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Kinderwunsch

Dr. med. Judith Zimmermann

veröffentlicht am 31.07.2023

Als Kinderwunsch bezeichnet man den Plan oder das Bedürfnis einer Person, Kinder zu haben. Der Wunsch kann hierbei in unmittelbarer Zukunft liegen, kann aber auch als Familienplanung für die fernere Zukunft gewünscht sein.

Historisch gesehen kann von einem Kinderwunsch im heutigen Sinne erst gesprochen werden, seit durch die Einführung sicherer Verhütungsmittel die Trennung von Sexualität und Fertilität möglich wurde.

Überblick

  1. 1 Motive
  2. 2 Kinderwunsch in der Medizin
  3. 3 Unerfüllter Kinderwunsch
  4. 4 Quellenangaben
  5. 5 Informationen im Internet

1 Motive

Die Gründe für einen Kinderwunsch sind vielfältig: In vielen Kulturkreisen dienen Kinder immer noch der eigenen Altersvorsorge (Nik Hazlina et al. 2022). Viele Religionen sehen die Fortpflanzung als spirituelle Pflicht an. Kinder befriedigen aber auch viele individuelle Bedürfnisse, beispielsweise nach Sinnstiftung, (körperlicher) Nähe, Stabilisierung der Partnerschaft, Weitergabe materieller und immaterieller Werte (Ashburne-Nardo 2017) und der Möglichkeit zur persönlichen Weiterentwicklung (Erikson 1971). In vielen Gesellschaften führt das Gründen einer Familie mit Kindern aber auch zu einem höheren sozialen Status und es entspricht der Norm Kinder zu haben (Haag 2013).

Bei vielen Menschen besteht eine ambivalente Haltung zum Wunsch nach Kindern, da sie sich ebenfalls der Belastungen bewusst sind, die das Aufziehen von Kindern mit sich bringt.

2 Kinderwunsch in der Medizin

Im medizinischen Kontext ist ein Kinderwunsch insofern von Bedeutung, als auf eine potenziell fruchtschädigende Diagnostik und Behandlung verzichtet wird, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Frau schwanger ist. Weiterhin wird bei nicht abgeschlossener Familienplanung bei Therapien darauf geachtet, dass ein späterer Kinderwunsch möglichst noch umgesetzt werden kann. Hierzu gehört auch das Konservieren von Spermien oder Ovarialgewebe vor keimbahnschädigenden Therapien wie beispielsweise in der Krebstherapie. Im Rahmen des social freezing wird es Frauen ermöglicht, ihren Kinderwunsch mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einem späteren Lebenszeitpunkt mit natürlicherweise herabgesetzter Fertilität noch umzusetzen.

3 Unerfüllter Kinderwunsch

Von einem unerfüllten Kinderwunsch bzw. von Infertilität wird im medizinischen Kontext üblicherweise gesprochen, wenn es nach einem Jahr regelmäßigen ungeschützten Geschlechtsverkehrs nicht zu einer Schwangerschaft gekommen ist, bzw. eine Schwangerschaft nicht zu der Geburt eines lebensfähigen Kindes geführt hat. Die Fruchtbarkeit nimmt mit steigendem Alter bei beiden Geschlechtern deutlich ab. Bei Frauen sinkt sie ab dem 25. Lebensjahr langsam, ab dem 35. Lebensjahr deutlich.

Etwa jedes 10. Paar ist im Laufe seines Lebens von Schwierigkeiten, ein Kind zu bekommen, betroffen (BMFSFJ 2020). Die Ursachen hierfür sind ganz überwiegend organisch und liegen in etwa einem Drittel der Fälle allein beim Mann, in einem weiteren Drittel der Fälle allein bei der Frau bzw. zu einem weiteren Drittel bei beiden Partnern (Vander Borght und Wyns 2018). In einigen Fällen lässt sich die Ursache der Unfruchtbarkeit nicht klären. Psychische Ursachen konnten nur insoweit gefunden werden, als manche Paare halbbewusst den Geschlechtsverkehr an den fruchtbaren Tagen meiden (Wischmann 2003).

Aus sozialer Sicht kann ein unerfüllter Kinderwunsch aber auch vorliegen, wenn Menschen zur Erfüllung des Kinderwunsches ein:e Partner:in fehlt oder wenn die Umsetzung des Kinderwunsches in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erschwert ist. Weiterhin können auch die Lebensumstände (Einkommen, soziale Situation, Behinderungen etc.) die Erfüllung eines Kinderwunsches behindern.

Ein unerfüllter Kinderwunsch kann zu erheblichen psychosozialen Belastungen führen, die den Beeinträchtigungen von Menschen mit schweren chronischen Erkrankungen vergleichbar sind (Kremer et al. 2023). Unterstützung bei der Bewältigung der ungewollten Kinderlosigkeit kann eine spezialisierte psychosoziale Kinderwunschberatung bieten, wie sie von den Berater:innen des Beratungsnetzwerkes Kinderwunsch Deutschland – BKiD der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung e.V. angeboten wird.

Reproduktionsmedizinische Behandlungen können einem Teil der ungewollten Kinderlosen durch Behandlungen wie Inseminationen, IVF/ICSI (assistierte Reproduktion) den Kinderwunsch erfüllen. In Deutschland ebenfalls erlaubt ist die Behandlung mit Spendersamen (donogene Insemination). Nicht erlaubt sind Verfahren wie Eizellspende und Leihmutterschaft.

4 Quellenangaben

Ashburn-Nardo, Leslie, 2017. Parenthood as a moral imperative? Moral outrage and the stigmatization of voluntarily childfree women and men. In: Sex Roles [online]. 76(5), S. 393–401 [Zugriff am: 25.07.2023]. ISSN 1573-2762. Verfügbar unter: doi:10.1007/s11199-016-0606-1

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), 2020. Ungewollte Kinderlosigkeit 2020: Leiden – Hemmungen – Lösungen. Berlin: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Erikson, Erik H., 1971. Identität und Lebenszyklus: Drei Aufsätze. Frankfurt am Main: Suhrkamp. ISBN 978-3-518-07616-3

Haag, Christian, 2013. Zum Kinderwunsch homosexueller Männer und Frauen. In: Giovanni Maio, Tobias Eichinger und Claudia Bozzaro, Hrsg. Kinderwunsch und Reproduktionsmedizin. Freiburg: Alber, S. 400–425. ISBN 978-3-495-48539-2

Kremer Franziska, Beate Ditzen und Tewes Wischmann, 2023. Effectiveness of psychosocial interventions for infertile women: A systematic review and meta-analysis with a focus on a method-critical evaluation. In: PLOS ONE [online]. 18(2), e0282065 [Zugriff am: 31.07.2023]. ISSN 1932-6203. Verfügbar unter: doi:10.1371/journal.pone.0282065

Nik Hazlina, Nik Hussain, Mohd Noor Norhayati, Ismail Shaiful Bahari und Nik Ahmad Nik Muhammad Arif, 2022. Worldwide prevalence, risk factors and psychological impact of infertility among women: a systematic review and meta-analysis. In: BMJ open [online]. 12(3), S. e057132 [Zugriff am: 25.07.2023]. ISSN 2044-6055. Verfügbar unter: https://bmjopen.bmj.com/content/12/3/e057132.info

Vander Borght, Mélodie und Christine Wyns, 2018. Fertility and infertility: definition and epidemiology. In: Clinical Biochemistry. 62(12). S. 2–10. ISSN 0009-9120

Wischmann, Tewes H., 2003. Psychogenic infertility – myths and facts. In: Journal of assisted reproduction and genetics. 20(12), S. 485–94. ISSN 1058-0468

5 Informationen im Internet

Verfasst von
Dr. med. Judith Zimmermann
Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizin, Systemische Therapeutin, Beratung bei unerfülltem Kinderwunsch (BKiD)
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Zitiervorschlag
Zimmermann, Judith, 2023. Kinderwunsch [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 31.07.2023 [Zugriff am: 03.12.2023]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/628

Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Kinderwunsch

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