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Fetale Alkohol Spektrum Störung

Prof. Dr. Annemarie Jost

veröffentlicht am 10.01.2018

Abkürzung: FASD

Englisch: Fetal Alcohol Spectrum Disorder

Medizinischer Disclaimer: Herausgeberin und Autor:innen haften nicht für die Richtigkeit der Angaben. Beiträge zu Gesundheitsthemen ersetzen keine ärztliche Beratung und richten sich nur an Fachleute.

Mütterlicher Alkoholkonsum während der Schwangerschaft ist eine häufige Ursache für angeborene Fehlbildungen, geistige Behinderungen, Entwicklungsstörungen und extreme Verhaltensauffälligkeiten. Alle Formen dieser vorgeburtlichen Schädigungen werden unter dem Begriff FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorder; deutsch: Fetale Alkohol Spektrum Störungen) zusammengefasst (FASD Deutschland e.V. 2017).

Überblick

  1. 1 Begriff
  2. 2 Psychosoziale Probleme von Menschen mit FASD
  3. 3 Quellenangaben
  4. 4 Informationen im Internet

1 Begriff

Der Begriff schließt das Vollbild mit Gesichtsfehlbildungen, das Fetale Alkoholsyndrom, mit ein (s. Kellermann 2007); ein älterer, noch im ICD 10 verwendeter Begriff ist Alkohol-Embryopathie (Q 86.0). Weitere Begriffe für umschriebene Schädigungen durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft, die nicht alle Charakteristika des Vollbildes umfassen, sind: Fetale Alkoholeffekte, alkoholbedingte Geburtsschäden und alkoholbedingte neurologische Entwicklungsstörungen.

2 Psychosoziale Probleme von Menschen mit FASD

Die diagnostische Abklärung gestaltet sich im Jugend- und jungen Erwachsenenalter nicht selten schwierig und so werden psychische Störungen von Betroffenen mit FASD nicht nur in der Jugendhilfe, sondern auch im psychiatrischen Hilfesystem, bei Begutachtungen und in der Eingliederungshilfe unvollständig betrachtet, obwohl es inzwischen gut aufbereitete, im Netz frei verfügbare Informationen, auch zu den sozialrechtlichen Ansprüchen der Betroffenen gibt (Drogenbeauftragte der Bundesregierung 2016).

Streissguth (1997, S. 109 ff.) stellt heraus, dass über 90 % der FASD Betroffenen psychische Probleme hatten; bei Jugendlichen dominierten Aufmerksamkeitsdefizitstörungen und über 50 % der Erwachsenen litten unter Depressionen. Mangelnde Schulabschlüsse, Gesetzeskonflikte mit Inhaftierungen im späten Jugend- und im Erwachsenenalter, Sexualprobleme und eigene Suchtgefährdung waren weitere typische Probleme.

Besondere Schwierigkeiten haben die Betroffenen mit Reiz überflutenden Umgebungen und in der Analyse sozialer Situationen (Streissguth 1997, S. 126 f.):

  • Sie werden z.B. in vollen Räumen oder in der Auseinandersetzung mit Fremden überstimuliert.
  • Sie reagieren plötzlich mit starken Emotionen und durchleben schnelle Stimmungswechsel.
  • Sie haben eine geringe Aufmerksamkeitsspanne, führen Aufgaben nicht zu Ende, unterbrechen andere und verlegen Gegenstände.
  • Sie können subtile zwischenmenschliche Botschaften schwer verstehen, können schwer herausfinden, wem sie vertrauen können und
  • überblicken die sozialen Konsequenzen ihres Verhaltens wenig.

Störungen der Exekutivfunktionen, die insbesondere die Handlungsplanung und zielgerichtete Ausführung und die Lenkung der Aufmerksamkeit auf relevante Informationen umfassen, treten unabhängig von einer Beeinträchtigung der Intelligenz auf und führen dazu, dass alltägliche Abläufe durcheinander geraten, keine altersentsprechende Selbstständigkeit eintritt und Zeitstrukturen durcheinander geraten (Spohr 2016). So können die Betroffenen den Prozess der Verselbstständigung im jungen Erwachsenenalter weniger gut als andere vollziehen, brauchen dauerhaft Unterstützung und Halt gebende Strukturen, haben Schwierigkeiten in der Berufseinmündung und ein hohes schulisches und berufliches Abbruchrisiko. Auch bei der Partnerwahl laufen sie Gefahr, zurückgewiesen oder Opfer sexueller Übergriffe zu werden (Jost 2017).

3 Quellenangaben

Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 2016. Alkoholkonsum in der Schwangerschaft und Fetales Alkoholsyndrom [online]. Berlin: Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 01.11.2016 [Zugriff am 05.12.2017]. Verfügbar unter: https://www.drogenbeauftragte.de/themen/​suchtstoffe-und-abhaengigkeiten/​alkohol/​alkoholkonsum-in-der-schwangerschaft-und-fetales-alkoholsyndrom.html

FASD Deutschland e.V., 2017. Informationsportal des FASD Deutschland e.V. [online]. Lingen: FASD Deutschland e.V. [Zugriff am 05.12.2017] Verfügbar unter: http://www.fasd-deutschland.de

Jost, Annemarie, 2017. Die sozialpsychiatrische Perspektive. In: Annemarie Jost und Jan V. Wirth, Hrsg. Mehrperspektivisches Arbeiten in der Kinder- und Jugendhilfe. „Steven M.“ – ein Junge mit FASD. Stuttgart: Kohlhammer. S. 108 – 121. ISBN 978-3-17-032098-7

Kellermann, Teresa, 2007. John grows up [online]. Tucson, Arizona: Teresa Kellermann [Zugriff am 05.12.2017]. Verfügbar unter: http://come-over.to/FAS/JohnGrowsUp.htm

Spohr, Hans-Ludwig, 2016. Das Fetale Alkoholsyndrom. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Berlin: De Gruyter. ISBN 978-3-11-044328-8

Streissguth, Ann P., 1997. Fetal Alcohol Syndrome. Baltimore, London, Sydney: Brookes. ISBN 1-55766-283-5

4 Informationen im Internet

Verfasst von
Prof. Dr. Annemarie Jost
Professorin für Sozialpsychiatrie an der Fakultät 4 der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg
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