Deutscher Qualifikationsrahmen
Prof. Dr. Reinhold Weiß
veröffentlicht am 28.07.2019
Mit dem Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR) werden die Bildungsgänge und -abschlüsse im deutschen Bildungssystem einem einheitlichen Ordnungsrahmen zugeordnet. Er besteht aus acht hierarchischen Qualifikationsniveaus, die auf unterschiedlichen Wegen erreicht werden können. Grundlage der Zuordnung sind die mit diesen Qualifikationen verbundenen Lernergebnisse, das heißt die erworbenen Kompetenzen.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Einbeziehung aller Bildungsbereiche
- 3 Operationalisierung der Niveaus
- 4 Konsensueller Entstehungsprozess
- 5 Zuordnung von Abschlüssen
- 6 Orientierender Charakter ohne Rechtsansprüche
- 7 Weitere Handlungsbedarfe
- 8 Quellenangaben
- 9 Literaturhinweise
- 10 Informationen im Internet
1 Zusammenfassung
Der Deutsche Qualifikationsrahmen nimmt auf den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) Bezug, ist jedoch in seinen Deskriptoren abweichend strukturiert, um den Besonderheiten des Bildungswesens in Deutschland Rechnung zu tragen. Die Schwierigkeit bestand darin, einen einheitlichen Rahmen für das gesamte Bildungswesen zu schaffen. Die Zuordnung von schulischen, beruflichen und hochschulischen Abschlüssen erfolgte im Wege von Diskussions- und Aushandlungsprozessen zwischen den relevanten Akteuren. Der DQR dient vor allem einer besseren Orientierung, rechtliche Konsequenzen sind damit bislang nicht verbunden.
2 Einbeziehung aller Bildungsbereiche
Der DQR umfasst alle Bildungsebenen, angefangen von der Allgemeinbildung über die Berufsvorbereitung und Berufsausbildung bis zum Hochschulstudium und der Weiterbildung. Die erzielten Bildungsabschlüsse werden acht verschiedenen Niveaus zugeordnet. Bislang konzentriert sich der Qualifikationsrahmen auf die formalen Qualifikationen, die in der Regel in Bildungsgängen erworben werden und mit entsprechenden Abschlüssen verbunden sind. Prinzipiell bietet der DQR aber auch einen Rahmen für die Zuordnung von Lernergebnissen, die in nicht-formalen oder informellen Kontexten erworben worden sind. Die Einordnung dieses Bereiches ist für die Zukunft vorgesehen (Bund-Länder-Koordinierungsstelle 2013, S. 42).
In horizontaler Hinsicht unterscheidet der DQR grundlegend zwischen Fachkompetenz und personaler Kompetenz (siehe Tabelle 1). Fachkompetenz wird verstanden als „Fähigkeit und Bereitschaft, Aufgaben- und Problemstellungen eigenständig, fachlich angemessen, methodengeleitet zu bearbeiten und das Ergebnis zu beurteilen“ (Bund-Länder-Koordinierungsstelle 2013, S. 14). Sie gliedert sich in Wissen und Fertigkeiten.
- Wissen wird definiert als die „Gesamtheit der Fakten, Grundsätze, Theorien und Praxis in einem Lern- oder Arbeitsbereich als Ergebnis von Lernen und Verstehen“ (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011, S. 10). Es wird synonym mit dem Begriff „Kenntnisse“ verwendet und differenziert sich nach Breite und Tiefe des Wissens.
- Fertigkeiten bezeichnen die „Fähigkeit, Wissen anzuwenden und Know-how einzusetzen, um Aufgaben auszuführen und Probleme zu lösen“ (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011, S. 8). Analog dem EQR werden darunter sowohl kognitive Fertigkeiten (logisches, intuitives und kreatives Denken) als auch praktische Fertigkeiten (Geschicklichkeit und Verwendung von Methoden, Materialien, Werkzeugen und Instrumenten) verstanden.
Personale Kompetenz bezeichnet „die Fähigkeit und Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln und das eigene Leben eigenständig und verantwortlich im jeweiligen sozialen, kulturellen bzw. beruflichen Kontext zu gestalten“ (Bund-Länder-Koordinierungsstelle 2013, S. 14). Sie wird weiter nach Sozialkompetenz und Selbstständigkeit differenziert.
- Sozialkompetenz wird als „Fähigkeit und Bereitschaft“ definiert, „zielorientiert mit anderen zusammenzuarbeiten, ihre Interessen und sozialen Situationen zu erfassen, sich mit ihnen rational und verantwortungsbewußt auseinanderzusetzen und zu verständigen sowie die Arbeits- und Lebenswelt mitzugestalten“ (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011, S. 9).
- Selbstständigkeit meint die „Fähigkeit und Bereitschaft, eigenständig und verantwortlich zu handeln, eigenes und das Handeln anderer zu reflektieren und die eigene Handlungsfähigkeit weiterzuentwickeln“ (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011, S. 9).
Mit dieser Systematik nimmt der DQR auf den EQR Bezug, weicht zugleich aber in den Deskriptoren davon ab, denn im EQR wird grundlegend zwischen Kenntnissen, Fertigkeiten und Kompetenzen unterschieden (Empfehlung 2008, Anhang II). Der Grund liegt im Bestreben, mit dem DQR die Besonderheiten des deutschen Bildungssystems, insbesondere die hochwertige, auf Berufe ausgerichtete Berufsbildung angemessen abzubilden. Zugleich sollte nicht einseitig die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Qualifikationen, sondern das Ideal einer umfassenden Bildung handlungsleitend sein.
3 Operationalisierung der Niveaus
Im DQR werden die Kompetenzen, die auf den acht Niveaus jeweils erreicht und nachgewiesen sein müssen, beschrieben. Sie machen deutlich, dass der Umfang und die Komplexität der auf den einzelnen Stufen zu lösenden Aufgaben und die Selbstständigkeit, mit der diese Aufgaben angegangen werden, von Niveau zu Niveau zunehmen (Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen 2011, S. 6–7).
- Niveau 1: Über Kompetenzen zur Erfüllung einfacher Anforderungen in einem überschaubar und stabil strukturierten Lern- oder Arbeitsbereich verfügen. Die Erfüllung der Aufgaben erfolgt unter Anleitung.
- Niveau 2: Über Kompetenzen zur fachgerechten Erfüllung grundlegender Anforderungen in einem überschaubar und stabil strukturierten Lern- oder Arbeitsbereich verfügen. Die Erfüllung der Aufgaben erfolgt weitgehend unter Anleitung.
- Niveau 3: Über Kompetenzen zur selbstständigen Erfüllung fachlicher Anforderungen in einem noch überschaubaren und zum Teil offen strukturierten Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.
- Niveau 4: Über Kompetenzen zur selbstständigen Planung und Bearbeitung fachlicher Aufgabenstellungen in einem umfassenden, sich verändernden Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.
- Niveau 5: Über Kompetenzen zur selbstständigen Planung und Bearbeitung umfassender fachlicher Aufgabenstellungen in einem komplexen, spezialisierten, sich verändernden Lernbereich oder beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen.
- Niveau 6: Über Kompetenzen zur Planung, Bearbeitung und Auswertung von umfassenden fachlichen Aufgaben- und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in Teilbereichen eines wissenschaftlichen Faches oder in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch Komplexität und häufige Veränderungen gekennzeichnet.
- Niveau 7: Über Kompetenzen zur Bearbeitung von neuen komplexen Aufgaben und Problemstellungen sowie zur eigenverantwortlichen Steuerung von Prozessen in einem wissenschaftlichen Fach oder in einem strategieorientierten beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch häufige und unvorhersehbare Veränderungen gekennzeichnet.
- Niveau 8: Über Kompetenzen zur Gewinnung von Forschungserkenntnissen in einem wissenschaftlichen Fach oder zur Entwicklung innovativer Lösungen und Verfahren in einem beruflichen Tätigkeitsfeld verfügen. Die Anforderungsstruktur ist durch neuartige und unklare Problemlagen gekennzeichnet.
Beispielhaft beschrieben sind im Folgenden die beiden Niveaus drei und vier.
Ihnen sind die meisten Abschlüsse in der beruflichen Ausbildung zugeordnet. So wurde der Abschluss einer mindestens zweijährigen Berufsausbildung dem Niveau 3 zugeordnet. Eine Berufsausbildung mit einer drei- oder dreieinhalbjährigen Dauer entspricht dem Niveau 4, ebenso das Abitur (Abbildung 1).

(Bund-Länder-Koordinierungsstelle 2013, S. 18)
4 Konsensueller Entstehungsprozess
Den Anstoß zur Entwicklung des DQR hat eine gemeinsame Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 23. April 2008 zur Einrichtung eines gemeinsamen Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) gegeben (Empfehlung 2008). Er soll als ein Referenzrahmen dienen, um die Transparenz, Vergleichbarkeit und Übertragbarkeit der verschiedenen Zeugnisse und Abschlüsse in den Mitgliedsstaaten zu verbessern. Zugleich werden die Mitgliedsstaaten aufgefordert, nationale Qualifikationsrahmen zu entwickeln und in Beziehung zum EQR zu setzen.
Auf der Basis des EQR wurde in einem mehrjährigen Prozess ein Entwurf für den DQR erarbeitet und getestet. Federführend war für die Bundesländer die Kultusministerkonferenz (KMK), für die Bundesregierung das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Die Fachleute von Bund und Ländern haben in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zusammengearbeitet. Darüber hinaus waren in einem Arbeitskreis (AK DQR) auch relevante Akteure aus den Bereichen Hochschulbildung und beruflicher Bildung (nämlich aus Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Kammerorganisation) sowie Experten aus Wissenschaft und Berufsbildungspraxis in den Konsultationsprozess eingebunden. Das Ergebnis stellt deshalb eine bedeutende Konsensleistung zwischen den verantwortlichen Entscheidungsträgern und Interessengruppen dar (Vereinbarung 2012).
Formell ist der DQR durch einen gemeinsamen Beschluss der KMK, des BMBF, der Wirtschaftsministerkonferenz sowie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWT) zustande gekommen (Gemeinsamer Beschluss, o.J.). Die Vereinbarung ist zum 1. Mai 2013 in Kraft getreten. Er ist ein politisches Dokument, das gemeinsame Ziele und Überzeugungen zum Ausdruck bringt. Er hat jedoch keinerlei Rechtsqualität.
5 Zuordnung von Abschlüssen
Die Zuordnung von Qualifikationen oder Abschlüssen zu einzelnen Niveaus bedeutet eine Gleichwertigkeit der Abschlüsse im Hinblick auf die Deskriptoren des DQR. Mit anderen Worten: ein bestimmtes Qualifikationsniveau kann auf unterschiedlichen Wegen, beispielsweise durch berufliche Bildung oder ein Hochschulstudium, erreicht werden. Mit der Einstufung auf dem gleichen DQR-Niveau ist nur eine formelle, aber keine inhaltliche Gleichwertigkeit verbunden. Die einzelnen Bildungsgänge behalten vielmehr ihr jeweils spezifisches Profil, ihre gesonderten Zulassungsvoraussetzungen und Prüfungsregelungen. Rechte auf Zulassung zu einem Bildungsgang oder einer bestimmten tariflichen Eingruppierung sind damit nicht verbunden.
Die Zuordnung von Qualifikationen zu den DQR-Niveaus erfolgte im Wege eines Diskussions- und Aushandlungsprozesses zwischen den Experten bzw. Vertretern der verschiedenen im AK DQR vertretenen Interessengruppen. Dabei wurde ein Abgleich zwischen den Ordnungsmitteln, das heißt den Lehr- und Studienplänen sowie den Ausbildungsordnungen auf der einen Seite, den Deskriptoren des DQR auf der anderen Seite vorgenommen. Obwohl mit der Konstruktion des DQR der Anspruch einer Output- respektive Lernergebnisorientierung verbunden ist, erfolgte die Zuordnung von Abschlüssen pauschal und pragmatisch auch auf der Grundlage von input- und prozessbezogenen Faktoren wie der Bildungsdauer und den Lernorten (Gerholz und Gössling 2016, S. 7 f.).
Der mehrjährige Entwicklungsprozess des DQR signalisiert bereits, dass eine Reihe von Fragen zu klären waren. Vor allem war lange Zeit zwischen den Vertretern der KMK und den Vertretern der Wirtschaft bzw. der Sozialpartner die Zuordnung des Abiturs umstritten. Während die Kultusseite eine Zuordnung des Abiturs auf dem Niveau fünf für angemessen hielt, lehnten die Vertreter der Wirtschaft und der Gewerkschaften dies als unangemessen ab. Sie sahen darin eine Diskriminierung der beruflichen Bildung, die auf den Niveaus drei (zweijährige Berufe) und vier (drei- und dreieinhalbjährige Berufe) angesiedelt worden ist. Letztendlich konnten sie sich – nicht zuletzt mit dem Verweis auf die Einstufung der Hochschulreife in anderen europäischen Ländern – mit dieser Position durchsetzen. Das Abitur und die Fachhochschulreife rangieren seither auf dem Niveau vier (siehe Tabelle 2).
Umstritten war zwischen Hochschul- und Wirtschaftsvertretern auch die Zuordnung von beruflichen Fortbildungsabschlüssen. Nach intensiver Diskussion verständigte man sich darauf, Abschlüsse mit einer spezifischen Ausrichtung (z.B. geprüfter Servicetechniker, IT-Spezialist) und einer vergleichsweise kurzen Lehrgangsdauer dem Niveau fünf zuzuordnen. Die Mehrzahl der anerkannten Fortbildungsabschlüsse auf der Grundlage des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) oder der Handwerksordnung (HwO) wie der Meister, der (Geprüfte) Fachkaufmann, Fachwirt oder IT-Professional wurden hingegen dem Niveau sechs zugeordnet. Gleiches geschah mit den Fortbildungsabschlüssen nach Landesrecht wie dem Staatlich geprüften Techniker, Betriebswirt und Sozialwirt. Sie rangieren damit auf dem gleichen Niveau wie die Bachelor-Abschlüsse von Universitäten und Fachhochschulen. Grundsätzlich können anerkannte berufliche Fortbildungsabschlüsse auch auf dem Niveau sieben, auf dem die Master-Abschlüsse von Fachhochschulen und Universitäten angesiedelt sind, eingeordnet werden. Bislang ist davon aufgrund der hohen Anforderungen erst bei wenigen Fortbildungsabschlüssen Gebrauch gemacht worden.
Niveau | Bildungsgänge / Bildungsabschlüsse |
---|---|
1 | Berufsausbildungsvorbereitung (BVJ, BvB, BvB-Reha) |
2 | Hauptschulabschluss / Berufsfachschule (Berufliche Grundbildung) / Berufsausbildungsvorbereitung) |
3 | Mittlerer Bildungsabschluss / Berufsfachschule (Mittlerer Schulabschluss) / duale Berufsausbildung (2jährige Ausbildungsberufe) |
4 | Allgemeine Hochschulreife / fachgebundene Hochschulreife / Fachhochschulreife / duale Berufsausbildung (3- und 3einhalbjährige Ausbildungsberufe / Berufsfachschule (Landesrechtlich geregelte Ausbildungen) / Berufsfachschule (Bundesrechtlich geregelte Ausbildungen) / Berufsfachschule (vollqualifizierende Ausbildungen nach BBiG/HwO) |
5 | IT-Spezialist / Servicetechniker |
6 | Bachelor / Fachschule (Landesrechtlich geregelte Fortbildungen) / Meister / Geprüfter Fachkaufmann / Geprüfter Fachwirt / Geprüfter Aus- und Weiterbildungspädagoge / Geprüfter Operativer Professional (IT) |
7 | Master und gleichgestellte Abschlüsse / Geprüfter Betriebswirt (BBiG / HwO) / Geprüfter Technischer Betriebswirt / Geprüfter Strategischer Professional (IT) / Geprüfter Berufspädagoge |
8 | Doktorat und äquivalente künstlerische Abschlüsse |
Nur schwach besetzt ist im DQR bislang das Niveau 5. Es wird im Ausland nicht zuletzt von den Abschlüssen aus Kurzstudiengängen („short cycles“) besetzt, die es im deutschen Hochschulsystem so nicht gibt. In Deutschland ist dieses Niveau vor allem für berufliche Spezialisten mit einer Qualifikation oberhalb der Ebene der anerkannten Ausbildungsberufe vorgesehen. Diese Fortbildungsstufe gilt es künftig verstärkt zu entwickeln, nicht zuletzt auch als Brücke zu den Fortbildungsabschlüssen auf dem Niveau 6.
Die Liste der dem DQR zugeordneten Qualifikationen wird jährlich fortgeschrieben. Ebenso muss die Zuordnung der Abschlüsse im Lichte der Erfahrungen wie auch wissenschaftlicher Befunde immer wieder überprüft und gegebenenfalls korrigiert werden. Die jeweils aktuelle Liste kann auf der DQR-Website heruntergeladen werden. Abschlüsse, die hier nicht zu finden sind, wurden dem DQR (bislang) nicht zugeordnet.
6 Orientierender Charakter ohne Rechtsansprüche
Die Zuordnung von Abschlüssen zum Qualifikationsrahmen dient lediglich als Transparenzinstrument. Er hat insofern nur orientierenden Charakter. Anders wäre ein Konsens über die Einführung eines DQR zwischen den unterschiedlichen Akteuren auch gar nicht möglich gewesen. So ist mit dem Abschluss einer anerkannten Fortbildung im Allgemeinen keine Berechtigung verbunden, ein Master-Studium aufzunehmen, sondern er berechtigt lediglich zur Aufnahme eines Studiums. In Abhängigkeit vom Studiengang und der gewählten Hochschule können unter Umständen einige Semester erlassen werden.
Auf zahlreichen Zeugnissen, insbesondere im Bereich der beruflichen Bildung, werden die jeweiligen Bezugsniveaus im DQR inzwischen ausgewiesen. Diese Zuordnung ersetzt aber nicht das bestehende System der Zugangsberechtigungen. Individuelle Rechte und Ansprüche, etwa im Sinne einer geregelten Zulassung zu weiterführenden Bildungsgängen oder Prüfungen, sind damit nicht verbunden. Es obliegt somit den jeweils zuständigen Stellen oder Bildungseinrichtungen darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Absolvent mit einer bestimmten DQR-Einstufung zu einem Bildungsgang oder einer Prüfung zugelassen wird. Auch tarif- oder besoldungsrechtliche Ansprüche werden mit dem DQR nicht begründet.
Die bislang fehlende rechtliche Verankerung des DQR ist als eine Schwäche des DQR anzusehen. Allerdings entfaltet die Zuordnung von Abschlüssen zu den DQR-Niveaus durchaus eine normative Kraft. Bildungsverwaltungen und Bildungsanbieter müssen sich verstärkt mit der Frage auseinandersetzen, ob die bestehenden Zulassungsvoraussetzungen noch angemessen sind und inwieweit die Bildungsgänge für Seiteneinsteiger geöffnet werden können. Namentlich die Zuordnung von beruflichen Fortbildungsabschlüssen auf den Niveaus sechs und sieben hat dazu beigetragen, die Durchlässigkeit zwischen den bislang weitgehend voneinander getrennten Teilsystemen der beruflichen und der akademischen Bildung zu verbessern. Auf dieser Grundlage dürfte die Anrechnung von beruflichen Qualifikationen auf Studienleistungen künftig einfacher werden.
7 Weitere Handlungsbedarfe
Bislang basiert der DQR nur auf einer rechtlich unverbindlichen Absprache. Es muss daher noch geklärt werden, wie der DQR staats- und verwaltungsrechtlich umgesetzt werden soll. Eine Option besteht in einem Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern. Auch müssten einzelne Gesetze angepasst werden. So ist beispielsweise eine Reform des Berufsbildungsgesetzes vorgesehen, um die Zuordnungen der Abschlüsse auf den Zeugnissen rechtsverbindlich auszuweisen.
Darüber hinaus müssten auch die Ausbildungsordnungen sowie die Lehrpläne noch überarbeitet und gegebenenfalls auch Prüfungen modifiziert werden. Denn bislang sind die Lernziele der Curricula oftmals nicht an den im DQR formulierten Lernergebnissen orientiert. Eine Zuordnung von Abschlüssen konnte daher teilweise nur aufgrund von Expertenurteilen vorgenommen werden. Sie hat deshalb auch vorläufigen Charakter. Die noch fehlenden Abschlüsse einzuordnen und die Zuordnungen im Lichte der gemachten Erfahrungen und wissenschaftlicher Befunde zu evaluieren, wird deshalb eine laufende Aufgabe sein. Dazu wurde nicht zuletzt eine Bund-Länder-Koordinierungsstelle (B-L-KS DQR) eingerichtet.
Weitgehend ungeklärt ist auch noch die Einordnung von non-formal oder informell erworbenen Kompetenzen. Dazu liegen bislang lediglich Studien vor. Auch sollen in einer Modellreihe praktikable Wege zur formellen Anerkennung derartiger Kompetenzen entwickelt werden. Inwiefern sich daraus Standards für künftige Verfahren einer Validierung ergeben werden, ist noch offen.
8 Quellenangaben
Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (AK DQR), Hrsg., 2011. Deutscher Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen [online]. Verabschiedet vom Arbeitskreis Deutscher Qualifikationsrahmen (AK DQR) am 22. März 2011 [Zugriff am: 27.04.2019]. Verfügbar unter: https://www.dqr.de/media/​content/​Der_Deutsche_Qualifikationsrahmen_fue_​lebenslanges_Lernen.pdf
Bund-Länder-Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, Hrsg., 2013. Handbuch zum Deutschen Qualifikationsrahmen [online]. Struktur – Zuordnungen – Verfahren – Zuständigkeiten. Stand: 1.8.2013. [Zugriff: am 19.01.2019]. Verfügbar unter: https://www.dqr.de/media/​content/​DQR_Handbuch_01_08_2013.pdf
Bund-Länder-Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, Hrsg., 2018. Liste der zugeordneten Qualifikationen [online]. Aktualisierter Stand: 1. August 2018 [Zugriff am: 27.01.2019]. Verfügbar unter: https://www.dqr.de/media/​content/​2018_DQR_Liste_der_zugeordneten​_Qualifikationen_01082018.pdf
Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen (Text von Bedeutung für den EWR). In: Amtsblatt der Europäischen Union 6.5.2008 (2008/C 111/01). [Zugriff am: 19.01.2019]. Verfügbar unter: https://ec.europa.eu/ploteus/​sites/​eac-eqf/​files/​journal_de.pdf
Gemeinsamer Beschluss der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, der Wirtschaftsministerkonferenz und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen (DQR). [Zugriff am: 30.4.2019]. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/files/​Gemeinsamer_Beschluss_final_ohne_Unterschriften.pdf
Gerholz, Karl-Heinz und Bernd Gössling, 2016. Governance mit dem Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) zwischen neuer Instrumentenlogik und tradierter Strukturlogik: Eine Dokumentenanalyse zur Entwicklung des beruflichen Bildungssystems. In: Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online (bwp@). 16(31), S. 1–26. [Zugriff am 28.04.2019]. ISSN 1618-8543. Verfügbar unter: http://www.bwpat.de/ausgabe31/​gerholz_goessling_bwpat31.pdf
Vereinbarung von Vertreterinnen und Vertretern der Bundesregierung, der Kultusministerkonferenz, der Wirtschaftsministerkonferenz, der Sozialpartner under Wirtschaftsorganisationen zum weiteren Vorgehen beim Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR), Berlin, den 31.1.2012. [Zugriff am: 30.04.2019]. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/​files/​Erklaerung_SpitzengespraechKMK_BMBF31_1_12logos.pdf
9 Literaturhinweise
Büchter, Karin, Peter Dehnbostel und Georg Hanf, Hrsg., 2012. Der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR): Ein Konzept zur Erhöhung von Durchlässigkeit und Chancengleichheit im Bildungssystem? Bielefeld: Bertelsmann. Berichte zur beruflichen Bildung. ISBN 978-3-7639-1155-4
Bundesministerium für Bildung und Forschung, Kulturministerkonferenz, Hrsg., 2013. Deutscher EQR-Referenzierungsbericht [online]. 8.5.2013. [Zugriff am: 19.01.2019]. Verfügbar unter: https://www.dqr.de/​media/​content/​Deutscher_EQR_Referenzierungsbericht.pdf
Henkes, Barbara, Karl Wilbers und Michael Heister, Hrsg., 2019. Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung [online]. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung. ISBN 978-3-96208-096-9 (Open Access), ISBN 978-3-8474-2282-2 (Print). Verfügbar unter: https://www.bibb.de/​veroeffentlichungen/de/publication/​download/9753
Nollmann, André, 2015. Deutscher und Europäischer Qualifikationsrahmen (DQR und EQR): Die Zukunft der beruflichen Bildung. Hamburg: Diplomica Verlag. ISBN 978-3-95850-367-0
10 Informationen im Internet
- Der Deutsche Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Kultusministerkonferenz
- Europäischer Qualifikationsrahmen / Deutscher Qualifikationsrahmen, Kultusministerkonferenz
- Der Europäische Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, Generaldirektion Bildung und Kultur der Europäischen Kommission
Verfasst von
Prof. Dr. Reinhold Weiß
ehemaliger Vize-Präsident und Forschungsdirektor im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
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Es gibt 17 Lexikonartikel von Reinhold Weiß.
Zitiervorschlag
Weiß, Reinhold,
2019.
Deutscher Qualifikationsrahmen [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 28.07.2019 [Zugriff am: 10.02.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/5904
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Deutscher-Qualifikationsrahmen
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