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International Association of Schools of Social Work

Prof. Dr. Ute Straub

veröffentlicht am 17.02.2022

Abkürzungen: IASSW, AIETS (französisch)

Französisch: L’Association internationale des écoles de travail social

Website: www.iassw-aiets.org

Die seit 1928 bestehende International Association of Schools of Social Work (IASSW) ist der globale Zusammenschluss aller Einrichtungen der Tertiären Bildung, die Studiengänge oder Ausbildungsprogramme zu Sozialer Arbeit/​Sozialer Entwicklung anbieten. Die IASSW sieht ihre Aufgabe darin, Standards zur Qualitätsverbesserung der Ausbildung zu entwickeln, die berufliche Qualifizierung über den internationalen Austausch zu fördern und sich für Menschenrechte und soziale Entwicklung einzusetzen.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Vernetzung
  3. 3 Struktur
  4. 4 Geschichte
  5. 5 Aktivitäten
  6. 6 Aktuelle Diskussionen
  7. 7 Bedeutung für die Soziale Arbeit
  8. 8 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Im Zentrum der Arbeit der International Association of Schools of Social Work (IASSW) steht die internationale Vernetzung auf professioneller Ebene in Bezug auf Lehre und Forschung, aber auch die mit global agierenden Institutionen wie der UN, um im Sinne von Lobbyarbeit auf soziale Themen aufmerksam zu machen. Die Kooperation mit ihren fünf Suborganisationen, die einzelne Regionen vertreten, sorgt für einen Austausch zwischen den Ländern des Globalen Südens und Nordens. Ein geschichtlicher Rückblick zeigt, dass die IASSW auf bald 100 Jahre Erfahrung internationaler Zusammenarbeit zurückblicken kann, u.a. mit den zeitgleich entstandenen Dachorganisationen International Federation of Social Workers (IFSW) und International Council on Social Welfare (ICSW). Seit 1950 veröffentlicht sie in ihrer Fachzeitschrift „Social Dialogue“ (mittlerweile online) aktuelle Berichte zu Themen rund um Soziale Arbeit in aller Welt. Derzeit hat die IASSW 335 institutionelle Mitglieder (Stand November 2021).

Die Kritik, die sich gegen potenzielle, nicht angemessene Standardisierungsbestrebungen durch die Internationalisierung der Sozialen Arbeit richtet, wie auch die aktuellen professionspolitischen Diskurse drehen sich zentral um das Thema Diversität in der Sozialen Arbeit und die Einbeziehung lokaler und indigener Perspektiven. Am Ende dieses Beitrags wird die Bedeutung der IASSW für die Fortentwicklung einer weltweit aufgestellten und mit unterschiedlichen sozialpolitischen Rahmenbedingungen konfrontierten Profession deutlich gemacht, indem sie sich u.a. für die Erweiterung der Sozialen Arbeit in Richtung Soziale Entwicklung einsetzt.

2 Vernetzung

Die IASSW steht in enger Zusammenarbeit mit den beiden anderen großen internationalen Dachorganisationen, der International Federation of Social Workers (IFSW) und dem International Council on Social Welfare (ICSW). Gemeinsam bilden sie das Dach für die Soziale Arbeit auf globaler Ebene und sind in (institutionalisiertem) Austausch mit den fünf regionalen Hochschul-Zusammenschlüssen: Afrika, Asien/​Pazifik, Europa, Lateinamerika/​Karibik und Nordamerika.

Die IASSW ist als Nichtregierungsorganisation (Non Governmental Organization, NGO) an UN-Aktivitäten beteiligt. Schon 1947 erhält sie den Konsultativstatus bei ECOSOC (Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen) in den neu gegründeten Vereinten Nationen und zählt damit zu den ersten zertifizierten NGOs. IASSW-Vertreter*innen organisieren Nebenveranstaltungen bei UN-Kommissionen, darunter die Comission on Social Development, die Commission on the Status of Women und das High-Level Political Forum on Sustainable Development. Sie beteiligen sich aktiv an NGO-Ausschüssen, z.B. zu Migration, Frauen, sozialer Entwicklung, psychischer Gesundheit, Alter, Familie und Kindern. Sie geben politische Erklärungen ab und setzen sich für Werte und Prioritäten der Sozialen Arbeit ein. Die IASSW verfügt über Teams in New York und Bangkok sowie über Vertretungen in Genf, Nairobi und Wien.

3 Struktur

Der Vorstand setzt sich aus Präsident*in, Schriftführer*in und Schatzmeister*in zusammen. Hinzu kommen die Präsident*innen aus den fünf Regionen, die als Vizepräsident*innen fungieren. Der erweiterte Vorstand besteht aus vier Personen; bei der Kandidatur wird darauf geachtet, dass jedes Land nur einmal vertreten ist. Insgesamt dürfen im Vorstand in allen Funktionen nicht mehr als zwei Personen aus demselben Land stammen. Alle werden direkt von den Mitgliedern gewählt und arbeiten ehrenamtlich. Die Amtszeit beträgt jeweils 4 Jahre. Weiterhin dürfen die Vorsitzenden der Komitees (siehe unten) an den Vorstandssitzungen teilnehmen. Die Arbeit des Vorstandes wird von einem/​einer Geschäftsführer*in unterstützt. Der Vorstand trifft sich i.d.R. einmal im Jahr, alle zwei Jahre auf der Weltkonferenz zu Sozialer Arbeit/​Sozialer Entwicklung im Rahmen der Mitgliederversammlung. Dazwischen finden die Treffen meist in einem Land statt, in dem die Profession der Unterstützung bedarf, weshalb bei dieser Gelegenheit ein Capacity Building Workshop für lokale Lehrende und Studierende ausgerichtet wird.

Die IASSW finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen, Subventionen, Einnahmen durch Konsultationen und Teilnahmegebühren bei Seminaren und Kongressen.

In ca. zehn Komitees werden spezielle Themen behandelt, Statements erstellt oder Tagungen veranstaltet, z.B. Research, Capacity Building, Womens’ Interest Group, Human Rights und Sustainability/​Climate Change/​Desaster Intervention Commitee. Beim Komitee für Internationale Projekte können sich Gruppen aus mindestens drei Hochschulen aus unterschiedlichen Ländern mit transnationalen Vorhaben um eine Anschubfinanzierung bewerben.

Seit 1992 wird alle zwei Jahre der nach der Ehrenpräsidentin der IASSW benannte Katherine A. Kendall Memorial Award für einen herausragenden Beitrag zur Entwicklung der Ausbildung und Lehre in Sozialarbeit auf internationaler Ebene verliehen.

4 Geschichte

Die Initialzündung für die Dachverbände liegt in der ersten Internationalen Konferenz Sozialer Arbeit, die 1928 in Paris stattfindet (Healy 2008; Kruse 2009; Lyons und Lawrence 2009, S. 108–120). Ein Jahr später treffen sich Vertreter*innen verschiedener europäischer Schulen für Soziale Arbeit in Berlin, um das „International Commitee of Schools of Social Work“, später IASSW, aus der Taufe zu heben (Kniephoff-Knebel und Seibel 2008). Größere Konflikte gibt es u.a. zu dem Thema nationalistisch-militaristischer Strömungen versus Pazifismus. Die deutschen Schulen spielen eine unrühmliche Rolle. Sie fordern im Einklang mit der nationalsozialistischen Ideologie den Rücktritt der Jüdin Alice Salomon als Präsidentin des Internationalen Komitees (von 1928 bis 1946), womit sie sich allerdings nicht durchsetzen können.

Der erste Nachkriegs-Kongress findet 1950 in Paris statt, seitdem veranstaltet die IASSW regelmäßig alle zwei Jahre eine internationale Konferenz, z.T. gemeinsam mit den beiden anderen großen Dachverbänden IFSW und ICSW.

Nachdem in den ehemals kolonialisierten und nun unabhängig gewordenen Ländern Afrikas und Asiens Schulen für Soziale Arbeit gegründet worden sind, werden erstmals Weltkongresse außerhalb Europas oder Nordamerikas abgehalten (Healy und Hall 2009, S. 251). Die 1980er Jahre bringen auf der einen Seite erste Kontakte mit osteuropäischen Staaten und der Sowjetunion, auf der anderen Seite eine erneute Abspaltung. Uneinigkeit im Umgang mit der Apartheid und der Rolle der südafrikanischen Vereinigung der Sozialarbeiter*innen (Healy und Hall 2009, S. 254) führen zu einem Austritt der skandinavischen Schulen. Die ursprüngliche Fokussierung auf Europa und Nordamerika wird schrittweise durch eine „reale“ Internationalisierung abgelöst, die den Globalen Süden und dessen Perspektiven einbezieht. Nach 76 Jahren wird 2004 der erste Präsident aus dem Globalen Süden, Abiye Tasse aus Äthiopien, gewählt. Auf ihn folgen Angelina Yuen, Hongkong, und Vimla Nadkarni, Indien (verstorben am 20.11.2021). Die aktuelle Präsidentin Annamaria Campanini, Italien, ist in ihrer zweiten Amtsperiode bis 2024.

5 Aktivitäten

Zu den gemeinsamen Aktivitäten von IASSW, IFSW und ICSW zählen u.a. die zentralen Leitpapiere zur Definition der Profession Soziale Arbeit, die Ethikstandards und die Standards zu Studium und Ausbildung in der Sozialen Arbeit sowie die jährliche Organisation des UN-World Social Work Day (siehe Internationale Soziale Arbeit).

Die IASSW strebt derzeit eine Dezentralisierung an. Dies erfolgt durch die Gründung (und finanzielle Unterstützung) von Regional Resource Centers (RRC), die in ausgewählten geografischen Gebieten gut vernetzt sind. Ihre Aufgabe ist es, eine regionale Strategie zu entwickeln, die zum Ausbau sozialarbeiterischer Strukturen, zur Entwicklung regionaler Forschungsprojekte und zu Angeboten von Capacity Building (Bereitstellung von Lern- und Fortbildungsmöglichkeiten) für Studierende und Wissenschaftler*innen beiträgt. Sie verpflichten sich dazu, ihre Aktivitäten kulturadäquat und mit der Perspektive auf eine Soziale Arbeit des Globalen Südens durchzuführen. Damit tritt die IASSW auch Vorwürfen entgegen, sie würde durch zu starke Standardisierungsbestrebungen die lokalen und regionalen Besonderheiten nicht ausreichend berücksichtigen. Bisher gibt es vier solcher Zentren: China (2016), Ozeanien (2017), Nordische Staaten/​Baltikum (2019) und Ostafrika (2021) (IASSW o.J.).

6 Aktuelle Diskussionen

Aktuelle Diskussionen drehen sich vor allem um Werte-Dilemmata und Diversität in der Sozialen Arbeit (Straub 2015). Die folgenden drei Themen seien herausgestellt:

  • Universalismus vs. Kulturalismus: Zwar mit Verzögerung, aber dennoch mit wachsender Offenheit gegenüber der Diversität in den eigenen Reihen beginnt die IASSW, sich für die Stimmen aus dem Globalen Süden zu öffnen (Straub 2015). So ist in den „Global Standards for the Education and Training the Social Work“ festgehalten, dass Vorgaben mit Sorgfalt und Umsicht (caution) zu handhaben sind, um zu vermeiden, dass es zu einer Bevormundung durch die Länder kommt, in denen die Profession weiter entwickelt ist. Kritische Stimmen bezweifeln allerdings, dass diese Standards (wie auch eine Globale Definition der Profession) die breite Spanne sozialer, politischer, ökonomischer, geografischer und kultureller Unterschiede und den global/​local divide (soziale Ungleichheit auf vielen Ebenen) überbrücken können. Andererseits hat sich herausgestellt, dass sie gerade in Ländern des Globalen Südens eine Argumentationshilfe für eine bessere Ausstattung der Hochschulen sein können.
  • Soziale Entwicklung/​Social Development: Die Anerkennung der Gleichwertigkeit herkömmlicher Sozialer Arbeit (mit akademischem Hintergrund) und Ansätzen der Sozialen Entwicklung ist im Hinblick auf den Globalen Süden besonders relevant, da dort die sozialen Unterstützungssysteme häufig nicht im nördlichen Sinne professionalisiert sind. Für die IASSW und die internationale Soziale Arbeit heißt das, dass parallel zur Profession und Disziplin all jene Initiativen, Nichtregierungsorganisationen und Community Based Organizations (CBOs) als gleichberechtigt angesehen und einbezogen werden. So laufen beispielsweise die Weltkonferenzen unter dem Label SW/SD (Social Work/Social Development). Auch in den Curricula soll, so ist es in den Standards zu Lehre und Ausbildung festgehalten, Soziale Entwicklung aufgenommen werden.
  • Zusammensetzung der Mitglieder: Insgesamt ist die Vertretung der fünf Regionen nicht ausgewogen. Hochschulen aus dem asiatisch-pazifischen Raum dominieren (ca. 50 %), vor allem aus China und Japan. Es folgen Europa und Mittlerer Osten sowie Nordamerika und Kanada. Mit Abstand, aber zunehmender Tendenz, sind Mitgliedschaften aus afrikanischen Ländern zu verzeichnen. Lateinamerikanische Hochschulen einzubeziehen, die bislang kaum vertreten sind, ist eine aktuell als vordringlich beschriebene Aufgabe des IASSW-Vorstandes.

7 Bedeutung für die Soziale Arbeit

Die Bedeutung der IASSW ist in folgenden Bereichen nicht hoch genug einzuschätzen:

  • Vernetzung und Austausch
  • (Professions)politische Einflussnahme
  • Unterstützung der Implementierung Sozialer Arbeit als Profession auch in Ländern mit gering entwickeltem Sozialsystem
  • (Selbst)kritische Überprüfung des neokolonialistischen Erbes der Sozialen Arbeit
  • Erweiterung der sozialarbeiterischen Perspektive in Richtung Soziale Entwicklung
  • Selbstvergewisserung der Profession und Disziplin

8 Quellenangaben

Healy, Lynne, 2008. Introduction: A brief journey through the 80 year history of the International Association of Schools of Social Work. In: social work & society (social work and society). 6(1), S. 1–13. ISSN 1613-8953

Healy, Lynne und Nigel Hall, 2009. Internationale Organisationen der Sozialen Arbeit. In: Leonie Wagner und Ronald Lutz, Hrsg., 2009. Internationale Perspektiven Sozialer Arbeit. Wiesbaden: Springer VS, S. 243–260. ISBN 978-3-531-16423-6

Kniephoff-Knebel, Anette und Friedrich W. Seibel, 2008. Establishing international cooperation in social work education: the first decade of the „International Committee of Schools for Social Work“ (ICSSW). In: International Social Work. 2008(51), S. 790–812. ISSN 0020-8728

Kruse, Elke, 2009. Zur Geschichte der internationalen Dimension in der Sozialen Arbeit: In: Leonie Wagner und Ronald Lutz, Hrsg. Internationale Perspektiven Sozialer Arbeit. Wiesbaden: Springer VS, S. 15–32. ISBN 978-3-531-16423-6

Lyons, Karen und Sue Lawrence, 2009. Social Work as an International Profession: Origins, organisations and networks. In: Sue Lawrence, Karen Lyons, Graeme Simpson, Nathalie Huegler, Hrsg. Introducing International Social Work. Exeter: Learning Matters Ltd, S. 125–138. ISBN 978-1-84445-132-6

Straub, Ute 2015. Machtungleichgewichte – Konflikte in der Internationalen Sozialen Arbeit: Die neue Globale Definition und indigene Soziale Arbeit. In: Sabine Stövesand und Dieter Röh, Hrsg. Konflikte: Theoretische und praktische Herausforderungen für die Soziale Arbeit. Opladen: Barbara Budrich, S. 58–68. ISBN 978-3-8474-0811-6

The International Association Of Schools Of Social Work (IASSW), o.J. Capacity Building Committee [online]. IASSW, 2005 [Zugriff am: 18.02.2022]. Verfügbar unter: https://www.iassw-aiets.org/capacity-building

Verfasst von
Prof. Dr. Ute Straub
Frankfurt University of Applied Sciences
Fachbereich 4: Soziale Arbeit und Gesundheit
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Zitiervorschlag
Straub, Ute, 2022. International Association of Schools of Social Work [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 17.02.2022 [Zugriff am: 16.09.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/1157

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