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Business Reengineering

Prof. Dr. Friedrich Vogelbusch

veröffentlicht am 03.04.2025

Synonym: Business Process Reengineering (BPR)

Etymologie: engl. business Geschäft, Betrieb, Gewerbe; engl. reengineering Umstrukturierung

Deutsch: Geschäftsprozessneugestaltung

Business Reengineering ist ein aus den USA stammendes Konzept in der Unternehmensberatung, bei dem Geschäftsprozesse komplett (revolutionär) umgestaltet werden. Im Unterschied zu den schrittweisen Verbesserungen im Prozessmanagement wird beim Business Reengineering das Unternehmen insgesamt und bereichsübergreifend verändert.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Begriffsklärung und -abgrenzung
  3. 3 Business Reengineering in Industrieunternehmen
    1. 3.1 Triage zu Beginn
    2. 3.2 Überwindung der Arbeitsteilung
    3. 3.3 Fallbeispiel Ford Company
    4. 3.4 Personelle Folgerungen
  4. 4 Grundsätzliche Vorgehensweise beim Business Reengineering
    1. 4.1 Formulierung eines Zieles
    2. 4.2 Installation eines Prozesseigners
    3. 4.3 Analyse der Prozesse und Identifikation der erfolgskritischen Prozesse
    4. 4.4 Messkonzeption für die Prozesse
    5. 4.5 Redesign der Prozesse
    6. 4.6 Implementierung der neuen Prozesse
    7. 4.7 Kontinuierliche weitere Verbesserung
  5. 5 Übertragung des Konzepts des Business Reengineering auf Sozialunternehmen/NPO
  6. 6 Ausblick
  7. 7 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Business Reengineering ist wie auch das Prozessmanagement ein modernes betriebswirtschaftliches Konzept, das der Gestaltung der Abläufe in einem Unternehmen zentrale Bedeutung zuweist.

Prozessmanagement ist die weit ausgerichtete Analyse und Gestaltung der unternehmerischen Abläufe aus einer Prozessperspektive, während das Konzept des Business Reengineering einen Beratungsansatz aus den Vereinigten Staaten von Amerika darstellt, bei dem Geschäftsprozesse in radikaler Weise neu strukturiert werden. Beide Konzepte haben die verbesserten technischen und wirtschaftlichen Ergebnisse zum Ziel.

Das Konzept des Business Reengineering stammt von Hammer und Champy und wurde 1995 als neuer Beratungsansatz in der Industrie propagiert (Hammer und Champy 1995).

Beide Konzepte lassen sich auch bei Nonprofit-Unternehmen einsetzen. Prozessmanagement und Business Reengineering bieten wertvolle Werkzeuge, um die Effizienz und Effektivität in Non-Profit-Organisationen und Sozialunternehmen zu verbessern. Durch die systematische Analyse und Optimierung von Prozessen können diese Organisationen ihre Ressourcen besser nutzen und ihre sozialen Ziele effizienter erreichen.

2 Begriffsklärung und -abgrenzung

Unter Business Reengineering versteht man in der Betriebswirtschaft einen Beratungsansatz, bei dem Geschäftsprozesse komplett (revolutionär) umgestaltet werden sollen. Im Unterschied zu den schrittweisen Verbesserungen im Prozessmanagement (z.B. in den Konzepten des Kontinuierlichen Verbesserungsprozess [KVP] oder dem japanischen Kaizen) wird beim Business Reengineering das Unternehmen insgesamt und bereichsübergreifend verändert.

Prozessmanagement ist das allgemeine Konzept, in das sich das Business Reengineering einbettet. Beide Konzepte sind in der privaten Wirtschaft weitverbreitet sind. Doch auch Non-Profit-Organisationen (NPO) und Sozialunternehmen können von diesen Methoden profitieren.

In Abgrenzung zum Business Reengineering handelt es sich beim Prozessmanagement um eine eher schrittweise und ganzheitliche Gestaltung der Abläufe in einem Unternehmen mit dem Ziel der effizienten und effektiven Gestaltung. Beim Prozessmanagement geht es um die Identifikation, Gestaltung, Dokumentation, Implementierung, Steuerung und Optimierung von Geschäftsprozessen. Die ganzheitliche Sicht des Geschäftsprozessmanagements bedeutet, dass nicht nur technische Fragen, sondern insbesondere auch organisatorische Aspekte, wie die strategische Ausrichtung, die Organisationskultur oder die Einbindung und Führung der Beteiligten in den Prozessen betrachtet werden.

3 Business Reengineering in Industrieunternehmen

Hammer und Champy (1995) propagieren die Umgestaltung der betrieblichen Organisationsabläufe unter dem Schlagwort des Business Reengineering. Diesem Konzept schließt sich eine ganze Schar von Unternehmensberatern und -beraterinnen an, die mit weiteren Verfeinerungen Konzepte zur Optimierung der Prozesse in einem Unternehmen anbieten. Beim Business Reengineering wird die Organisation verändert, Abläufe werden nach den Prozessen neu gebaut.

Hammer und Champy fordern die Verantwortlichen auf, groß zu denken und dadurch eine wirkliche Neuaufstellung der Kernprozesse zu erreichen. Das Konzept bleibt nicht bei der Analyse und Verbesserung der alten Prozesse stehen, stattdessen wird komplett neu strukturiert – wichtig sind dabei ehrgeizige Ziele: Optimierung nicht um 10 % sondern um 300 %.

3.1 Triage zu Beginn

Hammer und Champy schlagen eine Triage oder ABC-Analyse (von A für die wichtigsten bis C für die unwesentlichen Prozesse) der vorhandenen Prozesse, um sich auf die wesentlichen Prozesse und Abläufe konzentrieren zu können. Danach werden die wichtigsten Prozesse bestimmt, die für die Restrukturierung z.B. aufgrund ihres wesentlichen Einflusses auf die Kosten entscheidend sind. Dafür wird in Kauf genommen, dass sich bei unwesentlichen Prozessen Fehler und Ungenauigkeiten ergeben können. Mit dem Konzept wird angestrebt, die Bearbeitung von Geschäftsvorfällen prozessorientiert zu beschleunigen. Die Kosteneinsparung durch unterlassene Kontrollen bei den C-Prozessen ist höher als die der erwarteten Fehler bei den ungeprüften Abläufen.

Beispiel zum Einsatz des Triage-Konzepts in der Prozessanalyse:

Bei der Bearbeitung und Abwicklung von Kreditanträgen in einer Bank wird zwischen einfachen, durchschnittlichen und komplexen Fällen unterschieden. Für jede Fallvariante werden bestimmte Anforderungen und eine speziell formulierte Geschäftsprozessvariante bereitgehalten. Insgesamt wird so eine adäquate, aber zügige Bearbeitung der Anträge sichergestellt.

Kasten 1: Beispiel zum Einsatz des Triage-Konzepts in der Prozessanalyse

3.2 Überwindung der Arbeitsteilung

Konstitutiv ist, dass ein grundlegender Wandel und nicht nur eine graduelle Verbesserung angestrebt werden. Das Reengineering stellt in einer Art „Radikalkur für das Unternehmen“ die gesamte bisherige Produktionsorganisation um. In einer „90 Grad-Drehung“ wendet sich das Konzept gegen die Spezialisierung und Arbeitsteilung (Abb. 1).

90° Wendung im Blick auf die Unternehmensorganisation nach dem Konzept des Business Reengineerings
Abbildung 1: 90° Wendung im Blick auf die Unternehmensorganisation nach dem Konzept des Business Reengineerings (nach Gaitanides 2007, S. 51)

Von der Organisation her lautet die Empfehlung, die Unternehmen flach zu organisieren. Maßstab sind die Prozessabläufe und nicht die Abteilungen und die Aufbauorganisation.

3.3 Fallbeispiel Ford Company

In der Literatur oft genannte Beispiele sind die Re-Organisation des Prozesses der Eingangsrechnungen bei der Ford Company, die Neuentwicklung von Kameras bei Kodak und die Imbisskette Taco Bells (Hammer und Champy 1995, S. 64–66 [Kodak], S. 222–236 [Taco Bell]). Hier wird exemplarisch das Beispiel der Ford Company wiedergegeben.

Das Fallbeispiel stammt aus der Auftragsabwicklung und der Kreditorenbuchhaltung bei Ford (Hammer und Champy 1995, S. 57 ff.). Anhand des Materialbeschaffungs- und Bezahlungsprozesses wird gezeigt, dass auch administrative Prozesse einem Business Reengineering unterzogen werden können. Ford wird von Hammer und Champy (1995) als Inbegriff der arbeitsteiligen und spezialisierten Unternehmensorganisation angeführt.

In den frühen 1980er-Jahren suchte Ford nach Möglichkeiten zur Reduzierung der Gemein- und Verwaltungskosten. Einen Ansatzpunkt zur Kostensenkung sah Ford in der Kreditorenbuchhaltung, die für die Begleichung der Rechnungen an Zulieferer zuständig war. Dort waren über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Als Manager von Ford den japanischen Hersteller Mazda besuchten, stellten sie fest, dass Mazda seine Kreditoren mit nur fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bearbeitete. Dies war der Ausgangspunkt, den gesamten Einkaufsprozess zu überdenken und einen radikalen Wandel der Kreditorenbuchhaltung herbeizuführen. Notwendig war, eine gänzlich neue Sichtweise auf den Unternehmensprozess anzuwenden. Ford erkannte die Notwendigkeit, nicht nur auf die eine Verwaltungseinheit zu blicken, die die Eingangsrechnungen bearbeitete, sondern auf den gesamten Einkaufsprozess. Demgemäß wurde nicht die Kreditorenbuchhaltung für sich, sondern die Beschaffung insgesamt neu aufgestellt.

Fords alter Beschaffungsprozess war konventionell strukturiert. Zunächst schickte die Einkaufsabteilung eine Bestellung an einen Zulieferer, die Kreditorenbuchhaltung erhielt eine Kopie dieser Bestellung. Beim Eintreffen der Ware bei Ford füllte eine Beschäftigte oder ein Beschäftigter in der Wareneingangsabteilung ein Formular aus, in dem die erhaltenen Teile aufgelistet wurden und leitete es an die Kreditorenbuchhaltung weiter. Der Zulieferer schickte der Kreditorenbuchhaltung eine Rechnung. Damit hielt die Kreditorenbuchhaltung nun drei Dokumente für ein und dieselbe Ware in Händen: Bestellung, Lieferschein und Rechnung. Wenn alle drei übereinstimmten, wies eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter die Begleichung der Rechnung an. In den meisten Fällen geschah das auch so, aber gelegentlich kam Vilfredo Pareto zum Zug: Nach dem Pareto Prinzip oder der 80:20 Regel werden in einem Prozess 80 % des Aufwands von nur 20 Prozents des Inputs verursacht. In der Kreditorenbuchhaltung von Ford verbrachten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den weitaus größten Teil ihrer Zeit mit der Lösung ungewöhnlicher Probleme, die auftraten, wenn die drei Dokumente (Bestellung, Lieferschein und Rechnung) nicht übereinstimmten. Manchmal dauert es Wochen und erforderte einen ungeheuren Arbeitsaufwand, bis diese Unstimmigkeiten nachvollzogen und bereinigt werden konnten (Abb. 2).

Bearbeitungsprozess in der Bestellabteilung bei Ford vor der Restrukturierung
Abbildung 2: Bearbeitungsprozess in der Bestellabteilung bei Ford vor der Restrukturierung (nach Hammer und Champy 1995, S. 59 ff.)

Im neuen Prozess sah die Kreditorenbuchhaltung bei Ford radikal anders aus. Wenn nun eine Ford Einkäuferin oder ein Ford-Einkäufer eine Bestellung für einen Zulieferer ausschreibt, gibt sie oder er den Auftrag gleichzeitig in einer Onlinedatenbank ein. Bei Ankunft in Wareneingangsabteilung überprüft nun eine der dortigen Mitarbeiterinnen oder einer der dortigen Mitarbeiter auf einem PC, ob die erhaltene Sendung mit dem unerledigten Auftrag in der Datenbank übereinstimmt. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: ja oder nein. Wenn ja, wird das Eintreffen der Waren in der Datenbank bestätigt. Der PC stellt automatisch eine Gutschrift aus, der Zulieferer erhält das Geld. Wenn nein, verweigert die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter die Annahme der Sendung und schickt sie an den Lieferanten zurück.

Dieser Veränderung bei Ford liegt ein einfaches Konzept zugrunde. Die Autorisierung der Zahlung, die früher den Kreditorenbuchhaltern oblag, ist jetzt Aufgabe des Wareneingangs. Der neugestaltete Unternehmensprozess bei Ford brach klar mit einer ehemals gültigen Regel. Diese Regel lautete: „Wir zahlen bei Erhalt der Rechnung“. Diese Regel wurde zwar selten ausgesprochen, bildete aber die Grundlage für den bisherigen Prozess. Statt Zahlung bei Rechnungserhalt galt fortan bei Ford: „Wir zahlen bei Erhalt der Ware“. Allein die Änderung eines einzigen Wortes wurde der Grundstein für einen radikalen Wandel im Unternehmen gelegt.

Dafür war es nötig, den gesamten Prozess neu zu strukturieren – und zwar nicht durch eine graduelle Verbesserung, sondern durch eine radikale Neugestaltung. Die Effektivität des Prozesses hat sich signifikant verbessert. Der alte Prozess führte zu verschlungenen Komplexitäten und Nachforschungsverfahren zwischen Ablagen und Wiedervorlagen, genug, um 500 Angestellte fast die ganze Zeit über zu beschäftigen. Beim neuen Prozess ist das anders. Die Kreditorenbuchhaltung wurde beinahe überflüssig. Lediglich eine Handvoll Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter kümmert sich um besondere Ausnahmefälle (Abb. 3).

Bearbeitungsprozess in der Bestellabteilung bei Ford nach der Restrukturierung
Abbildung 3: Bearbeitungsprozess in der Bestellabteilung bei Ford nach der Restrukturierung (nach Hammer und Champy 1995, S. 61 ff.)

3.4 Personelle Folgerungen

Von der personellen Seite her ist es für ein erfolgreiches Business Reengineering erforderlich, zusätzliche Rollen und Aufgaben zu verteilen. Solche Aufgaben und Zuständigkeiten lassen sich für die neuen Rollen im Business Reengineering wie folgt auflisten (Tabelle 1).

Tabelle 1: Rollen und Aufgaben im Business Reengineering (nach Hammer und Champy 1995, S. 134 f.)
Rolle Aufgaben und Zuständigkeiten
Leader startet die Umgestaltung, benennt den Reengineering-Zar und die Prozessverantwortlichen und beruft die besten Köpfe in das Team
Lenkungsausschuss plant die unternehmenweite Gesamtstrategie und entscheidet dabei über Prioritäten innerhalb der einzelnen Prozesse und die Ressourcenverteilung
Reengineering-Zar übernimmt die Verantwortung für alle Umgestaltungs-projekte im Unternehmen und fördert die Prozessverantwortlichen bei ihren Strategien, er hütet und bewahrt Know-how und die Techniken der Umgestaltung und lässt die Prozessverantwortlichen daran teilhaben
Prozessverant-wortlicher ist Sprecher, Beobachter und Verbindungsmann seines Business Reengineering-Teams, er stellt das Team zusammen, beschafft die erforderlichen Ressourcen und vertritt das Thema gegenüber den lfd. Mitarbeitern des Unternehmens
Reengineering-Team besteht aus Insidern und Outsidern; Insider arbeiten direkt an den Umgestaltungsprozessen; Outsider (bei ersterem Durchlauf Mitarbeiter des Reengineering-Zar, Unternehmensberater) begleiten den Prozess kritisch

4 Grundsätzliche Vorgehensweise beim Business Reengineering

Beim Reengineering wird die im Unternehmen anzutreffende Organisationsstruktur radikal überdacht und umgestaltet. Folgende Phasen einer Umsetzung eines Reengineering-Projekt sind üblich (Abb. 4).

Übliche Vorgehensweise beim Reengineering
Abbildung 4: Übliche Vorgehensweise beim Reengineering (eigene Darstellung)

Die Vorgehensweise in den sieben Schritten lässt sich wie folgt beschreiben.

4.1 Formulierung eines Zieles

Typische Ziele von Reengineering-Projekten sind Kostenreduktion, Reduktion der Durchlaufzeiten und Verbesserung der Qualität. An jeder Schnittstelle zwischen Abteilungen entstehen leicht Verzögerungen, Kosten und Fehler. Deshalb ist es häufig notwendig, Prozesse neu zu definieren und die Probleme an den Schnittstellen zu vermeiden oder zu minimieren. In einem Reengineering-Projekt ist es wesentlich, die Ziele vorab klar festzulegen, um einerseits eine klare Richtung vorzugeben und andererseits Kontrollmöglichkeiten zu schaffen.

4.2 Installation eines Prozesseigners

Für die vielen Prozesse, die es in einem Unternehmen gibt, ist in vielen Fällen niemand benannt, der für den gesamten Prozess verantwortlich ist. Eine Person sollte den Prozess kennen und überwachen. Ansonsten ergeben sich Quellen für Fehler und Ineffizienzen. Für ein erfolgreiches Reengineering ist es entscheiden, organisatorisch eine verantwortliche Person zu benennen (Prozess Owner). Diese Person hat die Aufgabe, den jeweiligen Prozess zu koordinieren und zu überwachen.

4.3 Analyse der Prozesse und Identifikation der erfolgskritischen Prozesse

In dieser Phase geht es darum, die Prozesse zu identifizieren, die reorganisiert werden sollen. Zunächst sind die Prozesse zu analysieren, um die erfolgskritischen herauszukristallisieren. Nur für einige wenige Prozessen sollte das Redesign gestartet werden. Relevant bei der Auswahl ist, welche Prozesse den größten Einfluss auf Zeit, Kosten und Qualität (v.a. Kundenzufriedenheit) haben. Ebenfalls ist es wichtig, die Prozesse zu erkennen, die leicht zu reorganisieren sind. So können Erfahrungen für komplexere und schwer veränderbare Prozesse gewonnen werden. Es empfiehlt sich eine „Politik der kleinen Schritte“.

Wie sollte man bei der Analyse von Prozessen vorgehen? Instrumente sind die grafische Darstellung von Prozessen, Prozesslandkarte, die Prozessanalyse und die strukturierte Analyse. Hierbei können die wichtigen Geschäftsprozesse (Kernprozesse) von den einfachen Unterstützungsprozessen unterschieden werden. Prozesse können zudem in einzelne Teilschritte unterteilt werden (für weitere Details Vogelbusch 2018, S. 368 ff.).

Umsetzen lässt sich eine Analyse mit einem Workshop der am Prozess beteiligten Mitarbeitenden oder durch eine Analyse des Prozesses am jeweiligen Arbeitsplatz. Beim Workshop ist vorteilhaft, dass die Betroffenen beteiligt werden und ihr Wissen, ihre Erfahrung und ihre Verbesserungsvorschläge in das Redesign einfließen können. Es gilt, die Freude am prozessorientierten Blick zu wecken und prozesshafte Verbesserungen in den Arbeitsalltag zu integrieren.

4.4 Messkonzeption für die Prozesse

Ein Prozess ist nur dann gestaltbar, wenn er messbar ist. Aufgabe des Prozesseigners ist es, geeignete Kriterien für die Messung des Geschäftsprozesses zu finden. Kriterien könnten die Auftragsabwicklungszeit oder die gesamte Durchlaufzeit sein. Oder es wird die pünktliche Angebotsabgabe oder Fehleranzahl (beide in %) betrachtet. Aus Marketingsicht ist es wichtig, die Kriterien zu finden, die die Anforderung der Kunden am besten abbilden.

4.5 Redesign der Prozesse

Für die ausgewählten Prozesse sind nun Vorschläge abzuleiten wie diese neu gestaltet werden können. Dies kann beispielsweise mit Kreativitätstechniken wie dem Brainstorming erfolgen. Mögliche Fragen sind: „Wenn wir unsere Unternehmung auf der grünen Wiese neu gründen würden, wie würde sie dann aussehen?“ (Zero Based Budgeting). Ziel dieses Schrittes ist es, die aktuelle und gewachsene Organisationsform komplett und grundsätzlich zu überdenken. Es gilt, die kritischen Prozesse im Sinne einer höheren Kundenzufriedenheit so neu zu designen, dass dadurch die höchste Zufriedenheit erreicht wird und zugleich die Durchlaufzeiten und die Produktionskosten reduziert werden.

Es lohnt sich, andere erfolgreiche Umgestaltungen anzusehen, dies wird in der Betriebswirtschaftslehre als „Benchmarking“ bezeichnet. Hier vergleicht man die eigenen Prozesse mit Best Practices anderer Unternehmensteile (Schwesterbetriebe in einem Konzern) oder Unternehmen derselben Branche bzw. auch mit guten Beispielen anderer Unternehmen (zu diesem Instrument Vogelbusch 2018, S. 582).

Im Ergebnis ist der neue SOLL-Prozess zu definieren. Der optimierte Prozess sollte dabei vorhandene Rahmenbedingungen, die festgelegten Prozessziel und die angestrebten (messbaren) Faktoren wie Kundennutzen, Zeit und Kosten beinhalten.

4.6 Implementierung der neuen Prozesse

Der neu gestaltete Prozess ist in den Arbeitsablauf zu integrieren. Eine Pilotphase an ausgewählten Arbeitsplätzen kann von Vorteil sein. Ist hier die günstigere Ablauforganisation erkennbar, fällt es leicht die anderen Arbeitsplätze von der Umgestaltung zu überzeugen. Handbücher und Prozessbeschreibungen sind entsprechend anzupassen.

4.7 Kontinuierliche weitere Verbesserung

Wie im Qualitätsmanagement üblich, bleibt es nicht bei dem einen erreichten Schritt der Prozessoptimierung. Nach der hier vorgeschlagenen „Politik der kleinen Schritte“ sollte das Business Reengineering mit einigen wenigen Prozessen beginnen. Zunächst werden die Prozesse mit dem größten Einfluss auf Zeit, Kosten und Qualität (Kundenzufriedenheit) angegangen. Es sollten dabei mit der Reorganisation derjenigen Prozesse begonnen werden, die leicht zu reorganisieren sind. Anschließend können nun komplexere und schwer veränderbare Prozesse betrachtet und verbessert werden. Die gemachten Erfahrungen und die bei den ersten Prozessen erzielten Ergebnisverbesserungen können nun als Argument für die Fortsetzung des Reengineering genutzt werden.

5 Übertragung des Konzepts des Business Reengineering auf Sozialunternehmen/NPO

Nachdem die Konzepte des Business Reengineering erfolgreich in gewerblichen Industrieunternehmen eingesetzt worden waren, haben auch Nonprofit-Organisationen und insbesondere Sozialunternehmen ab den 1990er Jahren begonnen, dieses Konzept für die eigenen Abläufe nutzbar zu machen.

Auch in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und Werkstätten für behinderte Menschen – um die drei größten Typen an Sozialunternehmen zu nennen – wurden betriebliche Organisationsabläufe betrachtet und optimiert und Prozesse komplett neu strukturiert.

Beim Business Reengineering wird die Organisation grundlegend verändert und Abläufe werden nach den Kundenwünschen optimiert. Bei der Prozessoptimierung erfolgt eine schrittweise Optimierung, so wie es im Qualitätsmanagement bspw. durch den Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) vorgegeben ist.

In einigen Hilfebereichen (z.B. Krankenhaus, Eingliederungshilfe) wird das Prozessmanagement in Form des Case Managements erfolgreich eingesetzt, um die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten bzw. der Menschen mit Behinderungen in den Mittelpunkt zu stellen.

6 Ausblick

Prozessmanagement und Business Reengineering bieten wertvolle Werkzeuge zur Steigerung der Effizienz und Effektivität in Non-Profit-Organisationen und Sozialunternehmen. Durch die systematische Analyse und Optimierung von Prozessen können diese Organisationen ihre Ressourcen besser nutzen und ihre sozialen Ziele effizienter erreichen. Die erfolgreiche Implementierung erfordert jedoch eine sorgfältige Planung, klare Zielsetzung und die Einbindung aller Stakeholder. Zukünftige Forschung und Praxis sollten sich darauf konzentrieren, spezifische Ansätze und Best Practices für verschiedene Arten von NPOs und Sozialunternehmen zu entwickeln, um die Wirksamkeit dieser Methoden weiter zu verbessern.

7 Quellenangaben

Gaitanides, Michael, 2007. Prozessorganisation. 2. Auflage. München: Vahlen. ISBN 978-3-8006-2372-3

Hammer, Michael und James Champy, 1995. Business Reengineering: Die Radikalkur für das Unternehmen. 5. Auflage. Frankfurt: Campus-Verlag, 1995. ISBN 978-3-593-35017-2

Vogelbusch, Friedrich, 2018. Management von Sozialunternehmen. München: Vahlen. ISBN 978-3-8006-5476-5 [Rezension bei socialnet]

Verfasst von
Prof. Dr. Friedrich Vogelbusch
Spezialist für Wirtschaftsprüfung und Beratung von Sozialunternehmen
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Buchcover

David Graeber: Bullshit Jobs. Klett-Cotta Verlag (Stuttgart) 2018. 2. Druck Auflage.
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