Erziehungswissenschaft
Prof. Dr. Ulrich Papenkort
veröffentlicht am 01.10.2018
„Erziehungswissenschaft“ ist im deutschsprachigen Raum die derzeit übliche Selbst- und Fremdbezeichnung derjenigen wissenschaftlichen Disziplin, deren Gegenstand mit den Begriffen Erziehung und Bildung einschließlich Unterricht markiert wird.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Namen der Wissenschaft
- 3 Geschichte der Erziehungswissenschaft
- 4 Erziehungswissenschaft in anderen Ländern
- 5 Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft
- 6 Erziehungswissenschaft und ihre Nachbardisziplinen
- 7 Erziehungswissenschaft und ihre Teildisziplinen
- 8 Methoden der Erziehungswissenschaft
- 9 Richtungen und Ebenen der Erziehungswissenschaft
- 10 Quellenangaben
- 11 Informationen im Internet
1 Zusammenfassung
Erziehungswissenschaft ist eine in mehreren Schritten in Deutschland seit Ende des 18. Jahrhunderts entstandene, definitiv seit Anfang des 20. Jahrhunderts etablierte wissenschaftliche Disziplin, die gegenwärtig meist zu den Sozialwissenschaften gerechnet wird. Ihr Gegenstand ist eine Praxis, die mit Grundbegriffen identifiziert wird, zu denen immer Erziehung und Bildung einschließlich Unterricht gehören, oft durch Sozialisation und andere Begriffe aus anderen Disziplinen erweitert. Ihre Methoden entstammen den Geistes- und Sozialwissenschaften.
2 Namen der Wissenschaft
„Erziehungswissenschaft“ ist die fach- und hochschulpolitisch einschlägige Bezeichnung. Die „Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft“ hat sie in ihrem Namen und das Statistische Bundesamt führt in seiner Fächersystematik das Studienfach „Erziehungswissenschaft (Pädagogik)“ auf.
In der Wissenschaft der Erziehung und Bildung selbst sind aber auch andere Bezeichnungen geläufig (Keiner 2014). Die häufigste und älteste Alternative zu „Erziehungswissenschaft“ ist „Pädagogik“. Daher rührt auch die in Klammern gesetzte Ergänzung in der statistischen Fächersystematik. Eine neuere Alternative ist, seit Ende der 1990er Jahre, „Bildungswissenschaft“. Da dieser Name noch unklar und umstritten ist (Terhart 2012), genügt ein Hinweis auf die beiden anderen, fast gleich alten Bezeichnungen, deren erste Nennungen in das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts fallen.
Für diese beiden Namen sind drei Verwendungsweisen gebräuchlich. Entweder wird nur eine der beiden Bezeichnungen verwendet und die jeweils andere dann zumeist ausgelassen oder beide werden mehr oder minder synonym gebraucht oder der jeweils eine Name wird nur für einen Teil der Disziplin in Beschlag genommen: „Pädagogik“ für den praktischen Teil der „Erziehungswissenschaft“ oder „Erziehungswissenschaft“ für den empirischen der „Pädagogik“.
3 Geschichte der Erziehungswissenschaft
Die Geschichte des pädagogischen Denkens ist so alt wie die Philosophie und setzt in Europa in der griechischen Antike ein. Ein eigenes Fach wird sie, zunächst vorläufig und auf den Unterricht beschränkt, in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Aus dieser Zeit stammt der von Wolfgang Ratke geprägte und dann von Comenius übernommene latinisierte Name „didactica“, der um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert als Fremdwort „Didaktik“ ins Deutsche eingebürgert wurde.
In dieser Zeit, in der auch die Bezeichnungen „Erziehungswissenschaft“ (1766) und „Pädagogik“ (1771) aufkamen (Tenorth 2010, S. 341), etablierte sich die Wissenschaft in ihrer ganzen, über den Unterricht hinausgehenden Breite, wurde nun auch an Universitäten gelehrt und 1779 erstmals eigens, wenn auch zusammen mit der Philosophie und nur für wenige Jahre, durch einen Professor vertreten: Ernst Christian Trapp an der Universität Halle.
Im 19. Jahrhundert wurde die Erziehungswissenschaft zunächst nebenbei durch Professoren meist der Philosophie, z.B. Johann Friedrich Herbart, oder Theologie, z.B. Friedrich Schleiermacher, gelehrt. Der nächste Schritt in der Geschichte der Erziehungswissenschaft fand in der Weimarer Republik statt, als eigene Professuren für Pädagogik eingerichtet wurden (Horn 2003). Diese Entwicklung verdankt sich auch den Volksschullehrern, die schon im 19. Jahrhundert im Unterschied zu den fachlich orientierten Gymnasiallehrern pädagogische Fragestellungen angemahnt hatten.
Die letzte Etappe der Etablierung der Disziplin geschah für die Forschung 1964 mit der Gründung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, die inzwischen über 3.500 Mitglieder hat, und 1969 mit der Einführung eines Diplom-Studiengangs für die Erziehungswissenschaft bzw. Pädagogik, durch den über die Lehrerbildung hinaus erstmals auch die außerschulischen pädagogischen Berufsfelder insbesondere der Erwachsenenbildung und der Sozialpädagogik, aber auch schon der Vorschulerziehung in den Blick gerieten (Horn 2003). Seitdem ist die Erziehungswissenschaft, was die Zahl der Lehrenden und Studierenden betrifft, erfolgreich expandiert und gehört inzwischen zu den 20 am stärksten besetzten Studienfächern an Hochschulen, im Wintersemester 2016/17 auf Rang 11 (Statistisches Bundesamt 2018, S. 36).
4 Erziehungswissenschaft in anderen Ländern
Die Situation der Erziehungswissenschaft in anderen Ländern müsste eigens und nach Ländern unterschiedlich thematisiert werden. Als englischsprachige Bezeichnung für die Wissenschaft der Erziehung und Bildung gilt oft nur, eben auch für die Theorie, der Ausdruck „education“. Es wird aber auch von „educational studies“ gesprochen. In den Ländern mit romanischen Nationalsprachen wird meist der Plural verwendet, wie er auch in Deutschland seit den 1970er Jahren gelegentlich gebräuchlich ist: französisch „sciences de l’éducation“, spanisch „ciencias de la educación“.
Die Tatsache, dass von den „Erziehungsstudien, -wissenschaften“ gesprochen wird, verweist auf andere „nationale Denkstile“ (Keiner 2000). Während z.B. dem Plural entsprechend die nordamerikanischen educational studies feld- und professionsbezogen und die französischen sciences de’l éducation interdisziplinär aufgestellt sind, ist die akademische Kultur in Deutschland gemäß dem Singular „Erziehungswissenschaft“ disziplinär fokussiert.
Der Name „Pädagogik“ findet im Englischen und den romanischen Sprachen nur scheinbar Verwendung. Die Wörter „pedagogy“ (engl.), „pédagogie“ (frz.), „pedagogía“ (span.) meinen teilweise eine Praxis und keine Wissenschaft. In anderen germanischen und in slawischen Sprachen dagegen gibt es einen dem deutschen „Pädagogik“ entsprechenden Sprachgebrauch, z.B. niederländisch „pedagogiek“, polnisch „pedagogika“.
5 Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft
Der Gegenstand der Erziehungswissenschaft ist eine bestimmte interindividuelle, organisationsinterne und gesellschaftliche Praxis, die mit sogenannten Grundbegriffen markiert wird. Das geschieht in drei verschiedenen Varianten.
Einige Vertreter der Disziplin sind der Auffassung, dass ein einzelner Begriff diese gesamte Praxis ausreichend kennzeichnet und wählen dazu entweder (häufiger) den Grundbegriff der Erziehung oder (seltener) denjenigen der Bildung. Den der Erziehung können sie exklusiv beanspruchen, den der Bildung nur im Verein mit verschiedensten Kulturwissenschaften.
Andere meinen, dass beide Begriffe zusammen erforderlich sind und auch noch um den des Unterrichts zu ergänzen wären, der wie Erziehung genuin pädagogisch bzw. mit einem bekannten Wort Johann Friedrich Herbarts aus dem Jahre 1806 ein „einheimischer Begriff“ ist. Dann wird Erziehung für den transitiven (jemanden erziehen), auf Kindheit und Jugend beschränkten, der Familie geltenden und auf Normen und Werte bezogenen Aspekt pädagogischer Praxis reserviert, während Bildung reflexiv verstanden wird (sich bilden), sich auch über das Erwachsenenalter erstreckt, die Schule einschließlich von Hochschule und Erwachsenenbildung in den Blick nimmt und dem Wissen gilt. Diese Zuordnungen sind insofern nicht beliebig, als Erziehung und Bildung historisch mit der Dichotomie von Zivilisation und Kultur der deutschen Geistesgeschichte der letzten zwei Jahrhunderte (Prange 2006) und darüber hinaus mit der Dualität jüdischer und griechischer Ursprünge europäischer Mentalitäten verbunden sind (Meyer-Drawe 1999; Schwenk 2004a, 2004b).
Beide Begriffe werden in allen oder einzelnen der genannten Hinsichten getrennt voneinander oder aufeinander bezogen thematisiert. In der ersten, nämlich grammatisch-logischen Hinsicht können Erziehung und Bildung gut aufeinander bezogen werden, indem Erziehung im Sinne transitiver (Fremd-)Erziehung als Ermöglichung von Bildung im Sinne reflexiver (Selbst-)Bildung aufgefasst wird (z.B. Benner 2015).
Die dritte und inzwischen häufigste Variante besteht darin, gleich mehrere Grundbegriffe zu postulieren und über die erwähnten hinaus auch noch ursprünglich soziologische und psychologische Begriffe zu reklamieren: Sozialisation, mitunter auch Enkulturation auf der einen, Lernen, manchmal ebenso Entwicklung auf der anderen Seite. Dabei sind Sozialisation und Enkulturation an die ebenfalls soziologischen Begriffe der Interaktion und Kommunikation anschlussfähig und umfassen so und in aktiver Weise beide Seiten pädagogischer Verhältnisse, während Lernen und Entwicklung nur an einer Seite anknüpfen, dafür aber, mal kurzfristig (Aktualgenese) und mal langfristig (Ontogenese), deren zeitlichen Aspekt hervorheben, der wiederum in die Entwicklung von Gesellschaften und der Menschheit eingebettet werden kann.
Manchmal wird die mögliche Vielzahl an möglichen Grundbegriffen auf eine Trias von Erziehung, Bildung und Sozialisation konzentriert (Dörpinghaus 2015; Hörner 2010, Koller 2017), damit nur ein fremddisziplinärer, in diesem Fall soziologischer Begriff ergänzt und gegebenenfalls als funktionale Erziehung, vielleicht noch als informelle Bildung verstanden. Diese drei Grundbegriffe kommen fast immer vor und markieren so etwas wie den „begrifflichen Kern“ der Erziehungswissenschaft (Kempka 2018, S. 214). Immer wieder wird aber auch der psychologische Begriff des Lernens eigens hervorgehoben, der schon in der Psychologie zwischen Verhaltens- und Gedächtnispsychologie schwankt, dessen semantisches Spektrum im alltäglichen Sprachgebrauch noch weiter gesteckt ist und der ebenfalls gut pädagogisch rekonstruiert werden kann (Göhlich 2007).
6 Erziehungswissenschaft und ihre Nachbardisziplinen
Die Erziehungswissenschaft ist nacheinander erst der Philosophie, dann den Geisteswissenschaften und noch später den empirischen (Sozial-)Wissenschaften zugeordnet worden. Zu letzteren wird sie heute meist gerechnet. Daneben gab und gibt es die Auffassung, dass die Erziehungswissenschaft ähnlich wie die Medizin als Theorie einer Praxis für eine Praxis keine theoretische bzw. Erkenntniswissenschaft, ob Geistes- oder Sozialwissenschaft, darstellt, sondern eine praktische bzw. Handlungswissenschaft.
Die Erziehungswissenschaft steht zu verschiedenen anderen einzelnen Wissenschaften in einem engen Verhältnis. In der Tradition der Geisteswissenschaften waren es insbesondere Philosophie und Geschichtswissenschaft, in derjenigen der empirischen Wissenschaften wurden es die Psychologie, Soziologie und später auch die Biologie. Angeeignet und vermittelt wurden und werden Themen und Resultate, Methoden und Perspektiven dieser anderen Wissenschaften. Hier entstanden auch so etwas wie interdisziplinäre Disziplinen, die im Falle der Philosophie und Geschichtswissenschaft als Erziehungs- und Bildungsphilosophie und Erziehungs- und Bildungsgeschichte zur Erziehungswissenschaft gerechnet werden, im Falle der Psychologie und Soziologie als pädagogische Psychologie und Erziehungs- und Bildungssoziologie zu eben diesen Disziplinen. Eine entsprechende Disziplin der pädagogischen Biologie bzw. Erziehungs- und Bildungsbiologie steht noch aus.
Insbesondere im Zusammenhang der Didaktik (s. 7.) bestehen bei den Themen der Bildung Kontakte zu fast allen Wissenschaften und führen bei den wichtigsten zu ebenfalls interdisziplinären Fachdidaktiken.
7 Erziehungswissenschaft und ihre Teildisziplinen
Die Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft werden meistens als „Pädagogiken“ bezeichnet. Innerhalb der Erziehungswissenschaft ist zur ersten Orientierung die Unterscheidung zwischen Allgemeiner und Differentieller Pädagogik sinnvoll, die in einem gewissen Sinne der Differenz von theoretischer und praktischer Pädagogik entspricht.
Die Historische und die Vergleichende Pädagogik werden meist zusätzlich zur Allgemeinen Pädagogik angeführt (Lenzen 2004; Krüger 2007), können aber auch als zwei Perspektiven einer Allgemeinen Pädagogik verstanden werden, wenn man drittens einen systematischen Gesichtspunkt ergänzt. So verstanden würde die Allgemeine Pädagogik, aber letztlich auch die Differentielle Pädagogik, systematische, historische und vergleichende Perspektiven eröffnen (Papenkort 2012, S. 101 f.).
Unter der Differentiellen Pädagogik (Brinkmann 2001) versammeln sich vor allem die pädagogischen Handlungsfeldern zugedachten Teildisziplinen, die in der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft nach Adressaten (Erwachsenenbildung, Pädagogik der frühen Kindheit) und Institutionen (Schulpädagogik), nach Feldern (Berufs- und Wirtschaftspädagogik, Pädagogische Freizeitforschung, Sozialpädagogik und Sportpädagogik) und Formen (Medienpädagogik) und quer zu allen Handlungsfeldern (Sonderpädagogik) benannt werden.
Die Didaktik wird meist der Schulpädagogik zugeordnet, durchzieht aber als Allgemeine Didaktik (Coriand 2015) bzw. Theorie des Unterrichts insgesamt nicht nur alle Schulformen, -stufen und -fächer, sondern auch Teile der Pädagogik der frühen Kindheit und Sozialpädagogik, die Hochschulpädagogik und die Erwachsenenbildung. Der Unterricht wiederum kann in allen Feldern als diejenige pädagogische Praxis verstanden werden, die den höchsten Grad an Formalisierung aufweist.
Eine Differenzierung der Erziehungswissenschaft entlang des Lebenslaufs in die Pädagogik der Kindheit und Jugend, die Andragogik des jungen und mittleren (Reischmann 2016) und die Geragogik des höheren und hohen Erwachsenenalters (Bubolz-Lutz 2010) wurde und wird immer einmal vorgeschlagen, hat sich aber bisher nicht durchsetzen können.
8 Methoden der Erziehungswissenschaft
Die Erziehungswissenschaft kennt keine eigenen Methoden und passt stattdessen solche anderer Wissenschaften oder Wissenschaftsgruppen für ihre Zwecke an. Seit Ende der 1960er Jahre werden in der einschlägigen erziehungswissenschaftlichen Literatur empirische Forschungsmethoden und nicht-empirische Denkformen unterschieden (von Oppolzer 1971, 1972 bis Zierer 2013), wobei die Differenz zwischen beiden Zugangsweisen schon Anfang des 20. Jahrhunderts thematisiert wurde. Die empirischen Forschungsmethoden werden vor allem der Psychologie und den Sozialwissenschaften entlehnt. Innerhalb verschiedener Forschungsdesigns – z.B. Experiment in der Psychologie, Fallstudie und Umfrage/​Survey in den Sozialwissenschaften – werden hier Methoden der Datenerhebung zu aktuellen menschlichen Tätigkeiten (Beobachtung, Befragung) und zu vergegenständlichten Resultaten solcher Tätigkeiten (Inhaltsanalyse) eingesetzt. Die nicht-empirischen, nur eingeschränkt methodisierbaren Denkformen werden aus den Geisteswissenschaften und der Philosophie übernommen. Hier ist es üblich geworden, die aus den Geisteswissenschaften stammende hermeneutische Methode und die aus der Philosophie kommenden Methoden der Phänomenologie und Dialektik aufzuführen (Danner 2006), wobei die Dialektik als reine Denkform schon ganz von der Realität abstrahiert.
Seit den 1980er Jahren ist eine dritte, wiederum aus den Sozialwissenschaften entlehnte Gruppe von Methoden hinzugekommen, die in gewisser Weise zwischen den bisherigen empirischen Forschungsmethoden und den nicht-empirischen Denkformen der Hermeneutik und auch Phänomenologie anzusiedeln ist. Sie gelten einerseits ebenfalls als empirische Forschungsmethoden, die aber qualitativ statt quantitativ ausgerichtet sind und dafür besonderer Methoden der Datenerhebung (teilnehmende Beobachtung, nicht-strukturierte Befragung, Dokumentenanalyse) und Datenauswertung (qualitative Inhaltsanalyse) bedürfen. Diese Methoden stehen andererseits in einer gewissen Nähe zu bisherigen hermeneutischen und phänomenologischen Methoden.
9 Richtungen und Ebenen der Erziehungswissenschaft
Bis in die 1970er Jahre hinein war es üblich, als die im 20. Jahrhundert entstandenen Richtungen der Erziehungswissenschaft die geisteswissenschaftliche Pädagogik (Dialektik, Hermeneutik, Phänomenologie) und empirische Erziehungswissenschaft zu unterscheiden, zusätzlich die kritische Erziehungswissenschaft, mitunter auch noch die materialistische und/oder prinzipienwissenschaftliche (transzendentalphilosophische) Pädagogik. Inzwischen kann man schon mindestens noch drei weitere Konzeptionen identifizieren: die strukturalistische und poststrukturalistische, die systemtheoretische und konstruktivistische und die reflexive Erziehungswissenschaft (Lenzen 2002). Damit wird die Lage zunehmend unübersichtlich, weil der Vergleich solcher Richtungen immer schon schwierig war, selten unternommen wird, die Zahl der Richtungen noch zugenommen hat und weiter zunimmt und sich zu verschiedensten anderen Aspekten „Pädagogiken“ (Paschen 1997) herausgebildet haben.
Mehr zur Übersichtlichkeit trägt eine Differenzierung von Analyseebenen bei, denen man Grundbegriffe der Erziehungswissenschaft zuordnen kann: die mikro-soziale Ebene der Interaktion (Erziehung, z.T. Bildung), die von der intra-personalen Ebene der Individuen (Lernen, Entwicklung, z.T. Bildung) unterschritten und der meso-sozialen Ebene der Organisationen (Unterricht) und makro-sozialen Ebene der Gesellschaft (Sozialisation, Enkulturation) überschritten wird. Die meso-soziale Ebene wird insbesondere in der Differentiellen Pädagogik thematisiert.
10 Quellenangaben
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Brinkmann, Wilhelm, Hrsg., 2001. Differentielle Pädagogik: Eine Einführung. Donauwörth: Auer. ISBN 978-3-403-03577-0
Bubolz-Lutz, Elisabeth, 2010. Geragogik: Bildung und Lernen im Prozess des Alterns. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-021164-3 [Rezension bei socialnet]
Coriand, Rotraud, 2015. Allgemeine Didaktik: Ein erziehungstheoretischer Umriss. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-030171-9
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Horn, Klaus-Peter, 2003. Erziehungswissenschaft in Deutschland im 20. Jahrhundert: Zur Entwicklung der sozialen und fachlichen Struktur der Disziplin von der Erstinstitutionalisierung bis zur Expansion. Bad Heilbrunn/Obb.: Klinkhardt. ISBN 978-3-7815-1271-9
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Terhart, Ewald, 2012. „Bildungswissenschaften“: Verlegenheitslösung, Sammeldisziplin, Kampfbegriff? In: Zeitschrift für Pädagogik. 58(1), S. 22–39. ISSN 0044-3247
Zierer, Klaus, Karsten Speck und Barbara Moschner, 2013. Methoden erziehungswissenschaftlicher Forschung. München und Basel: Reinhardt. ISBN 978-3-8252-4026-4 [Rezension bei socialnet]
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Verfasst von
Prof. Dr. Ulrich Papenkort
Professur für Pädagogik an der Katholischen Hochschule Mainz
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