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Elternbeteiligung

Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz, Berit Nissen

veröffentlicht am 06.02.2023

Englisch: parental involvement

Unter Elternbeteiligung wird die Partizipation, Mitbestimmung und Teilhabe von Vätern und Müttern in (sozial-)pädagogischen Einrichtungen und der Schule verstanden.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Rechtliche Grundlagen
    1. 2.1 Elternbeteiligung in der Kindertagesstätte
    2. 2.2 Elternbeteiligung in der Schule
  3. 3 Parameter der Elternbeteiligung
  4. 4 Systematisierung Elternbeteiligung
  5. 5 Intensität/Tiefe der Elternbeteiligung
  6. 6 Themen zur Elternbeteiligung
  7. 7 Formen der Beteiligung
    1. 7.1 Repräsentative/​Parlamentarische Formen
    2. 7.2 Offene Versammlungsformen
    3. 7.3 Punktuelle Beteiligung – „kleine Formen“
    4. 7.4 Projekt-/​Prozessorientierte Formen
    5. 7.5 Alltägliche Formen der Beteiligung
  8. 8 Grenzen der Elternbeteiligung
  9. 9 Kritik
  10. 10 Quellenangaben
  11. 11 Literaturhinweise
  12. 12 Informationen im Internet

1 Zusammenfassung

Elternbeteiligung ist ein rechtlich gebotener Bestandteil der Elternarbeit in pädagogischen Einrichtungen. Sie ist dadurch eng verbunden mit den Begriffen der Elternarbeit sowie der Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Ziel von Elternbeteiligung (in Abgrenzung z.B. von der reinen Teilnahme oder dem Helfen bei Festen) ist es, gemeinsame Entscheidungen zu fällen bzw. die Interessen der Eltern in die Entscheidungen innerhalb der pädagogischen Institutionen einfließen zu lassen. Elternbeteiligung bedeutet also eine reale Einflussnahme der Väter und Mütter auf sie betreffende Entscheidungen in Kita, Schule und sonstigen pädagogischen Einrichtungen. Dabei geht es um gemeinsame Aushandlungsprozesse und nicht um die Selbstbestimmung der Eltern – die Fachkräfte sind an diesen ebenso beteiligt wie ggf. Kinder und Jugendlichen. Die Steuerung und Bestimmung der Beteiligungsgrade liegt dabei bei den Fachkräften in den Einrichtungen.

Mit dem Fokus auf Kita und Schule werden im Folgenden die rechtlichen Hintergründe skizziert, bevor die vier grundlegenden Parameter Dialog, Machtabgabe, Information und Entscheidungsfreiheit dargelegt werden. Eine Systematisierung der Elternbeteiligung schließt sich an. Dazu wird zunächst auf die mögliche Tiefe bzw. Reichweite der Elternbeteiligung eingegangen, indem Fehlformen der Beteiligung, die Beteiligung selbst sowie Formen der Selbstbestimmung von Eltern dargelegt werden. Anschließend werden beispielhaft mögliche Themen der Beteiligung von Müttern und Vätern ausgeführt, bevor Beteiligungsformen skizziert werden. So werden z.B. alltägliche Beteiligungsformen ebenso ausgeführt wie parlamentarische oder projektorientierte Beteiligungsmöglichkeiten.

Abschließend werden Grenzen der Elternbeteiligung aufgezeigt, die sich z.B. aus dem Kindeswohl, den Kinderrechten oder der allgemeinen Schulpflicht ergeben, sowie einzelne Kritikpunkte am Begriff der Elternbeteiligung beleuchtet.

2 Rechtliche Grundlagen

Die Zusammenarbeit zwischen Vätern/Müttern und den Bildungs- und Erziehungsinstitutionen ist eine rechtlich verpflichtende Aufgabe. Diese ergibt sich bereits aus Artikel 6 GG, in dem in Absatz 2 der besondere Schutz der Eltern vor staatlichen Eingriffen in die Kindererziehung betont wird: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft“.

Für alle Angebote der Kinder- und Jugendhilfe gelten zudem die Regelungen des SGB VIII (KJHG), in dem in § 1 SGB VIII die Elternrechte besonders betont werden. Dort heißt es in Absatz 2 gleichlautend wie im GG: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“. Wenn dieses Elternrecht zur Erziehung ihrer Kinder ernst genommen wird, dann müssen die Eltern auch die Möglichkeit haben, den Erziehungsalltag in den Einrichtungen kennenzulernen und durch Feedback und/oder aktive Mitgestaltung zu beeinflussen. Das bedeutet nicht, dass Eltern in alle Entscheidungen der pädagogischen Fachkräfte eingebunden werden müssen und den Alltag mitbestimmen sollen (das wäre bei der Vielzahl an elterlichen Interessen auch wenig praktikabel – vgl. den Abschnitt „Grenzen der Elternbeteiligung“). Aber die wesentlichen konzeptionellen Linien oder punktuellen Bereiche sollten gemeinsam mit Eltern besprochen und entschieden werden.

2.1 Elternbeteiligung in der Kindertagesstätte

Die Elternbeteiligungsmöglichkeiten in Kindertagesstätten sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt, da jedes Bundesland ein eigenes Kita-Gesetz hat, welches die genaue Art der Mitwirkung sowie Beteiligung der Eltern festlegt.

In der Regel werden allerdings bundeslandübergreifend die Mitbestimmung sowie Beteiligung durch Stellvertretungsgremien wie Elternbeiräte, Elternversammlungen, Elternausschüsse oder Elternvertretungen gewährleistet, auch wenn die genauen Bezeichnungen, Rechte und der Grad des Einbezuges je nach Bundesland variieren können (Eylert 2012). Ergänzend zu den gesetzlichen Rahmenrichtlinien bestehen auf Ebene der Bundesländer weitere Regelungen, z.B. in den Bildungs- und Orientierungsplänen oder durch Verordnungen der Landesministerien. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit bis hin zur „Partnerschaft“ zwischen Eltern und Kita kann daher in allen Bundesländern als verbindlich vorausgesetzt werden.

Brandenburg möchte beispielsweise die Elternbeteiligung stärken, indem künftig in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt ein Kreiskitaelternbeirat gegründet und für den damit verbundenen zusätzlichen Verwaltungs- und sächlichen Aufwand ein finanzieller Ausgleich geleistet wird.

Rheinland-Pfalz sichert die Beteiligungsstrukturen von Eltern durch einen Kitabeirat: In jeder Kita wird ein Beirat gebildet, in dem der Träger, die Leitung, die pädagogischen Fachkräfte und die Eltern unter Berücksichtigung der Perspektive des Kindes wesentliche Fragen der Einrichtung gemeinsam besprechen (Gute Kita-Portal 2022).

Zur Weiterentwicklung der Qualität sieht das Handlungsfeld „Vielfältige pädagogische Arbeit“ des zwischen Bund und Ländern abgestimmten „Gute-KiTa-Gesetzes“ vor, Maßnahmen zur Stärkung der Elternbeteiligung umzusetzen (§ 2 Abs. 10 KiQuTG, Gesetz zur Weiterentwicklung der Qualität und zur Teilhabe in der Kindertagesbetreuung).

2.2 Elternbeteiligung in der Schule

In den Schulgesetzen der Länder wird ebenfalls die Mitwirkung der Eltern festgeschrieben. Hier gibt es zwischen den einzelnen Bundesländern weniger Unterschiede in der Ausgestaltung der Beteiligungsrechte. Alle Schulgesetze weisen den Eltern bzw. den Erziehungsberechtigen Rechte und Pflichten bei der gemeinsamen Erziehung und Bildung der Kinder zu. Einerseits besteht ein Recht der Eltern auf Informationen und Beteiligung bezüglich der Erziehung und Bildung ihres Kindes, andererseits sind Eltern aber auch verpflichtet, beim Bildungs- und Erziehungsauftrag mitzuwirken und zu unterstützen (Kirk 2012, S. 184).

Einerseits schafft dies eine höhere Verbindlichkeit, andererseits wird die Elternbeteiligung eher auf institutionelle Formen (z.B. in Schul- und Klassenkonferenzen, Elternbeiräten) festgelegt. Individuellere offene Formen der Elternbeteiligung oder gar der Elternselbstbestimmung (s.u.) werden dadurch erschwert. Jedoch besteht sowohl auf Kita- als auch auf Schulebene die Möglichkeit, eigene private Einrichtungen zu gründen, wobei die Hürden für die Anerkennung freier, z.B. von Elternvereinen getragener, Schulen deutlich höher liegen als im Bereich der Bildung und Erziehung in Krippe und Kindergarten.

3 Parameter der Elternbeteiligung

Elternbeteiligung ist ein Zusammenspiel unterschiedlichster Parameter. Mit den im Folgenden dargestellten vier Parametern grenzt sich Beteiligung von Teilnahme, Mitarbeit und Mithilfe von Eltern ab. Ein Arbeitseinsatz bei der Pflege eines Kräuter- und Gemüsebereichs, das Streichen eines Gruppenraums oder die Begleitung bei Ausflügen ist nicht per se Beteiligung, nur weil Eltern dabei und anwesend sind.

Parameter der Elternbeteiligung
Abbildung 1: Parameter der Elternbeteiligung (eigene Darstellung: Berit Nissen)

In der Praxis gestaltet sich Beteiligung optimalerweise als dialogischer Prozess zwischen Eltern, Erziehungsberechtigten und/oder weiteren Familienangehörigen sowie den Fachkräften der Institutionen und Organisationen selbst, denen sie ihre Kinder für längere oder kürzere Zeit zur Betreuung, Erziehung, Bildung und Pflege anvertrauen. Elternbeteiligung sollte in Krippen, Kindergärten und Schulen, aber auch in Ferienfreizeiten, Kuraufenthalten oder Verbänden der offenen Kinder- und Jugendarbeit stattfinden. Dabei unterscheidet sich die Intensität der Elternbeteiligung je nach Anlass und Auftrag der jeweiligen Bildungseinrichtung.

Die Voraussetzung jeder Beteiligung ist es, informiert zu sein, denn nur so können Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozesse angeregt werden. Eltern benötigen Informationen darüber, woran Sie beteiligt sein können. An welchen Themen, die die Belange und das Wohl ihrer Kinder betreffen, ist Beteiligung notwendig und gewünscht, weil es die Qualität verbessert? Auf der anderen Seite brauchen Fachkräfte, in ihrer Funktion als Begleiter*innen bei der Durchführung, Informationen über die Strukturierung und den Aufbau von Partizipationsprozessen sowie Erkenntnisse über methodische Herangehensweisen. Damit ist die Qualifizierung von Fachkräften eine unabdingbare Voraussetzung.

Ohne Machtabgabe ist eine „echte“ Beteiligung von Eltern nicht möglich. Es gilt, sich bewusst zu machen, wie (Entscheidungs-)Macht abgegeben oder geteilt und Einfluss genommen werden soll. Bei welchen Entscheidungen können Eltern wie viel Einfluss nehmen? Daher fängt die Umsetzung der Partizipation mit der Auseinandersetzung in den Institutionen selbst an. Teams sollten mit einer gemeinsamen Sammlung und Selbstklärung starten. Bei welchen Themen ist Beteiligung gewünscht und bei welchen Themen gibt es aus Sicht der Fachkräfte keinen Spielraum? Fachkräfte der Einrichtungen machen sich vorher Gedanken und entscheiden aufgrund fachlicher oder rechtlicher Grenzen und Möglichkeiten. 

4 Systematisierung Elternbeteiligung

Wer Elternbeteiligung umsetzen möchte, sollte sich drei Fragen stellen und diese in der Vorab-Planung für eine gelungene Umsetzung beantworten. Elternbeteiligung braucht ein Thema bzw. einen Inhalt oder ein Erkenntnisinteresse.

  1. Woran werden Eltern beteiligt bzw. woran wollen sie beteiligt sein? Beispielsweise an der Erstellung eines Schul- oder Einrichtungskonzepts, bei der Unterstützung von thematischen Aktionen und Festen, der Mitgestaltung des pädagogischen Alltags durch besondere Projekte usw.
  2. Wie wird die Beteiligung umgesetzt? Welche Form hat die Beteiligung? Werden die Themen in Projekten, gewählten Gremien oder offenen Versammlungen verhandelt, geplant und entschieden? Neben der Form geht es bei dem „Wie“ auch um die Methoden, die in den Formen genutzt werden. Nicht immer ist eine mündliche Diskussion passend für alle Eltern. Dabei gibt es vielfältige alternative Möglichkeiten, z.B. moderierte Workshops, Gruppenarbeiten, Begehungen, Befragungen usw.
  3. Welche Intensität hat die Beteiligung? Die Intensität (auch Grade der Beteiligung) beschreibt, wie viel und wie intensiv Eltern mitbestimmen und entscheiden können. Hier geht es um die Tiefen der Beteiligung. Diese wird je nach Thema unterschiedlich sein und ist vor der Umsetzung der Beteiligung einrichtungsintern oder mit den betreffenden Eltern zu verhandeln. Außerdem beschreibt Beteiligung einen Entwicklungsprozess. Die Intensität kann sich dabei im Laufe der Zeit in einen gemeinsamen demokratischen Lernprozess weiterentwickeln und verändern.
Systematisierung Elternbeteiligung
Abbildung 2: Systematisierung Elternbeteiligung (Nissen)

5 Intensität/Tiefe der Elternbeteiligung

Beteiligung von Eltern findet immer in einem Kontext statt, z.B. innerhalb der Kindertagesstätte, der Schule oder in der Kommune. In diesem Kontext agieren Fachkräfte und Eltern gemeinsam zum Wohle der Kinder. Die unterschiedlichsten Formen und Methoden, mit denen Eltern beteiligt werden, sagen wenig über die Intensität ihrer Einflussmöglichkeiten aus. „Echte Beteiligung“ bedeutet, Eltern ernst zu nehmen und ihnen eine Stimme und Entscheidungsbefugnisse zu geben, damit die Beteiligung eine Selbstwirksamkeit erzeugt und dadurch Eltern motiviert bleiben, sich auch in Zukunft zu beteiligen.

Es ist bei der Elternbeteiligung unter allen Akteur*innen zu klären, wie viele Entscheidungsrechte und Einflussmöglichkeiten jede*r bei welchen Themen haben wird und soll. Ansonsten kann es schnell zu enttäuschten Erwartungen und zu Konflikten kommen. Das unten stehende Modell des Partizipationsklaviers beschreibt, wie intensiv Eltern mitentscheiden können. Wie bei den Tasten eines Klaviers können bei unterschiedlichsten Themen verschiedene Töne gespielt werden, aus denen eine Melodie entsteht. Nicht immer müssen Eltern alles entscheiden. Eine Unter- und Überforderung ist auf jeden Fall zu vermeiden.

Modell Klavier
Abbildung 3: Modell Klavier (eigene Darstellung: Berit Nissen)

Die tiefen Tasten des Klaviermodells sind als Fehlformen in der Praxis zu vermeiden. Es sind die Misstöne, die immer wieder ungewollt in der Praxis anklingen. Alle Fachkräfte und Akteur*innen, die Elternbeteiligung umsetzen, sollten darum wissen, damit sie Beteiligung professionell umsetzen und die Qualität anderer Beteiligungsvorhaben einschätzen können.

  • Fremdbestimmung: Eltern führen das aus, was Fachkräfte ihnen auftragen, ohne dabei zu wissen, worum es eigentlich geht und was das Ziel dessen ist, was sie tun oder unterlassen sollen, z.B.: Entscheidungen, die schon institutionell getroffen wurden, „abnicken“ zu lassen (ohne umfassende Information und inhaltliche Mitsprachemöglichkeiten).
  • Dekoration: Eltern dienen dabei als Dekoration für vermeintliche Beteiligung, z.B. posieren Eltern mit der Schulleitung vor der Presse mit der Headline: „Eltern beteiligen sich an der Konzeptentwicklung“, ohne dass Eltern tatsächlich partizipiert haben.
  • Alibi-Teilnahme: Dies beschreibt Situationen, die eine Partizipation vermuten lassen, aber deren Entscheidungen tatsächlich keinen Einfluss auf die Realität haben, z.B. nehmen Eltern nur scheinbar stimmberechtigt an Sitzungen, Konferenzen oder Gremien teil.

Die darauffolgenden Tasten sind wünschenswerte Töne der Beteiligung von Eltern.

  • Zugewiesen und informiert: Die Voraussetzung einer gelungenen Beteiligung ist es, Eltern gut zu informieren (verstehen und Bescheid wissen), z.B. über pädagogische Konzepte, Schutzkonzepte, Beschwerdemöglichkeiten der Einrichtungen. Zudem müssen Eltern über ihre Rechte und ihre Beteiligungsmöglichkeiten in den Einrichtungen informiert werden. Damit ist die vierte Stufe eine Grundvoraussetzung jeder gelingenden Elternbeteiligung. Elternabende dienen beispielsweise zur ausführlichen Information über die Planungen des Kita-Jahres.
  • Teilhabe/​Mitwirkung: Damit ist mehr als reine Teilnahme, gewisse „sporadische“, anteilige Beteiligung (Konsultation) gemeint. Dabei können Eltern ihre Meinung sagen und ihre Anliegen äußern. Sie werden nach ihrer Meinung und ihren Wünschen befragt. Es findet ein Erfahrungs- und Interessensaustausch zwischen den Eltern und Fachkräften statt, z.B. werden Eltern zu Angebotswünschen in den Institutionen befragt und können eigene Ideen einbringen. Fachkräfte entscheiden, welche Empfehlungen und Wünsche davon umgesetzt werde.
  • Mitbestimmung: Eltern und Fachkräfte entscheiden gemeinsam im Konsens. Beide Seiten einigen sich, z.B. über Inhalte von Elternabenden, stimmen gemeinsam Konzepte ab und entwickeln konsensual Projektthemen in den Einrichtungen.
  • Selbstbestimmung: Die Selbstbestimmung beinhaltet eine Entscheidungsfreiheit und Selbstorganisation bei Projekten und gewünschten Angeboten. Hier drehen sich die Verhältnisse um. Unterstützung und Förderung durch Fachkräfte sind möglich. Fachkräfte werden auf jeden Fall über die Vorhaben und Entscheidungen der Eltern informiert. Beispielsweise führen Eltern selbstständig Elternstammtische durch, planen und gestalten gemeinsam einen Teil des Schulgartens, ein Kita-Fest und führen diese Vorhaben auch durch.
  • Selbstverwaltung: Die Initiative und Umsetzung für Vorhaben werden ebenfalls durch Eltern selbst unternommen. In der Selbstverwaltung handeln Eltern autonom. Entscheidungen und Ergebnisse werden den Fachkräften lediglich mitgeteilt. Eltern agieren aufgrund eigener Interessenslagen und Betroffenheit, z.B. von Elternvereinen getragene Kitas, Elterninitiativen, selbstorganisierte Eltern-Stammtische usw.

6 Themen zur Elternbeteiligung

Grundsätzlich können sich Eltern an (fast) allen Themen in Institutionen und pädagogischen Einrichtungen beteiligen:

  • Beteiligung der Eltern an der pädagogischen Arbeit mit dem Kind
  • Die Beteiligung der Eltern an der Beteiligung der Kinder in der Einrichtung
  • Einbezug von Elternsichtweisen und Interessen in die pädagogische Arbeit
  • (Haus-)Regeln der Einrichtung festlegen
  • Zuteilung der Kinder zu vorhandenen Kita-Gruppen
  • Mitgestaltung am Tagesablauf
  • Partizipative Entwicklung einer Elternverfassung, in der geregelt wird, an welchen Themen Eltern in der Kita beteiligt sind
  • (Um-)Gestaltung eines Elterntreffpunktes/​Einrichtung eines Elterntreffs: Sammlung von Wünschen und Ideen zur Umgestaltung/​Neugestaltung damit sich Eltern wohl, willkommen und informiert fühlen
  • Partizipative Entwicklung eines Elternbeschwerdeverfahrens

Befragungen von Eltern zu unterschiedlichsten Themen:

  • Abfrage von Themen/​Fragen der Kindererziehung, die Eltern interessieren
  • Ideensammlung für die Gestaltung einer familienfreundlichen Kita
  • Abfrage zur Zufriedenheit mit der Bring- und Abholsituation in einer Institution
  • Abfrage zur Eingewöhnungs- und Übergangssituation und zu Entwicklungsgesprächen
  • Befragung zur Ernährung in der Kita

Siehe dazu auch die Praxisbeispiele der Weiterbildungsreihe Familie im Fokus (Bendig, Eylert-Schwarz und Nissen 2021), in denen Väter und Mütter in unterschiedlicher Weise beteiligt wurden.

7 Formen der Beteiligung

Elternbeteiligung kann in unterschiedlichen Formen umgesetzt werden. Die Formwahl richtet sich nach den jeweiligen Themen, Möglichkeiten und Ressourcen der Institutionen und/oder der Eltern selbst (eigene Darstellung in Anlehnung an Stange 2007).

Es können folgende Formen der direkten Beteiligung unterschieden werden:

  1. Repräsentative/​Parlamentarische Formen
  2. Offene Versammlungsformen
  3. Punktuelle Beteiligung
  4. Projekt-/​Prozessorientierte Formen
  5. Alltägliche Formen der Beteiligung

7.1 Repräsentative/​Parlamentarische Formen

Eine gewählte Anzahl von Eltern handelt stellvertretend für alle anderen Eltern und deren Interessen. Die Akteur*innen sind mit und ohne Stimmrecht ausgestattet, z.B. Klassenelternvertretung, Elternversammlungen, Mitwirkung als Elternvertreter*in in einem Gremium, Elternausschuss, Gesamtelternvertreterversammlung.

7.2 Offene Versammlungsformen

Sie bieten allen interessierten Eltern freien Zugang und die Möglichkeit der Teilnahme ohne Wahl bzw. Delegation. Diese Form kann auf Dauer angelegt sein und in regelmäßigen Abständen stattfinden oder sich punktuell auf eine bestimmte Fragestellung oder Aufgaben der Beteiligung beziehen. Ob es ein Stimmrecht gibt, ist vorher festzulegen, z.B. Runde Tische, Elterncafé, Vollversammlungen der Institutionen, Elternabende.

7.3 Punktuelle Beteiligung – „kleine Formen“

Sie werden zur Themen-/​Meinungsbildung und zur Informationsvermittlung eingesetzt. Diese Beteiligungsform hat i.d.R. eine eingeschränkte Reichweite in Bezug auf Anzahl, Häufigkeit, Dauer, Inhalt und Institutionalisierungsgrad. Die punktuelle Form kann mit und ohne Entscheidungsbefugnis angewendet werden. Punktuelle Formen werden oftmals als Vorform oder Vorstufe von anderen Formen eingesetzt, z.B. Elternsprechstunden, Befragungen oder Konsultationen, Feedback-Kasten, Unterschriftensammlungen.

7.4 Projekt-/​Prozessorientierte Formen

Diese Formen sind zeitlich begrenzt und häufig produkt- und ergebnisorientiert, haben ein abgegrenztes Thema und beziehen sich auf einen vereinbarten und überschaubaren Zeitraum, z.B. gemeinsam geplante und durchgeführte Eltern-Kind-Reisen, Umgestaltung des Spielplatzes/Außengeländes, themenorientierte Projekte.

7.5 Alltägliche Formen der Beteiligung

Die alltäglichen Formen werden häufig in der Bedeutung und Wirkung unterschätzt. Dabei handelt es sich um eine wertvolle Form, die von Fachkräften meist gar nicht als Beteiligungsform bewusst wahrgenommen wird, obwohl sie die Basis für alle weiteren Beteiligungsformen darstellt. Zu dieser Form zählen z.B. „Tür- und Angel-Gespräche“, die Entwicklung einer ständigen Dialogkultur (Zugangsmöglichkeiten und Vertrauen als Voraussetzungen), Feedback (Aktionen und Angebote), gezielte Einzel- und Gruppengespräche im Einrichtungsalltag zu Beteiligungsthemen, Überantwortung von Räumen für die selbstbestimmte Nutzung.

8 Grenzen der Elternbeteiligung

Die Beteiligung von Vätern und Müttern kommt insbesondere dort an ihre Grenzen, wo es rechtliche Rahmenbedingungen gibt, die eine Zusammenarbeit erschweren oder verbieten.

An erster Stelle sind hier der Kinderschutz und die Kindeswohlgefährdung zu nennen. Die Einrichtungen der Jugendhilfe haben einen Schutzauftrag gegenüber den Kindern, der der Elternbeteiligung klare Grenzen setzt. Das sogenannte „Wächteramt“ des Staates wird durch die Pädagog*innen umgesetzt – sie können nicht bedingungslos akzeptierend und partnerschaftlich mit Vätern und/oder Müttern zusammenarbeiten, deren Erziehungsverhalten sie andererseits kontrollieren sollen. Jede Elternbeteiligung endet dort, wo es einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung gibt (Krüger et al. 2012, S. 486–491). Auch die Kinderrechte sollten in den pädagogischen Einrichtungen im Zweifelsfall Vorrang vor der Elternbeteiligung haben, solange dabei nicht in das elterliche Sorgerecht eingegriffen wird.

So ist völlig logisch, dass mit Eltern nicht darüber „abgestimmt“ werden kann, ob einem Kind eine Ohrfeige schadet oder ob in einer Kita die Kinder im Kinderparlament und im Morgenkreis mitbestimmen dürfen. Hier wiegt das Recht auf gewaltfreie Erziehung oder das Recht auf Beteiligung stärker als die Mitentscheidung von Vätern und Müttern.

Ähnlich verhält es sich bei häuslicher Gewalt, Trennung und Scheidung von Eltern. Hier kann ggf. mit einem Elternteil nicht mehr vertrauensvoll und beteiligend zusammengearbeitet werden. Insbesondere dann, wenn es entsprechende Entscheidungen des Familiengerichts zu (Teilen des) Sorgerechts gibt (Krüger et al. 2012, S. 491 ff.).

Eine weitere Grenze liegt in der Schulpflicht begründet. Die Eltern von Schulkindern können in der Regel weniger stark mitentscheiden, wie und was ihr Kind lernt, als das in der Kita der Fall ist. Auch die Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sind stärker formalisiert als in den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung. So führt Christof Schmitt aus: „Erreicht ein Kind in Deutschland ein bestimmtes Alter, so kommt es – so könnte man negativ überspitzt formulieren – zu einer ‚Zwangsheirat‘ zwischen Eltern und Schule auf Zeit. Diese Beziehung ist in hohem Maße rechtlich determiniert und entspricht von ihrem Charakter her im Punkt Schulpflicht nicht einem partnerschaftlichen Verhältnis auf Augenhöhe“ (Krüger et al. 2012, S. 494).

9 Kritik

Elternbeteiligung und der Begriff der Erziehungs- und Bildungspartnerschaften werden auch kritisch gesehen. Vornehmlich eine sogenannte „Partnerschaft“ (insbesondere, wenn damit eine oft geforderte „Partnerschaft auf Augenhöhe“ gemeint ist) zwischen Vätern und Müttern einerseits und pädagogischen Fachkräften andererseits wird von den Praxisvertreter*innen als nicht umsetzbar eingeschätzt.

Dies hat insbesondere mit den unterschiedlichen Rollen und Aufgaben der Beteiligten zu tun: Die Eltern haben vor allem das eigene Kind bzw. die eigenen Kinder im Blick und handeln daher in einem „positiven Egoismus“. Zudem tragen sie die Verantwortung für ihr Kind 24 Stunden am Tag und auch vor und nach dem Besuch von Krippe, Kita, Schule oder Hort. Daher haben sie in aller Regel auch langfristige Ziele und Wünsche.

Die pädagogischen Fachkräfte tragen im Rahmen ihres dienstlichen Auftrags zeitlich begrenzt die Verantwortung für das Wohl und die Entwicklung aller ihnen anvertrauten Mädchen und Jungen. Zudem sind sie arbeits-, versicherungs- und strafrechtlich in einer anderen Position als die Eltern. Sie müssen z.B. die vom Träger der Einrichtung festgelegten Vorgaben umsetzen, sich an die Gesetze, Verordnungen und Regelungen im Bereich der Sozialen Arbeit halten und die Bildungs- und Erziehungspläne umsetzen (vgl. dazu auch die Ausführungen zu den Grenzen der Erziehungspartnerschaft und dem staatlichen Wächteramt im vorangegangenen Abschnitt).

Das führt zwangsläufig zu unterschiedlichen Rollen, Aufgaben und auch Einflussmöglichkeiten. Die Eltern können sich viele Dinge wünschen – im Zweifelsfall entscheidet jedoch das Team, die Einrichtungsleitung oder der Träger darüber und muss sich dabei nicht zwingend am Elternwillen orientieren, vor allem nicht dem einzelner Erziehungsberechtigter.

Wenn aber eine der beteiligten Personengruppen im Zweifelsfall „am längeren Hebel sitzt“, wie kann es dann „Partnerschaft auf Augenhöhe“ sein? Es geht vielmehr darum, die unterschiedlichen Rollen transparent und bewusst zu machen und in Kenntnis dieser einen Kommunikations- und Aushandlungsprozess zu gestalten.

Ähnlich verhält es sich mit der Elternbeteiligung. Da die Angebote für Väter und Mütter nie den Kernbereich der (früh-)kindlichen Bildung und Erziehung darstellen, wird die Elternbeteiligung auch immer eine „Randaufgabe“ sein (müssen). Die vielfältigen Aufgaben, die beispielsweise in den Bildungs- und Erziehungsplänen festgelegt sind, machen deutlich, dass Elternarbeit nur ein Teilbereich der (früh-)pädagogischen Aufgaben ist, die Elternbeteiligung wiederum ist ein Teilbereich dieser Elternarbeit. Wenn zeitliche und personelle Ressourcen fehlen, wird auch die Elternbeteiligung entsprechend auf das Mindestmaß reduziert werden müssen und die benötigte „Kümmererfunktion“ entfällt. So ist die Elternbeteiligung eben auch von den Methodenkenntnissen und dem „Goodwill“ des Teams abhängig und stellt keine selbstverständliche Form der Elternarbeit dar.

Auch wenn Elternbeteiligung rechtlich verankert ist, so ist sie, wie alle Pflichtaufgaben auch, in der Praxis darauf angewiesen, mit ausreichenden Ressourcen und Prioritäten ausgestattet zu sein.

10 Quellenangaben

Bendig, Rebekka, Andreas Eylert-Schwarz und Berit Nissen, 2021. Sprung über den KiTa Zaun: Kindertageseinrichtungen initiieren und gestalten Kooperationen im Sozialraum. Ahrensburg: AWO Soziale Dienstleistungen. ISBN 978-3-00-068732-7. Verfügbar unter: www.familie-im-fokus.de/downloads

Eylert, Andreas, 2012. Elternmitbestimmung in der Kita: Rechtliche Rahmenbedingungen und institutionalisierte Formen. In Waldemar Stange, Rolf Krüger, Angelika Henschel und Christoff Schmitt, Hrsg., 2012. Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Wiesbaden: Springer VS, S. 190–196. ISBN 978-3-531-94295-7 [Rezension bei socialnet]

Gute-Kita-Portal, 2022. Zur Umsetzung des Handlungsfeldes: Vielfältige pädagogische Arbeit [online]. Berlin: Gute Kita Portal [Zugriff am: 10.07.2022]. Verfügbar unter: https://www.gute-kita-portal.de/handlungsfelder/​vielfaeltige-paedagogische-arbeit

Kirk, Sabine, 2012. Elternmitwirkung im schulrechtlichen Rahmen der Ländergesetzgebung. In: Waldemar Stange, Rolf Krüger, Angelika Henschel und Christoff Schmitt, Hrsg., 2012. Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Wiesbaden: Springer VS, S. 182–189. ISBN 978-3-531-94295-7 [Rezension bei socialnet]

Krüger, Rolf, Angelika Henschel, Christoff Schmitt und Andreas Eylert, 2012. Grenzen von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. In: Waldemar Stange, Rolf Krüger, Angelika Henschel und Christoff Schmitt, Hrsg., 2012. Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Wiesbaden: Springer VS, S. 486–499. ISBN 978-3-531-94295-7 [Rezension bei socialnet]

Stange, Waldemar, 2007. Partizipation von Kindern und Jugendlichen im kommunalen Raum I: Grundlagen. Band 1: Beteiligungsbausteine. Münster: Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat. ISBN 978-3-86582-789-0

11 Literaturhinweise

Fürstenau, Sara und Mechthild Gomolla, 2009. Migration und schulischer Wandel: Elternbeteiligung. Wiesbaden: Springer VS. ISBN 978-3-531-15378-0 [Rezension bei socialnet]

Hillmayr Delia, Janina Täschner, Lilo Brockmann und Doris Holzberger, 2021. Elternbeteiligung im schulischen Kontext – Potenzial zur Förderung des schulischen Erfolgs von Schülerinnen und Schülern [online]. Münster: Waxmann [Zugriff am: 02.02.2023]. PDF e-Book. ISBN 978-3-8309-9366-7. Verfügbar unter: https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&buchnr=4366

Stange, Waldemar, 2012. 8. Methoden-Muster: Partizipation und Verhandlung – Elternbeteiligung und -mitbestimmung. In: Waldemar Stange, Rolf Krüger, Angelika Henschel und Christoff Schmitt, Hrsg., 2012. Erziehungs- und Bildungspartnerschaften. Wiesbaden: Springer VS, S. 438–450. ISBN 978-3-531-94295-7 [Rezension bei socialnet]

12 Informationen im Internet

Verfasst von
Prof. Dr. Andreas Eylert-Schwarz
Diplom-Sozialarbeiter
Professor für Soziale Arbeit
HSD Hochschule Döpfer
Studiendekan BA Soziale Arbeit Regensburg und Köln
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Berit Nissen
Dipl. Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin
Sie hat langjährige Erfahrungen als Beraterin, Trainerin, Moderatorin und Organisationsentwicklerin im Public und Non-Profit-Sektor. Ihre Arbeitsfelder sind partizipative Struktur- und Prozessberatung, Moderation und Prozessbegleitung, Strategie und Konzeptentwicklung, Entwicklung effektiver Arbeitstechniken. Ihre Themenschwerpunkte sind u.a. Kinderrechte und Kinder- und Jugendbeteiligung.
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Es gibt 1 Lexikonartikel von Andreas Eylert-Schwarz.
Es gibt 1 Lexikonartikel von Berit Nissen.

Zitiervorschlag
Eylert-Schwarz, Andreas und Berit Nissen, 2023. Elternbeteiligung [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 06.02.2023 [Zugriff am: 08.06.2023]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/27702

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