Humanistische Psychologie
Prof. Dr. Mark Helle
veröffentlicht am 25.11.2024
Die Humanistische Psychologie formierte sich in den 1950er- und 1960er-Jahren in den USA und bezeichnet sich als sog. Dritte Kraft, die den Menschen in seiner Ganzheit ins Zentrum rückt und damit einen kritischen Gegenpol zu den reduktionistischen Menschenbildern und Forschungsansätzen der beiden Richtungen Behaviorismus und Psychoanalyse bildet. Wichtige Vertreter:innen sind u.a. C.R. Rogers, F. Perls, A. Maslow, Ch. Bühler, V. Satir und R. Cohn.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Geschichte der Humanistischen Psychologie
- 3 Wurzeln der Humanistischen Psychologie
- 4 Menschenbild
- 5 Zur aktuellen Bedeutung der Humanistischen Psychologie
- 6 Quellenangaben
- 7 Literaturhinweise
1 Zusammenfassung
Die Humanistische Psychologie als Gegenpol zum Behaviorismus und der Psychoanalyse formierte sich in den 50er-/​60er-Jahren in den USA und war eng mit den gesellschaftspolitischen Protestbewegungen (Friedensbewegung, Antidiskriminierung, Emanzipation, sexuelle Befreiung etc.) verwoben. Die theoretischen Wurzeln bilden u.a. die Gestaltpsychologie sowie die beiden philosophischen Richtungen Existenzialismus und Phänomenologie. Das Menschenbild der Humanistischen Psychologie ist geprägt von der optimistischen Annahme, dass der Mensch als soziales und konstruktives Wesen von Grund auf gut ist und danach strebt, sich in sinnvoller Weise weiterzuentwickeln.
Während der Anspruch, eine neue Psychologie an den Universitäten zu begründen, nicht eingelöst werden konnte, sind eine Vielzahl an psychotherapeutischen Ansätzen, wie z.B. Gesprächspsychotherapie, Gestalttherapie und Emotionsfokussierte Therapie etc. aus der Humanistischen Psychologie hervorgegangen.
2 Geschichte der Humanistischen Psychologie
Bereits in den 1940er-Jahren drohte sich die Psychologie in den USA in zwei große Bereiche aufzuspalten: Die eine Gruppe waren die experimentellen Psychologen und Psychologinnen, die im Sinne des damals vorherrschenden Behaviorismus psychische Phänomene wie Lernen, Wahrnehmen und Verhalten unter hochkontrollierten tierexperimentellen Bedingungen erforschten. Die andere Gruppe bildeten die praktisch orientierten Klinischen Psychologen und Psychologinnen, die in sich wiederum sehr heterogen waren, da sie sich in
- orthodoxe Vertreter:innen der Psychoanalyse,
- Vertreter:innen von Weiterentwicklungen der Psychoanalyse sowie
- Vertreter:innen des Personzentrierten Ansatzes (Gesprächspsychotherapie) aufgliederten (Groddeck 2002, S. 89 f.).
In diesem Spannungsfeld stellte Carl Rogers als Klinischer Psychologe, dessen Forschung eng an dem naturwissenschaftlichen Paradigma angelehnt war, eine ideale Integrationsfigur dar. So lässt sich seine Wahl zum Präsidenten der American Psychological Association im Jahre 1946 zum einen als ein Bemühen verstehen, mit Rogers die Einheit der Psychologie zu wahren, zum anderen als Anerkennung seines bisherigen Beitrags zur Psychologie.
Parallel hierzu nahmen nun in den USA die innenpolitischen Spannungen zu. Unter Präsident Truman (1945–1953) begann die sogenannte McCarthy-Ära, in der Intellektuelle und politisch engagierte Arbeiter, aus Angst vor einer kommunistischen Unterwanderung, bespitzelt und zum Teil auch mit Berufsverboten belegt wurden. Außenpolitisch fanden sich die USA erstmalig in der Rolle einer Großmacht wieder, die, im Glauben, so den Weltfrieden zu sichern, auf atomare Abschreckung setzte. Die euphorische Stimmung in den USA der 1930er-Jahre kippte und Misstrauen gegenüber der eigenen Bevölkerung und Ängste vor einer nicht zu kontrollierenden Bedrohung von außen prägten das politische Denken. Sowohl innen- als auch außenpolitisch wurde somit in den USA eine Ära eingeleitet, die vor allem von der jungen Generation zunehmend kritisch beobachtet wurde.
In diesem gesellschaftlichen Spannungsfeld entwickelte sich nun die Humanistische Psychologie, die auch als Teil einer sich formierenden Protestbewegung verstanden werden muss. Es handelt sich bei der Humanistischen Psychologie also nicht nur um eine innerdisziplinäre Entwicklung zwischen den beiden Polen Behaviorismus und Psychoanalyse, sondern auch um eine Bewegung, die stark von einem gesellschaftspolitischen Protest geprägt war, der sich gegen Werte und Überzeugungen innerhalb der Gesellschaft richtete und so Kontroversen hervorbrachte, die auch zwischen den Generationen verliefen. Es ging unter anderem um Gleichberechtigung von Mann und Frau, sexuelle Befreiung, Abkehr von der Diskriminierung der People of Colour und Homosexueller sowie um Themen des Friedens.
Kollbrunner bringt es auf den Punkt, wenn er feststellt,
„dass sich die Entstehung der Humanistischen Psychologie nur dann einigermaßen verstehen lässt, wenn man sie in ihrer Synchronizität und in ihrer Abhängigkeit von psychologischen und nicht-psychologischen Entwicklungen, insbesondere auch von politischen Geschehnissen erkennt“ (Kollbrunner 1995, S. 44).
3 Wurzeln der Humanistischen Psychologie
3.1 Einflüsse der Gestaltpsychologie
Einen bedeutenden Einfluss auf die Humanistische Psychologie hatte die Gestaltpsychologie, welche auf den österreichischen Philosophen Christian von Ehrenfels (1859–1932) zurückgeht. In seinem im Jahr 1890 publizierten Aufsatz „Über Gestaltqualitäten“ legte er dar, dass beim Hören einer Melodie eine Gestalt wahrgenommen wird, die nicht über die Addition einzelner Töne heraus erklärt werden kann. Dies wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass eine Melodie in eine andere Tonart transponiert werden kann, sich also aus völlig anderen Tönen zusammensetzt und dennoch ohne Weiteres als die identische Melodie wahrgenommen wird. Die Töne wurden zwar verändert, nicht aber die Gestalt der Melodie. Demnach ist also eine Melodie mehr als die Summe ihrer Töne. Dieses Phänomen wurde mit dem Begriff Übersummativität umschrieben und bedeutet allgemein formuliert: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
Mit dieser Erkenntnis positionierte sich die Gestaltpsychologie klar gegen die bis dahin unter anderem auch durch Wilhelm Wundt verbreitete Elementenpsychologie, die komplexes psychisches Geschehen auf eine begrenzte Zahl von kleineren, leicht bestimmbaren Einheiten herunterbricht, um diese dann untersuchen zu können. Das Prinzip einer ganzheitlichen Organisation wurde in einem weiteren Schritt auch auf das Denken sowie die motorischen Bewegungsabläufe angewandt. Der Neurologe Kurt Goldstein (1878–1965) übertrug diesen Ansatz dann konsequenterweise auf den gesamten menschlichen Organismus, der sich, so Goldstein, in ganzheitlicher Art und Weise selbst zu regulieren und zu organisieren versteht (Aktualisierungstendenz).
Die Beiträge der Gestaltpsychologie schlagen sich in der Humanistischen Psychologie in Form der Annahme nieder, dass jeder Mensch über das Potenzial und die Motivation verfügt, sich selbst in sinnvoller Weise als Ganzes zu organisieren und weiterzuentwickeln. Um den Menschen als Ganzes zu verstehen, ergibt es keinen Sinn, einzelne Aspekte herauszugreifen und gesondert zu betrachten. Vielmehr kann er nur in seiner Gesamtheit wahrgenommen und verstanden werden. Zeigt ein Mensch Symptome einer psychischen Störung, ist dies darauf zurückzuführen, dass aus bestimmten Gründen das Potenzial seiner sinnvollen Selbstorganisation ins Stocken geraten oder nicht verfügbar ist. Entsprechend dieser Annahme ist es die Aufgabe der Psychotherapie, Patient:innen darin zu unterstützen, diesen Zugang zu den prinzipiell vorhandenen Ressourcen und Potenzialen wiederherzustellen bzw. die Bedeutung der Blockade zu verstehen.
3.2 Einflüsse der Philosophie
Vonseiten der Philosophie waren es sowohl die Existenzphilosophie als auch die Phänomenologie, welche großen Einfluss auf die Humanistische Psychologie ausübten.
Im Gegensatz zu den anderen philosophischen Strömungen, die sich eher im abstrakten Raum mit Theoriebildung, beispielsweise zum Bewusstsein, der Vernunft, der Logik oder auch dem Weltganzen befassten, berührten Existenzphilosophie und Phänomenologie die unmittelbare individuelle Existenz sowie die unmittelbare Erfahrung und Wahrnehmung des einzelnen Menschen in seiner subjektiv wahrgenommenen Welt. So handelt es sich um eine philosophische Strömung, die eng an den alltäglichen Erfahrungen des Einzelnen anknüpft. Hierin ist wohl auch die Ursache zu sehen, warum dieser Ansatz eine so breite Resonanz erfahren hat und vor allem in den 1950er- und 1960er-Jahren Teil einer gesellschaftspolitischen Bewegung wurde (Bakewell 2016, S. 24 f.).
3.2.1 Existenzphilosophie
Ein zentrales Merkmal der Existenzphilosophie ist der Bruch mit dem Absoluten im Sinne des Deutschen Idealismus oder auch einer verabsolutierenden Wissenschaft. Das Subjekt, der einzelne Mensch in seinem Sein rückt in den Mittelpunkt. Anders als in der Romantik, in der der Fokus zwar auch auf das Individuum gelegt wurde, aber dann vor allem mit einer Flucht vor der Wirklichkeit verknüpft war, stellt der Existenzialismus für jeden Einzelnen eine rigorose Konfrontation mit seiner eigenen Realität dar. Im Sinne der Heideggerschen Geworfenheit wird der Mensch ungefragt in eine Welt hineingeworfen und sieht sich mit der Unausweichlichkeit seines Seins konfrontiert. Diese Ausgangssituation beinhaltet sowohl unermessliche Freiheit, erzeugt aber auch Angst. Diese Angst ist der Preis für die Freiheit, die zur Folge hat, dass der Mensch sich immer wieder aufs Neue entscheiden muss. Hier klingen bereits die grundlegende Tragik des Menschseins und die letztlich damit verbundene Einsamkeit an. Der Mensch hat die Chance, sein Leben zu ergreifen. Er hat die Chance, der zu werden, der er ist, kann dies aber auch verfehlen. Nach Sartre ist der Mensch zur Freiheit verurteilt.
Eine kritische Rezeption der vermeintlichen Nähe zwischen Existenzialismus und Humanistischer Psychologie führt allerdings zu dem Standpunkt, dass es sich bei Sartres Existenzialismus zwar um eine sehr spezifische Form des Humanismus handeln mag, die Humanistische Psychologie dagegen kein Existenzialismus im eigentlichen Sinne sei (Straub 2012b, S. 185). Konkret habe die Humanistische Psychologie den Existenzialismus weichgespült, indem sie der existentialistischen Leere, Einsamkeit und Entfremdung des Einzelnen ein Menschenbild gegenüberstellt, das in jedem Individuum ein kreatives Potenzial sieht, sich selbst zu verwirklichen und kontinuierlich weiter zu entwickeln.
Der Ausgangspunkt der Humanistischen Psychologie ist zwar wie beim Existenzialismus auch ein starker Subjektbezug aber mit der Gewissheit, dass im Grunde schon alles angelegt sei und nur zur Entfaltung gebracht werden müsse. Während es also im Existenzialismus um die Selbstschaffung des Einzelnen geht, fokussiert die Humanistische Psychologie lediglich auf die Selbstentfaltung. Aus existenzphilosophischer Perspektive ist der Mensch zunächst ein „Nichts“, aus dem er sich schaffen muss. Rogers, ein Vertreter der Humanistischen Psychologie, sieht den Menschen dagegen charakterisiert durch Begriffe wie „positive, forward-moving, constructive, realistic, trustworthy“ (Rogers 1957, S. 403).
3.2.2 Phänomenologie
Die Phänomenologie ist eng mit dem Namen Husserl (1859–1938) verknüpft. Ausgangspunkt der Phänomenologie, die in erster Linie als philosophische Methode und nicht als ein Theoriensystem zu verstehen ist, ist die Feststellung, dass die Gesetze der Logik nicht identisch sind mit den Vorgängen des denkenden Bewusstseins (Störig 1987, S. 585). Das wiederum bedeutet, dass der Mensch über seine Ratio keinen Zugang zur wahren Welt bekommen kann, wie sie sich ihm in diesem Moment wirklich zeigt, da ihm der Blick auf das Wesen durch seine impliziten Vorannahmen und Erklärungsansätze verstellt ist. Wir erleben die Welt oder eben ihre Phänomene im Bewusstsein und dieses Bewusstsein ist intentional, also immer auf etwas gerichtet. Ob im Wachzustand oder im Schlaf, unser Bewusstsein ist ständig mit irgendetwas beschäftigt.
Die Welt mit ihren Phänomenen kann sich dem Menschen nur über sein intentionales Bewusstsein zeigen. Richten wir unser Bewusstsein auf ein Wahrnehmungsobjekt, können wir im Sinne der logischen Untersuchung etwas Bestimmtes entdecken (z.B. es schneit) und gleichzeitig gibt es eine besondere Art und Weise wie wir uns intentional auf diesen Sachverhalt beziehen. So werden während des Wahrnehmungsaktes Feststellungen – wie, ich brauche Winterschuhe, ich muss die Pflanzen vom Balkon nehmen, bald kann ich wieder Skifahren – zu einem ganz bestimmten individuellen Wahrnehmungserlebnis führen. Jeder wird also so zu einem ganz eigenen Wahrnehmungseindruck gelangen. Um die Phänomene so, wie sie wirklich sind, beschreiben zu können, muss es zur „Einklammerung“ aller Vorannahmen über die Existenz einer Welt kommen.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Beziehung zwischen der Humanistischen Psychologie und der Phänomenologie eher einen assoziativen Charakter hat. Sie drückt sich in der Vorsicht bezüglich schneller Interpretationen, der Mahnung, Theorien nicht zu verabsolutieren, dem konkreten Erfahrungsbereich des Alltags verbunden zu bleiben sowie die Autonomie der Erfahrung des Anderen zu achten, aus.
4 Menschenbild
In der Humanistischen Psychologie wird davon ausgegangen, dass der Mensch von seiner Natur her ein Wesen ist, das danach strebt, seine Möglichkeiten und Fähigkeiten in Beziehung zur Welt in konstruktiver Weise auszudrücken. Jedem Menschen wohnt eine Aktualisierungstendenz inne, also ein Streben, die eigenen Potenziale in sinnvoller Weise weiterzuentwickeln. Im Idealfall handelt es sich um ein Streben nach Selbstverwirklichung, also die Verwirklichung der ureigenen individuellen Potenziale, Wünsche, Sehnsüchte und Begabungen. Auch wenn der Einzelne durch seine genetischen Faktoren, seine physische Konstitution, seine Kultur und seine sonstigen Lebensumstände immer wieder Einschränkungen erfährt, verfügt der Mensch über das Potenzial, Autor seines eigenen Lebens sein zu können. Der Mensch ist stets in seiner Ganzheit zu betrachten, sodass seine Physis und sein emotionales Erleben nicht voneinander separiert werden dürfen.
Während die soeben genannten Punkte eher die Freiheit und Autonomie des Menschen betonen, wird der Mensch aber auch als ein von Grund auf soziales Wesen gesehen, das sich als Teil eines universalen Gesamtgefüges begreift und hier einen entsprechenden Platz einnimmt. Entsprechend ist der Mensch auch in seinem kontextuellen Eingebettetsein, also seinem sozialen Umfeld und seiner Lebensumwelt, zu betrachten. Der Mensch, als primär soziales Wesen, hat ein starkes Verlangen, in seinem sozialen Umfeld integriert und dort auch wertgeschätzt zu werden. Destruktives Verhalten, Grausamkeit und Bosheit sind keine primären menschlichen Eigenschaften, also nicht Ausdruck eines Aggressions- oder Todestriebes, sondern sind als Reaktionen auf Frustrationen der inhärenten Bedürfnisse, Emotionen und Fähigkeiten zu begreifen (Maslow 1968, S. 194 f.).
In der Humanistischen Psychologie wird die Einzigartigkeit eines jeden Menschen betont, zu dem man nur über sein sehr individuelles Erleben Zugang bekommen kann. Jeder Mensch hat das Bedürfnis, sein Leben in einer für ihn sinnvollen Weise zu gestalten. Dies bedeutet für den therapeutischen Prozess, den Patienten oder die Patientin auf dieser Suche zu begleiten und zu unterstützen.
5 Zur aktuellen Bedeutung der Humanistischen Psychologie
Mit Giorgi (1987, S. 9) verfolgte die Humanistische Psychologie drei zentrale Punkte:
- Fokus auf eine metapsychologische Perspektive: Die Entwicklung von Theorien, die als philosophisch-anthropologische Grundlage dazu dienen sollen, eine gegenstandsangemessene Psychologie des Menschen schaffen.
- Fokus auf innovativen Forschungsstrategien: Entwicklung von Forschungsmethoden, mit denen menschliche Phänomene gegenstandsangemessen untersucht und abgebildet werden können.
- Fokus auf das menschliche Potenzial: Entwicklung von Wachstums- und Therapieprozessen, um Einzelpersonen aber auch Institutionen darin zu unterstützen, ihre Potenziale auszuschöpfen.
Während der Zeitraum 1954–1973 als die goldenen Jahre der Humanistischen Psychologie bezeichnet werden können (Moss 2001, S. 14), muss heute konstatiert werden, dass lediglich der dritte Fokus eingelöst wurde. D.h., wenn heute von Humanistischer Psychologie gesprochen wird, sind in erster Linie die psychotherapeutischen Ansätze gemeint, die aus dieser Bewegung hervorgegangen sind (Humanistische Psychotherapie).
Allerdings verlieren auch diese gemeinsam wie die Humanistischen Psychologie allgemein in Deutschland zunehmend an Bedeutung und die Inhalte nehmen in den entsprechenden Psychologie-Lehrbüchern immer weniger bzw. gar keinen Raum ein. Es stellt sich die Frage, wie diese Entwicklung zu deuten ist.
Einige sehen die Ursache in der Vergangenheit und erheben den Vorwurf, dass sich die damaligen Pioniere der Humanistischen Psychologie mit ihren revolutionären Ideen nicht ausreichend mit dem Mainstream arrangiert haben (Cain 2003, S. 16). Andere dagegen warnen vor einer zu schnellen Zuordnung zum Mainstream, da die grundlegenden Werte und das Menschenbild der Humanistischen Psychologie noch weit von einer entsprechenden Verankerung in der Gesellschaft entfernt sind (Elkin 2009, S. 269). Ganz im Gegenteil scheint sich der Mainstream hinsichtlich des Störungs- und auch Psychotherapieverständnisses immer weiter von den Vorstellungen der Humanistischen Psychologie zu entfernen. So prägt beispielsweise die zunehmende Medikalisierung in der Klinischen Psychologie ein eher technisches Verständnis von Psychotherapie, das sehr viel stärker störungs- und weniger beziehungsorientiert ausgerichtet ist (Auckenthaler 2001, S. 99).
6 Quellenangaben
Auckenthaler, Anna, 2001. Die Gesprächspsychotherapie vor dem Hintergrund aktueller Entwicklungen. In: Klinische Psychologie und Psychotherapie: PERSON [online]. 5(2), S. 98–102 [Zugriff am: 16.11.2024]. ISSN 1028-6837. Verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.24989/​person.v5i2.2977
Bakewell, Sarah, 2016. Das Café der Existenzialisten. 3. Auflage. München Beck. ISBN 978-3-406-69764-7
Cain, David J., 2003. Advancing Humanistic Psycholog and Psychotherapy: Some Challenges and Proposed Solutions. In: Journal of Humanistic Psychology [online]. 43(3), S. 10–41 [Zugriff am: 16.11.2024]. ISSN 1552-650X. Verfügbar unter: https://doi.org/10.1177/0022167803043003003
Ehrenfels v., Christian, 1890. Über Gestaltqualitäten.Vierteljahresschrift für wissenschaftliche Philosophie [online]. 13, S. 249–292 [Zugriff am: 16.11.2024]. ISSN 0942-2285. Verfügbar unter: https://phaenomenologica.de/wp-content/​uploads/2019/02/CvEhrenfels_Gestaltqualitaeten.pdf
Elkins, David N., 2009. Why Humanistic Psychology Lost Its Power and Influence in American Psychology: Implications for advancing humanistic psychology. In: Journal of Humanistic Psychology [online]. 49(3), S. 267–291 [Zugriff am: 16.11.2024]. ISSN 1552-650X. Verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.1177/0022167808323575
Giorgi, Amadeo, 1987. The Crisis of Humanistic Psychology. The Humanistic Psychologist [online]. 15(1), S. 5–20 [Zugriff am: 16.11.2024]. ISSN 0887-3267. Verfügbar unter: https://psycnet.apa.org/doi/10.1080/08873267.1987.9976779
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7 Literaturhinweise
Schneider, Kirk J., James F.T. Bugental und J. Fraser Pierson, 2001. Hrsg. The Handbook of Humanistic Psychology. Thousand Oaks: Sage. ISBN 978-0-7619-2121-9
Kollbrunner, Jürg, 1995. Das Buch der Humanistischen Psychologie. 3. Auflage. Frankfurt a.M.: Dietmar Klotz. ISBN 978-3-88074-175-1
Quitmann, Helmut, 1996. Humanistische Psychologie: Psychologie, Philosophie, Organisationspsychologie. 3. Auflage. Göttingen: Hogrefe. ISBN 978-3-8017-0908-2
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Humanistische Psychologie [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 25.11.2024 [Zugriff am: 09.12.2024].
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