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Biografisches Interview

Dr. Christin Schörmann

veröffentlicht am 06.03.2023

Weitere Schreibweise: Biographisches Interview

Synonym: narratives Interview

Englisch: biographical interview; biographic interview

Das biografische Interview ist eine Methode zur Erhebung qualitativer Daten. Dabei konzentriert es sich auf die Lebensgeschichte und die Erfahrungen der interviewten Person.

Der Begriff „biografisches Interview“ wird oft gleichbedeutend mit „narratives Interview“ verwendet. Es ist als Erhebungsmethode der soziologischen, erziehungswissenschaftlichen und sozialarbeiterischen qualitativen Sozialforschung – insbesondere in der Biografieforschung – verbreitet.

Beispiele für die Bezeichnung „biografisches Interview“ finden sich u.a. bei Nohl (2017, S. 15 ff.) sowie Przyborski und Wohlrab-Sahr (2021, S. 108). Es besteht jedoch wenig Einigkeit darüber, wie das biografische Interview forschungsmethodisch umzusetzen ist. Anders als Fritz Schütze (1983), der das Hauptaugenmerk auf eine möglichst offene Herangehensweise richtet, legt Werner Fuchs-Heinritz (2009, S. 179 f.) biografische Interviews nicht darauf fest. Seinem Verständnis zufolge können biografische Interviews auch teilstandardisiert angelegt sein. Fuchs-Heinritz regt an, die offen-narrative und teilstandardisierte lnterviewform gleichermaßen miteinander zu verbinden. Die Interviewstruktur von teilstandisisierten Interviews basiert auf einem Leitfaden, der den Gesprächsprozess mit Themen und Fragen für die Interviewdurchführung leitet. (a.a.O., S. 229). Zu beachten ist jedoch, dass eine spätere Auswertung des Datenmaterials mit Blick auf die Relevanz- und Sequenzstrukturen der Interviewperson ausgeschlossen ist, hat man erst ein Leitfaden-Interview durchgeführt (Fuchs-Heinritz 2009, S. 233).

Werner Fuchs-Heinritz empfiehlt eine Kombination von narrativen und teilstandisierten Interviewelementen, wenn Menschen als Interviewpersonen vorgesehen sind, die erwartbar große Probleme mit einer lebensgeschichtlichen Erzählung haben, oder Themenbereiche angesprochen werden sollen, die nicht Teil alltäglicher biografischer Kommunikation sind. Dann sollte der Leitfaden Gesprächsanreize enthalten, um diese Schwierigkeiten zu umgehen (Fuchs-Heinritz 2009, S. 226). Für die Entwicklung eines Interviewleitfadens hat sich die SPSS-Methode mit den Arbeitsschritten Sammeln, Prüfen, Sortieren, Subsummieren nach Cornelia Helfferich (2011) bewährt.

Quellenangaben

Fuchs-Heinritz, Werner, 2009. Biographische Forschung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. ISBN 978-3-531-16702-2

Helfferich, Cornelia, 2011. Die Qualität qualitativer Daten. 4. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. ISBN 978-3-531-17382-5

Nohl, Arnd-Michael, 2017. Interview und Dokumentarische Methode: Anleitungen für die Forschungspraxis. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Springer VS. ISBN 978-3-658-16079-1

Przyborski, Aglaja und Wohlrab-Sahr, Monika, 2021. Qualitative Sozialforschung: Ein Arbeitsbuch. 5., überarbeitete und erweiterte Auflage. München: De Gruyter Oldenbourg. ISBN 978-3-11-071067-0

Schütze, Fritz, 1983. Biographieforschung und narratives Interview. In: neue praxis. 13(3), S. 283-296. ISSN 0342-9857

Verfasst von
Dr. Christin Schörmann
Sozialarbeiterin/Sozialpädagogin M. A., Dipl. Sozialarbeiterin/Dipl. Sozialpädagogin
Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Sozialwesen
Vertretung der Professur mit dem Lehrgebiet Sozialarbeitswissenschaft
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Zitiervorschlag
Schörmann, Christin, 2023. Biografisches Interview [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 06.03.2023 [Zugriff am: 28.03.2023]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/342

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