe problematisch, scheint sie doch den Interessen der Individuen an einer Entwicklung der Persönlichkeit entgegenzustehen. Längst lassen sich individuelle Interessen der Mitarbeitenden und betriebliche Bedarfen nicht klar voneinander abgrenzen. Denn betriebliche Fortbildung aktualisiert und erweitert die persönlichen Kompetenzen und trägt dazu bei, den Arbeitsplatz zu sichern oder neue Aufgaben zu übernehmen. Im Regelfall treffen sich beide Interessen. Motivationale Probleme können aber immer dann entstehen, wenn Fortbildungswünsche von Mitarbeitenden ignoriert werden oder sie ohne ausreichende Informationen und Einbindung zur Fortbildung „delegiert“ werden.

Letztlich kommt es also auf einen Ausgleich der Interessen an. Er gelingt umso eher,

  • je allgemeiner die Fortbildung ist und je mehr sie auf den Erwerb übertragbare Kompetenzen ausgerichtet ist,
  • je mehr die Fortbildung dokumentiert und zertifiziert ist,
  • je mehr Mitarbeitende kommunikativ, beispielsweise über Mitarbeiter:innengespräche, in die Entscheidung eingebunden sind,
  • je höher der Anteil der Fortbildung ist, der in der Arbeitszeit erfolgt
  • und je größer der persönliche Nutzen der Fortbildung für die Mitarbeitenden ist.

Namentlich in Zeiten des Fachkräftemangels haben Mitarbeitende eine gute Verhandlungsposition und somit gute Chancen, ihre Interessen an Fortbildung zu verwirklichen.

Eine stärkere Berücksichtigung der Wünsche und Interessen der Mitarbeitenden sehen neuere Konzepte der Organisationsentwicklung vor. Fortbildung ist dabei ein Element der Entwicklung zu „lernenden Organisationen“ (Sonntag 1996, S. 56 ff.). Die Planung und Durchführung von Fortbildung wird dazu zu einem guten Teil in den Organisationseinheiten verankert. Neben dem formalen und non-formalen Lernen kommt dabei dem informellen Lernen im Prozess der Arbeit eine besondere Bedeutung zu. Selbstorganisiertes Lernen wird zu einem tragenden Element von Innovationsprozessen.

3.4 Mitwirkung des Betriebsrates

Die Entscheidung über eine betriebliche Fortbildungsmaßnahme treffen das Unternehmen und die dazu legitimierten Führungskräfte. Bei ihrer Entscheidung haben sie allerdings die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretung zu beachten. In den §§ 96–98 BetrVG regelt das Betriebsverfassungsgesetz die Rechte des Betriebsrates bei betrieblichen Maßnahmen der „Berufsbildung“, wie es im Gesetz heißt. Dies betrifft die betriebliche Ausbildung, Fortbildung und Umschulung. Analoge Regelungen bestehen für die Zusammenarbeit mit dem Personalrat in der öffentlichen Verwaltung.

Das BetrVG verpflichtet Arbeitgeber wie Betriebsräte, die „Berufsbildung“ der Arbeitnehmer:innen zu fördern. Der Betriebsrat hat dabei sowohl Beratungs-, Mitwirkungs- als auch regelrechte Mitbestimmungsrechte.

  • So ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Berufsbildungsbedarf und somit auch den Fortbildungsbedarf auf Verlangen des Betriebsrates zu ermitteln und mit dem Betriebsrat zu beraten (§ 96 Abs. 1 BetrVG). Hierzu kann der Betriebsrat eigene Vorschläge machen. Kommt eine Einigung nicht zustande, kann eine Einigungsstelle angerufen werden.
  • Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat über die Einrichtung und Ausstattung betrieblicher Einrichtungen zur Fortbildung, die Einführung von und die Teilnahme von Mitarbeiter:innen an außerbetrieblichen Fortbildungsmaßnahmen zu beraten (§ 97 Abs. 1 BetrVG).
  • Ändern sich Tätigkeitsanforderungen an den Arbeitsplätzen mit der Folge, dass die vorhandenen Kompetenzen der Mitarbeiter:innen nicht mehr ausreichen, hat der Betriebsrat ein explizites Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Fortbildungsmaßnahmen (§ 97 Abs. 2 BetrVG).
  • Mitbestimmen kann der Betriebsrat ebenfalls bei der Durchführung von Fortbildungsmaßnahmen (§ 98 Abs. 1 und 2 BetrVG). So kann er beispielsweise der Bestellung von Lehrenden widersprechen und in begründeten Fällen deren Abberufung verlangen.
  • Der Betriebsrat kann Vorschläge für die Teilnahme von Arbeitnehmer:innen oder von Gruppen von Arbeitnehmer:innen an Maßnahmen der betrieblichen Fortbildung machen (§ 98 Abs. 3 BetrVG).

Neben dem BetrVG sind häufig auch Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen zu beachten (Heidemann 2010). Sie gehen teilweise über die gesetzlichen Mitwirkungsrechte hinaus und beschreiben Rahmenbedingungen für die betriebliche Fortbildung, beispielsweise Informationspflichten und Abstimmungsbedarfe, die Einrichtung gesonderter Gremien oder auch die Freistellung von Mitarbeitenden sowie die Finanzierung von Fortbildung. Erstmals wurde 1988 in der Metallindustrie Baden-Württemberg Qualifizierung in einem Flächentarifvertrag vereinbart. Inzwischen gibt es entsprechende Vereinbarungen in einer Reihe von Branchen (Bahnmüller und Fischbach 2006).

Im Allgemeinen ist die Fortbildung kein Feld kontroverser Auseinandersetzungen zwischen den Betriebsparteien. Normalerweise gelingt es, zu konsensuellen Lösungen zu kommen. Einigungsstellen müssen daher nur im Ausnahmefall angerufen werden. Studien belegen zudem positive Effekte von Betriebsräten auf die betriebliche Fortbildung. Dies betrifft sowohl den Umfang des Weiterbildungsangebots als auch dessen Intensität, die Finanzierung sowie Weiterbildungschancen unterschiedlicher Beschäftigtengruppen (Erol, Ahlers und Schleicher 2021, S. 3).

4 Verankerung in der betrieblichen Organisation

Betriebliche Fortbildung ist Teil der Personalentwicklung und damit den für Personal zuständigen Personen oder Organisationseinheiten zugeordnet. Ihre Aufgabe besteht vor allem darin, zusammen mit den Führungskräften, der Mitarbeiter:innenvertretung sowie den Mitarbeitenden Fortbildungsmaßnahmen zu planen, zu realisieren und zu evaluieren. Die Planung beinhaltet die Bedarfsermittlung, die Entwicklung entsprechender Programme und Maßnahmen, die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern sowie die Budgetierung und kostenmäßige Abrechnung der Maßnahmen.

In der Vergangenheit wurde die Fortbildung in den größeren Unternehmen von eigenen Organisationseinheiten für Personalentwicklung/​Fortbildung verantwortet (Becker 1999, S. 305 ff.). Sie waren im Rahmen einer funktionalen Organisation Teil der Personalabteilungen oder ihnen als Stabsstellen zugeordnet. Dieses Organisationsmodell hatte den Vorteil einer hohen Spezialisierung in Verbindung mit einer hohen fachlichen Kompetenz der Fortbildungsverantwortlichen. Der Nachteil war indessen eine relative Ferne von den betrieblichen Entscheidungsträgern.

Viele Unternehmen sind deshalb dazu übergegangen, die Fortbildung entweder divisional in die verschiedenen Organisationseinheiten zu integrieren, in Form von Cost- bzw. Profit Centern auszugliedern oder im Sinne einer Matrix zu organisieren. Das hat den Vorteil einer größeren Kundennähe. Zugleich ist damit aber der Nachteil verbunden, dass die Fortbildung eher nebenher als Teil anderer Aufgaben und weniger professionell organisiert wird. Auch birgt eine derartige Dezentralisierung die Gefahr einer zunehmenden Heterogenität in der Ausgestaltung der betrieblichen Fortbildung.

Die Dezentralisierung der Fortbildung spielt auch eine wichtige Rolle in Konzepten der Organisationsentwicklung. Operative Entscheidungen werden dabei zu einem Teil in dezentrale Einheiten und Arbeitsteams verlagert. Sie entscheiden auf der Grundlage strategischer Ziele und konkreter Zielvereinbarungen. Fortbildung wird – im Idealfall – zu einem Bestandteil einer neuen partizipativen Lernkultur.

In kleineren Unternehmen wird die Fortbildung in der Regel von den Inhaberinnen und Inhabern selbst verantwortet. Zum Teil stehen ihnen dabei Sachbearbeiter:innen oder Referent:innen unterstützend zur Verfügung. Da sich die Durchführung eigener Veranstaltungen angesichts der geringen Zahl an Mitarbeiter:innen nicht lohnt, werden vornehmlich Angebote externer Bildungsdienstleister in Anspruch genommen. Im Vordergrund stehen dabei Seminare und Lehrgänge der Lieferanten, von Fachverbänden und Wirtschaftsorganisationen, z.B. Innungen oder Kammern mit ihren überbetrieblichen Bildungseinrichtungen. Daneben spielt das Lernen im Prozess der Arbeit eine zentrale Rolle. Namentlich in Unternehmen, die Kleinserien oder individualisierte Produkte und Dienstleistungen produzieren, ist das immanente Lernen an Kundenaufträgen elementar.

5 Quantitative Bedeutung

Das Engagement der Betriebe in der Fortbildung ist in der Vergangenheit nahezu kontinuierlich angestiegen. Nach den Daten der alle fünf Jahre durchgeführten Europäischen Weiterbildungserhebung (Continuing Vocational Training Survey – CVTS) haben im Jahr 2020 insgesamt 77 Prozent der Unternehmen Fortbildungsmaßnahmen selbst durchgeführt und/oder finanziert (Statistisches Bundesamt 2022). Während der Weltfinanzkrise und vor allem als Folge der Coronapandemie ist die Beteiligung an der Fortbildung wie auch der Umfang der betrieblichen Fortbildung deutlich zurückgegangen (Jost und Thalheim o.J., S. 14). Zugenommen hat im längerfristigen Trend auch der Anteil der an Fortbildung beteiligten Mitarbeiter:innen. Im Jahr 2020 haben 48 Prozent aller Beschäftigten an Weiterbildung teilgenommen (BMBF 2022, S. 25).

Die betriebliche Fortbildung ist zudem das größte Segment der Fortbildung. Den Daten des Adult Education Survey (AES) zufolge fanden im Jahr 2020 66 Prozent der Fortbildungsmaßnahmen vollständig oder überwiegend während der bezahlten Arbeitszeit statt (BMBF 2022, S. 21). Außerdem wurden in 53 Prozent der Fortbildungsaktivitäten die direkten Kosten der Teilnahme vom Arbeitgeber übernommen. Den Daten der IW-Weiterbildungserhebung zufolge waren es sogar 89,2 Prozent der Weiterbildung, die 2019 innerhalb der Arbeitszeit stattfinden (Seyda und Placke 2020, S. 105).

Charakteristisch für die betriebliche Fortbildung ist die kurze Dauer. Die durchschnittliche Stundenzahl je Beschäftigter bzw. Beschäftigtem liegt bei 18,3 Stunden pro Jahr (Seyda und Placke 2020, S. 109). Der Grund dafür ist zum einen, dass die Anpassung und Aktualisierung der Kompetenzen im Vordergrund stehen. Hinzu kommt zum anderen, dass längere Abwesenheiten vom Arbeitsplatz organisatorisch oftmals nur schwer kompensiert werden können und mit zum Teil hohen Kosten der Lohnfortzahlung verbunden sind. Länger laufende Lehrgänge mit formalen Abschlüssen, ob berufsbegleitend oder in Vollzeitform, werden vorzugsweise von den Mitarbeitenden auf eigene Initiative besucht. Wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen, wird eine öffentliche Förderung, zum Beispiel nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG), in Anspruch genommen.

Die finanziellen Aufwendungen der Unternehmen werden auf rund 41 Mrd. EUR im Jahr 2019 geschätzt (Seyda und Placke 2020, S. 110). Je Mitarbeiter:in wurden im Durchschnitt 1.236 EUR aufgewendet. Etwa die Hälfte davon machen die Aufwendungen für die Lohnfortzahlung während der betrieblichen Abwesenheiten aus.

Der Umfang des betrieblichen Engagements in der Fortbildung ist abhängig von der jeweiligen Unternehmenskultur, der Wirtschaftslage, der Innovationsdynamik sowie der Einschätzung des Bedarfs. Hohe Beteiligungsquoten sind charakteristisch für folgende Branchen: öffentlicher Dienst, Gesundheitsweisen, Versicherungen und Banken, Informations- und Kommunikationstechnik sowie die Elektrotechnik und den Maschinenbau. Eher geringe Beteiligungsquoten gibt es im Hotelgewerbe, im Einzelhandel, der Gastronomie sowie der Bauwirtschaft (Jost und Thalheim o.J., S. 15).

Innerhalb der Betriebe hängt die Intensität der betrieblichen Fortbildung vom Qualifikationsniveau und der Stellung im Betrieb ab. Auch innerhalb der Beschäftigten ist die Chance auf betriebliche Fortbildung unterschiedlich ausgeprägt. Hoch ist die Intensität insbesondere bei Mitarbeitenden mit akademischer Vorbildung, in Führungsfunktionen sowie in qualifizierten Tätigkeiten mit hohen Veränderungsraten. Hohe Fortbildungsquoten sind üblich bei Beamt:innen und Beschäftigen im öffentlichen Dienst, bei Mitarbeitenden in Forschung und Entwicklung, bei Fachleuten in der Informations- und Kommunikationstechnik. Über dem Durchschnitt liegen die Weiterbildungsquoten bei qualifizierten Fach- und Führungskräften sowie generell auch bei Vollzeitbeschäftigten. Vergleichsweise geringe Partizipationsquoten erreichen Mitarbeitende ohne beruflichen Abschluss, Teilzeitbeschäftigte und in Tätigkeiten mit hohem Anteil von Routinetätigkeiten (BMBF 2022, S. 32 f.). Darin spiegeln sich unterschiedliche Bedarfslagen aus betrieblicher Sicht wider.

6 Quellenangaben

Bahnmüller, Reinhard und Stefanie Fischbach, 2006. Qualifizierung und Tarifvertrag: Befunde aus der Metallindustrie Baden-Württembergs. Hamburg: VSA-Verlag. ISBN 978-3-89965-188-1 1

Becker, Manfred, 1999. Aufgaben und Organisation der betrieblichen Weiterbildung. München: Carl Hanser Verlag. ISBN 978-3-446-21015-8

BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung, Hrsg. 2020. Digitalisierung in der Weiterbildung. Ergebnisse einer Zusatzstudie zum Adult Education Survey [online]. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung [Zugriff am: 29.07.2023]. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/SharedDocs/​Publikationen/de/bmbf/1/31564_Digitalisierung_in_der_Weiterbildung.html

BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung, Hrsg. 2022. Weiterbildungsverhalten in Deutschland 2020. Ergebnisse des Adult Education Survey. AES-Trendbericht [online]. Berlin: Bundesministerium für Bildung und Forschung [Zugriff am: 24.06.2023]. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/SharedDocs/​Publikationen/de/bmbf/1/31690_AES-Trendbericht_2020.html

Erol, Serife, Elke Ahlers und Sergej Schleicher, 2021. Betriebliche Weiterbildung als Handlungsfeld der Betriebsräte. In: WSI Policy Brief [online]. Nr. 51–3 [Zugriff am: 18.06.2023]. ISSN 2366-9527. Verfügbar unter: https://www.wsi.de/de/faust-detail.htm?sync_id=9202

Heidemann, Winfried, 2010. Betriebliche Weiterbildung, 2010: Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen. In: Peter Krug und Ekkehard Nuissl, Hrsg. Praxishandbuch WeiterbildungsRecht. Köln: Luchterhand, Stand: Juni, Seite 3–38

Jost, Ramona und Maximilian Thalheim, [ohne Jahr]. Betriebliche Weiterbildung in Deutschland [online]. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung [Zugriff am: 02.07.2023]. Verfügbar unter: https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a1_iwbbe_betriebliche-weiterbildung-in-deutschland_2021.pdf

Käpplinger, Bernd, 2023. Komplementarität statt Substitution. Kurse und selbstgesteuertes digitales Lernen in Unternehmen in Europa. In: weiter bilden [online]. 30(1), S. 27–29 [Zugriff am: 05.11.2023]. ISSN 2568-9436. doi:10.3278/WBDIE2301W007

Pawlowsky, Peter und Jens Bäumer, 1996. Betriebliche Weiterbildung: Management von Qualifikationen und Wissen. München: C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung. ISBN 978-3-406-40043-8

Seyda, Susanne und Beate Placke, 2020. IW-Weiterbildungserhebung 2020: Weiterbildung auf Wachstumskurs [online]. Köln: Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V. [Zugriff am: 02.08.2023]. Verfügbar unter: https://www.iwkoeln.de/studien/​susanne-seyda-beate-placke-weiterbildung-auf-wachstumskurs-493427.html

Sonntag, Karlheinz, 1996. Lernen in Unternehmen: Effiziente Organisation durch Lernkultur. München: C.H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung. ISBN 978-3-406-40105-3

Statistisches Bundesamt, 2022. Gut drei Viertel der Unternehmen bieten berufliche Weiterbildung an. Pressemitteilung Nr. 349 vom 17. August 2022 [online]. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt, 17.08.2022 [Zugriff am: 06.01.2024]. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/​Pressemitteilungen/2022/08/PD22_349_215.html

Verfasst von
Prof. Dr. Reinhold Weiß
ehemaliger Vize-Präsident und Forschungsdirektor im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
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