Bildungsmonitoring
Prof. Dr. Horst Weishaupt
veröffentlicht am 17.06.2022
Monitoring ist traditionell die Dauerbeobachtung oder Überwachung eines Prozesses mittels technischer Hilfsmittel. Bei Abweichungen vom gewünschten Verlauf soll so schnell interveniert werden können, um langfristige Fehlentwicklungen zu vermeiden. Das Bildungsmonitoring dient – an diese Konzepte anknüpfend – einer indikatorengestützten Dauerbeobachtung der Qualitätsentwicklung im Bildungssystem.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Entwicklung des Bildungsmonitorings in Deutschland
- 3 Bildungsmonitoring international
- 4 Datengrundlagen und Entwicklungen bei der Datenbereitstellung
- 5 Ansätze des Bildungsmonitorings
- 6 Datenbasis
- 7 Fazit
- 8 Quellenangaben
1 Zusammenfassung
Über die schon lange existierende Bildungsstatistik hinaus hat sich das Bildungsmonitoring in Deutschland erst in den letzten 50 Jahren entwickelt. Zunächst trugen Planungsbemühungen und eine über ökonomische Indikatoren hinausgehende Wohlfahrtsdefinition dazu bei, einer datengestützten Dauerbeobachtung der Entwicklung des Bildungssystems erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Seit mehr als zwei Jahrzehnten setzt sich in der Bildungsverwaltung das Konzept einer evidenzbasierten Steuerung der Entwicklung des Bildungswesens zunehmend auf allen Verwaltungsebenen durch, was zu einem inzwischen breit entwickelten Bildungsmonitoring in Deutschland führte, das aber durch eine Verbesserung des Datenangebots und eine konsequentere politische Reaktion auf unerwünschte Entwicklungen in seiner Steuerungswirkung noch entwicklungsfähig ist.
2 Entwicklung des Bildungsmonitorings in Deutschland
Regelmäßig erscheinende statistische Berichte über das Schul- oder Bildungswesen mit der Intention der Dokumentation des Stands und von Entwicklungen sind der Ausgangspunkt des heutigen Bildungsmonitorings. Für Deutschland werden sie vor allem durch das Statistische Bundesamt in einer speziellen Veröffentlichungsreihe „Fachserie 11 – Bildung und Kultur“ publiziert (finanzstatistische Daten zum Bildungswesen erscheinen in der Fachserie 14). Ähnliche Veröffentlichungen gibt es durch die Statistischen Landesämter. Daneben existieren die Statistischen Veröffentlichungen der Kultusministerkonferenz, die sich auf Schüler:innen und Lehrende, die sonderpädagogische Förderung und die Ganztagsschule beziehen. Bei diesen Veröffentlichungen wird auf jegliche Kommentierung des Zahlenmaterials verzichtet.
Eine erste kommentierte Bestandsaufnahme des deutschen Bildungswesens legte im Jahr 1975 der Deutsche Bildungsrat (ein von 1965 bis 1975 bestehendes und vom Bundespräsidenten berufenes Beratungsgremium zur Bildungspolitik) zum Abschluss seiner Arbeit mit dem „Bericht ’75 – Entwicklungen im Bildungswesen“ (Deutscher Bildungsrat 1975) vor. Der Bericht beschreibt quantitative und qualitative Entwicklungen seit Beginn der sechziger Jahre bis hin zur Mitte der siebziger Jahre im Elementar-, Primar- und Sekundarbereich sowie im tertiären Bereich (wegen des für den Hochschulbereich bestehenden Wissenschaftsrats hat er die Hochschulentwicklung ausgeklammert). Sein besonderes Verdienst liegt in seinem umfassenden Anspruch sowie den perspektivischen Vorschlägen zur Weiterentwicklung in den einzelnen Stufen und Bereichen des Bildungswesens. Im Zentrum der Analyse stehen die Übergänge an den Schnittstellen des Bildungssystems.
Umfassende Berichte aus dem politisch-administrativen Bereich zum Bildungswesen hat es dann bis 2003 nicht mehr gegeben, wenn man von dem von der Bundesregierung und den Länderregierungen nicht verabschiedeten Entwurf für eine Fortschreibung der Bildungsgesamtplanung 1981 absieht (Deutscher Bundestag 1982). Eine Besonderheit in Deutschland stellt der jährlich zu erstellende Berufsbildungsbericht der Bundesregierung (auf der Grundlage von § 86 Berufsbildungsreformgesetz) dar. Als einziger gesetzlich vorgeschriebener Bericht im Bildungsbereich wird er durch das Bundesinstitut für Berufsbildung fachlich vorbereitet und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung verantwortet. Er überprüft die Umsetzung des Rechts auf einen Ausbildungsplatz, der allen Ausbildungsplatzbewerbenden zur Verfügung stehen sollte.
Zu den wissenschaftlichen und analytisch angelegten Veröffentlichungen zum deutschen Bildungssystem gehören der von einer Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung seit 1979 fünfmal erschienene Bericht „Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland – Strukturen und Entwicklungen im Überblick“ (zuletzt: Cortina et al. 2008), der Band „Perspektiven des Bildungswesens der Bundesrepublik Deutschland“, der die Entwicklung in der Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung analysiert (Weishaupt et al. 1988), und die seit 1980 im Zweijahresrhythmus erschienenen und vom Dortmunder Institut für Schulentwicklung herausgegebenen „Jahrbücher der Schulentwicklung“ (zuletzt: Holtappels et al. 2020). Im Rahmen des Leibniz-Forschungsverbunds Bildungspotentiale (LERN) wurde inzwischen ein neuer Bericht „Das Bildungswesen in Deutschland“ vorgelegt (Köller et al. 2019).
Die internationale Diskussion von Steuerungsansätzen im Bildungswesen und das Bestreben, die Leistungsfähigkeit des Bildungswesens zu erhöhen und die Informationsgrundlagen für dessen zielorientierte Weiterentwicklung zu verbessern, führten 1997 zu einem Beschluss der Kultusministerkonferenz (Konstanzer Beschluss), sich an länderübergreifenden Leistungsvergleichsuntersuchungen zu beteiligen. Damit wurde die Grundlage für die regelmäßige Beteiligung Deutschlands an der PISA-Studie der OECD (Leistungsstand am Ende der Schulpflichtzeit) und den Studien PIRLS und TIMSS der IEA gelegt.
Als Beginn der Bildungsberichterstattung – ein Baustein des Bildungsmonitorings in Deutschland – kann man 2002 ansehen, als die Kultusministerkonferenz eine Gruppe von Wissenschaftlern beauftragte, einen ersten Bildungsbericht für Deutschland vorzulegen (Avenarius et al. 2003). Er konzentriert sich auf das Schulwesen und selektiert das Datenangebot im Hinblick auf drei zentrale Aspekte: Chancengleichheit, Leistungsfähigkeit und Effizienz. Auf der Grundlage dieses Berichts und von zwei ergänzenden Expertisen, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung zur außerschulischen Bildung (Rauschenbach et al. 2004) und zur betrieblichen Berufsausbildung und Weiterbildung (Baethge et al. 2003) in Auftrag gegeben wurden, entstand die Konzeption für einen gemeinsamen Bildungsbericht von Kultusministerkonferenz und Bundesministerium für Bildung und Forschung, dessen erstes indikatorengestütztes Ergebnis 2006 (Nationaler Bildungsbericht o.J.a) erschien.
Die einzelnen Ansätze zusammenfassend, hat die Kultusministerkonferenz 2006 eine Gesamtstrategie für ein Bildungsmonitoring verabschiedet und 2016 aktualisiert, die internationale Schulleistungsuntersuchungen, eine zentrale Überprüfung des Erreichens der Bildungsstandards in einem Ländervergleich, Vergleichsarbeiten zur landesweiten Überprüfung der Leistungsfähigkeit einzelner Schulen und eine gemeinsame Bildungsberichterstattung von Bund und Ländern vorsieht (Sekretariat der KMK 2016). Diese Maßnahmen der Kultusministerien sind dazu gedacht, die Qualitätsentwicklung des Schulwesens und eine Sicherung von Leistungsstandards über alle Schulen hinweg zu gewährleisten. Im Rahmen dieses Konzepts ist eine Bildungsberichterstattung bisher nur auf nationaler Ebene vorgesehen.
Die Bildungsberichterstattung ist besonders hervorzuheben, weil sie sich als einzige Komponente der Monitoringstrategie von Bund und Ländern auf alle Bildungsbereiche bezieht. Sie führt seit 2006 zu einem alle zwei Jahre vorgelegten Bericht „Bildung in Deutschland“, der indikatorengestützt ist, Bildung in der Lebenslaufperspektive betrachtet und aus einer Systemperspektive auch individuelle Bildungsverläufe analysiert (Nationaler Bildungsbericht o.J.a). Neben den kontinuierlich berichteten Teilen besteht er zusätzlich aus einem Schwerpunktkapitel mit wechselnden Themen (2006: Bildung und Migration; 2008: Probleme des Übergangs nach dem Ende der Pflichtschulzeit; 2010: Perspektiven des Bildungssystems im demografischen Wandel; 2012: Kulturelle/​musisch-ästhetische Bildung im Lebenslauf; 2014: Menschen mit Behinderungen; 2016: (wieder) Migration und Bildung; 2018: Wirkungen und Erträge von Bildung; 2020: Bildung in einer digitalisierten Welt; 2022: Bildungspersonal). Mit der Föderalismusreform 2005 wurde die Bildungsberichterstattung als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern in der Verfassung verankert. Nach dem neuen Art. 91b Abs. 2 können „Bund und Länder aufgrund von Vereinbarungen zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen zusammenwirken“.
Die Bildungsberichterstattung als Instrument einer indikatorengestützten Dauerbeobachtung der Qualitätsentwicklung im Bildungssystem gibt es inzwischen auch in mehreren Ländern der Bundesrepublik (Bayern, Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein). Häufig sind es von den Kultusministerien verantwortete und dadurch auf das Schulwesen konzentrierte Berichte, weil die Zuständigkeit für die Vorschulerziehung (Sozialministerium) und den Hochschulbereich (Wissenschaftsministerium) auf Landesebene in der Regel nicht bei einem Ministerium liegt.
Auch auf kommunaler Ebene (Städte, Gemeinden und Landkreise) ist nur im Ausnahmefall die Verantwortung für alle Bildungsbereiche in einem Dezernat vereinigt. Dennoch gibt es in den Kommunen eine stärkere Verpflichtung zur Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Verantwortlichen, weil den Kommunen zunehmend daran gelegen ist, ihren Bürger:innen ein alle Bildungsstufen übergreifendes und aufeinander aufbauendes, breites und qualifiziertes Bildungsangebot bereitzustellen. Im interkommunalen Wettbewerb wird eine gute Bildungsinfrastruktur als wichtiger Standortvorteil angesehen, weshalb vor allem Städte in Deutschland Bildungsberichte erstellen (Deutscher Bildungsserver 2022).
Stark unterstützt wurde diese Entwicklung durch vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanzierte Programme, die das Ziel haben, ein bildungsbereichsübergreifendes Bildungsmanagement in den Kommunen aufzubauen und dieses über ein dauerhaft angelegtes Bildungsmonitoring zu unterstützen. Unterstützt und flankiert werden diese Bemühungen durch das ebenfalls vom BMBF geförderte Programm „Bildung integriert“, das Kreise und kreisfreie Städte dabei unterstützt, ihre Bildungslandschaften für alle Bürgerinnen und Bürger zukunftsfähig zu gestalten. Übergeordnete Ziele des Programms sind die verbesserte Integration lokaler Bildungsakteure und Bildungssysteme, die Etablierung von lokalen Verantwortungsgemeinschaften für Bildung und die Verbesserung des Zugangs zu passgenauen Bildungsangeboten.
3 Bildungsmonitoring international
In mehreren Staaten (z.B. Kanada, Schweiz, USA) gibt es ebenfalls regelmäßige nationale Bildungsberichte (Nationaler Bildungsbericht o.J.b). Bekanntestes Beispiel internationaler Berichterstattung sind die Bemühungen der OECD, mit einer fortlaufenden Weiterentwicklung der OECD-Bildungsindikatoren einen internationalen Vergleich der Bildungssysteme zu ermöglichen. Jedes Jahr veröffentlicht die OECD den Band „Bildung auf einen Blick“ (zuletzt: OECD 2021). Über die quantitativen und international vergleichbaren OECD-Bildungsindikatoren werden Informationen zur Funktionsweise, Entwicklung und den Auswirkungen von Bildung zur Verfügung gestellt. Dabei werden alle Bildungsbereiche eingeschlossen. Die OECD-Bildungsindikatoren geben „den Regierungen die Möglichkeit, das eigene Bildungssystem im Licht der Leistungsfähigkeiten anderer Länder zu betrachten“ (OECD 2005, S. 3).
Die Europäische Kommission veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Daten zu den Strukturen der einzelnen Bildungsbereiche in den Mitgliedsstaaten der EU, Informationen zur Bildungsbeteiligung und zu den Abschlüssen in den EU-Staaten. In der Berichterstattung orientiert sie sich an den EU-Benchmarks für einen europäischen Bildungsraum (Eurostat o.J.).
Auf globaler Ebene sind die Bildungsberichte der UNESCO zu nennen, die jährlich mit wechselnden Schwerpunkten einen Überblick über die weltweiten Fortschritte bei der Umsetzung der Agenda Bildung 2030 geben (UNESCO o.J.).
4 Datengrundlagen und Entwicklungen bei der Datenbereitstellung
Schon im 19. Jahrhundert begann in Deutschland die datengestützte Beobachtung gesellschaftlicher Prozesse. Dafür wurde ein umfangreiches System statistischer Erhebungen aufgebaut. Insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung findet schon lange große Aufmerksamkeit. Seit mehreren Jahrzehnten wird aber kritisiert, dass sich die gesellschaftliche Entwicklung nur unzureichend über wirtschaftliche Indikatoren abbilden lässt und die Wohlfahrt der Bevölkerung auch durch die Wohnbedingungen, Bildungsmöglichkeiten, das Gesundheitswesen, soziale Einrichtungen, die Verkehrsinfrastruktur, die Bedingungen des Arbeitslebens und die Umweltbedingungen – neben anderen Aspekten – beeinflusst wird. Dies führte dazu, die traditionellen statistischen Daten um repräsentative Umfragedaten zu ergänzen, die möglichst umfassend die Lebensbedingungen der Bevölkerung in allen zentralen Lebensbereichen erfassen. Inzwischen gibt es in Deutschland eine große Anzahl von bereichsübergreifenden oder bereichsspezifischen, regelmäßig durchgeführten repräsentativen Erhebungen, die einen zunehmend besseren Einblick in die Lebenssituation der Bevölkerung in Deutschland gestatten. Unter den Studien ist das Sozio-ökonomische Panel (SOEP) als repräsentative jährliche Wiederholungsbefragung von gegenwärtig fast 15.000 Privathaushalten (DIW Berlin 2022) besonders hervorzuheben. Einen regelmäßigen Überblick über die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland in den zentralen gesellschaftlichen Bereichen (einschließlich der Bildung) gibt der vom Statistischen Bundesamt zyklisch herausgegebene „Datenreport“ (zuletzt: Destatis et al. 2021). Er stellt eine „Mischung aus amtlichen Zahlen und Sozialforschung“ dar. Kennzeichnend für diesen Bericht ist die Verbindung von Daten zu objektiven Lebensbedingungen und dem subjektiven Wohlbefinden.
Seit Mitte der 1960er Jahre – beginnend 1963 mit dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – sind mehrere Gremien der wissenschaftlichen Politikberatung in Deutschland durch Gesetze entstanden. Sie verfolgen das Ziel einer unabhängigen periodischen Begutachtung der Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland und zur Erleichterung der Urteilsbildung bei allen verantwortlichen Instanzen sowie in der Öffentlichkeit. Neben den jährlichen Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland sind vor allem die Jugend-, Familien- und Armutsberichte der Bundesregierung zu nennen, die sich meist auch ausführlich mit Bildungsfragen befassen. Schließlich gibt es inzwischen zunehmend regelmäßige Berichte, die nicht von unabhängigen wissenschaftlichen Gremien, sondern von Stäben innerhalb der Verwaltungen erstellt werden. Beispiele sind die Migrationsberichte, Gesundheits-, Kriminalitätsberichte, aber auch der schon erwähnte jährlich erscheinende Berufsbildungsbericht.
Im Bildungswesen wird der nationale Bericht von einer unabhängigen Autorengruppe, in der mehrere Forschungseinrichtungen vertreten sind, auf der Grundlage einer Projektförderung erarbeitet. Die Bildungsberichte auf Länderebene und der Kommunen werden verwaltungsintern erstellt, gelegentlich werden Wissenschaftler:innen beratend hinzugezogen. Es zeichnet sich im Bildungswesen die Tendenz ab, die auch in den anderen gesellschaftlichen Bereichen zu beobachten ist, bei einer geteilten Zuständigkeit zwischen Staat, Wirtschaft und kirchlichen sowie sonstigen Organisationen ein wissenschaftliches Beratungsgremium mit dem Monitoring zu beauftragen. Hat der Staat die überwiegende oder alleinige Zuständigkeit, dann übernimmt er auch das Monitoring und betrachtet die Berichterstattung als Ausdruck einer transparenten und die Öffentlichkeit informierenden Politik. In Abgrenzung von traditionellen Ansätzen der Steuerung des Bildungswesens versteht sich das Bildungsmonitoring als Teil einer evidenzbasierten Strategie der Bildungsreform, als eine kontinuierliche Beobachtung der Qualitätsentwicklung im Bildungswesen. Bildungsberichte sind die der Öffentlichkeit zugänglichen Produkte eines Bildungsmonitorings.
5 Ansätze des Bildungsmonitorings
Für die Ansätze des Bildungsmonitorings in Deutschland lassen sich folgende Merkmale als kennzeichnend ansehen:
5.1 Ausrichtung an übergreifenden Zieldimensionen
Angesprochen wurden bereits die im Bildungsbericht 2003 verwendeten bzw. den Schweizer Bildungsberichten zugrunde liegenden „Qualitätsmaßstäbe“: effektiv/​leistungsfähig, effizient, gerecht. Der seit 2006 zweijährlich erscheinende Bildungsbericht für Deutschland hat die Zieldimensionen Sicherung der individuellen Regulationsfähigkeit, gesellschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit sowie Sicherung der Humanressourcen für die Gesellschaft. Die Zielorientierung des Monitorings ist an grundlegenden und dauerhaften Problemen der Bildungsentwicklung orientiert und nicht auf spezifische Handlungsnotwendigkeiten ausgerichtet. Damit unterscheidet sich der Ansatz von der Orientierung an „issues“ der Berichterstattung in den USA oder an „Milleniumszielen“ oder Referenzwerten wie bei der UNESCO oder der EU. Bei der UNESCO und der EU konzentriert sich die Berichterstattung auf den Grad der Zielerreichung gemessen über wenige Indikatoren (einzelne verfügbare statistische Daten).
5.2 Komplexer Indikatorenbegriff
Sowohl der nationale Bildungsbericht als auch die Bildungsberichte der Länder und der Kommunen sind indikatorengestützt. Dies bedeutet, dass die datengestützte Beschreibung von Entwicklungen die Grundlage der Berichterstattung bildet. Es gibt auch andere Ansätze, die beispielsweise die Ergebnisberichte von Schulinspektionen für eine qualitative Überblicksdarstellung nutzen oder – wie der UNESCO-Bericht – für eine problembezogene Darstellung nur gelegentlich Daten heranziehen.
Die Ansätze zum Bildungsmonitoring sind meist von dem Bestreben bestimmt, mehr zu leisten als die Kommentierung einzelner statistischer Zeitreihen oder Vergleiche. Den Hintergrund dafür bildet die Tatsache, dass zwischen komplexen Begriffen – wie z.B. Durchlässigkeit oder Chancengleichheit im Bildungswesen – und den zur Erfassung dieser Sachverhalte zur Verfügung stehenden Daten ein Erklärungsabstand besteht: Die Daten können nur partiell den Bedeutungsgehalt des analysierten Problems wiedergeben. Daher wird versucht, über die intelligente Kombination mehrerer Kennziffern die datengestützte Analyse zu dem untersuchten Sachverhalt zu vertiefen und mit Indikatoren den problemorientierten Anlass der Analysen zu verdeutlichen. So befassen sich Indikatoren beispielsweise mit den infrastrukturellen Bedingungen der Bildungsteilnahme, dem Einfluss von Bildungsstrukturen auf die Bildungsbeteiligung und den Arbeitsbedingungen im Lehrerberuf. Auch wenn statistische Zeitreihen regelmäßig fortgeschrieben werden, kann es sein, dass sie nicht regelmäßig in den Berichten erscheinen. So zeichnen sich die Berichte durch laufend berichtete und wechselnde Analysen aus.
Im Vergleich zum Monitoring über andere gesellschaftliche Bereiche haben im Bildungswesen subjektive Indikatoren bisher nur eine randständige Bedeutung. Dies liegt einerseits daran, dass es keine regelmäßigen Erhebungen bei Eltern und Bildungsteilnehmenden und dem Personal im Bildungswesen zu unterschiedlichen Aspekten der Bildungsteilnahme bzw. Berufsausübung (Zufriedenheit, Wohlbefinden etc.) gibt. Als einzige Ausnahme existieren für den Hochschulbesuch Daten zur subjektiven Beurteilung der Studiensituation. Grundsätzlich ergibt sich bei Einstellungen das Problem der Reliabilität der Messung im Zeitvergleich (was erfassen Einstellungsänderungen im Zeitvergleich?), das bisher als ungelöst angesehen wird.
5.3 Input-Output-Ansatz
Ein Monitoring des Bildungswesens muss dessen relevante Aspekte erfassen. Dem Bildungswesen stehen Einrichtungen, Personal und Sachmittel zur Verfügung, mit denen die Lehr-Lernprozesse auf der Grundlage von spezifischen Programmen in sozialen Arrangements gestaltet werden. Sie führen zu Lernergebnissen, die sich wiederum gesellschaftlich verwerten lassen. Um dieses komplexe Gefüge in einem Monitoring zu erfassen, hat sich das Input-Output-Modell bewährt, auf dessen Grundlage Abbildung 1 beruht. Es stellt bezogen auf Schul- und Unterrichtsqualität zentrale Aspekte dar, die auch für die anderen Bildungsbereiche von ähnlicher Bedeutung sind.
Im Rahmen der Bildungsberichterstattung für Deutschland wurden dreizehn Dimensionen den Input-Output-Ebenen zugeordnet, die wiederum als problemorientiert definierte, komplexe Indikatoren anzusehen sind, die letztlich die Berichterstattung strukturieren:
- Kontextebene: Demografie, Wirtschaft und öffentliche Finanzen, Familienstruktur
- Inputebene: Bildungsausgaben, Personalressourcen, Bildungsangebote/​Bildungseinrichtungen, Bildungsbeteiligung/​Bildungsteilnehmende
- Prozessebene: Umgang mit Bildungszeit, Übergänge, Qualitätssicherung/​Evaluierung
- Wirkungsebene: Kompetenzen, Abschlüsse, Bildungserträge
Es gibt auch Versuche in Deutschland, ein Bildungsmonitoring über das Vier-Säulen-Theoriemodell der UNESCO zu fundieren:
- lernen zu wissen,
- lernen zu handeln,
- lernen zusammen zu leben,
- lernen, das Leben zu gestalten.
Die Dimensionen erwiesen sich jedoch als zu abstrakt, um zu einer substanziell anderen Schwerpunktsetzung in den Ergebnisberichten zu gelangen. Grundsätzlich ist es sinnvoll, beispielgebend dafür ist die OECD, ein Monitoring auf die Aspekte im Bildungswesen zu konzentrieren, die politisch gestaltbar sind.
5.4 Lebenslaufperspektive und systemische Betrachtung
Bildungsprozesse finden in Bildungsinstitutionen, aber auch anderen Einrichtungen wie Kunst- und Musikschulen, Bibliotheken und Museen und schließlich in Erziehungs- und Arbeitssituationen sowie oft auch unbeabsichtigt statt. Neben formalem Lernen wird daher auch von non-formalem und informellem Lernen gesprochen. Formales Lernen findet üblicherweise in einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung statt und führt zu einer Zertifizierung. Systematisches Lernen (in Bezug auf Lernziele, Lerndauer und Lernmittel), das nicht in Bildungseinrichtungen stattfindet und in der Regel nicht zertifiziert wird, wird als non-formales Lernen und unstrukturiertes Lernen im Alltag, am Arbeitsplatz, im Familienkreis oder in der Freizeit als informelles Lernen bezeichnet (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2001, S. 33, 35). Diese Lern- und Bildungsprozesse finden über die gesamte Lebensspanne statt. Anliegen eines Bildungsmonitorings sollte es daher sein, Bildungsprozesse möglichst umfassend und über alle Lebensphasen hinweg im Blick zu haben.
Dies bedeutet zunächst, dass sich ein Bildungsmonitoring möglichst nicht auf eine Bildungsphase beschränken, sondern vor allem auch die Übergänge zwischen den Bildungsstufen berücksichtigen sollte. Auch der Zusammenhang von formalen, non-formalen und informellen Bildungsprozessen sollte Aufmerksamkeit finden. Doch es versteht sich, dass das Bildungswesen selbst im Zentrum eines Monitorings steht. Meist lässt es schon die Datenlage nicht zu, differenziert non-formale und informelle Lernprozesse zu erfassen.
Hinzu kommt, dass sich Lern- und Bildungsprozesse in der Auseinandersetzung der Lernenden mit den Lehr- und Lernangeboten ereignen und selbst der Beobachtung nicht zugänglich sind. Daher gibt es nur Informationen über die Voraussetzungen, Bedingungen, Ergebnisse und die Verwertung von Lern- und Bildungsprozessen. Ein Monitoring muss sich auf erworbene Kompetenzen, Zertifikate und die Teilnahme an non-formalen und informellen Lerngelegenheiten beschränken. Die Vernachlässigung der individuellen Lern- und Bildungsprozesse (deren Berücksichtigung etwa für die Lehrtätigkeit sehr wichtig ist) und ein eher formales Lern- und Bildungsverständnis im Rahmen eines Bildungsmonitorings ist dadurch zu rechtfertigen, dass es das Bildungswesen systemisch betrachtet und vornehmlich dessen gesellschaftliche Funktion und die Leistungen für die Gesellschaft (oder gesellschaftliche Teilkörperschaften wie Länder und Kommunen) evaluiert. Dies ist auch die Perspektive, unter der individuelle Bildungsverläufe im Rahmen des Bildungsmonitorings interessieren.
6 Datenbasis
Die Datengrundlagen für ein Bildungsmonitoring wurden bereits mehrfach angesprochen, denn für die Realisierung eines daten- und indikatorengestützten Monitorings wird ein vielschichtiges Datenmaterial benötigt. Prinzipiell sollten die Daten regelmäßig (jährlich) bereitstehen, weil nur dann eine Dauerbeobachtung von Entwicklungen möglich ist. Gelegentlich bietet es sich aber auch an, nicht laufend verfügbare Informationen zu berücksichtigen (z.B. Daten des Zensus). Auch viele regelmäßig wiederholte repräsentative Befragungsstudien werden nur in größeren Abständen durchgeführt, liefern aber unverzichtbare ergänzende Informationen zu den jährlichen Vollerhebungen der amtlichen Statistik oder von Bildungsträgern.
Zentrale Datenbasis für ein Bildungsmonitoring ist die amtliche Bildungsstatistik über regelmäßige Vollerhebungen. Diese Daten werden bei den einzelnen Einrichtungen erhoben, für die die Daten auch grundsätzlich ausgewertet werden können. Im Vorschul-, Berufsbildungs- und Hochschulbereich bestehen in Deutschland bundesweite gesetzliche Regelungen für die statistischen Erhebungen. In diesen Bundesgesetzen wird die Zielsetzung der Statistik beschrieben, die erhobenen Merkmale werden detailliert benannt, die Auskunftspflicht bestimmt, die Erhebungszyklen festgelegt sowie die Verarbeitung und Weitergabe der Daten geregelt. Dabei werden implizit die Belange des Datenschutzes berücksichtigt. Um die Verwertung der Daten für analytische Zwecke zu verbessern, erlauben diese statistischen Erhebungen seit einigen Jahren individuelle Merkmalskombinationen. Dabei handelt es sich mit Geschlecht, Geburtszeitpunkt, Migrationsmerkmalen und Wohnort nur um wenige Informationen, die aber doch substanziell bessere Analysen von Bildungsungleichheiten gestatten, weil sie mit Merkmalen der Bildungseinrichtung verbunden werden können. Verbessert werden diese Möglichkeiten noch, soweit die Daten auch eine verschlüsselte Personenkennung enthalten, die es erlauben, Bildungsverläufe – teilweise auch über mehrere Bildungsphasen hinweg – zu verfolgen, indem die Informationen der jährlichen Statistik über mehrere Jahre hinweg zusammengeführt werden können. Die Daten werden von den Statistischen Landesämtern erhoben und stehen dort den verschiedensten Nutzern zur Verfügung. Durch das Bundesstatistikgesetz gibt es Regelungen, die der Forschung einen erweiterten Zugang zu diesen Daten gestatten und Verfahrensregelungen vorsehen, die auch in datenschutzrechtlich schwierigen Fällen Forschung ermöglichen.
Die Schulstatistik ist von diesen Regelungen ausgenommen. Wegen der Kulturhoheit der Länder fällt sie in den Kompetenzbereich der Kultusministerien. Für die Schulstatistik sind die Kultusminister/​Senatoren der Länder zuständig und bisher ist sie in vielen Ländern nur lückenhaft rechtlich geregelt. Die Erhebung der Daten kann ganz oder teilweise dem Statistischen Landesamt übertragen werden. Den Statistischen Landesämtern werden aufbereitete statistische Ergebnisse für allgemeine Zwecke zur Verfügung gestellt, um diese zu veröffentlichen. Für die gesamtstaatliche Statistik im Schulbereich gibt es keine rechtliche Grundlage, sondern nur eine Bereitschaftserklärung der Kultusministerkonferenz zur Datenbereitstellung an das Statistische Bundesamt. Wegen der fehlenden bundesweit einheitlichen Erhebungskriterien und länderspezifischer Besonderheiten ist die Qualität der Schulstatistik in Deutschland als problematisch einzuschätzen. Die von der Kultusministerkonferenz bereits vor fast 20 Jahren beschlossene Einführung einer Schüler-Individualstatistik mit bundesweit einheitlichen Erhebungskategorien und der Möglichkeit, über Pseudonyme die Daten der Schulstatistik jahrgangsübergreifend auszuwerten (und damit individuelle Bildungsverläufe abzubilden), ist bisher nur in einem Teil der Länder umgesetzt. 2020 haben die Länder in der „Ländervereinbarung über die gemeinsame Grundstruktur des Schulwesens und die gesamtstaatliche Verantwortung der Länder in zentralen bildungspolitischen Fragen“ erneut eine Verbesserung und Vereinheitlichung des Datenangebots und dessen Nutzung beschlossen, um schulische Entwicklungen besser und länderübergreifend einheitlich erfassen sowie bewerten zu können und damit die schulpolitische Steuerung auf eine solidere Grundlage zu stellen (KMK 2020, S. 9).
In der gegenwärtigen Situation haben in Deutschland insbesondere die Kommunen, die ein Bildungsmonitoring durchführen, teilweise große Schwierigkeiten, die gewünschten Daten zum Schulwesen zu erhalten. Ähnlich ist der Zugang anderer Nutzer zu den Ergebnissen sonstiger bildungsrelevanter (regelmäßiger) Erhebungen im Schulbereich (Schuleingangsuntersuchung, Lernstandserhebungen, Wettbewerbsergebnisse, Sprachstandserhebungen, Schulinspektionen) sehr erschwert.
Zum Weiterbildungsbereich gibt es nur in wenigen Ländern eine amtliche Weiterbildungsstatistik. Zur beruflichen Weiterbildung gibt es mehrere Statistiken der Bundesanstalt für Arbeit zu den von ihr geförderten Maßnahmen. Insgesamt werden nur Teilbereiche der Weiterbildung statistisch erfasst. Von den Trägern der allgemeinen Weiterbildung verfügen nur die Volkshochschulen über eine regionalisierte bundesweite Statistik. Informationen zur non-formalen und informellen Bildung sind über die Theater-, Museums-, Bibliotheks- und Musikschulstatistik verfügbar, aber meist wenig aussagekräftig. Die Ursache dafür ist, dass die Kultusministerien der Länder, die auch für die Kulturpolitik verantwortlich sind, sich bis heute auf keine bundeseinheitliche Kulturstatistik einigen konnten.
Wegen der unzureichenden Informationen zur Weiterbildungsbeteiligung hat das Bundesministerium für Bildung bereits in den 1970er Jahre eine regelmäßige repräsentative Bevölkerungsbefragung zur Weiterbildungsbeteiligung angeregt und finanziert. Sie ist im letzten Jahrzehnt in der internationalen Studie AES (Adult Education Survey) aufgegangen. Inzwischen gibt es eine größere Anzahl von regelmäßig durchgeführten repräsentativen Studien, die unterschiedliche Aspekte des Bildungsverhaltens untersuchen und wichtige ergänzende Informationen für ein Bildungsmonitoring liefern. Besonders hervorzuheben sind noch die internationalen Schulleistungsuntersuchungen, die es seit 20 Jahren in Deutschland zunehmend besser gestatten, die Leistungen der Schülerinnen und Schüler und die Bedingungen des Kompetenzerwerbs zu analysieren.
Von besonderer Bedeutung für das Bildungsmonitoring in Deutschland ist die NEPS-Studie. Die Abkürzung NEPS steht für das Nationale Bildungspanel (auf Englisch: „National Educational Panel Study“). Die Studie untersucht, wie sich der Bildungsstand vom Kindes- bis ins hohe Erwachsenenalter entwickelt und welche Auswirkungen die Bildung auf das weitere Leben hat. Es handelt sich um eine Mehrkohorten-Längsschnittstudie, die zunächst als Projekt vom Bundesbildungsministerium gefördert wurde und seit 2014 im Rahmen einer Infrastruktureinrichtung für die Forschung, dem Leibniz-Institut für Bildungsverläufe (Nationales Bildungspanel o.J.), dauerhaft finanziert wird. Die Daten stehen der internationalen Forschung zur Verfügung. Sie werden zunehmend differenziertere Ergebnisse zu den Bedingungen von Bildungsprozessen, des Kompetenzerwerbs und der gesellschaftlichen Verwertung von Bildung liefern. Für ein nationales Bildungsmonitoring sind sie ein großer Gewinn, für die Evaluation regionaler Entwicklungen sind sie wegen der Stichprobengrößen nur in Grenzen geeignet.
Zu erwähnen sind zwei weitere Einrichtungen, die für die Kultusministerkonferenz Aufgaben des Bildungsmonitorings übernehmen. Für die Überprüfung des Erreichens der Bildungsstandards wurde von den Ländern der Bundesrepublik 2004 das „Institut für Qualitätsentwicklung“ (IQB) in Berlin gegründet. Es hat die Aufgabe, Aufgabenpools zu erstellen, Testverfahren zu entwickeln und die ländervergleichenden Untersuchungen zur Überprüfung der Bildungsstandards durchzuführen. Die Erhebungen werden zeitlich mit den internationalen Studien IGLU und PISA koordiniert und ersetzen die bis 2006 für Ländervergleiche innerhalb Deutschlands üblichen erweiterten Stichproben der internationalen Leistungsstudien. Sie dienen der Überprüfung der Schulqualität und des erreichten durchschnittlichen Kompetenzniveaus der Schülerinnen und Schüler im Vergleich der 16 Länder.
Mit dem Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) wurde 2011 eine von den 16 Ländern und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierte Einrichtung geschaffen, die die Durchführung der PISA-Studien in Deutschland sowie daran angelehnte Forschung und wissenschaftliche Nachwuchsförderung verantwortet. Das ZIB als „internationale Säule“ der Bildungsvergleichsforschung arbeitet eng mit dem Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB, siehe oben) als „nationaler Säule“ zusammen.
Die Datenbereitstellung und -verwaltung und die Erstellung von Bildungsberichten bedeutet für die Kommunen, die ein Bildungsmonitoring einrichten, eine große Herausforderung. Auf kommunaler Ebene verfügen nur die Großstädte über statistische Ämter, die einen geregelten kommunalen Datenzugang gewährleisten. Die Landkreise müssen erst – aus datenschutzrechtlichen Gründen – von dem Verwaltungsvollzug getrennte Statistikstellen einrichten, damit sie nicht bereits veröffentlichte Daten erhalten können. Damit das Bildungsmonitoring „Daten für Taten“ bereitstellen kann, ist es wichtig, die Zuständigkeit möglichst nahe bei der kommunalen Verwaltungsspitze anzusiedeln, damit die Problembereiche der Bildungssituation in die politischen Diskussionen und Handlungskonzepte eingebracht werden können. Um bildungsbereichsübergreifende Handlungsansätze zu ermöglichen, wurden ämterübergreifende Stäbe eingerichtet, damit die Bildungssituation in den Kommunen über mehrere Lebensphasen hinweg verbessert werden kann. Insofern gehen von einem Bildungsmonitoring auch Impulse für die Reform von Verwaltungsstrukturen und politischen Handlungskonzepten aus.
7 Fazit
Der Aufbau eines Bildungsmonitorings in Deutschland ist sowohl auf nationaler und Länderebene als auch bei den Kommunen zu beobachten. Zu erklären ist diese Entwicklung nur vor dem Hintergrund einer zunehmenden Bedeutung der Bildungsqualifikationen für die gesellschaftliche Entwicklung. Dies hat auch die gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Bildungsfragen erhöht. Die Öffentlichkeit erwartet „belastbare“, datengestützte Informationen zur Beurteilung der Situation und ist mit ausschließlich politischen Einschätzungen nicht zufrieden zu stellen. So haben die Ergebnisse der PISA-Studie beispielsweise nicht nur auf Kompetenzdefizite deutscher Schüler:innen, sondern vor allem auch auf fortbestehende Chancenunterschiede zwischen den sozialen Gruppen hingewiesen. So konnte die Öffentlichkeit dieses in Deutschland wegen fehlender Daten lange ignorierte Bildungsproblem wieder zu einem Thema der Bildungspolitik machen. Dies gilt natürlich auch für andere Themen, die häufig nur dadurch tabuisiert werden konnten, weil Daten darüber zurückgehalten wurden. Natürlich gibt es gegenwärtig noch zahlreiche Beispiele (Unterrichtsausfall, fachfremd erteilter Unterricht, private Grundschulen, muttersprachlicher Unterricht für Migrant:innen, soziale Segregation an den Schulen usw.), die – nicht zuletzt wegen fehlender allgemein zugänglicher Daten – kaum in die Öffentlichkeit gelangen. Mitverantwortlich dafür ist die Situation der Schulstatistik in Deutschland, die nicht unabhängig von der Verwaltung erstellt wird und der Öffentlichkeit und der Forschung nicht in allen Ländern frei zur Verfügung steht, wie dies für die Bildungsstatistiken im Vorschulbereich, der beruflichen Bildung und dem Hochschulbereich der Fall ist.
Die Verwaltungen in den Ländern und Kommunen haben mit dem Aufbau eines Bildungsmonitorings selbst dazu beigetragen, den Erfolg ihrer Arbeit dauerhaft zu beobachten und kritisch zu beleuchten. Wichtig ist daneben aber auch eine unabhängige Wissenschaft, die ihrerseits über Analysen zum Bildungswesen auf Problemlagen hinweisen kann. Dazu benötigt sie einen weitgehenden Zugang zu den verfügbaren Informationen und Forschungsressourcen. Besonders hilfreich und eigentlich unverzichtbar ist sie für die Konzipierung und Durchführung von repräsentativen Längsschnittstudien, um das verfügbare statistische Material gezielt zu ergänzen.
In der Berichterstattung für die Bundesrepublik Deutschland hat es sich bewährt, neben den allgemeinen Teilen ein Schwerpunktkapitel vorzusehen, dass sich vertieft mit einem spezifischen Aspekt des Bildungswesens auseinandersetzt. Dadurch wurde nicht nur die öffentliche Resonanz auf die Berichte verbessert, sondern es wurden auch politische Aktivitäten in den jeweiligen Bereichen ausgelöst oder unterstützt. Kommunen haben für ihr Monitoring gelegentlich den Wechsel von übergreifenden Berichten und spezifischen Problemanalysen gewählt. Insofern können über das Bildungsmonitoring in unterschiedlicher Weise politische Impulse gesetzt und eine Versachlichung von kontroversen Fragen gefördert werden.
8 Quellenangaben
Avenarius, Hermann, Hartmut Ditton, Hans Döbert, Klaus Klemm, Eckhard Klieme, Matthias Rürup, Heinz-Elmar Tenorth, Horst Weishaupt und Manfred Weiß, 2003. Bildungsbericht für Deutschland: Erste Befunde. Opladen: Leske + Budrich. ISBN 978-3-8100-4060-2
Baethge, Martin, Klaus-Peter Buss und Carmen Lanfer, 2003. Konzeptionelle Grundlagen für einen Nationalen Bildungsbericht: Berufliche Bildung und Weiterbildung/​Lebenslanges Lernen. Berlin: BMBF
Cortina, Kai S., Jürgen Baumert, Achim Leschinsky, Karl Ulrich Mayer und Luitgard Trommer, Hrsg., 2008. Das Bildungswesen in der Bundesrepublik Deutschland: Strukturen und Entwicklungen im Überblick. Reinbek: Rowohlt. ISBN 978-3-499-62339-4
Deutscher Bildungsrat, 1975. Bericht ’75: Entwicklungen im Bildungswesen. Bonn
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Verfasst von
Prof. Dr. Horst Weishaupt
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Zitiervorschlag
Weishaupt, Horst,
2022.
Bildungsmonitoring [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 17.06.2022 [Zugriff am: 05.12.2024].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/12412
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