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Krippe

Dr. Tina Eckstein-Madry

veröffentlicht am 18.07.2024

Synonym: Kinderkrippe

Weitere Bedeutungen: Futterstelle; Weihnachtskrippe

Kinderkrippen sind ein familienergänzendes, institutionelles und öffentliches Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren, die entweder als eigenständige Kindertageseinrichtung mit mehreren Gruppen bestehen oder als Krippengruppen in eine Kindertageseinrichtung integriert sind.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Geschichtlicher Rückblick
  3. 3 Gesetzliche Grundlagen
  4. 4 Verwaltung
  5. 5 Betreuungsumfang und Kosten
  6. 6 Grundsätze der Förderung
  7. 7 Pädagogische Qualität
    1. 7.1 Qualität der Interaktionen und Beziehungen
    2. 7.2 Fachkraft-Kind-Relation
    3. 7.3 Gruppengröße
  8. 8 Entwicklungskonsequenzen einer frühen Betreuung
  9. 9 Quellenangaben
  10. 10 Literaturhinweise

1 Zusammenfassung

Krippen sind ein öffentliches Bildungs- und Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gesetzliche Verankerungen regeln die Rahmen- und Betreuungsbedingungen. Abzugrenzen sind Kinderkrippen von der Kindertagespflege, in der ebenfalls Kinder unter 3 Jahren betreut werden. Die Kindertagespflege ist nicht institutionell angebunden und findet in den Privaträumen der Tageseltern oder angemieteten Räumen statt (Karcher 2023). Krippen sind gefordert, die entwicklungsbedingten Anforderungen der unter Dreijährigen in den Mittelpunkt ihrer Arbeit zu stellen und für optimale Entwicklungsbedingungen zu sorgen: Eine hohe pädagogische Qualität ist Voraussetzung, dass sich die Kinder wohlfühlen und positiv entwickeln.

2 Geschichtlicher Rückblick

Im Jahr 1844 wurde die erste Kinderkrippe in Paris gegründet, „um die damaligen Missstände in der Säuglingsfürsorge und Frühentwicklung von Kindern“ entgegenzuwirken (Ahnert und Eckstein-Madry 2013, S. 335). Dieses Konzept breitete sich schnell über Europa aus: So wurde die erste Kinderkrippe in Deutschland 1851 in Dresden gegründet. Diese frühen Kinderkrippen hatten vorrangig die Aufgabe, die Kleinkinder hygienisch und ernährungsmedizinisch so zu versorgen, dass die Kindersterblichkeit und Morbidität reduziert wird. Mit zunehmendem Ausbau der Kinderbetreuung wurden Stimulationsprogramme, Tagesablaufpläne und Curricula entwickelt. Insbesondere streng einzuhaltende Rituale und Alltagsroutinen wurden als grundlegend für eine gesunde Kindesentwicklung betrachtet (a.a.O., S. 339).

Bis in die 1970er Jahre hinein zeigten sich diese in festen Zeiteinteilungen, Regelmäßigkeiten in den Betreuungsabläufen, deutliche Ordnungsstrukturen und der Förderung der Peerbeziehungen auf Kosten der Fachkraft-Kind-Beziehung (Ahnert 1998, 2010). Als in den 1970er Jahren der Kindergarten als Teil des Bildungssystems ernannt wurde (Neuß und Lorber 2014, S. 14), wurden durch Studentenbewegungen vermehrt Krabbelstuben/​Kinderläden geöffnet. Diese verbreiteten sich aber kaum über das studentische Milieu hinaus.

In der DDR zeigte sich dagegen durch die Notwendigkeit, dass Mütter als Vollarbeitskräfte für den Staat unabdingbar waren, eine andere Entwicklung: bis 1989 wurden durch einen raschen Ausbau der Kinderkrippen über die Hälfte der ein- bis dreijährigen Kinder außerfamiliär betreut.

3 Gesetzliche Grundlagen

Betreuungsangebote in Form von Krippen(-gruppen) sind als öffentliche, institutionelle Kindertageseinrichtungen organisatorisch der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet (Ahnert und Eckstein-Madry, 2013: 337). Das Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII) ist daher mit der Kinder- und Jugendhilfegesetzgebung (Kinder- und Jugendhilfegesetz, KJHG) die Rechtsgrundlage für die öffentliche Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Das KJHG beinhaltet den Landesrechtsvorbehalt für die einzelnen Bundesländer, sodass diese eigene Landesgesetze zur Ausgestaltung der Kindertagesbetreuung (z.B. Mindestanforderungen, Personalausstattung, Finanzierung, Kontrollverfahren) festgelegt haben.

Da sich das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren zwischen Ost- und Westdeutschland aufgrund historischer Entwicklungen deutlich unterscheidet, wurde der bundesweite Ausbau von Betreuungsangeboten in den letzten 20 Jahren forciert:

  • Das seit Januar 2005 in Kraft getretene Tagesbetreuungsausbaugesetz (TAG) verpflichtet die Länder und Kommunen, die Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren bedarfsgerecht und qualitätsorientiert auszubauen.
  • Das Kinderförderungsgesetz (§ 3 KiföG, BGBl. I 2008/57), welches mit 01.09.2009 in Kraft trat, sieht vor, dass für 35 % der unter Dreijährigen ein Betreuungsplatz in der institutionellen, öffentlichen Betreuung oder Kindertagespflege bereitgestellt wird.
  • Der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis Vollendung des dritten Lebensjahres ist mit dem 1. August 2013 in Kraft getreten (§ 24 SGB VIII) und verpflichtet die Länder dazu, genügend Betreuungsplätze für Kinder von 0–6 Jahren zur Verfügung zu stellen.

Sachsen-Anhalt ist das einzige Bundesland, welches den Rechtsanspruch ab 0 Jahren umsetzt (Bertelsmann Stiftung 2022). Laut dem Statistischen Bundesamt (2023) befanden sich im Jahr 2023 2.1 % mehr Kinder unter drei Jahren in der Kindertagesbetreuung (inklusive Kindertagespflege) als im Vorjahr 2022; insgesamt stieg die Betreuungsquote damit auf 36.4 %. Dabei zeigt sich ein deutlicher Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland: während in Ostdeutschland 54.2 % der Kinder unter drei Jahren tagesbetreut wurden, waren dies in Westdeutschland 32.7 % der Kinder unter drei Jahren.

Ein weiteres Ziel des Bundes ist die bundesweite Steigerung der Qualität der Kindertagesbetreuung sowie die Beitragsentlastung der Eltern. Mit dem KiTa-Qualitäts- und -Teilhabeverbesserungsgesetz (Gute-KiTa-Gesetz, 2019–2022) und dem Nachfolger KiTa-Qualitätsgesetz (bis 2024) ist ein wichtiger Grundstein zur Entwicklung und Umsetzung von bundesweiten Qualitätsstandards gelegt. In sieben vorrangigen Handlungsfeldern sind die Länder verpflichtet, Maßnahmen zur Steigerung der Qualität zu entwickeln und umzusetzen:

  1. bedarfsgerechtes Angebot,
  2. Fachkraft-Kind-Schlüssel,
  3. qualifizierte Fachkräfte,
  4. Leitung,
  5. Förderung der Kindesentwicklung,
  6. sprachliche Bildung und
  7. Stärkung der Kindertagespflege.

4 Verwaltung

Kinderkrippen gehören zu den Kindertageseinrichtungen, sind somit organisatorisch der Kinder- und Jugendhilfe zugeordnet und werden von Trägern der Kinder- und Jugendhilfe betrieben (Neuß und Lorber 2014, S. 16). Die Betriebsführung verantworten die Träger der Kinderkrippen. Sie stellen die Betreuungsräume und finanzielle Mittel zur Verfügung, sind Arbeitgeber der Mitarbeiter:innen und bestimmen die pädagogische Ausrichtung der Kindertageseinrichtungen (pädagogische Konzeption).

Bei den Trägern wird abhängig von der Zuständigkeit der Verwaltung zwischen öffentlichen und freien Trägern unterschieden:

  • Öffentliche Träger werden von den Gemeinden oder Städten verwaltet (ca. 1/3 der Kindertageseinrichtungen). Zusätzlich verfügen die öffentlichen Träger die rechtliche Aufsicht der Kindertageseinrichtung.
  • Freie Träger (ca. 2/3 der Kindertageseinrichtungen) werden zum Teil aus öffentlicher Hand finanziert, unterscheiden sich gegenüber den öffentlichen Trägern in ihren pädagogischen Konzepten und Zielen (z.B. Kirchen-/​Religionsgemeinschaften, Wohlfahrtsverbände, Elterninitiativen).

5 Betreuungsumfang und Kosten

Die Betreuung eines Kindes in der Kinderkrippe ist in Deutschland stundenweise bis zu 10 Stunden pro Tag möglich. Wird ein Kind mehr als 7 Stunden pro Tag betreut, spricht man von Ganztagsbetreuung, bei weniger als 7 Stunden von der Halbtagsbetreuung. Die Kosten für einen Betreuungsplatz sind abhängig davon

  • wie viele Stunden pro Tag und wie viele Tage in der Woche das Kind betreut wird,
  • welche Verpflegung für das Kind in Anspruch genommen wird,
  • ob das Bundesland den Krippenplatz finanziell fördert,
  • welche Zusatzkosten anfallen (z.B. Bastelmaterial, Ausflüge).

In einigen Bundesländern und Städten ist der Besuch einer Kinderkrippe kostenlos, d.h. die Betreuungskosten werden von den Ländern getragen. In diesen Regionen zahlen die Eltern nur die Verpflegungs- und Zusatzkosten.

6 Grundsätze der Förderung

Die Betreuung von Kindern unter drei Jahren umfasst nicht nur die Pflege und Versorgung der Kinder, sondern ist nach dem § 22 SGB VIII Grundsätze der Förderung so zu gestalten, dass die „Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftlichen Persönlichkeit“, die „Erziehung und Bildung in der Familie“ unterstützt und ergänzt wird sowie Vereinbarung von Erwerbstätigkeit und Kindererziehung ermöglicht wird (§ 22 SGB VIII).

Dementsprechend umfasst der Förderungsauftrag die

„Erziehung, Bildung und Betreuung des Kindes und bezieht sich auf die soziale, emotionale, körperliche und geistige Entwicklung des Kindes. Er schließt die Vermittlung orientierender Werte und Regeln ein. Die Förderung soll sich am Alter und Entwicklungsstand, den sprachlichen und sonstigen Fähigkeiten, an der Lebenssituation sowie den Interessen und Bedürfnissen des einzelnen Kindes orientieren und seine ethnische Herkunft berücksichtigen.“ (§ 22 Abs. 3 SGB VIII)

Diese Grundsätze der Förderung verdeutlichen, dass Kinderkrippen als familienergänzende Betreuungsorte „das körperliche, emotionale, soziale und intellektuelle Wohlbefinden und die Entwicklung der Kinder in diesen Bereichen fördern und die Familie in ihrer Betreuungs- und Erziehungsaufgabe unterstützen“ sollen (Tietze 1998, S. 20). Wie die einzelnen Kinderkrippen diese Grundsätze nach Erziehung, Bildung und Betreuung umsetzen, ist in deren pädagogischen Konzeptionen festgesetzt und für die Öffentlichkeit und Eltern einsehbar (Deibl und Hascher 2017).

7 Pädagogische Qualität

Kinder unter drei Jahren durchlaufen eine rasante Entwicklung. Daraus ergeben sich entwicklungsbedingte Anforderungen an die Betreuung von unter Dreijährigen, die in den Mittelpunkt der Arbeit in Kinderkrippen gestellt werden müssen, um optimale Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Dabei muss sich die pädagogische Qualität nach den Bedürfnissen der Kinder richten und entwicklungsbezogene Anforderungen erfüllen.

Nach etablierten Modellen der pädagogischen Qualität sind neben den Rahmenbedingungen wie z.B. die Fachkraft-Kind-Relation oder Gruppengröße („Strukturqualität“) vor allem die Qualität der Interaktionen und Beziehungen („Prozessqualität“) von hoher Bedeutung für die Kindesentwicklung (Becker-Stoll et al. 2020, S. 18 ff.).

7.1 Qualität der Interaktionen und Beziehungen

Kinder unter 3 Jahren sind in höherem Maße von zuverlässigen, sicherheitsgebenden und zuwendenden Beziehungen und Interaktionen mit Erwachsenen abhängig, um sich wohlzufühlen und zu entwickeln. Der Grundstein der Beziehung zur pädagogischen Fachkraft wird in der Eingewöhnung des Kindes in die Kinderkrippe gelegt.

Eingewöhnungsmodelle wie z.B. das Berliner Eingewöhnungsmodell (Laewen et al. 2000) verdeutlichen, wie wichtig die Anwesenheit des vertrauten Elternteils für den Aufbau einer sicheren Beziehung zur pädagogischen Fachkraft ist. Dennoch kann sich die pädagogische Fachkraft darauf nicht verlassen, dass sich eine sichere Beziehung zum Kind in der Eingewöhnung von allein ergibt. Besonders die Betreuung von Kindern unter drei Jahren zeigt einige Anforderungen in Bezug auf die Interaktions- und Beziehungsgestaltung zum Kind.

Eine sichere Beziehung zur pädagogischen Fachkraft ist durch fünf Kernmerkmale gekennzeichnet (Ahnert 2006), wobei für Kinder unter drei Jahren vor allem das Vorhandensein von bedürfnisorientierter Zuwendung, Sicherheit und Stressreduktion für die Entwicklung und das Wohlbefinden des Kindes von hoher Relevanz ist:

  • Zuwendung: Die pädagogische Fachkraft wendet sich dem Kind liebevoll zu, interagiert mit warmer Stimme und erfreut sich an der gemeinsamen Interaktion mit dem Kind.
  • Sicherheit: Die pädagogische Fachkraft ist emotional stets für das Kind verfügbar und in körperlicher Reichweite; sie fungiert als sichere Basis, sodass das Kind bei Unsicherheit die Nähe schnell herstellen oder den Bedarf an Unterstützung signalisieren kann.
  • Stressreduktion: Wenn das Kind ängstlich, traurig, verärgert oder irritiert ist, tröstet die pädagogische Fachkraft das Kind, beruhigt es und reduziert so den Stress des Kindes. Das Kind findet zu einer positiven Stimmungslage zurück.
  • Explorationsunterstützung: Bei emotionaler Sicherheit erkundet das Kind seine Umgebung neugierig, bezieht dabei die pädagogische Fachkraft immer wieder mit ein, zeigt etwas her oder was es gerade geschafft hat. Neue Aktivitäten oder Erkundungsmöglichkeiten, die die pädagogische Fachkraft vorschlägt, werden bereitwillig angenommen.
  • Assistenz: Die pädagogische Fachkraft fördert die kindliche Entwicklung entwicklungsangemessen. Das Kind wird darin unterstützt, seine Grenzen der Handlungsfähigkeit zu überwinden und neue Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln.

Neben dieser kindzentrierten Interaktion und Beziehung zum einzelnen Kind wirkt in der Gruppenbetreuung von Kindern auch gruppenspezifisches Erzieher:innenverhalten auf die Interaktionen und Beziehung zum einzelnen Kind (Ahnert 2004, S. 268): wie empathisch und feinfühlig die pädagogische Fachkraft mit anderen Kindern der Gruppe interagiert, dient dem einzelnen Kind als Marker, welche Unterstützung und Zuwendung es zukünftig in ähnlichen Situationen von den pädagogischen Fachkräften erwarten kann. Daher ist es vor allem in größeren Gruppen wichtig, dass die pädagogischen Fachkräfte ihre Interaktionen auch gruppenbezogen empathisch ausrichten, sich feinfühlig allen Kindern der Gruppe widmen und sich zuerst dem Kind innerhalb des Gruppengeschehens zuwenden, welches die Unterstützung am dringendsten benötigt (Becker-Stoll et al. 2020, S. 68 ff.).

Da es Kindern unter drei Jahren noch schwerfällt, Bedürfnisse aufzuschieben und auf die Zuwendung zu warten, sind die pädagogischen Fachkräfte oft gefordert, sich gleichzeitig mehreren Kindern zuzuwenden und zu unterstützen. Dementsprechend kommt der Fachkraft-Kind-Relation und der Gruppengröße in Kinderkrippen eine besondere Bedeutung zur Aufrechterhaltung hochwertiger Interaktionen und Beziehungen zu.

7.2 Fachkraft-Kind-Relation

Die Fachkraft-Kind-Relation ist das Verhältnis von pädagogischen Fachkräften zu Kindern in der Krippengruppe und gibt Auskunft darüber, wie viele Kinder eine frühpädagogische Fachkraft in der Kindergruppe betreut.

Kinder unter drei Jahren benötigen aufgrund ihrer Entwicklung eine intensivere Betreuung, mehr Unterstützung im Alltag und stets zuverlässige, empathische Interaktionen. Diese entwicklungsbedingten Anforderungen sind nur in der Betreuung erfüllbar, wenn ausreichend pädagogische Fachkräfte emotional und körperlich verfügbar sind. Aus wissenschaftlicher Perspektive wird daher für Kinder im ersten Lebensjahr eine Fachkraft-Kind-Relation von 1:2 (eine Fachkraft auf zwei Kinder) und für Kinder ab einem Jahr bis zum vollendeten dritten Jahr eine Fachkraft-Kind-Relation von 1:4 (eine Fachkraft auf vier Kinder) empfohlen (Viernickel et al. 2015, S. 15 f.).

Im Jahr 2022 wurde diese empfohlene Fachkraft-Kind-Relation für Kinderkrippen im bundesweiten Durchschnitt mit 1:3.9 erreicht (Böwing-Schmalenbrock et al. 2022, S. 13), welcher gegenüber 2012 deutlich reduziert wurde (Meiner-Teubner und Kopp 2023). Zwischen Ost- und Westdeutschland sind allerdings beträchtliche Unterschiede zu finden: in Ostdeutschland ist mit 1:5.7 eine deutlich höhere Fachkraft-Kind-Relation in Kinderkrippen zu finden als in Westdeutschland (1:3.6).

7.3 Gruppengröße

Die entwicklungsbezogenen Anforderungen, die an die Betreuung von unter dreijährigen Kindern gestellt werden, können in kleineren Gruppen besser erfüllt werden als in größeren Gruppen. Die maximale Anzahl an Kinder unter drei Jahren in einer Krippengruppe wird in den Kindertagesstättengesetzen der einzelnen Bundesländer gesetzlich geregelt und variiert zwischen 12–15 Kinder. Wenn Kinder unter einem Jahr aufgenommen werden, reduziert sich die gesetzlich maximal mögliche Gruppengröße, um eine ausreichende Betreuung der Säuglinge zu gewährleisten.

Die Betreuung der Kinder erfolgt in altershomogenen Krippengruppen. In diesen altershomogenen Gruppen bleiben die Kinder und die pädagogischen Fachkräfte üblicherweise über ein Betreuungsjahr zusammen, um eine möglichst hohe Stabilität und Kontinuität für die Kinder herzustellen und aufrechtzuerhalten. Dennoch sind Veränderungen der Gruppenstruktur innerhalb eines Betreuungsjahres möglich, z.B. wenn Eltern die Kindertageseinrichtung wechseln, ein neues Kind hinzukommt oder eine pädagogische Fachkraft dauerhaft ausfällt. Am Ende eines Betreuungsjahres wechseln die bereits dreijährigen Kinder in eine Kindergartengruppe und neue Kinder werden in die bestehende Gruppe eingewöhnt.

Die Betreuung von Kindern unter drei Jahren in größeren Gruppen (bis zu 25 Kinder) wird in teiloffenen oder offenen Gruppen praktiziert, welche aber nicht im klassischen Sinn als Krippen gelten. Die entwicklungsbezogenen Anforderungen in der Betreuung von unter dreijährigen Kindern stellen die pädagogischen Fachkräfte in teiloffenen oder offenen Gruppen vor weitere Herausforderungen (Dreyer 2011, S. 40; Haug-Schnabel 2011).

8 Entwicklungskonsequenzen einer frühen Betreuung

Die Betreuung des Kindes in einer Kinderkrippe beeinflusst unweigerlich die Entwicklung des Kindes. Ob sich allerdings positive oder negative Entwicklungskonsequenzen für die Kinder unter drei Jahren ergeben, hängt maßgeblich von der pädagogischen Qualität ab (Sylva et al. 2008, 2012). Daher weist die Deutsche Liga für das Kind in ihrem Positionspapier eindrücklich darauf hin, dass bei Nicht-Einhalten der anerkannten Mindeststandard der pädagogischen Qualität die außerfamiliäre Betreuung „für die dort betreuten Kinder ein erhebliches Entwicklungsrisiko darstellen“ (Deutsche Liga für das Kind 2008, S. 2) kann.

Bei vorhandener hochwertiger pädagogischer Qualität sind Entwicklungsanreize und positive Entwicklungskonsequenzen in verschiedenen Bereichen der kindlichen Entwicklung erwartbar (Ahnert und Eckstein-Madry 2015):

  • Sozialkompetenz: In den ersten drei Lebensjahren beginnen Kinder sich zunehmend für ihre Peers zu interessieren, mit ihnen in Kontakt zu treten und gemeinsames Spiel zu entwickeln. Eine hohe pädagogische Qualität spielt dabei insbesondere im Krippenalter eine wichtige Rolle beim Aufbau früher positiver Peer-Beziehungen: Kinder unter drei Jahren benötigen noch Unterstützung von den pädagogischen Fachkräften, um die Beziehungen zu den Peers herzustellen und aufrechtzuerhalten (Campbell et al. 2000).
  • Kognitive und sprachliche Entwicklung: Bei ausreichender bzw. hoher pädagogischer Qualität zeigen sich sowohl kurzfristige als auch langfristige (bis in das Schulalter) positive Effekte auf die kognitive und sprachliche Entwicklung des Kindes (NICHD Early Child Care Network 2000; Sylva et al. 2008, 2012). Voraussetzung dafür sind allerdings sicherheitsgebende, positive Beziehungen der Kinder zu den pädagogischen Fachkräften (Sylva et al. 2007).
  • Emotions- und Verhaltensregulierung: Kinder unter drei Jahren sind in der Emotions- und Verhaltensregulierung auf die Unterstützung von Erwachsenen angewiesen. Eine niedrige pädagogische Qualität, zu lange Betreuungszeiten am Tag und ein zu früher Betreuungsbeginn gehen mit vermehrten unregulierten Emotionen und Verhaltensproblemen der Kinder einher (NICHD Child Care Network 1998). Diese können sich bis ins Jugendalter zu externalisierenden Verhaltensproblemen aufrechterhalten, wenn die Jugendlichen bereits im jungen Alter ein schwieriges Temperament hatten und eine geringe pädagogische Qualität in der außerfamiliären Betreuung erlebten (Belsky und Pluess 2012). Bei ausreichender oder hoher pädagogischer Qualität zeigen diese Kinder im Jugendalter nicht mehr Verhaltensprobleme als ihre Peers.

Kinder unter drei Jahren können positive Entwicklungskonsequenzen durch die Betreuung in einer Kinderkrippe erfahren, wenn die pädagogische Qualität, insbesondere der Interaktionen und Beziehungen, entsprechend ausreichend bzw. hoch ist. Sie benötigen eine individuelle Beziehungsqualität zu den pädagogischen Fachkräften, die empathisch und feinfühlig das Kind unterstützen ohne dabei die Gruppe bzw. die Bedürfnisse der anderen Kinder aus dem Blick zu verlieren.

9 Quellenangaben

Ahnert, Lieselotte, Hrsg., 1998. Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren – Theorien und Tatsachen. Bern: Huber. ISBN 978-3-456-83083-4

Ahnert, Lieselotte, 2004. Bindungsbeziehungen außerhalb der Familie: Tagesbetreuung und Erzieherinnen-Kind-Bindung. In: Lieselotte Ahnert, Hrsg. Frühe Bindung: Entstehung und Entwicklung. München: Reinhardt, S. 256–277. ISBN 978-3-497-03147-4

Ahnert, Lieselotte, 2006. Anfänge der frühen Bildungskarriere. In: Frühe Kindheit: die ersten sechs Jahre. 8(6), S. 18–23. ISSN 1435-4705

Ahnert, Lieselotte, 2010. Wie viel Mutter braucht das Kind? Bindung – Bildung – Betreuung: öffentlich und privat. Heidelberg: Spektrum. ISBN 978-3-407-86648-6

Ahnert, Lieselotte und Tina Eckstein-Madry, 2013. Krippen. In: Lilian Fried und Susanna Roux, Hrsg. Handbuch Pädagogik der frühen Kindheit. Berlin: Cornelsen Schulverlage, S. 335–345. ISBN 978-3-589-24765-3 [Rezension bei socialnet]

Ahnert, Lieselotte und Tina Eckstein-Madry, 2015. Entwicklungskonsequenzen außerfamiliärer Tagesbetreuung für Kinder von 0–3 Jahren. In: Olaf Kapella, Hrsg. Betreuung, Bildung und Erziehung im Kindesalter: Eine Literaturanalyse [online]. ÖIF Forschungsbericht Nr. 15/2015. Wien: Eigenverlag [Zugriff am: 11.07.2024]. S. 6–34. Verfügbar unter: https://www.oif.ac.at/fileadmin/​user_upload/​p_oif/​Forschungsberichte/​fb_15_betreuung_bildung_erziehung.pdf

Becker-Stoll, Fabienne, Renate Niesel und Monika Wertfein, 2020. Handbuch Kinder in den ersten drei Jahren: So gelingt Qualität in Krippe, Kita und Tagespflege. Freiburg im Breisgau: Herder. ISBN 978-3-451-38476-9 [Rezension bei socialnet]

Belsky, Jay und Michael Pluess, 2012. Differential susceptibility to long-term effects of quality of child care on externalizing behavior in adolescence? In: International Journal of Behavioral Development. 36(1), S. 2–10. ISSN 0165-0254

Bertelsmann Stiftung, 2022 (Juli 2022). Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz [online]. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung [Zugriff am: 11.03.2024]. Verfügbar unter: https://www.laendermonitor.de/de/vergleich-bundeslaender-daten/​kinder-und-eltern/​rechtsanspruch-beitragsfreiheit-betreuungsbedarf/​rechtsanspruch-auf-einen-betreuungsplatz-1

Böwing-Schmalenbrock, Melanie, Christiane Meiner-Teubner und Catherine Tiedemann, 2022. Personal-Kind-Schlüssel in Kindertageseinrichtungen Ergebnisse und Erläuterungen zur Weiterentwicklung der Berechnungsweise der bisherigen Personalschlüssel. Dortmund: Eigenverlag Forschungsverbund DJI/TU Dortmund. ISBN 978-3-9822-7889-6

Campbell, Jessica J., Michael E. Lamb und C. Phillip Hwang, 2000. Early child-care experiences and children's social competence between 1.5 and 15 years of age. In: Applied Developmental Science 4(3), S. 166–175. ISSN 1532-480X

Deibl, Ines und Tina Hascher, 2017. Instrument und Grundlage zur Qualitätssicherung in Kindertageseinrichtungen. In: Frühe Bildung 6(3). S. 141–150. ISSN 2191-9186

Deutsche Liga für das Kind, 2008. Gute Qualität in Krippe und Kindertagespflege [online]. Positionspapier der Deutschen Liga für das Kind. Berlin: Deutsche Liga für das Kind. Verfügbar unter: https://www.bvktp.de/media/​krippen-positionspapier_2015.pdf

Dreyer, Rahel, 2011. Können wir weiter offen arbeiten, wenn wir Kinder von null bis drei Jahren aufnehmen? In: Kindergarten heute. 40(5), S. 39–41. ISSN 0344-3949

Haug-Schnabel, Gabriele, 2011. Offene Arbeit und Kinder unter drei: Geht?das? In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik. 39(7), S. 22–25. ISSN 0342-7145

Karcher, Stephanie, 2023. Kindertagespflege. In: Stephanie Karcher, Hrsg. Kindgerechte Räumlichkeiten: Dokumentarische Rekonstruktion handlungsleitender Orientierungen von Tagespflegepersonen. Wiesbaden: Springer, S. 13–35. ISBN 978-3-658-43147-1

Laewen, Hans J., Beate Andres und Eva Hédervári, 2000. Die ersten Tage in der Krippe: Ein Modell für die Gestaltung der Eingewöhnungssituation. 3. erweiterte Auflage. Neuwied/​Berlin: Luchterhand. ISBN 978-3-4720-3878-8

Meiner-Teubner, Christiane und Katharina Kopp, 2023. Plätze und Personalschlüssel – was in den Bundesländern noch zu verbessern ist [online]. München: DJI [Zugriff am: 11.07.2024]. Verfügbar unter: https://www.dji.de/themen/​kinderbetreuung/​plaetze-und-personalschluessel.html

Neuß, Norbert und Katharina Lorber, 2014. Krippen früher und heute. In: Norbert Neuß, Hrsg. Grundwissen Krippenpädagogik: Ein Lehr- und Arbeitsbuch. 3. überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Cornelsen, S. 10–24. ISBN 978-3-8346-5072-6

NICHD Early Child Care Network, 1998. Early child care and self-control, compliance, and problem behavior at twenty-four and thirty-six months. In: Child Development. 69(4), S. 1145–1170, ISSN 0009-3920

NICHD Early Child Care Network, 2000. The relation of child care to cognitive and language development. In: Child Development. 71(4), S. 960–980. ISSN 0009-3920

Statistisches Bundesamt, 2023. Betreuungsquote der unter Dreijährigen steigt zum 1. März 2023 auf 36,4 % [online]. Wiesbaden: Statistisches Bundesamt [Zugriff am: 11.07.2024]. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/​Pressemitteilungen/2023/09/PD23_382_225.html

Sylva, Kathy, Edward C. Melhuish, Pam Sammons, Iram Siraj-Blatchford und Brenda Taggart, 2008. Final Report from the Primary Phase: Pre-school, School and Family Influences on Children's Development during Key Stage 2 (7-11) [online]. Nottingham: DCSF Research Report 61/Institute of Education, University of London [Zugriff am: 11.07.2024]. Verfügbar unter: https://doc.ukdataservice.ac.uk/doc/7540/mrdoc/pdf/7540_eppse_report_ks2.pdf

Sylva, Kathy, Edward C. Melhuish, Pam Sammons, Iram Siraj-Blatchford und Brenda Taggart, 2012. Effective Pre-school, Primary and Secondary Education 3–14 Project (EPPSE 3–14) – Final Report from the Key Stage 3 Phase: Influences on Students' Development from age 11–14 [online]. Department for Education Research Report 202 [Zugriff am: 11.07.2024]. Verfügbar unter: https://assets.publishing.service.gov.uk/government/​uploads/​system/​uploads/​attachment_data/file/455670/​RB455_Effective_pre-school_primary_and_secondary_education_project.pdf.pdf

Sylva, Kathy, Brenda Taggart, Iram Siraj-Blatchford, Vasiliki Totsika, Katharina Ereky-Stevens, Rose Gilden und Daniel Bell, 2007. Curricular quality and day-to-day learning activities in pre-school. In: International Journal of Early Years Education. 15(1), S. 49–65. ISSN 0966-9760

Tietze, Wolfgang, Hrsg., 1998. Wie gut sind unsere Kindergärten? Eine Untersuchung zur pädagogischen Qualität in deutschen Kindergärten. Berlin: Luchterhand. ISBN 978-3-472-02722-5

Viernickel, Susanne, Kirsten Fuchs-Rechlin, Petra Strehmel, Christa Pressing, Joachim Bensel und Gabriele Haug-Schnabel, Hrsg., 2015. Qualität für alle: Wissenschaftlich begründete Standards für die Kindertagesbetreuung. Freiburg im Breisgau: Herder. ISBN 978-3-451-32992-0 [Rezension bei socialnet]

10 Literaturhinweise

Becker-Stoll, Fabienne, Renate Niesel und Monika Wertfein, 2020. Handbuch Kinder in den ersten drei Jahren: So gelingt Qualität in Krippe, Kita und Tagespflege. Freiburg im Breisgau: Herder. ISBN 978-3-451-38476-9 [Rezension bei socialnet]

Fried, Lilian und Susanna Roux, Hrsg. 2013. Handbuch Pädagogik der frühen Kindheit. Berlin: Cornelsen. ISBN 978-3-589-24765-3 [Rezension bei socialnet]

Tietze, Wolfgang, Susanne Viernickel, Irene Dittrich, Katja Grenner, Andrea Hanisch, Andrea Lasson und Jule Marx, Hrsg. 2016. Pädagogische Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder: Ein Nationaler Kriterienkatalog. Vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Kiliansroda: Verlag das netz. ISBN 978-3-86892-121-2 [Rezension bei socialnet]

Viernickel, Susanne, Hrsg. 2012. Krippenforschung: Methoden, Konzepte, Beispiele. München: Ernst Reinhardt Verlag. ISBN 978-3-497-02287-8 [Rezension bei socialnet]

Verfasst von
Dr. Tina Eckstein-Madry
Deutsches Jugendinstitut e.V.
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