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Kreativitätstechnik

Prof. Dr. Siegfried Preiser

veröffentlicht am 27.01.2025

Etymologie: lat. creare erschaffen, erzeugen, erwählen; gr. techne Kunst, Handwerk

Englisch: creativity technique

Kreativitätstechniken sind Arbeitsmethoden oder Spielregeln, die die Entstehung kreativer Ideen stimulieren oder regeln sollen. Sie geben Anregungen und helfen, das Blickfeld zu erweitern und Einengungen auf konventionelle Lösungen zu überwinden.

Neuartige Ideen entstehen durch die Umstrukturierung und Neugestaltung der bisher schon vorhandenen Lösungsbausteine, so wie die unterschiedlichen Elemente aus der unterschiedlichen Konstellation der Elementarteilchen entstehen oder wie die verschiedenen Arten von Lebewesen aus unterschiedlichen Kombinationen von wenigen DNA-Bausteinen resultieren. Auch bei der kreativen Ideenfindung kommt es darauf an, möglichst alle denkbaren Bausteine in den Blick zu nehmen und dann die Bereitschaft zu entwickeln, auch scheinbar unverrückbar feste Strukturen in Gedanken aufzulösen und zu neuen Konstellationen zusammenzufügen.

Das Material zu dieser Neustrukturierung liegt einerseits in unserem Gedächtnisspeicher, und zwar in Form von sprachlichen, formal-mathematischen, visuellen, akustischen, taktilen und emotional gefärbten Assoziationen. Andererseits findet es sich in den aktuell aufgenommenen Wahrnehmungen aus Büchern, Zeitschriften und Illustrierten, aus dem überbordenden Schreibtisch, dem Blick aus dem Fenster oder aufs Handy. Offen zu sein für alle Impressionen und diese – gezielt oder intuitiv selektiv – mit dem aktuell anstehenden Problem in Beziehung zu setzen, das ist das Kennzeichen von Menschen mit einer offenen Grundhaltung – und das ist auch das hilfreiche Anliegen von Kreativitätstechniken (Preiser 2010).

Die in der Praxis entwickelten Kreativitätstechniken basieren im Wesentlichen auf fünf Prinzipien der Kreativitätsförderung (Preiser und Buchholz 2008, S. 79):

  1. Freie Assoziation: Gedächtnisinhalte und Eindrücke aus der jeweiligen Situation, die in einem losen Zusammenhang mit dem aktuellen Problem stehen, werden als Einfälle in den Problemlöseprozess eingebracht und dienen als Rohmaterial für die weitere Bearbeitung.
  2. Bildhaftigkeit: Visuelle Vorlagen oder Vorstellungen, aber auch andere nicht-sprachliche Impressionen erweitern auf schöpferische Weise das Blickfeld und bieten Anregungen zur gedanklichen oder bildlichen Umstrukturierung des Problemfeldes. Mindmaps, Flussdiagramme oder abstrakte Farbflächen sind beispielsweise unterschiedliche Visualisierungen für ein Problemfeld.
  3. Analogien: Bilder oder Vorgänge, die aus einem anderen Wirklichkeitsbereich entstammen als das aktuelle Problem, die aber eine ähnliche Struktur aufweisen, bieten Anregungen für neue Lösungsansätze. Fließendes Wasser eines Baches mit Zuflüssen und Hindernissen kann beispielsweise als Analogie für Verkehrsflüsse, aber auch für Gedankenströme, Entwicklungsverläufe oder Programmierarbeiten einer Systemsteuerung dienen.
  4. Verfremdung oder Zufallsanregung: Zufällig ausgewählte Stichworte, die mit einem Problem in Beziehung gesetzt werden sollen, zwingen dazu, den bisherigen Ideenhorizont zu überschreiten. Irrtümer oder Unschärfen, die bei der Übersetzung und anschließenden Rückübersetzung einer Fragestellung in eine andere Sprache entstehen, erweitern ebenfalls das gedankliche Umfeld eines Problems.
  5. Systematische Variation: Bisherige wenig brauchbare Lösungsansätze werden aus dem Zusammenhang gelöst und beliebig variiert. Durch die systematische Kombination aller Bruchstücke entstehen neue Konstellationen und damit eine Vielfalt möglicher Lösungsansätze.

Die bekanntesten Kreativitätstechniken sind Brainstorming, Brainwriting und Brainwalking, Mindmap und Analogie-Technik.

Quellenangaben

Preiser, Siegfried, 2010. Förderung von Kreativität. In: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft Online [online]. 01.11.2010 [Zugriff am: 23.01.2025]. ISSN 2191-8325. doi:10.3262/EEO21100130

Preiser, Siegfried und Buchholz, N., 2008. Kreativität: Ein Trainingsprogramm für Alltag und Beruf. 3. Auflage. Kröning: Asanger. ISBN 978-3-89334-407-9 [Rezension bei socialnet]

Verfasst von
Prof. Dr. Siegfried Preiser
Langjährig Professor für Pädagogische Psychologie in der Lehrkräfteausbildung und im Studiengang Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Derzeit Rektor der Psychologischen Hochschule Berlin und Professor für Lebenslanges Lernen.
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Es gibt 2 Lexikonartikel von Siegfried Preiser.

Zitiervorschlag
Preiser, Siegfried, 2025. Kreativitätstechnik [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 27.01.2025 [Zugriff am: 13.02.2025]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/29585

Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Kreativitaetstechnik

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