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Grundrente

Sylvia V. Schmidt

veröffentlicht am 02.08.2023

Englisch: basic pension

Geltungsbereich: Deutschland

Genderhinweis: In Anlehnung an den Gesetzestext wird das generische Maskulinum geschlechtsneutral verwendet.

Rechtlicher Disclaimer: Herausgeberin und Autor:innen haften nicht für die Richtigkeit der Angaben. Beiträge zu Rechtsfragen können aufgrund geänderter Rechtslage schnell veralten. Sie ersetzen keine individuelle Beratung.

Bei der Grundrente handelt sich um einen Zuschlag zu gesetzlichen Renten für langjährig Versicherte, die unterdurchschnittlich verdient haben. Sie wurde 2021 eingeführt.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Hintergrund
  3. 3 Zuständige Leistungsträger
  4. 4 Persönlicher Anwendungsbereich
  5. 5 Antrag und Leistungsbeginn
  6. 6 Voraussetzungen
    1. 6.1 Grundrentenzeiten (§ 76g Abs. 2 SGB VI)
    2. 6.2 Grundrentenbewertungszeiten (§ 76g Abs. 3 SGB VI)
    3. 6.3 Zuschlagsberechtigung
  7. 7 Zuschlagsgewährung
  8. 8 Einkommensanrechnung (§ 97a SGB VI)
  9. 9 Freibeträge in Fürsorgesystemen
  10. 10 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Die sog. Grundrente ist keine eigenständige Versicherungsleistung der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Bei ihr handelt es sich um einen Zuschlag auf die von Versicherten erwirtschafteten Entgeltpunkte. Er ist in § 76g SGB VI Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung – normiert. Die in der GRV angesammelten individuellen Entgeltpunkte, sofern sie zwischen 0,3 und 0,8 pro Jahr liegen, werden für maximal 35 Jahre aufgewertet. Hierzu wird die Zahl der individuellen Entgeltpunkte maximal verdoppelt, jedoch nicht auf mehr als 0,8 pro Jahr.

Die Systematik der Normen zur sog. Grundrente unterscheidet zwischen dem

  • Anspruch auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung und
  • einem Anspruch auf Auszahlung eines wertmäßigen Geldbetrages für den Zuschlag als Rentenanteil, der dann Bestandteil einer im Übrigen gewährten Rente wird.

Ein Anspruch auf Zuschlag an Entgeltpunkten besteht, wenn eine bestimmte Anzahl von relevanten rentenrechtlichen Zeiten vorliegt und der Durchschnittswert der sich aus diesen Zeiten ergebenden Entgeltpunkte einen normierten Höchstbetrag nicht überschreitet. Ergibt sich ein Anspruch auf Zuerkennung eines Zuschlages, wird auf den wertmäßigen Rentenanteil Einkommen des Rentenberechtigten und seines Ehepartners bzw. Lebenspartners angerechnet.

2 Hintergrund

Mit dem Gesetz zur Einführung der Grundrente für langjährige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (Grundrentengesetz, BGBl. I. 2020, S. 1879) vom 12. August 2020 setzte der Gesetzgeber das Ziel aus dem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2018 um, die „Lebensleistung“ von Menschen honorieren zu wollen, indem ihnen im „Alter“ ein „Einkommen“ über der Grundsicherung zur Verfügung steht.

Damit sind die beiden Kernziele des Grundrentengesetzes angesprochen:

  1. die Honorierung einer rentenrechtlich relevanten Lebensleistung und
  2. die Vermeidung von Altersarmut.

Der Gesetzgeber beabsichtigt, den Erfolg und die Zielgenauigkeit der sog. Grundrente im Jahr 2025 zu evaluieren (siehe § 307h SGB VI) (zur sozialpolitischen Bewertung der Grundrente Mushoff 2022, Rn. 191 ff.).

Mit der Leistung soll das Vertrauen in das Grundversprechen des Sozialstaates und in die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung gestärkt werden (BT-Drs. 19/16581, S. 5. Zur Kritik und befürwortenden Argumenten Schmidt 2021, Kap. A und Kap. F V.). Im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung begründen die langfristigen Beitragsverpflichtungen, die erst zu einem sehr viel später liegenden Zeitpunkt zu Leistungen führen, ein besonderes Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Leistungsregeln (BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985, 1 BvL 5/80, BVerfGE 69, 272, 309). Zudem folgt aus dem in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich angeordneten Versicherungszwang mit einem erheblichen Beitragssatzniveau die Pflicht des Gesetzgebers, für die erbrachten Beitragsleistungen im Versicherungsfall adäquate Versicherungsleistungen vorzusehen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. Juli 2007, 1 BvR 824/03, SozR 4-2600 § 68 Nr. 2; Nichtannahmebeschluss vom 3. Juni 2014, 1 BvR 79/09, SozR 4-2600 § 68 Nr. 4).

Der Gesetzgeber sieht zur Finanzierung der Grundrente keine Beitragsmittel vor, sondern ausschließlich Steuermittel. Umgesetzt wird dies nicht durch eine Spitzabrechnung, sondern eine pauschale Erhöhung des Bundeszuschusses.

3 Zuständige Leistungsträger

Zuständige Leistungsträger für die Abwicklung der Grundrente sind die Träger der GRV, mithin die DRV Bund, die DRV Knappschaft-Bahn-See und die Regionalträger (siehe § 125 SGB VI). Sozialversicherungsträgern dürfen nach Art. 87 Abs. 2 GG nur Aufgaben übertragen werden, für die dem Bund die Gesetzgebungskompetenz gem. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG (Sozialversicherung) zusteht. Die sog. Grundrente steht als Leistungselement in Form eines Zuschlages im Kontext eines schon bestehenden Rentenanspruchs, sodass es sich um ein Leistungselement der Sozialversicherung, ggf. mit Merkmalen der öffentlichen Fürsorge kombiniert, handelt (zur rechtssystematischen Einordnung Mushoff 2022, Rn. 43 ff.). Der Gesetzgeber bewegt sich mit der sog. Grundrente nicht außerhalb des durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gezogenen Rahmens seiner Kompetenzen (Brosius-Gersdorf 2020).

4 Persönlicher Anwendungsbereich

Zuschlagsberechtigt können ausschließlich die Rentenberechtigten der GRV sein. Diese umfasst die allgemeine Rentenversicherung und die knappschaftliche Rentenversicherung. Eine Übertragung in andere Alterssicherungssysteme ist nicht erfolgt.

Der Zuschlag wird für alle Rentenarten i.S.d. § 33 SGB VI gewährt. Dies sind alle Renten wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder wegen Todes. Hinterbliebene können somit ebenfalls einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung aus der Versicherung des Verstorbenen erhalten. Da es sich bei der Rente wegen Todes um eine aus der Versicherung des verstorbenen Versicherten abgeleitete Rente handelt, müssen die Voraussetzungen des Zuschlages in der Versicherungsbiografie des Verstorbenen erfüllt sein. Auf den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung wird ebenso Einkommen angerechnet wie auf Renten wegen Todes gemäß § 97 SGB VI. Damit es nicht zu einer teilweise doppelten Anrechnung des Einkommens innerhalb des Gesamtrentenanspruches inklusive des Zuschlages für langjährige Versicherung kommt, wird der Rentenanteil, der auf den Zuschlag entfällt, aus dem Gesamtanspruch auf die Hinterbliebenenrente vor der Einkommensanrechnung nach § 97 SGB VI herausgerechnet (siehe § 97a Abs. 7 SGB VI).

Rentenberechtigte, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und dort ihre deutsche Rente unter den Voraussetzungen der §§ 110 ff. SGB VI beziehen, erhalten – wenn sie die Voraussetzungen im Übrigen erfüllen – auch einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung. § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB VI führt abschließend die Entgeltpunkte auf, aus denen generell eine Rentenzahlung in das Ausland möglich ist und in § 113 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 SGB VI sind die Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung aufgeführt.

5 Antrag und Leistungsbeginn

Der Anspruch auf Grundrente besteht ab dem Jahr 2021. § 117a SGB VI stellt daher klar, dass über den Anspruch auf eine beantragte Rente hinsichtlich der Rentenhöhe auch unter Außerachtlassung des Zuschlages an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung entschieden werden kann, wenn nicht alle maßgeblichen rentenrechtlichen Zeiten bei den Trägern der Rentenversicherung bekannt sind oder durch die erforderliche Einkommensprüfung Verzögerungen hinsichtlich der Zuschlagsprüfung eintreten.

Der Zuschlag selbst setzt keinen Leistungsantrag voraus, da es sich um ein Berechnungselement der jeweils beantragten Rente handelt (zu den Möglichkeiten eines Verzichtes auf den Zuschlag Schmidt 2021, Kap. C Rn. 13).

6 Voraussetzungen

§ 76g Abs. 1 SGB VI legt fest, unter welchen Voraussetzungen ein Rentenberechtigter einen Zuschlag an Entgeltpunkten erhält. Maßgeblich kommt es dabei auf zwei (neue) rentenrechtliche Zeiten an, nämlich die

  1. Grundrentenzeiten und die
  2. Grundrentenbewertungszeiten.

6.1 Grundrentenzeiten (§ 76g Abs. 2 SGB VI)

Grundrentenzeiten sind Kalendermonate mit

  • Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit,
  • freiwilligen Beiträgen, die als Pflichtbeiträge gelten,
  • Pflichtbeiträgen, für die aus den in § 3 oder § 4 SGB VI genannten Gründen Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten,
  • Beiträgen für Anrechnungszeiten, die ein Leistungsträger mitgetragen hat,
  • Berücksichtigungszeiten,
  • Zeiten des Bezuges von Leistungen bei Krankheit und Übergangsgeld, soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind und
  • Ersatzzeiten.

Relevant sind zunächst Zeiten einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder versicherungspflichtigen Tätigkeit. Unterbrechungen einer solchen, die ebenfalls zu rentenrechtlichen Zeiten führen, wie der Bezug von Krankengeld oder Übergangsgeld oder Zeiten der Kindererziehung, sind einer Beschäftigung für den Zuschlag wegen langjähriger Versicherung gleichgestellt. Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld sind ausdrücklich ausgenommen. Rentenberechtigte können im Ergebnis ihre Rente folglich nicht durch Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit erhöhen. Nicht erfasst wird die Zurechnungszeit für Erwerbsminderungsrentner. Auch Zeiten des Bezuges von Mutterschaftsgeld oder Elterngeld sind keine Grundrentenzeiten, soweit sie nicht als Kindererziehungszeiten erfasst sind. Zeiten der freiwilligen Beitragszahlung – soweit sie nicht als Pflichtbeitragszeiten gelten – zählen ebenfalls nicht zu den Grundrentenzeiten, denn der Gesetzgeber wollte nicht die Möglichkeit eröffnen, sich „Grundrentenzuschläge zu erkaufen“ (BT-Drs. 19/17762, S. 4).

6.2 Grundrentenbewertungszeiten (§ 76g Abs. 3 SGB VI)

Grundrentenbewertungszeiten haben zwei Funktionen:

  1. Sie werden zur Berechnung der Höhe des Zuschlages herangezogen.
  2. Sie schließen einen Anspruch auf einen Zuschlag ab einer festgelegten Höhe der Entgeltpunkte aus.

Grundrentenbewertungszeiten sind Kalendermonate mit Grundrentenzeiten, die einen bestimmten Mindestwert aufweisen. Grundrentenbewertungszeiten sind dabei alle Grundrentenzeiten, soweit auf sie jeweils Entgeltpunkte von monatlich zumindest 0,025 entfallen. Hierbei kommt es auf die Entgeltpunkte an, die den jeweiligen Kalendermonaten mit Beitragszeiten oder beitragsfreien Zeiten nach §§ 70 ff. SGB VI zugeordnet sind (zu den Auswirkungen unterschiedlicher Berechnungsmöglichkeiten Diel 2023, Rn. 37 ff.). Abzustellen ist auf die individuelle Beitragsbemessungsgrundlage. Für die Berücksichtigung einer Grundrentenzeit als Grundrentenbewertungszeit bedeutet dies, dass bei einer Beitragszeit wegen Beschäftigung zumindest 30 Prozent des Durchschnittsverdienstes nach der Anlage 1 des SGB VI im jeweiligen Kalenderjahr erzielt worden sein muss. Grundrentenzeiten, die keinen Entgeltpunktewert haben (zum Beispiel die Berücksichtigungszeiten für Erziehung eines Kindes) oder deren Entgeltpunktewert unter 0,025 liegt, sind keine Grundrentenbewertungszeiten.

Die Begrenzung der Berücksichtigung von zuvor als Grundrentenzeiten definierten rentenrechtlichen Zeiten auf diejenigen, die eine Mindesthöhe von 0,025 Entgeltpunkten aufweisen, hat zwei Auswirkungen:

  1. Die Höhe des Zuschlages wird durch die Herausnahme der Kalendermonate, deren Entgeltpunkte den Mindestwert nicht erreichen, für die Berechtigten reduziert und
  2. Rentner mit sehr niedrigen Einkünften im Erwerbsleben und daher sehr niedrigen Renten erhalten ggf. überhaupt keinen Zuschlag.

Keine Bedeutung für die Bewertung der Grundrentenbewertungszeiten dagegen hat der Umfang einer Beschäftigung, durch welche die jeweiligen Entgeltpunkte erwirtschaftet wurden.

6.3 Zuschlagsberechtigung

Die Gewährung eines Zuschlages hängt von zwei Voraussetzungen ab:

  1. Der Rentenberechtigte muss zumindest 33 Jahre/396 Kalendermonate mit Grundrentenzeiten belegt haben.
  2. Der Durchschnittswert der Entgeltpunkte aus allen Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten darf den gesetzlich festgelegten Höchstwert nicht übersteigen.

Der Rentenberechtigte muss zumindest 396 Kalendermonate mit Grundrentenzeiten in seiner Versicherungsbiografie aufweisen. Diese Mindestanzahl von Grundrentenzeiten ist nicht zugleich relevant im Sinne einer Höchstgrenze bei der Berechnung des Durchschnittswertes der Entgeltpunkte der Grundrentenbewertungszeiten ist. Vielmehr wird die Anzahl der zu berücksichtigenden Grundrentenbewertungszeiten bei der Berechnung des Durchschnittswertes nach oben hin nicht begrenzt.

Ein Anspruch auf einen Zuschlag besteht nicht, wenn sich aus den Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten ein Durchschnittswert an Entgeltpunkten ergibt, der über dem nach § 76g Abs. 4 SGB VI maßgebenden Höchstwert liegt. Die Höhe des Durchschnittswertes der Entgeltpunkte bildet an dieser Stelle eine anspruchsausschließende Voraussetzung. Der Höchstwert beträgt 0,0334 Entgeltpunkte pro Monat, wenn 396 Kalendermonate mit Grundrentenzeiten vorliegen. Liegen mehr als 396 Monate, aber weniger als 420 Kalendermonate mit Grundrentenzeiten vor, wird der Wert von 0,0334 Entgeltpunkte für jeden zusätzlichen Kalendermonat mit Grundrentenzeiten um 0,001389 Entgeltpunkte erhöht; das Ergebnis ist auf vier Dezimalstellen zu runden. Liegen mindestens 420 Kalendermonate mit Grundrentenzeiten vor, beträgt der Höchstwert 0,0667 Entgeltpunkte pro Monat. Liegen mehr als 420 Kalendermonate mit Grundrentenzeiten vor, verändert sich dieser Höchstwert nicht.

Der Zeitraum von 396 Kalendermonaten bis 420 Kalendermonaten/33 bis 35 Jahren wird als sog. Gleitzone bezeichnet.

Die Begrenzung liegt damit bei 33 Jahren mit Grundrentenzeiten bei 40 Prozent der Durchschnittsverdienste des jeweiligen Kalenderjahres und bei 35 Jahren bei 80 Prozent. Wurde durchschnittlich über diesen Höchstwerten verdient, besteht kein Anspruch auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung.

Bestandsrenten mit Rentenbeginn bis 31. Dezember 1991 wurden noch vor Inkrafttreten des SGB VI festgestellt und berechnet. Daher liegt kein Versicherungskonto mit erfassten rentenrechtlichen Zeiten nach dem SGB VI vor, weshalb die Feststellung hinsichtlich des Vorliegens von Grundrentenzeiten und Grundrentenbewertungszeiten aufwendig wäre. Damit die Träger der Rentenversicherung gleichwohl die Prüfung und Ermittlung eines Zuschlages an Entgeltpunkten mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand zeitnah durchführen können, normiert § 307f SGB VI für diese Fälle vereinfachende und weitgehend pauschalierende Regelungen.

7 Zuschlagsgewährung

Die Höhe einer Rente, deren Voraussetzungen der Versicherte erfüllt, bestimmt sich aus dem Produkt von

  • persönlichen Entgeltpunkten,
  • Rentenartfaktor und
  • dem aktuellen Rentenwert.

Die persönlichen Entgeltpunkte bilden dabei die individuelle Biografie des Rentenberechtigten ab, soweit sie rentenrechtlich relevant ist. Die maßgeblichen rentenrechtlichen Zeiten sind im Versicherungsverlauf verzeichnet. Nach Maßgabe des § 66 SGB VI werden die Entgeltpunkte durch Vervielfältigung mit dem Zugangsfaktor in persönliche Entgeltpunkte umgerechnet. Die Berechnung dieser persönlichen Entgeltpunkte berücksichtigt auch die Zuschläge an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung.

Da hinsichtlich der Gewährung des Zuschlages eine Einkommensanrechnung zum Tragen kommt, welche aber nicht für die zustehende Rente unter Außerachtlassung des Zuschlages für langjährige Versicherung gilt, sind die persönlichen Entgeltpunkte für den Zuschlag für langjährige Versicherung gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 SGB VI von den übrigen persönlichen Entgeltpunkten getrennt zu ermitteln, indem der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt wird.

Der Zuschlag an Entgeltpunkten wird ermittelt aus dem Durchschnittswert an Entgeltpunkten aus allen Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten und umfasst zunächst diesen Durchschnittswert. Sodann ist der Durchschnittswert zu verdoppeln und dem nach § 76g Abs. 4 SGB VI maßgeblichen Höchstwert gegenüberzustellen (siehe oben unter „Zuschlagsberechtigung“). Übersteigt der verdoppelte Durchschnittswert den jeweils maßgeblichen Höchstwert an Entgeltpunkten, wird der Zuschlag aus dem Differenzbetrag zwischen dem jeweiligen Höchstwert und dem Durchschnittswert ermittelt.

Zur Berechnung der Höhe des Zuschlages an Entgeltpunkten wird der ermittelte Entgeltpunktewert in Form des Durchschnittswertes gemäß § 76g Abs. 4 Satz 1 SGB VI oder des Differenzwertes nach § 76g Abs. 4 Satz 2 SGB VI in einem nächsten Schritt mit dem Faktor 0,875 vervielfältigt. Mit der Reduzierung soll das Äquivalenzprinzip, also der Grundsatz der Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, gestärkt werden (BT-Drs. 19/18473, S. 37). Im Ergebnis soll erreicht werden, dass die Rente mit Grundrentenzuschlag umso höher ausfalle, je höher die Rente aus der eigenen Beitragsleistung sei (BT-Drs. 19/18473, S. 37).

Anschließend wird dieser Zwischenwert mit der Anzahl der Kalendermonate mit Grundrentenbewertungszeiten, höchstens jedoch mit 420, vervielfältigt. Der Zuschlag an Entgeltpunkten wird begrenzt auf maximal 420 Kalendermonate an Grundrentenbewertungszeiten (BT-Drs. 19/18473, S. 37).

Das erzielte Ergebnis ist der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung.

Abschließend ist der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung noch mit dem jeweiligen aktuellen Rentenwert zu multiplizieren, um den auf den Zuschlag entfallenden wertmäßigen Rentenanteil zu berechnen.

Der Zuschlag an Entgeltpunkten wird gemäß § 76g Abs. 5 SGB VI den Kalendermonaten mit Grundrentenbewertungszeiten zu gleichen Teilen zugeordnet. Kalendermonaten mit Entgeltpunkten (Ost) werden Zuschläge an Entgeltpunkten (Ost) zugeordnet.

Für Bestandsrenten mit Beginn vor dem 1. Januar 1992 trifft § 307f Abs. 4 SGB VI nur für Westrenten eine zu beachtende Sonderregel. Für den Fall, dass dem Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten nach Art. 82 RRG 1992 sowohl Zeiten der allgemeinen Rentenversicherung als auch der knappschaftlichen Rentenversicherung zugrunde lagen, ist der Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung getrennt nach dem jeweiligen Verhältnis aller Entgeltpunkte in der allgemeinen Rentenversicherung und aller Entgeltpunkte in der knappschaftlichen Rentenversicherung zu allen Entgeltpunkten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 SGB VI aufzuteilen.

8 Einkommensanrechnung (§ 97a SGB VI)

§ 97a SGB VI regelt die Einkommensanrechnung und sieht bei Erstbewilligung des Grundrentenzuschlages und nachfolgend jährlich eine Einkommensprüfung vor. Die Einkommensanrechnung nach § 97a SGB VI erfolgt nur auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach §§ 76g, 307e und 307f SGB VI.

Auf den Vermögensbestand des Rentenberechtigten kommt es dagegen nicht an (zu den Auswirkungen weiterer Einkommensanrechnungen innerhalb des SGB VI Schmidt 2021, Kap. I Rn. 5).

Auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung wird Einkommen des Rentenberechtigten und seines Ehegatten bzw. Lebenspartners angerechnet.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind

  • das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 EStG,
  • der steuerfreie Teil von Renten und Versorgungsbezügen und
  • die versteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 EStG, soweit diese nicht bereits in dem zu versteuernden Einkommen enthalten sind.

Von dem zu versteuernden Einkommen und dem steuerfreien Teil der Rente ist der darin ggf. enthaltene Rentenanteil, der auf dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung beruht, abzuziehen.

Die anzurechnenden Einkommen werden überwiegend im Wege des Datenabgleichs von der Finanzverwaltung ermittelt. Da die Einkommensprüfung automatisiert unter Berücksichtigung eines Abrufverfahrens der steuerlich vorhandenen Angaben bei den Finanzbehörden erfolgt (§ 151b SGB VI), ist im Rahmen der Einkommensprüfung auf die Daten abzustellen, die bei den Finanzbehörden vorliegen. Die Daten sind für die Träger der Rentenversicherung bindend. Wenn der Rentenberechtigte Einwände gegen die erhobenen Einkommensdaten geltend machen will, müssen diese gegenüber der zuständigen Finanzbehörde geltend gemacht werden. Alternativ ziehen die Träger der Rentenversicherung die Rentenbezugsmitteilungen bei und werten diese zur Einkommensanrechnung aus. Diese anzurechnenden Einkommen werden also nicht beim Rentenberechtigten erhoben. Anderes gilt für die versteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit diese nicht bereits in dem zu versteuernden Einkommen enthalten sind.

Es finden daher zwei nacheinander durchzuführende Einkommensanrechnungen statt:

  1. Eine Einkommensanrechnung mit den von den Finanzverwaltungen übermittelten Daten und
  2. eine Einkommensanrechnung mit dem Einkommen aus Kapitalvermögen.

Besteht nach der ersten Prüfung ein Anspruch auf Auszahlung eines Rentenanteils aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, ist hierüber ein Bescheid zu erlassen.

Sodann haben der Berechtigte und sein Ehegatte/​Lebenspartner innerhalb von drei Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides über den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung dem Träger der Rentenversicherung mitzuteilen, wenn Einkommen in Form von Kapitaleinkünften in dem jeweils maßgeblichen Kalenderjahr erzielt wurde und dessen Höhe nachzuweisen. Eine Mitteilungs- und Nachweisverpflichtung besteht aber nur für versteuerte Kapitalerträge. Nicht anzugeben sind die Kapitalerträge, die bis 801 Euro für Alleinstehende beziehungsweise 1.602 Euro für Ehepaare steuerfrei erzielt worden sind (Sparer-Pauschbetrag nach § 20 Abs. 9 EStG) (BT-Drs. 19/18473, S. 42).

Hinsichtlich dieser Mitteilungspflichten stehen den Trägern der Rentenversicherung Überprüfungsrechte gemäß § 151c SGB VI zur Verfügung, worüber der Zuschlagsberechtigte zu informieren ist. Die Aufforderung, entsprechendes Einkommen mitzuteilen und die Information über die Überprüfungsrechte soll in dem den Rentenanteil aus dem Zuschlag bewilligenden Bescheid erfolgen.

Erfolgt auf Erlass des Bescheides über den Rentenanteil aus dem Zuschlag hin keine Mitteilung des Zuschlagsberechtigten über Einkünfte aus Kapitalvermögen, gilt es als nicht erzielt.

Wird dagegen solches Einkommen mitgeteilt und ergibt sich daraus nach erneuter Einkommensprüfung ein veränderter Rentenanteil aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, ist der Bescheid mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.

Im Fall einer zu Unrecht unterbliebenen oder unrichtigen Auskunft ist der Bescheid nach der gesetzlichen Regelung des § 97a Abs. 6 Satz 6 SGB VI vom Beginn des rechtlich zutreffenden Anrechnungszeitraumes aufzuheben, wenn die Träger der Rentenversicherung auf andere Weise Kenntnis von dem Einkommen erlangen, und eine Erstattung überzahlter Leistungen zu fordern. Nicht anzuwenden ist die Vorschrift zur Anhörung Beteiligter (§ 24 SGB X), weitere Vorschriften des SGB X werden nicht ausdrücklich abbedungen.

Zuschlagsberechtigte und deren Ehe- bzw. Lebenspartner mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die Einkommen im Ausland erzielen, unterliegen auch mit dem ausländischen Einkommen der Einkommensanrechnung. Ausländische Einkünfte, die nicht vom zu versteuernden Einkommen umfasst werden, werden jedoch vom automatisierten Abrufverfahren nicht erfasst. Für solche Einkünfte gilt § 97a Abs. 2 SGB VI sinngemäß. Berechtigte und deren Ehegatten/​Lebenspartner müssen ihr Einkommen durch geeignete Unterlagen gegenüber dem Träger der Rentenversicherung nachweisen. Für Zuschlagsberechtigte und deren Ehegatten/​Lebenspartner mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland gilt dies ebenfalls; sie müssen ihr Einkommen auch durch geeignete Unterlagen nachweisen.

§ 97a Abs. 4 SGB VI regelt Freibeträge für das anzurechnende Einkommen. Angerechnet wird das (monatliche) Einkommen, das den jeweils maßgebenden Betrag (entweder den für Alleinstehende oder den für Ehegatten oder Lebenspartner) übersteigt. Das Einkommen von Ehegatten oder Lebenspartnern dient zur Deckung des gemeinsamen und damit höheren Bedarfes, weshalb für sie höhere Freibeträge gelten als für alleinstehende Rentenberechtigte. Die Beträge sind dynamisch ausgestaltet, indem sie an die Entwicklung des aktuellen Rentenwertes gekoppelt sind. Dadurch werden sie entsprechend der Entwicklung der Renten angepasst. Die jeweils maßgebenden Beträge gelten einheitlich für Berechtigte im gesamten Bundesgebiet. Relevant sind zwei Beträge:

  1. eine Untergrenze, bis zu der das erzielte Einkommen unberücksichtigt bleibt und
  2. eine Obergrenze, ab der das darüber liegende Einkommen vollständig angerechnet wird.

Das zwischen den beiden Grenzen liegende Einkommen wird zu 60 Prozent angerechnet.

Unter Berücksichtigung des ab 1. Juli 2023 geltenden aktuellen Rentenwertes von 37,60 Euro ergeben sich – auf einen vollen Eurobetrag aufgerundete – Beträge für Alleinstehende in Höhe von 1.375 Euro (37,60 Euro x 36,56) und 1.759 Euro (37,60 Euro x 46,78) und für Ehegatten oder Lebenspartner in Höhe von 2.145 Euro (37,60 Euro x 57,03) und 2.530 Euro (37,60 Euro x 67,27).

Hierbei gilt für alleinstehende Berechtigte, dass von dem anzurechnenden Einkommen, das der Höhe nach in einem Einkommenskorridor von über 1.375 Euro bis 1.759 Euro liegt, 60 Prozent auf den Rentenanteil, der sich aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung ergibt, angerechnet wird. Liegt das anzurechnende Einkommen über einem Betrag von 1.759 Euro, ist das diesen Betrag übersteigende anzurechnende Einkommen nicht nur zu 60 Prozent, sondern in voller Höhe auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung anzurechnen. Diese Staffelung soll zu einer höheren Zielgenauigkeit der sog. Grundrente führen, da es bei einem insgesamt höheren anzurechnenden Einkommen auch zu einer stärkeren Kürzung des auf den Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung beruhenden Rentenanteils beziehungsweise zu einem schnelleren Wegfall des gesamten Zahlungsanspruchs (teilweises oder vollständiges Ruhen) komme (BT-Drs. 19/18473, S. 41).

Gleiches gilt für Ehepartner/​Lebenspartner unter Berücksichtigung der jeweils höheren Beträge.

9 Freibeträge in Fürsorgesystemen

Das Grundrentengesetz führte Freibeträge in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§ 82a SGB XII), der Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 11b Abs. 2a SGB II), im Wohngeldrecht (§ 17a WoGG) und im sozialen Entschädigungsrecht (§ 25d Abs. 3c BVG [Bundesversorgungsgesetz]) ein. Diese sind an das Vorliegen von Grundrentenzeiten oder ihnen vergleichbare Zeiten geknüpft.

Die zusätzlichen Freibeträge gelten für alle Leistungsempfänger, die die erforderlichen „versicherungsrechtlichen“ Voraussetzungen erfüllen, unabhängig davon, ob ein Anspruch auf einen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung besteht oder nicht. Dies wird zu einem Anstieg der Leistungsempfänger führen.

10 Quellenangaben

Brosius-Gersdorf, Frauke, 2020. Verfassungsrechtlicher Spielraum für Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung zur Bewältigung des demografischen Wandels. In: Deutsche Rentenversicherung. 75(1), S. 45–74. ISSN 0012-0618

Diel, Udo, 2023. §?76g. In: Dagmar Oppermann und Wolfgang Fichte, Hrsg. Sozialgesetzbuch (SGB) VI: Gesetzliche Rentenversicherung [Hauck/​Noftz SGB VI]. Berlin: Erich Schmidt Verlag. ISBN 978-3-503-11066-7

Mushoff, Tobias, 2022. § 76g SGB VI. In: Rainer Schlegel und Thomas Voelzke, Hrsg. juris PraxisKommentar SGB VI – Gesetzliche Rentenversicherung [online]. 3. Auflage (Stand: 25.10.2022). PDF eBook. Saarbrücken: Juris GmbH. ISBN 978-386-33002-7-2

Schmidt, Sylvia, 2021. Die neue Grundrente: Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung. München: Verlag C.H. Beck. ISBN 978-3-406-76332-8 [Rezension bei socialnet]

Verfasst von
Sylvia V. Schmidt
Richterin am Hessischen Landessozialgericht
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Zitiervorschlag
Schmidt, Sylvia V., 2023. Grundrente [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 02.08.2023 [Zugriff am: 20.09.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/28997

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