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Femizid

Dr. Julia Habermann

veröffentlicht am 01.04.2025

Etymologie: lat. femina Frau, weiblich; lat. cidium Tötung; lat. caedere töten, erschlagen

Englisch: femicide

Femizid bezeichnet den Tod von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts infolge von geschlechtsbezogenen Praktiken und Tötungsdelikten – insbesondere begangen durch (ehemalige) Partner. Femizide sind auf die hierarchische Geschlechterordnung und damit einhergehende ungleiche Machtverhältnisse zurückzuführen.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Hintergrund, Definitionen und Ziel des Begriffs
  3. 3 Feminizid
  4. 4 Geschlechtsbezug der Taten
  5. 5 Weitere Begriffe
  6. 6 Formen von Femiziden
  7. 7 Tötungsdelikte durch den aktuellen oder ehemaligen Beziehungspartner
  8. 8 Gesellschaftliche Aufmerksamkeit, rechtlicher Rahmen und Prävention
  9. 9 Schlussbemerkung: Der Nutzen des Begriffs
  10. 10 Quellenangaben
  11. 11 Literaturhinweise

1 Zusammenfassung

Der Begriff Femizid wird in der Regel als die geschlechtsbezogene bzw. geschlechterspezifische Tötung einer Frau definiert. In diesem Kontext wird darauf verwiesen, dass die Tötung einer Frau erfolgt, weil sie eine Frau ist. In der Regel werden damit nicht alle Tötungsdelikte an Frauen bezeichnet, sondern lediglich solche, bei denen das Geschlecht der Frau eine (bestimmende) Rolle spielte. Die Fragen, wann ein spezifisches Tötungsdelikt als Femizid zu bezeichnen ist und wie die Einordnung erfolgen soll, sind bislang nicht abschließend geklärt.

Der Begriff des Femizids ist jedoch auch weiter zu fassen und schließt den Tod von Frauen durch gewisse Praktiken oder Unterlassungen ein.

Femizide stellen neben beispielsweise körperlicher und/oder sexualisierter Gewalt oder Zwangsverheiratungen eine Ausprägung geschlechtsbasierter Gewalt dar. Sie können als tödliches Ende eines Kontinuums von geschlechtsbasierter Gewalt verstanden werden.

2 Hintergrund, Definitionen und Ziel des Begriffs

Der Begriff des Femizids existiert bereits seit einiger Zeit, jedoch erfährt er seit dem Jahr 1976 einen Aufmerksamkeitszuwachs. Dies ist auf die Verwendung des Begriffs femicide durch die Soziologin Diana E. H. Russell in ihrer Rede vor dem International Tribunal on Crimes Against Women (Internationales Tribunal für Verbrechen gegen Frauen) zurückzuführen (Russell 2012). Sie will mit dem Begriff die Geschlechtsdimension von Tötungsdelikten an Frauen betonen und stellt dafür dem geschlechtsneutralen Begriff „homicide“ (Tötungsdelikt) den Begriff „femicide“ gegenüber. Ziel dabei ist, auf die strukturelle Dimension der Taten aufmerksam zu machen, da Femizide aus einer hierarchischen Geschlechterordnung entstehen, in der Frauen Männern als untergeordnet gelten und Frauen gewisse Verhaltenserwartungen erfüllen sollen.

Eine einheitliche Definition des Begriffs existiert nicht. Auch Russell veränderte in ihren Arbeiten die Definitionen immer wieder. Sie schrieb z.B. über „the misogynist killing of women by men“ (die frauenfeindliche Tötung von Frauen durch Männer) (Russell und Radford 1992, S. xi) oder über „the killing of females by males because they are female“ (die Tötung von Frauen durch Männer, weil sie Frauen sind) (Russell 2001, S. 3).

Gemeinsam ist diesen Definitionen, dass Russell damit nicht alle Tötungsdelikte an Frauen bezeichnet, sondern nur eben jene mit Geschlechtsbezug. Demgemäß ist damit die Gesamtzahl aller getöteter Frauen nicht mit der Anzahl an Femiziden gleichzusetzen. Eine Tat ohne Geschlechtsbezug könnte beispielsweise eine solche sein, bei der eine Frau zufällig durch einen Querschläger infolge einer Schussabgabe getötet wird.

In diesem Zusammenhang wird häufig die Definition von Campbell und Runyan (1998) gegenübergestellt, die in der Einleitung eines Themenhefts zu Femiziden folgende Definition voranstellen: „[…] femicide refers to all killings of women, regardless of motive or perpetrator status.“ (Femizid bezieht sich auf alle Tötungen von Frauen, ungeachtet des Motivs oder des Status des Täters) (Campbell und Runyan 1998, S. 348).

Jedoch sind zum Verständnis dieser Aussage die Ausführungen davor von zentraler Bedeutung: Sie beschreiben, dass sie sich aus einer empirischen Perspektive heraus mit Femiziden beschäftigen. Je nach verwendeten Daten sind Rückschlüsse auf das Motiv des Täters schwierig oder nicht möglich.

Daher wird häufig aus praktischen Gründen heraus die Anzahl getöteter Frauen (und Mädchen) herangezogen, um das Ausmaß an Femiziden zu bestimmen. Diese Information liegt in vielen Ländern durch die polizeiliche Kriminalstatistik vor (z.B. Bundeskriminalamt 2024). In anderen Arbeiten wird eine bestimmte Täter-Opfer-Beziehung fokussiert und die Anzahl von Frauen angegeben, die durch den (ehemaligen) Partner getötet wurden. Teilweise wird die Anzahl der innerhalb der Familie getöteten Frauen hinzugenommen (United Nations Office on Drugs and Crime und UN Women 2023). Eine grundsätzlich definitorische Einengung des Begriffs Femizid ist damit nicht zwangsläufig verbunden. Ausschlaggebend für das Vorgehen sind vielmehr das Vorhandensein von Zahlen oder forschungspragmatische Gründe.

Neben aktivistischen und politischen Konzepten zu Femizid, setzen sich auch feministische, soziologische, kriminologische, menschenrechtliche und dekoloniale Forschungsansätze mit Femizid und dessen Theoretisierung auseinander (Corradi et al. 2016).

3 Feminizid

Eine andere wichtige Definition stammt von der mexikanischen Wissenschaftlerin und Aktivistin Marcela Lagarde y de los Ríos. Sie verwendet den Begriff feminicidio. Sie betont die Rolle des Staates, der die Frauen nicht ausreichend beschützt, nicht für ihre Sicherheit sorgt und die Taten nicht angemessen verfolgt, sodass von einem Staatsversagen gesprochen werden kann (Lagarde y de los Ríos 2008, S. 235).

Der Begriff Femi(ni)zid ist eng mit Lateinamerika verbunden, da er dort getragen durch Aktivist:innen bereits früh breite Verwendung fand. In diesem Kontext werden auch häufig die Morde in der mexikanischen Stadt Ciudad Juárez genannt. Oft sind es Frauen mit niedrigem ökonomischem Status, die entführt werden, sexuelle Gewalt erleben und deren Leichname auf Brachland abgelegt werden (Amnesty International 2023). Damit unterscheiden sich diese Taten von regelmäßig vorkommenden Taten in Deutschland (Habermann 2023).

4 Geschlechtsbezug der Taten

Bei manchen Taten scheint der Geschlechtsbezug leichter erkennbar zu sein als bei anderen. Sollen etwa bei einem Amoklauf gezielt aus Frauenhass Frauen getötet werden, so dürften die meisten Personen diese Tat als Femizid bezeichnen, da die Frauen aufgrund ihres Geschlechts getötet wurden. Bei Tötungen durch den aktuellen oder ehemaligen Partner mag dies zunächst nicht so offensichtlich sein, doch die Frauen werden häufig getötet, da ihnen ein selbstbestimmtes Leben durch ihre (ehemaligen) Partner nicht zugestanden wird. Macht und Kontrolle spielen eine wesentliche Rolle (Habermann 2023, S. 413–414). Daher kann es für die Entscheidung, ob eine konkrete Tat einen Femizid darstellt, hilfreich sein, sich mit den folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Inwiefern wurde die Frau verdinglicht und zum Objekt gemacht? Hat sie gegen Erwartungen verstoßen, die mit ihrer sozialen Rolle als Frau verbunden sind? Oder wurden ihr selbstbestimmte Entscheidungen versagt?

5 Weitere Begriffe

In der bisherigen Forschungsliteratur werden auch Begriffe wie intimate partner homicide, intimate partner murder (Dobash und Dobash 2015), Partnerinnentötungen (Habermann 2023), Tötungsdelikte in Paarbeziehungen (Greuel 2009) oder Intimizid (Marneros 2018, S. 200–201) verwendet, wobei die Tötung des männlichen Partners durch eine Frau ein- oder ausgeschlossen sein kann.

6 Formen von Femiziden

Mit Femiziden werden zuallererst Tötungsdelikte in Verbindung gebracht, oft erfolgt eine Einschränkung auf diese. Dabei werden häufig folgende Formen differenziert – zu berücksichtigen ist, dass im Folgenden unterschiedliche Aspekte herangezogen werden, wie die Täter-Opfer-Beziehung, aber auch z.B. die Motivation für das Tötungsdelikt:

  • durch den (ehemaligen) Partner (ausführlicher behandelt im nachfolgenden Abschnitt)
  • durch ein Familienmitglied
  • im Namen der „Ehre“
  • in Verbindung mit sexualisierter Gewalt
  • an Prostituierten
  • Mitgifttötungen (mit Verweis auf den kolonialen Blick auf diese Taten siehe Streuer 2023, S. 123).
  • in Verbindung mit der Beschuldigung der Hexerei (erneut zur kolonialen Perspektive siehe Streuer 2023, S. 171).
  • aufgrund der sexuellen Orientierung und Geschlechteridentität
  • an Frauenrechtlerinnen (teilweise werden Tötungsdelikte an ethnischen oder indigenen Gruppen gesondert aufgeführt, z.B. Academic Council on the United Nations System 2013. Wenngleich intersektionale Diskriminierung berücksichtigt werden muss, ist es fraglich, ob eine Abgrenzung zu Tötungsdelikten an weißen Frauen sinnvoll erscheint, siehe Streuer 2023, S. 62).
  • im Kontext bewaffneter Konflikte
    (Academic Council on the United Nations System 2013, S. 2; Baldry und Magalhães 2018; Hellmann 2023; Russell 2011; Streuer 2023; United Nations 2012)

In einem weiten Verständnis kann auch der Tod infolge gewisser misogyner oder geschlechtsspezifischer Handlungen als Femizid verstanden werden. Darunter können fallen:

  • unsichere, medizinisch nicht sachgerechte Schwangerschaftsabbrüche
  • Müttersterblichkeit
  • Abtreibung weiblicher Föten
  • Vernachlässigung von Töchtern
  • Genitalverstümmelung
  • Durchführung von medizinisch nicht erforderlichen Operationen (beispielsweise Hysterektomien)
  • in Zusammenhang mit Gangs, organisiertem Verbrechen, Drogenhandel, Menschenhandel und der Verbreitung von Handfeuerwaffen
    (Academic Council on the United Nations System 2013; Baldry und Magalhães 2018; Hellmann 2023; Russell 2011; Streuer 2023; United Nations 2012)

Die beiden Auflistungen illustrieren mögliche Erscheinungsformen von Femiziden; sind jedoch nicht als vollständig anzusehen. So können auch Suizide von Frauen in Folge von gewalttätigem Verhalten des Partners oder infolge von sexualisierter Gewalt als Femizid aufgefasst werden (Habermann 2023, S. 22).

7 Tötungsdelikte durch Beziehungspartner

Tötungsdelikte durch den aktuellen oder ehemaligen Beziehungspartner können als Beziehungsfemizide bezeichnet werden und stellen sowohl in Deutschland als auch weltweit – insbesondere in Europa und Amerika – die häufigste Form des Femizids dar (Habermann 2023, S. 58, 260, 277–278; UNODC 2018, S. 10; UNODC and UN Women 2024, S. 4). Bezüglich Tötungen durch den (ehemaligen) Partner bestehen gewisse stereotype Annahmen, etwa dass diese Taten spontan begangen würden und die Frau eine Mitverantwortung getragen hätte. Stellenweise wird der Betroffenen die Verantwortung zugeschrieben (victim blaming). Diese Annahmen lassen sich jedoch empirisch widerlegen. Forschungsarbeiten zeigen, dass sich diese Taten häufig im Kontext einer Trennung ereignen, diese entweder schon vollzogen ist oder anstehen könnte. Im Vorfeld der Tötungsdelikte können Todesdrohungen ausgesprochen oder vorbereitende Handlungen für die Tatbegehung getroffen werden. Dies unterstreicht, dass diese Taten eher geplant sind und mit ihnen ein bestimmtes Ziel verfolgt wird. Dem Tötungsdelikt kann körperliche Gewalt vorausgegangen sein, es kann aber auch die erste körperliche Gewaltanwendung darstellen. Von größerer Bedeutung ist die Ausübung von Kontrolle im Vorfeld der Tat. Der durch den Täter erlebte Macht- und Kontrollverlust führt zur Begehung des Tötungsdelikts (Habermann 2023, S. 280–284, 290; Greuel 2009; Monckton Smith 2020). Die Taten lassen sich folglich als Reaktion des Täters verstehen, welcher seinen Macht-, Kontroll- und Besitzanspruch über seine Partnerin durch deren selbstbestimmte Lebensgestaltung herausgefordert sieht (Habermann 2023, S. 413–414).

8 Gesellschaftliche Aufmerksamkeit, rechtlicher Rahmen und Prävention

In Deutschland sowie weltweit haben sich aktivistische Gruppen Femiziden gewidmet, indem sie Fälle sammeln (siehe Instagram-Kanal femizide_stoppen) oder Kundgebungen und Gedenkfeiern veranstalten. Diverse Projekte versuchen Frauen, die von Gewalt betroffen sind, zu unterstützen, ihnen Informationen zukommen zu lassen oder ihnen ermöglichen, Gewalt und Kontrolle zu dokumentieren, z.B. mit der geheimen App von Gewaltfrei in die Zukunft. In den Medien wird häufiger der Begriff Femizid anstelle der früher verwendeten verharmlosenden Bezeichnungen verwendet (Meltzer 2021). Sachbücher und Dokumentationen erschienen (siehe Literatur zum Einstieg).

International bedeutende Rechtsinstrumente sind die UN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW 1979), die Resolution der Vereinten Nationen über die Beseitigung von Gewalt gegen Frauen (1993), das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (1998) und das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention 2011). Auf Ebene der Europäischen Union gelten darüber hinaus die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (2000), die Richtlinien zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer (2011/36/EU), die Richtlinie zur Möglichkeit, Schutzanordnungen grenzüberschreitend anzuerkennen (2011/99/EU), sowie die geplante Richtlinie zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (2024/1385).

In Deutschland bietet das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) Betroffenen von Gewalt z.B. die Möglichkeit, Kontakt- und Näherungsverbote zu erwirken. Strafrechtlich wurde etwa § 46 StGB „Grundsätze der Strafzumessung“ angepasst, sodass nun explizit die geschlechtsspezifischen Beweggründe benannt werden, die als straferhöhend herangezogen werden können. Die Einführung eines Femizid-Straftatbestands für Deutschland wurde diskutiert (u.a. Habermann 2021). Des Weiteren wird die Einführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung bei Hochrisikofällen debattiert, wobei die Umsetzung auch über Landesgesetze erfolgen könnte. Im Februar 2025 wurde die Einführung des Gewalthilfegesetzes (GewHG) beschlossen, welches den kostenfreien und niedrigschwelliger Zugang zu Schutz- und Beratungseinrichtungen sicherstellen soll. Neben der zeitlichen Umsetzung kann diskutiert werden, welche Frauen von dem Gesetz profitieren.

Zur Verhinderung von Tötungsdelikten an Frauen kann der Einsatz von Risikobewertungstools zur Vorhersage von tödlich endender Gewalt in unterschiedlichen Behörden ausgebaut werden. Gleichzeitig sollten die Risikobewertungstools optimiert werden. Interdisziplinäre Fallkonferenzen, bei denen Vertreter:innen unterschiedlichster Institutionen gemeinsam über den bestmöglichen Schutz betroffener Frauen beraten und entsprechend abgestimmt handeln, sind eines der vielversprechendsten Mittel, schwere Gewaltausübung zu verhindern. Wesentlich ist jedoch auch, Primärprävention zu betreiben, um die erstmalige Betroffenheit von Gewalt zu reduzieren: Dazu gehört es, für geschlechtsspezifische Gewalt zu sensibilisieren, das Bewusstsein für Kontrolle in Beziehungen zu steigern und über Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit zu diskutieren.

9 Schlussbemerkung: Der Nutzen des Begriffs

Das Ausmaß geschlechtsbasierter Gewalt, bei welchem Femizide eine Ausprägung sind, ist in Deutschland, aber auch weltweit weiterhin hoch.

Die Tötungen von Frauen, „weil sie Frauen sind“, oder „aufgrund ihres Geschlechts“ entstehen aus geschlechtsbasierter Ungleichheit und damit einhergehender Machtverteilung, welche die gesellschaftlichen Strukturen durchdringen.

Ein einheitliches Verständnis des Begriffs Femizid sowie der Taten, die darunter zu fassen sind, existiert nicht. Da der Begriff unterschiedlich verwendet wird, ist es erforderlich, zu spezifizieren, ob ein sehr allgemeines Verständnis ausreicht, z.B. in der Medienberichterstattung, oder zu konkretisieren, über welche Tötungsdelikte und Tode gesprochen und welche explizite Definition verwendet wird.

Der Begriff erfüllt eine wichtige Funktion: Er macht deutlich, dass Gewalt gegen Frauen ein strukturelles Problem unserer Gesellschaft ist. Es geht dabei nicht um einzelne Taten, sondern vielmehr um gemeinsame Muster und Entstehungsbedingungen, die sich in ihnen zeigen. Darauf soll mit dem Begriff des Femizids aufmerksam gemacht werden.

Allerdings hat auch der Begriff des Femizids seine Grenzen: Es ist nicht zwangsläufig erforderlich, dass eine Frau getötet wird, um vergleichbare Ursachen der Taten vorliegen zu haben. Teilweise werden neben oder anstelle der Frau weitere, ihr nahestehende Personen getötet: Das können ihre Kinder sein, der (vermeintlich) neue Partner, Verwandte und Freunde, die für die Trennung der Frau vom Partner verantwortlich gemacht werden oder die Frau unterstützten. Auch diese Taten sind darin begründet, dass die Frau für ihre Bestrebungen, ein vom Partner unabhängiges Leben zu führen, bestraft werden soll. Werden diese Taten, die als assoziierte Femizide bezeichnet werden können, ebenfalls berücksichtigt, nimmt die Anzahl von Femiziden und ihren Todesopfern weiter zu.

Bei Tötungsdelikten an oder dem Tod von Frauen und Mädchen ist die Bedeutung des Geschlechts herauszuarbeiten. Wie sind diese mit gesellschaftlichen Strukturen verbunden? Welche Bedeutung haben Macht, Kontrolle und Besitzansprüche bei der Entstehung? Wie beeinflussen Vorstellungen über Weiblichkeit und Männlichkeit die Taten und deren Bewertung?

10 Quellenangaben

Academic Council On The United Nations System, Hrsg., 2013. Vienna Declaration on Femicide [online]. E/CN.15/2013/NGO/1. United Nations, Economic and Social Council, 01.02.2013 [Zugriff am: 11.01.2020]. Verfügbar unter: https://www.unodc.org/documents/​commissions/​CCPCJ/​CCPCJ_Sessions/​CCPCJ_22/​_E-CN15-2013-NGO1/​E-CN15-2013-NGO1_E.pdf

Amnesty International, Hrsg., 2023. Mexico [online]. Intolerable Killings: 10 years of abductions and murder of women in Ciudad Juárez and Chihuahua. AI Index: AMR 41/026/2003. London: Amnesty International [Zugriff am: 13.11.2024]. Verfügbar unter: https://www.amnesty.org/en/wp-content/​uploads/2021/06/amr410262003en.pdf

Baldry, Anna Constanza und Marie José Magalhães, 2018. Prevention of femicide. In: Shalva Weil, Consuelo Corradi und Marceline Naudi, Hrsg. Femicide across Europe: Theory, research and prevention. Bristol: Policy Press, S. 71–92. ISBN 978-1-4473-4713-2

Bundeskriminalamt, Hrsg. 2024. Bundeslagebilder [online]. Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten 2023. Wiesbaden: Bundeskriminalamt, November 2024 [Zugriff am: 19.12.2024]. Verfügbar unter: https://www.bka.de/SharedDocs/​Downloads/DE/Publikationen/​JahresberichteUndLagebilder/​StraftatenGegenFrauen/​StraftatengegenFrauenBLB2023.pdf?__blob=publicationFile&v=10

Bundesregierung, 2025. Gewalthilfegesetz im Bundesrat beschlossen [online]. Bessere Unterstützung für Gewaltopfer. Berlin: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 14.02.2025 [Zugriff am: 18.03.2025]. Verfügbar unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/​bundesregierung/​gesetzesvorhaben/​gewalthilfegesetz-2321756

Campbell, Jacquelyn C. und Carol W. Runyan, 1998. Femicide. Homicide Studies. 2(4), 347–352. ISSN 1552-6720

Corradi, Consuelo, Chaime Marcuello-Servós, Santiago Boira, und Shalva Weil, 2016. Theories of femicide and their significance for social research. In: Current Sociology [online]. 64(7), S. 975–995 [Zugriff am: 29.03.2025]. ISSN 1461-7064. doi:10.1177/0011392115622256

Dobash, R. Emerson und Russell Dobash, 2015. When men murder women. Oxford: Oxford University Press. ISBN 978-0-19-027326-2

Greuel, Luise, 2009. Forschungsprojekt: Gewalteskalation in Paarbeziehungen [online]. Abschlussbericht. Bremen: Institut für Polizei und Sicherheitsforschung, August 2009 [Zugriff am: 09.01.2020]. Verfügbar unter: https://polizei.nrw/sites/​default/​files/​2016-11/​Gewaltesk_Forschungsproj_lang.pdf

Habermann, Julia, 2021. Möglichkeiten der Sanktionierung von Femiziden im deutschen Strafrecht [online]. Ist ein Femizid-Straftatbestand notwendig? In: Neue Kriminalpolitik. 33(2), 189–208. ISSN 2942-1624. doi:10.5771/0934-9200-2021-2-189

Habermann, Julia, 2023. Partnerinnentötungen und deren gerichtliche Sanktionierung: Eine vergleichende Urteilsanalyse zu Partnerinnentötungen als Form des Femizids. Wiesbaden: Springer VS. ISBN 978-3-658-40740-7 [Rezension bei socialnet]

Hellmann, Deborah F., 2023. Gewalt gegen Frauen in Deutschland [online]. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 02.03.2023 [Zugriff am: 19.12.2024]. Verfügbar unter: https://www.bpb.de/themen/​gender-diversitaet/​femizide-und-gewalt-gegen-frauen/​518720/​gewalt-gegen-frauen-in-deutschland/#node-content-title-0

Lagarde y de los Rios, Marcela, 2008. Antropologia, feminismo y política [online]. Violencia feminicide y derechos humanos de las mujeres [Zugriff am: 25.06.2021]. Verfügbar unter: https://www.ankulegi.org/wp-content/​uploads/2012/03/0008Lagarde.pdf

Marneros, Andreas, 2018. Intimizid: Die Tötung des Intimpartners: Ursachen, Tatsituationen und forensische Beurteilung. Stuttgart: Schattauer. ISBN 978-3-608-42414-0

Meltzer, Christine E. 2021. Tragische Einzelfälle? [online]. Wie Medien über Gewalt gegen Frauen berichten. Frankfurt am Main: Otto Brenner Stiftung, 01.06.2021 [Zugriff am: 19.12.2024]. Verfügbar unter: https://www.otto-brenner-stiftung.de/fileadmin/​user_data/​stiftung/​02_Wissenschaftsportal/​03_Publikationen/​AP47_Tragische_Einzelfaelle.pdf

Monckton Smith, Jane, 2020. Intimate Partner Femicide [online]. Using Foucauldian Analysis to Track an Eight Stage Progression to Homicide. In: Violence Against Women. 26(11), 1267–1285. ISSN 1077-8012. doi:10.1177/1077801219863876

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Russell, Diana E. H., 2013. „Femicide“ [online]. The Power of a Name. In: Academic Council On The United Nations System, Hrsg. Femicide: A Global Issue That Demands Action. S. 19–20. Wien: Academic Council On The United Nations System [Zugriff am: 10.01.2020]. Verfügbar unter: https://www.unsavienna.org/index.php/sites/​default/​files/​2020-08/​Femicide%20I_0.pdf

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Streuer, Jara, 2023. Feminizid: Diskursbegriff, Rechtsbegriff, Völkerstrafrechtsbegriff. Dissertation. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft. ISBN 978-3-7560-0445-4

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11 Literaturhinweise

Literatur zum Einstieg

Backes, Laura und Margherita Bettoni 2021. Alle drei Tage: Warum Männer Frauen töten und was wir dagegen tun müssen. München: Deutsche Verlags-Anstalt; Spiegel-Verlag. ISBN 978-3-421-04874-5

bpb, Hrsg., 2023. Femizid [online]. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 73(14), 03.04.2023 [Zugriff am: 13.11.2024]. ISSN 0479-611X. Verfügbar unter: https://www.bpb.de/system/​files/​dokument_pdf/​APuZ_2023-14_Online-PDF.pdf

Cruschwitz, Julia und Carolin Haentjes, 2024. Femizide: Frauenmorde in Deutschland. 2., erweiterte und korrigierte Auflage. Stuttgart: Hirzel. ISBN 978-3-7776-3069-4

Sachbücher, die allgemeiner auf geschlechtsbasierte Gewalt und den staatlichen Umgang damit eingehen

Clemm, Christina, 2020. AktenEinsicht: Geschichten von Frauen und Gewalt. München: Verlag Antje Kunstmann. ISBN 978-3-95614-647-3

Clemm, Christina, 2023. Gegen Frauenhass. Berlin: Hanser. ISBN 978-3-446-27731-1 [Rezension bei socialnet]

Hedayati, Asha, 2023. Die stille Gewalt: Wie der Staat Frauen alleinlässt. Hamburg: Rowohlt Polaris. ISBN 978-3-499-01032-3

Joel, Antje 2020. Prügel: Eine ganz gewöhnliche Geschichte häuslicher Gewalt. Hamburg: Rowohlt. ISBN 978-3-499-68043-4

Wissenschaftliche Literatur

Dawson, Myrna und Saide Mobayed Vega, Hrsg., 2023. The Routledge international handbook of femicide and feminicide. London: Routledge. ISBN 978-1-000-86946-0

Habermann, Julia, 2023. Partnerinnentötungen und deren gerichtliche Sanktionierung: Eine vergleichende Urteilsanalyse zu Partnerinnentötungen als Form des Femizids. Wiesbaden: Springer VS. ISBN 978-3-658-40740-7 [Rezension bei socialnet]

Russell, Diana E. H. und Roberta A. Harmes, Hrsg., 2001. Femicide in global perspective. New York: Teachers College Press. Athene series. ISBN 978-0-8077-4047-7

Verfasst von
Dr. Julia Habermann
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr-Universität Bochum
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