Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement
PD Dr. Ansgar Klein
veröffentlicht am 21.10.2019
Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) ist ein multisektoraler Zusammenschluss von AkteurInnen und Organisationen aus Bürgergesellschaft, Drittem Sektor, Staat und Politik, Wirtschaft sowie Wissenschaft und Medien. Gemeinsames Ziel ist die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in allen seinen Formen und allen gesellschaftlichen Bereichen. Die Wissens- und Kompetenzplattform arbeitet nach Prinzipien einer deliberativen Plattform fachlich und überparteilich in den Politikfeldern der Engagement- und Demokratiepolitik und für eine zivilgesellschaftliche Strukturpolitik.
Überblick
1 Auftrag
Das Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) wurde im Juni 2002 auf Initiative des Nationalen Beirates zum Internationalen Jahr der Freiwilligen (IJF) 2001 gegründet. Die Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ des 14. Deutschen Bundestags hatte 2002 eine stärkere multisektorale Vernetzung und Zusammenarbeit der unterschiedlichen AkteurInnen und Organisationen des Engagements empfohlen und die Gründung des BBE unterstützt. Das fachlich zuständige Familienministerium (BMFSFJ), zugleich das Engagementministerium des Bundes, hat das Netzwerk durch Förderung seiner Geschäftsstelle von Anfang an unterstützt.
Das BBE zielt darauf, die Empfehlungen der Enquete-Kommission umzusetzen und die Rahmenbedingungen und Infrastrukturen von Engagement und Partizipation zu verbessern. Es setzt sich daher für Aufbau und Entwicklung der Engagement- und Demokratiepolitik in den Kommunen und Ländern, in Deutschland und Europa ein und zielt auf die Stärkung zivilgesellschaftlicher Infrastrukturen und einer sekrorübergreifenden Kooperation (Klein et al. 2013 ff.; Olk et al. 2010) .
Besonderes Kennzeichen des BBE ist seine multisektorale Struktur: Es ist ein gemeinsames Netzwerk von Organisationen und AkteurInnen aus der Bürgergesellschaft und dem Dritten Sektor, aus Staat und Politik sowie aus der Wirtschaft und dem Arbeitsleben. Auch Wissenschaft und Medien wirken mit. Die Netzwerkmitglieder sind Organisationen (nur in wenigen Ausnahmefällen Personen). Sie arbeiten gemeinsam und partnerschaftlich daran, die Bedingungen für bürgerschaftliches Engagement zu verbessern. Das BBE ist ein Forum für Austausch, Beratung und gegenseitiges Lernen und versteht sich als Wissens- und Kompetenzplattform und als ein Ort der „assoziativen Demokratie“ (Klein und Olk 2014). Es bündelt Anliegen seiner Mitglieder und entwickelt aus einer bereichs- und sektorübergreifenden Perspektive Impulse für die Stärkung von bürgerschaftlichem Engagement und Bürgergesellschaft. Im Zentrum steht dabei die engagement- und demokratiepolitische Agenda.
2 Tätigkeit
Über seine breite und multisektorale Mitgliedschaft und mit Hilfe seiner deliberativen Plattformfunktion, über die sich die TrägerInnen und Förderer des Engagements von über 30 Millionen engagierten BürgerInnen in Deutschland verständigen und eine gemeinsame Agenda für die Förderung von Engagement und Partizipation entwickeln, hat das BBE in advokatorischer Hinsicht eine starke Stimme. In Europa gilt das BBE mittlerweile als das größte nationale Netzwerk zu zivilgesellschaftlichen Themen. Das BBE übernimmt in jüngerer Zeit auch wichtige Koordinationsaufgaben für die europäische Zivilgesellschaft vor der Europawahl 2019. Die „Berliner Agenda“ der europäischen Zivilgesellschaft enthält deren Erwartungen an die Europawahl und an die Europäische Union.
Das BBE zielt mit seiner Arbeit auf die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements in allen seinen Formen und allen gesellschaftlichen Bereichen. Bürgerschaftliches Engagement schließt im Verständnis des BBE ganz unterschiedliche Formen von freiwilligen, nicht auf materiellen Gewinn ausgerichteten, gemeinwohlorientierten Tätigkeiten ein. Dazu zählen traditionelle und neue Formen ehrenamtlicher Tätigkeiten in Vereinen, Verbänden und Kirchen, die Mitwirkung in Projekten und Initiativen, unterschiedliche Varianten der Eigenarbeit, der Selbsthilfe, der Wahrnehmung öffentlicher Funktionen sowie Formen der politischen Beteiligung und Mitbestimmung. Gegenüber traditionellen Diskussionen um das Ehrenamt zeichnet sich die Arbeit im BBE durch den Bezug auf die Zivil- bzw. Bürgergesellschaft und durch enge Verbindungen von Engagement und Partizipation als Rahmenkonzept aus. Leitbild des BBE ist eine aktive Bürgergesellschaft, die durch ein hohes Maß an Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger bei der Gestaltung des Gemeinwesens geprägt ist.
Das Spektrum von Themen und Anliegen ist groß. Dazu zählen:
- rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen des Engagements (bspw. Versicherungsschutz, Zuwendungs- und Gemeinnützigkeitsrecht)
- die Weiterentwicklung der lokalen Bürgergesellschaft in den Kommunen und im ländlichen Raum,
- die Zukunft der Freiwilligendienste,
- die Rolle des Engagements bei der Reform des Sozialstaates,
- das Engagement von Migrantinnen und Migranten und der Umgang mit Vielfalt,
- Perspektiven des bürgerschaftlichen Engagements bei der Gestaltung des demografischen Wandels,
- Bildung und Qualifizierung und Engagement als nonformal-informeller Lernort
- der Umgang der Zivilgesellschaft mit der Digitalisierung,
- Engagementförderung durch Unternehmen
- Vernetzung in Fragen der Engagement- und Demokratiepolitik auf europäischer und internationaler Ebene
- Engagement- und Partizipationsforschung sowie Themen der Zivilgesellschaftsforschung wie auch der Wissenschafts- und Forschungspolitik aus Sicht zivilgesellschaftlicher Bedarfe.
3 Organisation
Das BBE ist als nicht eingetragener Verein organisiert. Die jährlich stattfindende Mitgliederversammlung entscheidet über Themen- und Arbeitsschwerpunkte, wobei jedes bundesweit tätige Mitglied – unabhängig von der Größe – eine Stimme hat. Dies entspricht den Prinzipien einer deliberativen Plattform, bei der es um gute Gründe und nicht um Stimmmacht geht.
Aus der Mitgliederversammlung wird der Koordinierungsausschuss (KOA) als mittleres Entscheidungsgremium gewählt. Er trifft sich zweimal im Jahr und steuert die Vorhaben und Aktivitäten des Netzwerks.
Aus dem KOA wird der 5köpfige SprecherInnenrat für 3 Jahre gewählt. Er vertritt nach außen das BBE. Ihm gehören drei Mitglieder aus der Zivilgesellschaft und je ein Mitglied aus den Sektoren Staat und Wirtschaft an.
Die Amtszeit von Gremien und AGs beträgt drei Jahre. Die Bundesgeschäftsstelle begleitet die Arbeit des Netzwerks hauptamtlich und erbringt Servicefunktionen. Trägerin von Geschäftsstelle und Projekten ist seit 2011 die BBE Geschäftsstelle gemeinnützige GmbH. Deren GesellschafterInnen sind mit dem jeweils amtierenden SprecherInnenrat identisch. Das BBE finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und öffentlichen Zuwendungen.
3.1 Mitglieder
Das BBE hat Anfang 2019 rund 270 Mitgliedsorganisationen, darunter die beiden christl. Kirchen, die meisten der großen Wohlfahrtsverbände, die (Dach-)Verbände des Sports, der Kultur, des Natur- und Umweltschutzes, der Stiftungen sowie der Hilfs- und Rettungsdienste, der Deutsche Bundesjugendring, der Deutsche Frauenrat, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, Migrantenorganisationen, Gewerkschaften (DGB, VER.DI, IGM), Stiftungen (Bundesverband deutscher Stiftungen, der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft und Stiftungen wie die Bosch-Stiftung, die Körber-Stiftung oder die Bertelsmann-Stiftung und natürlich die Bürgerstiftungen), die Dachorganisationen der Selbsthilfe, der Freiwilligenagenturen und -zentren und Seniorenbüros, aber auch Wirtschaftsunternehmen (BP, Deutsche Bahn, Deutsche Bank, Commerzbank, Deutsche Telekom, Ford, IBM, VW u.a.), nachgeordnete Behörden mehrerer Bundesministerien (BAfzA, BAMF, Bundeszentrale für politische Bildung, THW oder Engagement Global), alle 16 Bundesländer sowie Kommunen. Auch Wissenschaft (Forschungsinstitute mit den Themen Engagement, Partizipation und Zivilgesellschaft) und Medien (von ZDF über Bürgermedien bis Jugendpresse und Anzeigenblätter) sind beteiligt.
3.2 Arbeitsgruppen und ThemenpatInnen
Die inhaltliche Arbeit erfolgt in Arbeitsgruppen und über ausgewählte Projekte, die die verschiedenen Anliegen und Schwerpunkte des BBE repräsentieren und in Form von Workshops, Fachveranstaltungen, Impulspapieren etc. bearbeiten. Bei wichtigen Querschnittsthemen der Engagement- und Demokratieförderung kommen die vom SprecherInnenrat des BBE ernannten ThemenpatInnen hinzu. Sie kümmern sich um gute Vernetzung und kooperative Bearbeitung. Für die europäische Vernetzung und die europäische Engagement- und Partizipationsförderung hat der SprecherInennrat einen Beauftragten ernannt, der die Europaarbeit des Netzwerks koordiniert und das Team in der Geschäftsstelle eng begleitet.
Arbeitsgruppen und ThemenpatInnen treffen sich zweimal jährlich zu einer „Agendakonferenz“, um ihre fachlichen Befunde gemeinsam auszutauschen und zu beraten und um sich für die Sitzungen des BBE-Kooordinierungsausschusses vorzubereiten, in dem sie vertreten sind.
3.3 Publikationen
Im BBE-Eigenverlag erscheinen zahlreiche Fachmaterialien zu den vom BBE, oft mit Partnern, durchgeführten Veranstaltungen. Mit einem alle 2 Wochen erscheinenden nationalen Newsletter zur Engagementförderung und den monatlichen „Europa-Nachrichten – Newsletter für Engagement und Partizipation“ werden Nachrichten und Analysen zur Engagement- und Demokratieförderung, zu Projekten, Studien, Kooperationsvorhaben und Fachveranstaltungen publiziert. Eine BBE online-Reihe bietet in den Sparten „Arbeitspapiere“, „Dossiers“, „Positionen“ und künftig auch „Foren und Kampagnen“ wichtiges Fachmaterial an. Im Wochenschau Verlag (Frankfurt) erscheint die BBE-Schriftenreihe „Engagement und Partizipation in Theorie und Praxis“. Seit 2013 ist dies auch der Ort für das „Jahrbuch Engagementpolitik“ des BBE mit jeweils einem Schwerpunktthema, mit aktuellen Diskursen und mit Übersichten über die Aktivitäten des BBE.
3.4 Woche des Bürgerschaftlichen Engagements
Eine besondere Aktivität des BBE ist die 2019 zum 15. Mal durchgeführte „Woche des Bürgerschaftlichen Engagements“. Unter dem Motto „Engagement macht stark!“ finden in dieser „Aktionswoche“ bundesweit öffentliche Aktivitäten, Aktionen und Projekte der Mitglieder statt, die auf das Engagement der BürgerInnen aufmerksam machen, es sichtbar machen und anerkennen. Über 7.000 lokale, regionale und bundesweite Aktionen beteiligen sich mittlerweile an der Kampagne mit einem nationalen Auftakt in Berlin und 3 Thementagen, die besondere Impulse setzen. Von Beginn an ist der jeweils amtierende Bundespräsident Schirmherr der Kampagne.
Aufgrund seiner sektor- und bereichsübergreifenden Zusammensetzung hat sich das BBE zu einer wichtigen Wissens- und Kompetenzplattform in Fragen des bürgerschaftlichen Engagements entwickelt und ist ein wichtiger Ansprech- und Kooperationspartner für Organisationen und Verbände, Verwaltungen und Parlamente bei der Erarbeitung von Konzepten und Strategien zur Förderung von Engagement und der Bürgergesellschaft. Dabei versteht sich das BBE als ein Netzwerk, in dem bereichsübergreifend und auch strukturell die Fragen, Probleme und Strategien der Engagementförderung, Engagementpolitik und Demokratiepolitik diskutiert und entwickelt werden.
4 Quellenangaben
Klein, Ansgar und Thomas Olk, 2014. Transsektorale Vernetzung und assoziative Demokratie. Erfahrungen des Bundesnetzwerks Bürgerschaftliches Engagement (BBE). In: Annette E. Zimmer und Ruth Simsa, Hrsg. Forschung zu Zivilgesellschaft, NPOs und Engagement: Quo vadis? Wiesbaden: Springer VS, S. 431–448. ISBN 978-3-658-06176-0
Klein, Ansgar, Rainer Sprengel und Johann Neuling, Hrsg., 2013. Jahrbuch Engagementpolitik 2013. Staat und Zivilgesellschaft. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. ISBN 978-3-8997-4844-4
Klein, Ansgar, Rainer Sprengel und Johann Neuling, Hrsg., 2014. Jahrbuch Engagementpolitik 2014. ngagement- und Demokratiepolitik. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. ISBN 978-3-8997-4912-0
Klein, Ansgar, Rainer Sprengel und Johann Neuling, Hrsg., 2015. Jahrbuch Engagementpolitik 2015. Engagement und Welfare Mix – Trends und Herausforderungen. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. ISBN 978-3-8997-4993-9
Klein, Ansgar, Rainer Sprengel und Johann Neuling, Hrsg., 2015. Jahrbuch Engagementpolitik 2016. Engagement und Partizipation. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. ISBN 978-3-7344-0117-6
Klein, Ansgar, Rainer Sprengel und Johann Neuling, Hrsg., 2017. Jahrbuch Engagementpolitik 2017. Engagement für und mit Geflüchteten. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag. ISBN 978-3-7344-0396-5
Klein, Ansgar, Rainer Sprengel und Johann Neuling, Hrsg., 2017. Jahrbuch Engagementpolitik 2018. Annäherungen an die digitale Welt. Frankfurt/M.: Wochenschau Verlag. ISBN 978-3-7344-0562-4
Klein, Ansgar, Rainer Sprengel und Johann Neuling, Hrsg., 2018. Jahrbuch Engagementpolitik 2019. Europa als Handlungsarena der Zivilgesellschaft. Frankfurt/M.: Wochenschau Verlag. ISBN 978-3-7344-0660-7
Olk, Thomas, Ansgar Klein und Birger Hartnuß, Hrsg. 2010. Engagementpolitik: Die Entwicklung der Zivilgesellschaft als politische Aufgabe. Wiesbaden: VS Verlag. ISBN 978-3-531-16232-4 [Rezension bei socialnet]
5 Informationen im Internet
- Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE)
- BBE-Newsletter
- BBE Europa-Nachrichten
- Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE): Woche des Bürgerschaftlichen Engagements
Verfasst von
PD Dr. Ansgar Klein
Diplom-Soziologe, Dr. phil., Privatdozent für Politikwissenschaften an der Humboldt-Universität Berlin und Publizist. Seit August 2002 (Gründungs-) Geschäftsführer des „Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagements“ (BBE). Mitherausgeber des Forschungsjournals Soziale Bewegungen (Verlag Lucius & Lucius, Stuttgart), der Buchreihe „Bürgergesellschaft und Demokratie“ im Springer VS-Verlag und der BBE-Buchreihe „Engagement und Partizipation in Theorie und Praxis“ (Wochenschau).
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Es gibt 1 Lexikonartikel von Ansgar Klein.
Zitiervorschlag
Klein, Ansgar,
2019.
Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 21.10.2019 [Zugriff am: 13.12.2024].
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