Homosexualität
Unter Homosexualität versteht man die Ausrichtung des sexuellen Begehrens auf Personen des gleichen Geschlechts.
Überblick
1 Formen
Neben der Hetero- und der Bisexualität stellt die Homosexualität eine Variante der sexuellen Orientierung dar. Sie hat selbst nichts mit Gesundheit oder Krankheit zu tun, sondern umfasst wie die Heterosexualität das ganze Spektrum von psychischer Gesundheit bis Krankheit (Rauchfleisch 2011). Homosexuelle Männer bezeichnen sich als Schwule, homosexuelle Frauen als Lesben.
2 Häufigkeit und Ursachen
Die Häufigkeit in der Gesamtbevölkerung beträgt mind. 10 %, wobei mit einer hohen Dunkelziffer zu rechnen ist.
Die Ursachen der sexuellen Orientierungen generell sind weitgehend unbekannt, so auch die der Homosexualität. Eine hereditäre Komponente ist wahrscheinlich.
3 Besonderheiten
Für eine gesunde Entwicklung ist ein erfolgreicher Coming-out-Prozess wichtig, zu dem die Selbstakzeptanz des Menschen mit einer gleichgeschlechtlichen Orientierung und das offene Leben als Lesbe oder Schwuler gehören. Die Verheimlichung der eigenen sexuellen Orientierung führt im Allgemeinen zu erheblichen, die Gesundheit beeinträchtigenden Belastungen (Verheimlichungs- und Minoritätenstress; Meyer 2007).
Das Coming-out ist für Jugendliche nach wie vor schwierig (Rauchfleisch 2012; Rauchfleisch 2021). Sie leiden zu einem höheren Prozentsatz als heterosexuelle Jugendliche unter Depressionen, Angstentwicklungen, Substanzabusus und Suizidalität (Krell und Oldemeier 2017; Pöge et al. 2020).
Die gesellschaftliche Akzeptanz von gleichgeschlechtlichen Orientierungen und Lebensweisen ist heute zwar größer als in der Vergangenheit, dennoch sind Lesben und Schwule nach wie vor Diskriminierungen und Ausgrenzungen im privaten wie im öffentlichen Leben ausgesetzt. Sie haben auch vielfach nicht die gleichen Rechte wie heterosexuelle Menschen (z.B. in Bezug auf Eheschließung und Adoption). In etlichen Ländern der Welt wird Homosexualität strafrechtlich verfolgt, bis hin zur Todesstrafe für Lesben und Schwule.
In vielen europäischen Ländern ist heute eine rechtliche Absicherung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft möglich (Partnerschaftsgesetz), die aber nicht in allen Ländern der heterosexuellen Ehe gleichgestellt ist. In den vergangenen Jahren ist die Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren mit Kindern (Regenbogenfamilien) Gegenstand der öffentlichen Diskussion geworden (Rauchfleisch 2011; Familien-/​Sozialverein LSVD 2003).
Kaum beachtet und untersucht ist bisher die Situation älterer Lesben und Schwuler. In Zukunft werden Betagte dieser Gruppe vermehrt in Alters- und Pflegeheime eintreten und dort weiterhin offen leben wollen. Die Institutionen sind darauf noch nicht ausreichend vorbereitet (mangelndes Wissen um gleichgeschlechtliche Orientierungen und Lebensweisen) (Gonzalez et al. 2020).
4 Quellenangaben
Familien- und Sozialverein des Lesben- und Schwulenverbandes in Deutschland (LSVD), Hrsg., 2003. Dokumentation der bundesweiten Fachtagung des LSVD: „Regenbogenfamilien – familiäre und gesellschaftliche Wirklichkeit“. 11./12. Oktober 2003 Berlin
Gonzalez, Antonio, Udo Rauchfleisch und Max Krieg, 2020. LGBTIQ-Menschen mit Respekt und Würde pflegen. In: Krankenpflege. (11), S. 12–17. ISSN 0253-0465
Krell, Claudia und Kerstin Oldemeier, 2017. Coming-out – und dann…?! Coming-out-Verläufe und Diskriminierungserfahrungen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und queeren Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland. Opladen: Verlag Barbara Budrich. ISBN 978-3-8474-0572-6 [Rezension bei socialnet]
Meyer, Ilian H., 2007. Prejudice and Discrimination as Social Stressors. In: Ilian H. Meyer und Mary E. Northridge, Hrsg. The Health of Sexual Minorities: Public Health Perspectives on Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender Populations. New York: Springer, S. 242–267. ISBN 978-0-387-28871-0
Pöge, Kathleen, Gabriele Dennert, Uwe Koppe, Annette Güldenring, Ev B. Matthigack und Alexander Rommel, 2020. Die gesundheitliche Lage von lesbischen, schwulen, bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen. In: Journal of Health Monitoring Special Issue. 5(S1), S. 2–27. ISSN 2511-2708
Rauchfleisch, Udo, 2011. Schwule, Lesben, Bisexuelle: Lebensweisen, Vorurteile, Einsichten. 4., neu bearb. Auflage. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. ISBN 978-3-525-40415-7
Rauchfleisch, Udo, 2012. Mein Kind liebt anders: Ein Ratgeber für Eltern homosexueller Kinder. Ostfildern: Patmos. ISBN 978-3-8436-0212-9
Rauchfleisch, Udo, 2021. Sexuelle Orientierungen und Geschlechtsentwicklungen im Kindes- und Jugendalter. Stuttgart: Kohlhammer. ISBN 978-3-17-039210-6 [Rezension bei socialnet]
Verfasst von
Prof. em. Dr. rer. nat. Udo Rauchfleisch
Dipl.-Psych., Psychoanalytiker (DPG, DGPT). Ehem. Leitender Psychologe Psychiatrische Universitätspoliklinik Basel. In privater psychotherapeutischer Praxis.
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Es gibt 10 Lexikonartikel von Udo Rauchfleisch.
Zitiervorschlag
Rauchfleisch, Udo,
2022.
Homosexualität [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 12.12.2022 [Zugriff am: 19.02.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/29567
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Homosexualitaet
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