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Drogenberatung

Prof. Dr. Gundula Barsch

veröffentlicht am 16.02.2022

Ähnlicher Begriff: Suchberatung

Englisch: drug counselling; drugs counselling

Drogenberatungsstellen bieten ambulante Leistungen für Menschen an, die direkt oder indirekt (z.B. als Angehörige) mit Themen konfrontiert sind, die sich um den Konsum psychoaktiver Substanzen (Drogen) ranken.

Überblick

  1. 1 Einordnung
  2. 2 Zielgruppen und deren Themen
  3. 3 Angebote und Methoden
  4. 4 Fazit
  5. 5 Quellenangaben

1 Einordnung

Drogenberatungsstellen gehören zum komplexen System der Drogen- und Suchtkrankenhilfe. Sie arbeiten im ambulanten Bereich und erfüllen vor allem Aufgaben, die sich aus gesetzlichen Ansprüchen, festgeschrieben in den Sozialgesetzbüchern, ableiten. Oft bieten sie aber auch darüber hinaus Leistungen an, die entweder gesondert zu bezahlen sind (z.B. Vorbereitung auf eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung [MPU] in Zusammenhang mit dem Wiedererwerb eines Führerscheins) oder über spezielle Projektgelder finanziert werden können (z.B. Trampolin – modulares Präventionsprogramm für Kinder mit suchtkranken Eltern).

Drogenberatungsstellen werden in der Regel über die Kommunen finanziert und im Zuge der Subsidiarität von Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege, wie der Diakonie oder der Caritas, und freien Trägern betrieben. Je nachdem, welche Rahmenbedingungen sich vor Ort ergeben und über welchen konzeptionellen Hintergrund die einzelnen Einrichtungen verfügen, unterscheiden sich:

  • „reine“ Drogenberatungsstellen, die sich vor allem den Problemstellungen illegalisierter Drogenkonsumenten zuwenden,
  • Alkohol- und Drogenberatungsstellen, in denen zusätzlich zu den Themen rund um illegalisierten Drogenkonsum auch Probleme mit problematischem Alkoholkonsum bearbeitet werden und
  • Drogen- und Suchtberatungsstellen, die zusätzlich zu den oben genannten Problemfeldern auch weitere sogenannte verhaltensbezogene Suchterkrankungen in den Blick nehmen (u.a. Computerspielsucht, Spielen, Essstörungen)
  • Einige Drogenberatungsstellen haben aber auch eine sehr lange Tradition in der Alkoholkrankenbetreuung und haben sich allein auf diesen Bereich spezialisiert.

Wie groß die Angebotspalette der einzelnen Einrichtungen ist, hängt bedeutend von den Aushandlungen ab, die mit den Leistungsträgern der Kommune zu treffen sind und die wiederum nach Bedarf entschieden werden. Wieweit die Integration der im Konkreten doch sehr unterschiedlichen Fragestellungen der jeweils verschiedenen Klient:innengruppen in eine Beratungsstelle passt oder nicht, ist nicht abschließend geklärt. Es sprechen einige Aspekte dafür, viele andere dagegen. Entscheidungen dazu werden wohl auch eher mit Blick auf die ökonomischen Rahmenbedingungen einer Region getroffen.

2 Zielgruppen und deren Themen

Zielgruppen der Drogenberatung sind in erster Linie Konsument:innen psychoaktiver Substanzen (illegalisierter und legaler Substanzen) und deren Problemstellungen, die oft sehr komplex miteinander verwoben sind. Zu deren Beratungsbedarf gehören neben Aufklärung und Information vor allem die Bearbeitung gesundheitlicher, psychischer und sozialer Probleme, die mit dem Konsum einhergehen können (u.a. Kriminalisierung, Diskriminierung, Probleme in Schule, Ausbildung und Beruf, soziale Sicherung, Gefahr von Wohnungslosigkeit) – Themen, die sich nicht mit einer Einmal-Beratung klären lassen, sondern eine kontinuierliche Begleitung benötigen.

Für diese Zielgruppe ist zugleich das Motivieren zur Inanspruchnahme von Angeboten der Suchtkrankenhilfe (u.a. Entzug, Entwöhnung, Therapie) ein besonderes Arbeitsfeld, um die anstehenden Probleme in ihrem Ursprung zu bewältigen. In diesem Zusammenhang begleiten Drogenberatungsstellen die Betroffenen bei der organisatorischen Umsetzung therapeutischer Vorhaben in Form von Suche nach passenden Angeboten, Antragstellungen sowie Erstkontakt und Vorstellung in den jeweiligen Einrichtungen.

Menschen, die die Angebote der Suchtkrankenhilfe angenommen und mehr oder weniger erfolgreich ihre Konsumprobleme bearbeiten haben, werden nach ihrer Entlassung in der Regel wieder durch Drogenberatungsstellen weiterbetreut und in dem oft beschwerlichen Prozess der sozialen und beruflichen Wiedereingliederung unterstützt.

Bedauerlicherweise ist in Deutschland die Arbeit mit Eltern, Lebenspartner:innen und Kindern von Menschen mit Drogenproblemen finanziell nicht gesetzlich verbrieft. Deshalb werden Angebote an diese Zielgruppe nicht obligatorisch vorgehalten, sondern benötigen eine separate Finanzierung, die sehr von der finanziellen Ausstattung der jeweiligen Kommunen abhängt.

Je nach regionalen Besonderheiten erhalten Drogenberatungsstellen manchmal auch Aufgaben zugesprochen, die unter Suchtprävention firmieren. Ausbildung und finanzielle Ausstattung der Drogenberatungen sorgen jedoch regelmäßig dafür, dass Zielgruppen dieses Bereichs eher nicht angemessen erreicht werden können. 

3 Angebote und Methoden

Drogenberatungsstellen agieren an der Schnittstelle zwischen Drogenhilfe und Suchtkrankenhilfe und arbeiten vorwiegend mit Komm-Strukturen. So halten sie oft ein Minimalangebot an Harm Reduction bereit (u.a. Spritzentausch, Safer Use) und ergänzen ihre Angebote durch Streetwork – übernehmen also Tätigkeitsbereiche der Drogenhilfe, um den Kontakt zu den Zielgruppen möglichst niedrigschwellig zu halten und Chancen auf Frühintervention umzusetzen.

Das Haupttätigkeitsfeld ist jedoch die Arbeit mit problematischen Konsument:innen. Deren Themen sind in der Regel die somatischen, psychischen und sozialen Folgen eines unangepassten Konsums psychoaktiver Substanzen, für die sie mit klaren Mandaten in die Einrichtung kommen, Hilfe und Unterstützung erbitten oder durch andere Institutionen dazu genötigt werden (u.a. Bewährungshilfe, Gerichte, Jobcenter).

In diesem Rahmen wird in der Regel eine Einzelfallberatung angeboten, die sich auf unterschiedliche Techniken stützt und auf Empowerment und Erhöhung der Selbstwirksamkeit zielt. Etabliert haben sich die motivierende Gesprächsführung nach Miller und Rollnick (1991), das Transtheoretische Modell von Pochaska und DiClemente (DiClemente et al. 1991) und systemische Beratungen, durch die auch das soziale Umfeld in die Beratungen einbezogen werden kann.

Je nach konzeptioneller Ausrichtung bemühen sich Drogenberatungsstellen neben der unmittelbarer Beratungsarbeit zu verschiedenen Themen (u.a. soziale Diagnose, Sichtung der gesundheitlichen Situation und von Behandlungsbedarfen, Existenzsicherung, zwischenmenschliche Konflikte, Schulden, Strafen) auch um Frühintervention und die Wiederherstellung von Selbststeuerungsfähigkeiten in Bezug auf den Konsum (u.a. KT – Kontrolliertes Trinken, KISS – Kontrolle im selbstbestimmten Substanzkonsum, SKOLL – Selbstkontrolltraining). Wieder andere sind streng abstinenzorientiert und bieten ausschließlich Hilfe und Unterstützung beim Erreichen und Halten von Abstinenz in Bezug auf psychoaktive Substanzen.

Neben der originären Beratungsarbeit ist eine Reihe von Drogenberatungsstellen auch unmittelbar in Therapien und Behandlungen eingebunden. Die psychosoziale Begleitung im Rahmen einer Substitutionsbehandlung wird beispielsweise in der Regel von Drogenberatungsstellen übernommen und erfolgt in Einzelgesprächen, die oben bereits angesprochenen Ansätze in Bezug auf die Wiederherstellung von Selbstkontrolle werden mehrheitlich in Gruppensettings umgesetzt.

Eine besondere Rolle kommt den Drogenberatungsstellen bei der Nachsorge zu. Angeboten wird nicht nur die Weiterbetreuung des jeweiligen einzelnen Klienten nach dem Abschluss einer Therapie. Drogenberatungsstellen bieten vielfach Selbsthilfegruppen unterschiedlicher Couleur ein Dach für ihre Arbeit, materielle Ressourcen und professionellen Rat. Außerdem unterstützen sie regelmäßige Gruppenangebote.

Einige Drogenberatungsstellen haben zudem den Bereich des betreuten Wohnens mit zusätzlichen Projektgeldern ausbauen können, sodass auch über solche Angebote der Prozess des Herauswachsens aus problematischen Lebenslagen in Zusammenhang mit Substanzkonsums nachhaltig befördert werden kann.

4 Fazit

Die Zielgruppen von Drogenberatungsstellen sind breit gefächert, deren Bedürfnisse und Bedarfe an Beratung weit gespannt und komplex und nötigen den Mitarbeiter:innen in den entsprechenden Einrichtungen einen großen Umfang an Themen- und Sachkunde sowie ein vielfältiges Spektrum an Methoden und Arbeitsweisen ab. Die Notwendigkeit der Leistungsträger, immer wieder die Kosten auch für eine gute Ausbildung und Entlastung in belastenden Arbeitssituationen ins Kalkül zu nehmen, führt leider immer wieder zu Sparzwang, der nicht nur auf Kosten der Mitarbeiter:innen geht, sondern auch zu Einbußen bei den Chancen für Hilfe und Unterstützung einer ohnehin in der Regel multipel benachteiligten Klientel. Erste Erfahrungen mit digitalen Angeboten unterstreichen, dass sich auf diese Weise der gordische Knoten in diesem Bereich sozialer Hilfen nicht auflösen wird. Tatsächlich braucht es eine Neubewertung dieses Bereichs der Sozialen Drogenarbeit nicht nur als tatsächlich systemrelevant, sondern auch mit Ressourcen, die die in vielen Regionen Allzuständigkeit der einzigen Drogenberatungsstelle angemessen berücksichtigt.

5 Quellenangaben

DiClemente, Carlo C., James O. Prochaska, Scott K. Fairhurst, Wayne F. Velicer, Mary M. Velasquez und Joseph S. Rossi, 1991. The process of smoking cessation: an analysis of precontemplation, contemplation, and preparation stages of change. In: Journal of Consulting and Clinical Psychology. 59(2), S. 295–304. ISSN 0022-006X

Miller, William R. und Stephen Rollnick, 1991. Motivational interviewing: Preparing people to change addictive behavior. New York: Guilford Press. ISBN 978-0-89862-469-4

Verfasst von
Prof. Dr. Gundula Barsch
Hochschule Merseburg
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Zitiervorschlag
Barsch, Gundula, 2022. Drogenberatung [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 16.02.2022 [Zugriff am: 11.09.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/1590

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