socialnet - Das Netz für die Sozialwirtschaft

Fachkraft-Kind-Relation

Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig

veröffentlicht am 04.08.2020

Die Fachkraft-Kind-Relation beschreibt die unmittelbar geleistete Arbeitszeit von pädagogischen Fachkräften am Kind und analysiert, für wie viele Kinder eine pädagogische Fachkraft in der Betreuungszeit zuständig ist, während der Personalschlüssel alle anfallenden Arbeiten und Qualifikationsniveaus in einer Kindertageseinrichtung einbezieht.

Überblick

  1. 1 Personalschlüssel und Fachkraft-Kind-Relation – unterschiedliche Begrifflichkeiten
  2. 2 Der Personalschlüssel hat das gesamte Arbeitsspektrum einer Einrichtung im Blick
  3. 3 Die Fachkraft-Kind-Relation gibt Auskunft über die unmittelbare Arbeit am Kind
  4. 4 Quellenangaben

1 Personalschlüssel und Fachkraft-Kind-Relation – unterschiedliche Begrifflichkeiten

In Presseberichten oder öffentlichen Stellungnahmen werden immer wieder die Begriffe Fachkraft-Kind-Relation und Personalschlüssel genannt, etwa um auf den Fachkräftemangel in der Kindertagesbetreuung in einzelnen Bundesländern zu verweisen oder die notwendige Diskussion um Qualität der frühkindlichen Bildung zu intensivieren (Klinkhammer und Erhard 2018). Oftmals werden beide Begriffe fälschlicherweise auch synonym verwendet. Fachlich ist dies jedoch nicht korrekt. Tatsächlich versuchen beide Begriffe aber die Qualität der Arbeit in Kindertageseinrichtungen zu analysieren. Insofern ist es nicht nur notwendig, den Begriff Fachkraft-Kind-Relation zu erklären, sondern diesen auch vom Begriff des Personalschlüssels abzugrenzen.

Zum besseren Verständnis und zur Unterscheidung beider Begriffe scheint es lohnend, zunächst zu überlegen, woran die Qualität der geleisteten Arbeit in Kindertageseinrichtungen gemessen werden kann und welches übergeordnete Ziel diese verfolgt. Generell setzen sich Einrichtungen der frühkindlichen Bildung und Betreuung das Ziel, jedes Kind so individuell wie möglich zu fördern. Die Einführung der Bildungsprogramme und Bildungspläne in den einzelnen Bundesländern seit 2004 hat hierzu einen wesentlichen Beitrag geleistet (Viernickel et al. 2013). Aufgrund der zunehmenden Heterogenität kindlicher Bedarfe mit Blick auf die Pluralisierung der Lebenslagen von Familien scheint dies durchaus notwendig (Weimann-Sandig 2019). Individuelle Förderung setzt jedoch ausreichend Personal in den Betreuungseinrichtungen voraus, dies ist der Aspekt der sogenannten Strukturqualität (Tietze 2008). Darüber hinaus soll dieses Personal auch möglichst hoch qualifiziert sein und sich stetig weiterbilden. Ebenso bilden ausreichende Zeitressourcen für die Elternarbeit, etwa durch Eltern- oder Lernentwicklungsgespräche, ein Qualitätsmerkmal von Kinderbetreuungseinrichtungen. Diese Zeiten bezeichnet man als sogenannte mittelbare pädagogische Arbeit. Zusammen mit der unmittelbaren pädagogischen Arbeit, also der direkten Arbeit „am Kind“, kann auf diese Weise das Arbeitsspektrum pädagogischer Fachkräfte näher beschrieben werden.

2 Der Personalschlüssel hat das gesamte Arbeitsspektrum einer Einrichtung im Blick

Der Personalschlüssel greift sodann auch auf das gesamte Arbeitsspektrum bei der Berechnung des Personalbedarfs in einer Einrichtung oder einer einzelnen Betreuungsgruppe zurück. Jedoch ist der Personalschlüssel ein statistischer Wert. Er betrachtet nicht die Anzahl der Personen, die tatsächlich in einer Gruppe arbeiten, sondern deren Arbeitszeitumfang vor dem Hintergrund sogenannter Vollzeitäquivalente. Gerade in Kinderbetreuungseinrichtungen findet sich eine bunte Mischung von Mitarbeitenden, die in Vollzeit aber auch unterschiedlichsten Teilzeitumfängen arbeiten. Damit eine verlässliche Personalplanung gemacht werden kann, wird der betriebswirtschaftliche Wert der Vollzeitäquivalente als Hilfsgröße herangezogen. Diese geben an, wie hoch die Zahl der Erwerbstätigen wäre, wenn es nur Vollzeitstellen gäbe. Im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung liegt die tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit derzeit bei 39 Stunden. Insofern entspricht ein Vollzeitäquivalent (VZÄ) diesen 39 Stunden. Arbeitet eine pädagogische Fachkraft in Teilzeit mit 19–20 Stunden pro Woche, dann würde dies 0.5 VZÄ entsprechen. Der Berechnung des Personalschlüssels liegen zwei Seiten zugrunde: einerseits wird die Gesamtheit der zur Verfügung stehenden Buchungsstunden in einer Einrichtung oder einer einzelnen Gruppe betrachtet, also die Summe der Buchungsstunden, die die Eltern für die Betreuung ihrer Kinder gebucht haben. Dieser Wert wird geteilt durch die maximale wöchentliche Buchungszeit. Diese liegt in den meisten Einrichtungen bei etwa 40 Stunden. Auf der anderen Seite werden die Wochenarbeitsstunden des in der Einrichtung oder der Gruppe arbeitenden Personals betrachtet und addiert. Dieser Wert wird sodann durch die tariflich vereinbarte Wochenarbeitszeit, derzeit 39 Stunden, geteilt. Im letzten Schritt wird das Ergebnis des Buchungswertes durch das Ergebnis des Arbeitszeitvolumens des Personals geteilt. Dies ergibt den sogenannten Personalschlüssel.

Hierzu ein Beispiel:

Die Kinderkrippe Sonnenschein besteht aus einer Gruppe mit 15 Kindern, 3 pädagogische Fachkräfte kümmern sich um diese Kinder. Um den Personalschlüssel zu berechnen, wird zunächst die Summe der Arbeitsstunden berechnet:

Die pädagogische Fachkraft (PFK) 1 arbeitet 39 Stunden/​Woche, die PFK 2 arbeitet 39 Stunden/​Woche und die PFK 3 arbeitet 30/Stunden pro Woche. Damit ergibt sich eine Gesamtsumme von 108 Stunden/​Woche. Diese wird nun durch die tarifliche Wochenarbeitszeit von 39 Stunden geteilt: es ergeben sich rund 2,8 VZÄ.

Nun werden die Buchungszeiten der 15 Kinder in der Gruppe zusammengerechnet. Manche Kinder sind nur halbtags in der Krippe, andere Eltern schöpfen die Ganztagesbetreuung aus. Für die Kinderkrippe Sonnenschein ergibt sich eine Gesamtbuchungssumme von 410 Stunden. Dieser Wert wird nun durch die maximale Buchungszeit der Krippe, nämlich 40 Stunden pro Woche geteilt. Auf diese Weise ergeben sich die sogenannten Ganztagesbetreuungsäquivalente. In diesem Fall ergeben sich rund 10,3 Ganztagesbetreuungsäquivalente. So viele Kinder könnten aufgenommen werden, wenn alle Eltern voll buchen würden. Diese 10,3 Betreuungsäquivalente werden nun durch die 2,8 VZÄ geteilt. Es ergibt sich ein Personalschlüssel von 1:3,7.

Kasten: Beispiel für die Berechnung des Personalschlüssels

In der Praxis erleben pädagogische Fachkräfte aber, dass sie sich im Alltagsgeschehen um sehr viel mehr Kinder kümmern, als es der Personalschlüssel vorsieht. Zudem sagt der Personalschlüssel nichts über die Qualifikation der Mitarbeitenden in der Einrichtung oder Gruppe aus. Da die Qualität der pädagogischen Arbeit aber eng mit der Qualifikation des Personals verknüpft ist, braucht es einen Wert, der allein die pädagogischen Fachkräfte in den Blick nimmt.

3 Die Fachkraft-Kind-Relation gibt Auskunft über die unmittelbare Arbeit am Kind

Hier hilft nun die Fachkraft-Kind-Relation weiter, weil sie beschreibt, um wie viele Kinder sich eine pädagogische Fachkraft in der unmittelbaren Arbeit mit den Kindern zu kümmern hat. Tatsächlich liegt der Anteil der Arbeit am Kind bei bis zu 75 % des gesamten Arbeitszeitumfangs (Viernickel et al. 2015). Legt man dies den Berechnungen zugrunde, so ergibt sich ein deutlich erhöhter Wert der Anzahl an Kindern, für die eine pädagogische Fachkraft zuständig ist. Viernickel et al. (2013) konnten in ihren Berechnungen beispielsweise nachweisen, dass der Unterschied zwischen Personalschlüssel und Fachkraft-Kind-Relation bis um den Faktor 3 divergiert. Dies mag zunächst nach wenig klingen, in der Realität macht es aber – gerade vor dem Hintergrund der heterogenen Förderbedarfe von Kindern – durchaus einen Unterschied, ob eine pädagogische Fachkraft für die Betreuung von vier Kindern oder sieben Kindern zuständig ist.

Die Fachkraft-Kind-Relation ist weiterhin ein wegweisender Richtwert, da in den vergangenen Jahren Expertisen vorgelegt wurden, welche den Wert in Abhängigkeit zum Lebensalter der zu betreuenden Kindern setzen (Bertelsmann-Stiftung 2019). So werden für die Betreuung von Krippenkindern sehr viel niedrigere Relationen vorgeschlagen als etwa für die Betreuung von Vorschul- oder Hortkindern. Bei Kindern bis zum ersten Lebensjahr liegt die optimale Fachkraft-Kind-Relation beispielsweise bei 1:2, für Kleinkinder (13. Lebensmonat bis Vollendung des 3. Lebensjahres) wird eine Relation von 1:4 und für Kinder von drei Jahren bis Schuleintritt eine Relation von 1:9 empfohlen (Viernickel et al. 2015). Diese Werte stützen sich auf interdisziplinäre Forschungserkenntnisse wie etwa aus dem Bereich der Bildungsforschung sowie der (pädagogischen) Interaktionsforschung (Howes et al. 1992; De Schipper, Riksen-Walraven und Geurts 2006). Betrachtet man jedoch die aktuellen Fachkraft-Kind-Relationen in den einzelnen Bundesländern (Bertelsmann-Stiftung 2019), so bemerkt man, dass in vielen Bundesländern die empfohlenen Richtwerte von den Einrichtungen nicht umgesetzt werden können, wobei man hier auch den Umstand regionaler Disparitäten, also z.B. sogenannter Stadt-Land-Unterschiede, in den Blick nehmen muss. Hintergrund für das Auseinanderklaffen von empfohlener und tatsächlicher Fachkraft-Kind-Relation in den einzelnen Betreuungsbereichen sind steigende Krankenstände des pädagogischen Personals, vor allem Langzeiterkrankungen, Personalfluktuation aber auch der regional stark unterschiedlich ausgeprägte Fachkräftemangel. Ebenso wird auch die Koppelung der Buchungszeiten an die Berechnung des Personalschlüssels als wenig förderlich zur Erreichung einer kindgerechten, qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung und Betreuung gewertet. Als Lösungsmöglichkeit schlägt beispielsweise die Bertelsmann Stiftung eine verbindlich geregelte Finanzierung von Vertretungskräften vor, damit nicht vorhersehbare Ausfallzeiten aufgrund von Krankheit nicht zu variablen Fachkraft-Kind-Relationen führen (Bock-Famulla 2015).

4 Quellenangaben

Bertelsmann Stiftung, 2019. Ländermonitor frühkindliche Bildungssysteme [online]. Szenarien zur Fachkraft-Kind-Relation. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung [Zugriff am: 29.07.2020]. Verfügbar unter: https://www.laendermonitor.de/de/vergleich-bundeslaender-daten/​personal-und-einrichtungen/​personalschluessel/​szenarien-zur-fachkraft-kind-relation

Bock-Famulla, Kathrin, Jens Lange und Eva Strunz, 2015. Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme 2015: Transparenz schaffen – Governance stärken. Gütersloh: Verlag Bertelsmann Stiftung. ISBN 978-3-86793-663-7

De Schipper, Elles J., Marianne Riksen-Walraven und Sabinte Geurts, 2006. Effects of child-caregiver ratio on the interactions between caregivers and children in child-care centers: an experimental study. In: Child Development. 77(4), S. 861–74. ISSN 0009-3920

Howes, Carollee und Ellen W. Smith, 1992. Relations among child care quality, teacher behavior, children’s play activities, emotional security, and cognitive activity in child care. In: Early Childhood Research Quarterly. 10(4), S. 381–404. ISSN 0885-2006

Klinkhammer, Nicole und Katrin C. Erhard, 2018. Ein Blick auf die Qualität der frühkindlichen Bildung und Erziehung [online]. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung [Zugriff am: 16.07.2020]. Verfügbar unter: https://www.bpb.de/gesellschaft/​bildung/​zukunft-bildung/​278950/​qualitaet

Tietze, Wolfgang, 2008. Qualitätssicherung im Elementarbereich. In: Eckhard Klieme und Rudolf Tippelt, Hrsg. Qualitätssicherung im Bildungswesen [online]. Weinheim: Beltz, S. 16–35 [Zugriff am: 16.07.2020]. Zeitschrift für Pädagogik · 53. Beiheft. ISSN 0514-2717. Verfügbar unter: https://www.pedocs.de/volltexte/2013/7267/pdf/Tietze_Qualitaetssicherung_im_Elementarbereich.pdf

Viernickel, Susanne, Iris Nentwig-Gesemann, Katharina Nicolai, Stefanie Schwarz und Luise Zenker, 2013. Schlüssel zu guter Bildung, Erziehung und Betreuung – Bildungsaufgaben, Zeitkontingente und strukturelle Rahmenbedingungen in Kindertageseinrichtungen [online]. Berlin Der Paritätische Gesamtverband [Zugriff am: 16.07.2020]. PDF e-Book. ISBN 978-3-930523-79-5. Verfügbar unter: https://www.der-paritaetische.de/fileadmin/​user_upload/​Publikationen/doc/expertise_gute_bildung_2013_Kapitel_1-3_web.pdf

Viernickel, Susanne, Kirsten Fuchs-Rechlin, Petra Strehmel, Christa Preissing, Joachim Bensel und Gabriele Haug-Schnabel, 2015. Qualität für alle [online]. Wissenschaftlich begründete Standards für die Kindertagesbetreuung. Freiburg i.Br.: Herder [Zugriff am: 16.07.2020]. PDF e-Book. ISBN 978-3-451-81020-6. Verfügbar unter: http://www.ciando.com/img/books/​extract/​3451810204_lp.pdf

Weimann-Sandig, Nina, 2019. Entwicklung und aktueller Stand der Kindertagesbetreuung. In: Harald Christa, Hrsg. Das große Handbuch Organisation und Verwaltung in der Kita. Köln: Carl Link, S. 15–36. ISBN 978-3-556-07347-6

Verfasst von
Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig
Professur für Empirische Sozialforschung und Soziologie, Evangelische Hochschule Dresden
Website
Mailformular

Es gibt 1 Lexikonartikel von Nina Weimann-Sandig.

Zitiervorschlag
Weimann-Sandig, Nina, 2020. Fachkraft-Kind-Relation [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 04.08.2020 [Zugriff am: 26.03.2023]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/28196

Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Fachkraft-Kind-Relation

Urheberrecht
Dieser Lexikonartikel ist, wie alle anderen Inhalte bei socialnet, urheberrechtlich geschützt. Falls Sie Interesse an einer Nutzung haben, treffen Sie bitte vorher eine Vereinbarung mit uns. Gerne steht Ihnen die Redaktion des Lexikons für weitere Fragen und Absprachen zur Verfügung.