E-Learning
Prof. Dr. John Erpenbeck, Prof. Dr. Werner Sauter
veröffentlicht am 08.07.2020
Unter E-Learning werden alle Formen von Lernen verstanden, bei denen digitale Medien für die interaktive Bereitstellung und Bearbeitung von Lernmaterialien zur Verfügung stehen. In Abgrenzung dazu bezeichnet das in diesem Zusammenhang häufig genannte Blended Learning die didaktisch sinnvolle Verknüpfung von Präsenzveranstaltungen und E-Learning zu einem formellen Lernarrangement. Während der Begriff computergestützes Lernen vor allem auf den technologischen Apsekt fokussiert, werden unter E-Learning vor allem die methodischen Ausprägungen dieses technologiegestützten Ansatzes verstanden.
Überblick
- 1 Formen des E-Learning
- 2 Zielebenen des E-Learning
- 3 E-Learning zum Wissensaufbau
- 4 Qualifikationsorientiertes E-Learning für Blended Learning Arrangements
- 5 Kompetenzorientiertes E-Learning
- 6 Quellenangaben
- 7 Literaturhinweise
1 Formen des E-Learning
Die Bandbreite der Deutungen des Begriffes E-Learning wird immer größer. So können beispielhaft folgende Erscheinungsformen des E-Learning aufgezählt werden: Self-paced content (selbstgesteuertes Lernen), Live Online Sessions, Online Distance Learning, Knowledge Sharing, Simulations and Virtual Worlds, Computers in the Classroom, Mobile Learning oder Ubiquitous Learning (Lernen unabhängig von Ort und Zeit, z.B. mittels Smartphones), Micro-Learning (kleine Informationseinheiten, z.B. mittels Videos, und Tests über PC oder Smartphone), Game Based Learning (Verknüpfung von Qualifikation und Spielen), Cloud Learning (mobiles und vernetztes Lernen mit virtualisierter Rechen- und Speicherressourcen in Verbindung mit innovativen Web-Technologien) sowie Social Learning (Lernen durch soziale Vernetzung, Lernen in Netzwerken). Daneben wird zwischen formellem und informellem E-Learning, institutionellem und individuellem E-Learning oder „reinem“ E-Learning und Blended Learning unterschieden.
E-Learning-Arrangements zählen zu den wichtigsten Anwendungen innovativer Lernformen (mmb Institut 2019). Angesichts der dramatischen Veränderungen im Rahmen der digitalen Transformation gewinnen jedoch immer mehr Lernarrangements an Bedeutung, die Werte und Kompetenzen als Ziele verfolgen. Das Ziel dieser Entwicklungsmaßnahmen ist deshalb die Handlungsfähigkeit der MitarbeiterInnen, während Wissen und Qualifikation die notwendigen Voraussetzungen bilden.
2 Zielebenen des E-Learning
Am Anfang steht – wie in jedem professionellen Lernkonzept – die Frage der Ziele und daraus abgeleitet der Inhalte (Primat der Didaktik). Erst danach kann sinnvoll die Frage nach der Methodik und damit nach den geeigneten Medien bzw. Formen des E-Learning gestellt werden.
Die Zielebenen der Lernkonzepte können unterschieden werden nach:
2.1 Wissensaufbau
Diese Lernkonzepte verlagern das Prinzip der Lehre in das Netz. Es handelt sich dabei um formelles, institutionelles Lernen, also mit vorgegebenen Lernzielen und -inhalten und einer strukturierten Lernprozesssteuerung. Die Lernprozesse sind dabei selbstgesteuert, d.h. sie erfolgen im Rahmen der Vorgaben im Lernprogramm oder durch die LernbegleiterIn in Eigenverantwortung der Lernenden. Ob dies dann als „reines“ E-Learning über Computer in einem Klassenraum, zu Hause oder über Smartphones mobil und in kleinen Häppchen (Micro-Learning) erfolgt, ist eine organisatorische und kulturelle Frage.
Dieses „reine“ E-Learning zielt darauf sicherzustellen, dass das notwendige Wissen, z.B. bei sicherheitsrelevanten Themen, aufgebaut wird.
E-Learning basiert auf interaktiven Web Based Trainings (WBT), evtl. in Verbindung mit Lernvideos. Selbstgesteuertes Lernen mit WBT wird nach den vorliegenden Erfahrungen und Forschungsergebnissen erfolgreich sein, wenn folgende Bedingungen erfüllt werden (Erpenbeck et al. 2015). Diese betreffen:
- Struktur
Die Lernenden benötigen eine klare Orientierung. Die pädagogische Forschung hat nachgewiesen, dass die Motivation für den Lernerfolg eine nachgeordnete Bedeutung hat, während die Mobilisierung der Vorkenntnisse, die Herstellung von Verknüpfungen zwischen schon vorhandenem und neuem Wissen und die Anbahnung des Verstehens Lernprozesse nachweisbar fördert (Wahl 2013). Es ist deshalb günstiger für den Lernerfolg, wenn nicht mit grafisch aufwendig gestalteten und damit teuren, „motivierenden“ Elementen begonnen wird, sondern die Lernenden von Anfang an eine klare Struktur der Ziele und Inhalte vermittelt bekommen. Der pädagogische Psychologe Diethelm Wahl nennt dies „Advance Organizer“. Damit sind im Voraus gegebene Lernhilfen in Form einer durch Expertenwissen geprägten Struktur gemeint, die die Inhalte organisieren (organizer). Diese bewirken nachweislich einen höheren Lernerfolg sowie eine bessere Motivation und Orientierung, insbesondere auch bei „schwierigen“ Themen. Dieser Ansatz hat sich vor allem in Lernarrangements bewährt, die kooperativ und selbstgesteuert sind (ebd.). - Verbindlichkeit
Die Lernprozesse müssen mit einem hohen Verbindlichkeitsgrad vereinbart werden, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich die ursprünglichen Lernvorsätze mehr oder weniger in Luft auflösen. Auch bei reinen E-Learning-Lösungen bietet es sich an, mit einem Kick-off – evtl. als Webinar gestaltet – zu starten. In diesem Rahmen können grundlegende Lernschritte bzw. „Meilensteine“ vereinbart und Lernpartnerschaften gebildet werden. - Kommunikation mit LernpartnerInnen und ExpertInnen
Selbstorganisiertes Lernen setzt voraus, dass die Lernenden offene Fragen mit LernpartnerInnen und ExpertInnen besprechen können. Deshalb kommt der Kommunikation – z.B. in themenbezogener Foren, in Chats oder in Webinaren – eine große Bedeutung zu (soziales Lernen; Sauter et al. 2018). - Lernbegleitung
Je stärker sich die LernpartnerInnen gegenseitig in ihren Lernprozessen unterstützen, umso weniger müssen professionelle LernbegleiterInnen die individuellen Lernprozesse mit steuern und flankieren. Die LernbegleiterInnen sollten dabei ein Gleichgewicht zwischen der Ermöglichung selbstgesteuerter Lernprozesse und der Lernbegleitung finden, damit die Lernenden einerseits genügend Orientierung erhalten, andererseits aber auch nicht zu sehr fremdgesteuert werden. In der Praxis hat es sich in E-Learning Arrangements bewährt, ein Forum als „Themenspeicher“ einzurichten, in den die Lernenden alle Fragen einstellen können, die sie trotz des WBT und der Lösungsversuche mit der LernpartnerIn bzw. der Lerngruppe nicht klären konnten. Die LernbegleiterIn greift diese Fragen zeitnah auf und beantwortet sie entweder schriftlich oder, falls sie komplexer Natur sind, in einem Webinar. - Regelmäßige Rückmeldung
Selbstgesteuertes Lernen setzt eine Orientierung voraus, d.h. die Lernenden müssen immer wissen, wo sie stehen. Deshalb sollte bei jeder standardisierten Aufgabe, die im WBT bearbeitet wird, eine klare Rückmeldung über das „Scoring“ erfolgen. Lösungen für offene Aufgaben, z.B. für Transferaufgaben, können aber heute noch nicht durch den Computer bewertet werden. Dafür ist das Lernen mit PartnerInnen, in Tandems oder in Gruppen erforderlich, um das notwendige Feedback zu sichern. Teilweise wird diese Rückmeldung durch die Lernbegleitung gegeben. - Flankierung
Erfolgreiches Lernen erfordert neben dem regelmäßigen Feedback von LernpartnerInnen oder -begleiterInnen auch die Motivation und Unterstützung durch andere. Auch in diesem Bereich haben sich in der Praxis die Lerntandems (Co-Coaching) sehr gut bewährt.
2.2 Qualifikation
Eine weitere Zielebene von E-Learning ist die Qualifikation. Auch hierbei handelt es sich um formelles, institutionelles Lernen, bei dem das Prinzip des Seminarlernens mit Wissensvermittlung und Übungen zur Wissenssicherung ins Netz übertragen wird. Hierbei werden klar umrissene Komplexe von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten in handlungszentrierter Form und evtl. in Verbindung mit Zertifizierungsverfahren vermittelt. Dieses Prinzip kann als „Blended Learning Arrangement“ umgesetzt werden, bei dem der selbstgesteuerte Wissensaufbau mittels E-Learning mit Übungsphasen im Rahmen von Web Based Trainings, aber insbesondere auch in Workshops, verknüpft wird. Diese Workshops können auch als Live Online Sessions in virtuellen Welten gestaltetet werden und durch Simulationen oder Game Based Learning angereichert werden.
2.3 Kompetenzentwicklung
Diese Lernkonzepte orientieren sich an individuellen Kompetenzzielen von Lernenden in Hinblick auf reale Herausforderungen in der Praxis und sind damit selbstorganisiert (Selbstorganisationsdisposition). Die Lernenden gestalten ihre Lernprozesse selbst, z.B. über reale Praxisprojekte, und legen ihre Ziele, Inhalte, aber auch Lern- und Sozialformen, Medien und Zeiten sowie Lernorte, häufig in Abstimmung mit LernpartnerInnen, Coaches oder Führungskräften, selbst fest. Damit bestimmen sie auch selbst über die Formen des E-Learning.
Das formelle E-Learning wird deshalb um das informelle Lernen im Netz erweitert. Die Lernprozesse werden dadurch immer individueller, auch in Hinblick auf Ziele und spezifische Bedarfe am Arbeitsplatz. Das Lernen findet dabei im Rahmen der Entwicklung der Arbeitswelt 4.0 statt. Diese neue Arbeitswelt ist geprägt durch Netzwerke und digitalisierte Prozesse. Über die digitale Transformation entstehen dabei grundlegend neue Arbeitsformen und Prozesse, sodass innovative Methoden, z.B. agile Vorgehensweisen, benötigt werden. Das informelle E-Learning findet immer mehr im Netz statt und wird damit zum Social Learning. Dieses kompetenzorientierte E-Learning zielt auf die Entwicklung sozialer Kompetenz zum sozialen Handeln mit Empathie, Respekt und Verantwortung. Es ist durch kooperative und kollaborative Lernformen, die das gemeinschaftliche Lernen im Team fördern, geprägt und nutzt entsprechende Medien und Werkzeuge (Sauter et al. 2018). Es findet zunehmend „vor Ort“ am Arbeitsplatz beim Lösen von realen Problemstellungen statt. Deshalb werden hierfür Web Based Trainings, evtl. in Verbindung mit Lernvideos und Verlinkungen benötigt, die modular nach dem Prinzip des „Micro-Learning“ gestaltet werden und bei Bedarf, „on demand“, genutzt werden.
Web Based Trainings und interaktive Lernvideos dienen in Werte- und Kompetenzentwicklungskonzepten nicht zuerst dem Wissensaufbau und der Qualifizierung, sondern können über offene, problemorientierte Aufgaben erste kognitive Dissonanzen als Basis intendierter Werteentwicklung erzeugen. Dies wird erreicht, indem die Lernenden herausfordernde Transferaufgaben in die Praxis zu bearbeiten haben.
Durch die Erweiterung der Zielebenen um die Kompetenzentwicklung gewinnen Formen des E-Learning wie Social Learning und Cloud Learning in Verbindung mit Mobile- und Micro-Learning immer mehr an Bedeutung. Das Lernen bewegt sich damit wieder dorthin, wo es vor der Trennung zwischen Arbeit und Lernen im Seminar gewesen ist, nämlich an den Arbeitsplatz (Workplace Learning).
3 E-Learning zum Wissensaufbau
Der Lernprozess wird grundsätzlich durch Beispiele und Aufgaben in Web Based Trainings oder interaktiven Lernvideos gestaltet sowie durch kooperative Lernformen, wie z.B. Webinare, Foren, Blogs und eine Lernbegleitung, unterstützt. Hierdurch wird selbstgesteuertes sowie orts- und zeitunabhängiges Lernen ermöglicht.
Lernprogramme zum Wissensaufbau sollten nicht einfach im Netz, ohne flankierende Maßnahmen, angeboten werden, sondern ein E-Learning Arrangement sollte so gestaltet werden, dass die Motivation und Selbststeuerung der Lernenden gesteigert werden kann.
Nach der Bedarfsermittlung und der Formulierung der Ziele sowie der Sicherung der notwendigen Rahmenbedingungen starten die Lenrprozessse mit einem Kick-off, in dem die Selbstlernphase verbindlich vereinbart wird. In der Selbstlernphase können offene Fragen mit Lernpartnern und über ein Forum „Themenspeicher“ untereinander und bei Bedarf mithilfe der LernbegleiterInnen geklärt werden. Zum Abschluss werden in einem Webinar mit der LernbegleiterIn alle offene Fragen geklärt und der Transfer in die Praxis, z.B. durch Vereinbarung des Erfahrungsaustausches, gestaltet.
Die jeweiligen LernbegleiterInnen stehen sofort nach dem Versand der Einladungen für die Teilnehmende zur Verfügung und betreuen ihren Kurs. Fragen der TeilnehmerInnen können über das Learning Management System an die LernbegleiterIn gerichtet werden. Diese beantwortet diese persönlich oder im Forum und führt bei Bedarf bzw. am Schluss Webinare durch, in denen offene Fragen, die z.B. im Themenspeicher (Forum) gesammelt wurden, besprochen werden.
Die übliche Methodik, den Lernenden in den WBT zunächst das Wissen zu vermitteln, um das Lernergebnis anschließend mit Tests abzufragen, ermüdet diese erfahrungsgemäß schnell und hat sich nicht als nachhaltig erwiesen. Deshalb bietet sich die Methodik der kontextsensitiven Wissensbasen an.
Nach einer kurzen Hinführung tauchen die Lernenden sofort in den Lernbereich ein. Sie bearbeiten jeweils nach einer konzentrierten, inhaltlichen Hinführung zu den einzelnen Teilschritten von Anfang an anwendungsorientierte Aufgaben. Das erforderliche Wissen, um die Aufgaben zu lösen, wird ihnen kontextsensitiv, d.h. jeweils der einzelnen Aufgabe in modularisierter Form zugeordnet, vermittelt. Dieses „Sandwich-Prinzip“, das durch einen laufenden Wechsel zwischen Wissensaufbau und -verarbeitung geprägt ist, fördert durch die hohe Aktivität der Lernenden deren Motivation und steigert die Lerneffizienz.
Daraus leiten sich folgende methodischen Kriterien für die Lernprogramme ab:
- Der Lernprozess wird als ein Lernszenario gestaltet, in dem die Lernenden von Anfang an Aufgabe für Aufgabe mit zunehmender Komplexität bearbeiten und sich das neue bzw. fehlende Wissen jeweils aus den kontextsensitiven Wissensbasen gezielt beschaffen. Diese Lernschritte werden jeweils kompakt gestaltet, sodass die Lernenden rasch aktiv werden müssen und laufend Feedback zu ihren Lernfortschritten erhalten.
- Im Trainingsbereich des WBT wird im Lernprozess die Aktivität der Lernenden anhand exemplarischer, problemorientierter Aufgaben gefördert und gesteuert. Dabei werden differenzierte Aufgabentypen zur Wissensvermittlung, die primär standardisiert sind, sowie zur Wissensverarbeitung verknüpft.
Die Kapitel beginnen jeweils mit einer Hinführung, die den Lernenden auf das Thema, evtl. mit einer aktuellen Übersicht, einstimmt. Die Lernenden rufen sofort nach der Hinführung die Aufgaben auf und versuchen eine Lösung gemäß ihrem Vorwissen bzw. durch logische Überlegung zu entwickeln. Sie erhalten vom System eine grafische und inhaltliche Rückmeldung mit einem entsprechenden Scoring in Prozenten. Stellen die Lernenden dabei einen Lernbedarf fest, klicken sie auf den Button für die Wissensbasis und erhalten kontextsensitiv, d.h. gezielt für diese Aufgabe, die passende Wissensbasis angeboten. In einem späteren Durchgang prüfen sie, ob sie nunmehr in der Lage sind, die Aufgabe zu lösen.
Die Auswertungen basieren auf einem Scoringsystem, das die erfolgreich gelösten standardisierten Aufgaben in Prozenten widerspiegelt. Diese laufende Rückmeldung ist die notwendige Voraussetzung für das eigenverantwortliche und verbindliche Lernen. Abschließend können die Lernenden einen Wissenscheck absolvieren, der als „Lernerfolgskontrolle“ dient. Bei erfolgreicher Absolvierung des Wissenschecks können sie ein Zertifikat erhalten.
Die gleichzeitige Nutzung des visuellen und akustischen Arbeitsgedächtnisses ist sinnvoll, wenn z.B. Bilder, Strukturen, Abläufe oder Ähnliches erklärt werden. Dagegen sind geschriebene Texte, die parallel mittels Audio vorgetragen werden, für die Lerneffizienz nachweisbar schädlich. Die Menschen besitzen ihre eigene Lesegeschwindigkeit, die im Regelfall nicht mit der Sprechgeschwindigkeit des Audios übereinstimmt. Dadurch wird das Arbeitsgedächtnis des Menschen zusätzlich belastet, es entsteht eine Konfusion. Es ist daher vorteilhafter, Audios nur im Rahmen der Videos sowie bei der Erklärung von Bildern oder Kennziffern zu nutzen.
Häufig wird gefordert, Lernprogramme müssten mit vielen anregenden Elementen angereichert werden, um die Motivation zu steigern. Dagegen zeigt die Lernforschung, dass solche „Motivationen“ eine sehr geringe Auswirkung auf den Lernerfolg haben. Klare Strukturen, Anknüpfung an die Vorkenntnisse der Lernenden und eine hohe Problemorientierung tragen dagegen wesentlich dazu bei, die Lernziele zu erreichen.
Auch die Ausrichtung von Lernprogrammen auf Lerntypen ist nicht sinnvoll, wie durch die Lernforschung und die Neurowissenschaft belegt wird. Jeder Mensch weist in seinem Gehirn eine ganz eigene Struktur mit individuellen Gedächtnisinhalten auf. Jeder Lernprozess ist demnach einzigartig.
Um die Nachhaltigkeit zu sichern, sollten Videos zur Darstellung emotional geprägter Situationen oder zur Illustration komplexer Sachverhalte in die Web Based Trainings integriert und diese mit interaktiven Aufgabenelementen verknüpft werden. Praxiserfahrungen haben dabei gezeigt, dass es sinnvoller ist, bei Bedarf jeweils kurze Videos mit einer Länge von max. ca. 60 Sekunden zu integrieren, als lange Videos zu entwickeln. Erfahrungsgemäß verlassen die ersten Lernenden bereits nach ca. einer Minute die Videos.
4 Qualifikationsorientiertes E-Learning für Blended Learning Arrangements
Blended Learning bezeichnet die didaktisch sinnvolle Verknüpfung von Präsenzveranstaltungen und E-Learning zu einem formellen Lernarrangement.
Diese Lernprozesse starten in der Regel mit einem Kick-off zur gemeinsamen Vorbereitung der anschließenden Lernphase. Der Wissensaufbau findet anschließend primär über selbstgesteuertes Lernen, insbesondere mit E-Learning, statt. Der Aufbau von Qualifikationen erfolgt über Transferaufgaben, Übungen oder Fallstudien, häufig in die WBT integriert, welche mit LernpartnerInnen bzw. Lerngruppen, online oder in Präsenz, sowie in handlungsorientierten Seminaren und/oder Praxistrainings bearbeitet werden. Die Lernenden werden über den gesamten Lernprozess durch ihre LernpartnerInnen (Co-Coaching) und eine LernbegleiterIn (Coaching) unterstützt.
Blended Learning Arrangements laufen grundsätzlich nach dem gleichen Schema ab wie E-Learning-Prozesse, mit Vorphase, Kick-off, selbst gesteuerte Lernphasen und Workshops.
Für Blended Learning Arrangements werden durchgängig E-Learning-Programme genutzt, wie sie auch für den Wissensaufbau eingesetzt werden. Hinzu kommen jedoch im Regelfall Transferaufgaben, die dafür sorgen, dass das aufgebaute Wissen am Arbeitsplatz angewandt wird. Diese Transferaufgaben können beispielsweise Arbeitsaufträge, Recherchen oder Reflexionen sein.
5 Kompetenzorientiertes E-Learning
Social Blended Learning ist Blended Learning in Verbindung mit einem herausfordernden Praxisprojekt oder schwierigen Praxisaufgaben unter Einbindung von Social Software, welche agiles, informelles, selbstorganisiertes und vernetztes Lernen ermöglicht.
Die Lernenden organisieren ihren personalisierten Werte- und Kompetenzentwicklungsprozess im Rahmen eines mit der Führungskraft vereinbarten Praxisprojekts bzw. einer Praxisaufgabe selbst. Dies beinhaltet die Zieldefinition auf Basis individueller Werte- und Kompetenzerfassungen und reicht über die Lernplanung bis zur Erfolgskontrolle. Dabei werden sie von einer LernbegleiterIn als Coach und der jeweiligen Führungskraft als EntwicklungspartnerIn bzw. MentorIn unterstützt. In Lernpartnerschaften (Co-Coaching), in kollegialen Beratungen und Communities of Practice können die Teilnehmenden selbstorganisiert ihre Erfahrungen aus den Projekten austauschen und gemeinsam weiterentwickeln.
Sie nutzen dabei die Möglichkeiten des digitalen Ermöglichungsrahmens zur Lernplanung, zum selbstorganisierten Wissensaufbau, zur Kommunikation und Kollaboration im Netz sowie zur Einholung von Feedback. Nach und nach nutzen die MitarbeiterInnen dieses Angebot auch dann, wenn akut ein Problem im Arbeitsprozess zu lösen ist. Auf diese Weise entwickelt sich Schritt für Schritt das Social Workplace Learning.
Im Rahmen der Social Blended Learning Konzeption steuern die Lernenden während der selbstorganisierten Lernphasen ihren Lernprozess zum Aufbau von Wissen und Qualifikation auf der Grundlage der Aufgabenstellung in den Web Based Trainings (WBT) sowie im Rahmen der Vereinbarungen mit ihren LernbegleiterInnen bzw. mit ihren LernpartnerInnen weitgehend selbst. Gleichzeitig bearbeiten sie ihr persönliches Praxisprojekt mit dem Ziel, ihre angestrebten Kompetenzen aufzubauen.
Die LernbegleiterIn hat eine doppelte Funktion:
- Im formellen Blended Learning Prozess plant sie das Lernarrangement, moderiert den Kick-off und die Workshops und begleitet die selbstgesteuerten Lernprozesse auf Basis der WBT sowie weiterer Medien.
- Im Praxisprojekt organisiert sie die Werte- und Kompetenzmessungen und gibt den Lernenden ein konstruktives Feedback. Weiterhin begleitet sie die Projektarbeit als methodische ExpertIn und unterstützt die Lernenden bei der Lösung von Herausforderungen, evtl. mit Unterstützung weiterer ExpertInnen.
Die Lernkultur ist dabei durch selbstgesteuerte Prozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifikation und durch selbstorganisierte Werte- und Kompetenzentwicklungsprozesse geprägt. Die Verantwortung für den Lernerfolg liegt bei den MitarbeiterInnen. Führungskräfte und LernbegleiterInnen unterstützen diese individuellen Lernprozesse.
Kompetenzorientierte E-Learning-Programme für Social Blended Learning sollten grundsätzlich nach dem Prinzip des Micro-Learning gestaltet werden. Dies bedeutet, dass kurze, problemorientierte Lerneinheiten entwickelt werden, die sich jeweils auf einen Aspekt typischer, repräsentativer Problemstellungen beziehen und in meist ca. 15 bis 20 Minuten bearbeitet werden können. Abgerundet werden die Lernprogramme jeweils mit einer Transferaufgabe, um die Anwendung in der Praxis zu sichern. Mit dieser Konzeption wird es möglich, die Lernprogramme bei Bedarf „on demand“ zu nutzen, wenn in der Praxis Fragen auftreten.
Praxis- und kompetenzorientierte Web Based Trainings sind konsequent aufgabenorientiert zu gestalten, um die Motivation und eine hohe Aktivität und Selbststeuerung der Lernenden zu fördern.
Werte- und kompetenzorientierte Entwicklungsprogramme
- sind nicht das Endprodukt, sondern eine notwendige Voraussetzung für die weiteren Entwicklungsschritte,
- orientieren sich an der Erfahrungswelt der MitarbeiterInnen,
- ermöglichen vielfältige Interaktionen zwischen Inhalten und MitarbeiterInnen,
- aber auch zwischen MitarbeiterInnen und ExpertInnen (Werteentwicklung im Netz),
- geben den MitarbeiterInnen einen Spielraum, selbst zu entdecken, kreativ zu sein und Inhalte selbst zu erstellen,
- beinhalten herausfordernde (Dissonanz erzeugende) Praxis- und Projektaufträge,
- ermöglichen bzw. initiieren Feedback auf die Aktionen der Teilnehmenden, beispielsweise in Workshops und über eine Community of Practice
- unterstützen die Teilnehmenden inhaltlich und methodisch bei Problemlösungen
- lassen den Teilnehmenden die Möglichkeit, ihre Entwicklungsprozesse weitgehend selbst zu gestalten und zu organisieren
- werden laufend auf Basis der Arbeitsergebnisse der Teilnehmenden dynamisch weiterentwickelt.
Eine echte Interaktion zwischen MitarbeiterInnen und Entwicklungsprogramm, die den hier zusammengestellten Anforderungen genügt, ist in der Praxis, meist schon aus Kostengründen, heute kaum noch möglich. Deshalb ist es wichtig, dass Entwicklungsprogramme zielorientierte Konflikte bewirken. Dies ist beispielsweise dadurch möglich, dass die MitarbeiterInnen über dissonante Übungen und Transferaufgaben in ihrem Erfahrungsbereich eigene Lösungen für Projekt- oder Praxisherausforderungen entwickeln, die sie in einer Community of Practice analysieren und gemeinsam weiterentwickeln. Damit bewegen sie sich wieder in ihrem gewohnten Bereich der Problembearbeitung. Die Prozessbegleitung gibt dabei nur minimale Hilfe bei der Problemlösung.
Web Based Trainings und interaktive Lernvideos dienen in Werte- und Kompetenzentwicklungskonzepten nicht zuerst dem Wissensaufbau und der Qualifizierung, sondern können über offene, problemorientierte Aufgaben erste kognitive Dissonanzen als Basis intendierter Kompetenzentwicklung erzeugen.
6 Quellenangaben
Erpenbeck, John, Simon Sauter und Werner Sauter, 2015. E-Learning und Blended Learning: Selbstgesteuerte Lernprozesse zum Wissensaufbau und zur Qualifizierung. Wiesbaden: Springer Gabler. ISBN 978-3-658-10174-9 [Rezension bei socialnet]
mmb Institut, 2019. Auf dem Weg zum Assisted Learning? Digitale Lernanwendungen werden informeller und intelligenter [online]. Ergebnisse der 13. Trendstudie „mmb Learning Delphi“. mmb-Trendmonitor 2018/2019. Essen: mmb Institut GmbH [Zugriff am: 03.07.2020]. Verfügbar unter: https://www.mmb-institut.de/wp-content/​uploads/​mmb-Trendmonitor_2018-2019.pdf
Sauter, Werner, Roman Sauter und Roland Wolfig, 2018. Agile Werte- und Kompetenzentwicklung: Wege in eine neue Arbeitswelt. Berlin: Springer Gabler. ISBN 978-3-662-57304-4
Wahl, Diethelm, 2013. Lernumgebungen erfolgreich gestalten: Vom trägen Wissen zum kompetenten Handeln. 3. Auflage. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt. ISBN 978-3-7815-1907-7
7 Literaturhinweise
Dräger, Jörg und Ralph Müller-Eiselt, 205. Die digitale Bildungsrevolution: Der radikale Wandel des Lernens und wir ihn gestalten können. München: Dt. Verl.-Anst. ISBN 978-3-421-04709-0 [Rezension bei socialnet]
Erpenbeck, John und Werner Sauter, 2019. Stoppt die Kompetenzkatastrophe! Wege in eine neue Bildungswelt. 2. Auflage. Berlin: Springer Gabler. ISBN 978-3-662-59676-0
Kerres, Michael, 2018. Mediendidaktik: Konzeption und Entwicklung mediengestützter Lernangebote. München: Oldenbourg. ISBN 978-3-486-27207-9 [Rezension bei socialnet]
Verfasst von
Prof. Dr. John Erpenbeck
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Es gibt 7 Lexikonartikel von Werner Sauter.
Zitiervorschlag
Erpenbeck, John und Werner Sauter,
2020.
E-Learning [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 08.07.2020 [Zugriff am: 14.01.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/393
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/E-Learning
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