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Leihmutterschaft

Prof. Dr. Hartmut Kreß

veröffentlicht am 23.06.2022

Englisch: surrogacy; surrogate motherhood

Rechtlicher Disclaimer: Herausgeberin und Autor:innen haften nicht für die Richtigkeit der Angaben. Beiträge zu Rechtsfragen können aufgrund geänderter Rechtslage schnell veralten. Sie ersetzen keine individuelle Beratung.

Eine Leihmutter trägt ein Kind für andere Personen aus. Nach der Geburt übergibt sie das Kind an die Bestelleltern.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Sachverhalt und Begriffsbildung
  3. 3 Kulturgeschichtliche Hintergründe
    1. 3.1 Leihmütter im alten Israel
    2. 3.2 Ammenmütter in der Antike und in der Neuzeit
  4. 4 Medizinische und psychosoziale Aspekte heutiger Tragemutterschaft
  5. 5 Große Bandbreite rechtlicher Regulierungsansätze weltweit
    1. 5.1 Verbotsnormen
    2. 5.2 Rechtsfragen bei grenzüberschreitenden Leihmutterschaften
    3. 5.3 Zulässigkeit z.B. in Israel oder in den USA
  6. 6 Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland
    1. 6.1 Verbot durch den Gesetzgeber
    2. 6.2 Gerichtsentscheidungen
    3. 6.3 Reformtendenzen in der Rechtspolitik
  7. 7 Religiöse Sichtweisen
    1. 7.1 Breites Spektrum von Auffassungen außerhalb des Christentums
    2. 7.2 Die abwehrende Position christlicher Kirchen
    3. 7.3 Sonderproblem: Die Kirche als Arbeitgeber
  8. 8 Ethische Gesichtspunkte
    1. 8.1 Fortpflanzungsfreiheit
    2. 8.2 Schutzrechte der austragenden Frau
    3. 8.3 Kindeswohl und die vorwirkenden Rechte des Kindes
    4. 8.4 Zum Vergleich: Uterustransplantationen
    5. 8.5 Psychosoziale Beratung
  9. 9 Rechtspolitischer Klärungsbedarf
  10. 10 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Leihmutterschaft wird heutzutage in verschiedenen Ausformungen praktiziert. Vorformen der heutigen medizinisch unterstützten Leihmutterschaft sind seit der Antike bekannt. In der Gegenwart verbieten manche Staaten diesen Weg, Kinder zur Welt zu bringen. Andere Staaten lassen ihn zu und legen fest, unter welchen Bedingungen es statthaft ist, dass Frauen eine Schwangerschaft „spenden“, indem sie sich für Bestelleltern als Leihmutter zur Verfügung stellen. Unerlässlich ist es, Missstände – z.B. die Ausbeutung von Frauen als Mietmütter – zu verhindern. Im Kern kommt es darauf an, drei ethische und menschenrechtliche Kriterien in Einklang zu bringen: das Selbstbestimmungsrecht und die Fortpflanzungsfreiheit von Personen, die sich ein Kind wünschen; die Schutzrechte von Frauen, die bereit sind, für andere ein Kind auszutragen; das Wohl und die vorwirkenden Rechte der Kinder, die auf diese Weise geboren werden sollen. Inzwischen zeichnet sich ab, wie sich Leihmutterschaften auf der Basis dieser drei Kriterien ethisch vertretbar regeln lassen. 

2 Sachverhalt und Begriffsbildung

Bei einer Leihmutterschaft erteilt ein Paar oder auch eine Einzelperson (intendierte Eltern/​Wunscheltern/​Bestelleltern) einer Frau den Auftrag, stellvertretend für sie ein Kind auszutragen. Zu diesem Zweck wird heutzutage reproduktionsmedizinische Unterstützung in Anspruch genommen. Dabei geht es insbesondere darum, dass in die Gebärmutter der Leihmutter ein Embryo eingesetzt wird, der zuvor durch außerkörperliche Befruchtung (In-vitro-Fertilisation/IVF) erzeugt worden ist. Prinzipiell sind zwei Formen der Leihmutterschaft zu unterscheiden:

  • gestationale/​vollumfängliche Leihmutterschaft: Die das Kind austragende Frau wird mit Samenzellen und Eizellen befruchtet, die nicht von ihr selbst stammen;
  • genetische/​partiale Leihmutterschaft: Die austragende Frau stellt ihre eigenen Eizellen zur Verfügung. Diese werden mit Spermien befruchtet, die von dem auftraggebenden Paar bzw. vom auftraggebenden Mann stammen.

Der Sachverhalt wird international in medizinischer, psychologischer, ethischer, rechtlicher und gesellschaftspolitischer Perspektive diskutiert. Um ihn zu umschreiben und zu charakterisieren, werden mehrere Begriffe verwendet. Das Wort „Leihmutter“ hat sich recht breit eingebürgert. Daneben ist von Ersatz-, Miet-, Trage- oder Ammenmutterschaft sowie von einer Schwangerschaftsspende die Rede.

Die verschiedenen Begriffe setzen jeweils bestimmte Akzente. Wenn von Mietmutterschaft gesprochen wird, deutet dies darauf hin, dass monetäre Aspekte eine Rolle spielen. Demgegenüber umschreibt „Tragemutterschaft“ werturteilsfrei und neutral das Faktum, dass ein Kind nicht von seiner genetischen bzw. von seiner späteren sozialen Mutter, sondern von einer anderen Frau ausgetragen wird. Das Wort „Schwangerschaftsspende“ enthält sachliche Klarstellungen. Der Wortbestandteil „Spende“ signalisiert, dass die Bereitschaft einer Frau, für andere schwanger zu werden, auf ihrem eigenständigen, uneigennützigen und freien Entschluss beruht und nicht ökonomisch motiviert ist. Ferner stellt der Term „Spende“ eine Analogie zur Lebendspende von Organen her, die anderweitig in der Transplantationsmedizin praktiziert wird.

Üblich ist sodann die Unterscheidung zwischen altruistischer und kommerzieller Leihmutterschaft. Im ersten Fall trägt eine Frau das Kind, das sie nach der Geburt an die Bestelleltern abgibt, aus mitmenschlichen Motiven aus. Im zweiten Fall wird ihr durch den Vorgang ein finanzieller Vorteil oder Gewinn zuteil, sodass es sich um eine „gemietete“ Mutterschaft handelt.

Bei den Personen, die einen Auftrag zur Leihmutterschaft erteilen, können ganz unterschiedliche Gründe den Ausschlag geben. Von Belang sind vor allem

  • medizinische Gründe: Einer Frau, die eigentlich selbst ein Kind zur Welt bringen möchte, fehlt die eigene Gebärmutter, sei es von Geburt an (Mayer-Rokitansky-Küster-Hauser-Syndrom) oder aufgrund einer operativen Entfernung der Gebärmutter nach einer Krebserkrankung; oder es bestehen sonstige medizinisch gravierende Hinderungsgründe für eine eigene Schwangerschaft;
  • biologische Gründe: In zunehmendem Maß möchten Männer, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben, ein eigenes Kind aufziehen. Für sie eröffnet die Leihmutterschaft die Aussicht, dass ein Kind geboren wird, das mit einem von ihnen als dem Samengeber genetisch verwandt ist und dann bei ihnen aufwächst.

Daneben wird Leihmutterschaft aufgrund weiterer Intentionen nachgefragt. Ein gemischt medizinisch-sozialer Anlass liegt vor, sofern eine Frau das von ihr gewollte Kind wegen ihres höheren Lebensalters nicht mehr selbst auszutragen vermag. Manche Motive sind ambivalent oder sogar eindeutig fragwürdig, etwa wenn eine Frau aus vordergründigen äußerlichen, z.B. vermeintlich ästhetischen Beweggründen, nicht selbst schwanger werden oder wenn sie sich Zeit und Mühe ersparen möchte.

3 Kulturgeschichtliche Hintergründe

Heutzutage werden Leihmutterschaften durchweg mithilfe der modernen Reproduktionsmedizin durchgeführt. Ärztinnen oder Ärzte nehmen eine Insemination vor oder sie setzen der austragenden Frau einen Embryo ein, den sie zuvor extrakorporal erzeugt haben, indem sie Eizellen mit Samenzellen in vitro, außerhalb des Mutterleibs/im Reagenzglas, zusammengeführt haben. Zumeist stammen die Eizellen nicht von der Leihmutter, sondern von der Wunschmutter oder von anderen Frauen, sind mit Spermien des Bestellvaters befruchtet worden und werden danach in den Uterus der Leihmutter transferiert (vollumfängliche/​gestationale Leihmutterschaft).

Das Verfahren der außerkörperlichen Herstellung von Embryonen (In-vitro-Fertilisation) hat Ende der 1970er Jahre Anwendungsreife erlangt. Zuvor war es noch nicht möglich gewesen, ein von einer Leihmutter auszutragendes Kind ohne körperlichen sexuellen Kontakt zu erzeugen. Losgelöst von reproduktionsmedizinischer Unterstützung haben Leihmutterschaften aber bereits in der Vergangenheit stattgefunden.

3.1 Leihmütter im alten Israel

Ein bekanntes Beispiel stammt aus dem alten Israel bzw. aus dem altorientalischen Judentum. In der hebräischen Bibel wird davon berichtet, dass Sara, die Frau des Patriarchen Abraham, nicht schwanger werden konnte. Daher stellte sie Abraham ihre Sklavin Hagar als Ersatzmutter zur Verfügung. Der von Hagar geborene Sohn erhielt den Namen Ismael und galt als der Stammvater der Araber (1. Mose 25,12–18). Später wurde Sara doch noch schwanger. Der von ihr geborene Sohn hieß Isaak; er wurde zu einem der „Erzväter“ Israels (1. Mose 17,17–19). Die hebräische Bibel schildert noch weitere Fälle von Leihmutterschaft. So erhielt ein Sohn Isaaks, der Erzvater Jakob, wegen Unfruchtbarkeit seiner Frau von der Magd Bilha zwei Kinder namens Dan und Naftali (1. Mose 30, 4–8), die dann ihrerseits zu den Namensgebern von zwei der zwölf Stämme des Volkes Israel wurden. Die Nutzung von Sklavinnen als Leihmütter wurde ebenfalls außerhalb Israels im Alten Orient praktiziert. Ein wesentlicher Anlass war es, hierdurch den Familienbestand zu sichern bzw. das Groß-Ich der Familie aufrecht zu erhalten (Otto 1994, S. 49 f.).

Den Personen, die in den hebräischen Leihmutterschaftserzählungen namentlich genannt wurden, kommt religionsgeschichtlich große Bedeutung zu. Für die drei sogenannten abrahamitischen Religionen Judentum, Christentum, Islam waren sie Schlüsselgestalten. Indirekt wirken die Erzählungen der hebräischen Bibel, die aus dem ersten vorchristlichen Jahrtausend stammen, noch in der Gegenwart nach. Der heutige Staat Israel hat weltweit eine Vorreiterrolle übernommen, Leihmutterschaft auf jetzigem Niveau, d.h. mithilfe der In-vitro-Fertilisation, rechtlich zuzulassen und zu regeln.

3.2 Ammenmütter in der Antike und in der Neuzeit

Zusätzlich gibt es seit der Antike eine anders gelagerte Vorform heutiger Ersatzmutterschaften: die Versorgung Neugeborener mit Muttermilch durch eine Amme. Das Ammenwesen war noch in der Neuzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts Teil des gesellschaftlichen Alltags. Nachdem Frauen aus dem Adel oder aus dem wohlhabenden Bürgertum ihre Kinder zur Welt gebracht hatten, bedienten sie sich zum Stillen gemieteter Frauen. In Frankreich war das Ammenwesen im 18. Jahrhundert teilweise professionell organisiert. Im Jahr 1780 wurden in Paris „von rund 21.000 Neugeborenen, solche in staatlicher Obhut wie solche, die unter der Obhut ihrer leiblichen Eltern standen, mehr als 95 Prozent von kommerziellen Ammen versorgt“ (Patzel-Mattern 2018, S. 14). Im 19. Jahrhundert ist diese Praxis dann freilich sozialpolitisch kritisiert worden. Es handele sich um eine verwerfliche Instrumentalisierung von Frauen der Unterschicht, des Proletariats, durch Wohlhabende. August Bebel (1840–1913), einer der Begründer der Sozialdemokratie, fand deutliche Worte. Er wandte sich gegen die Gewerbsmäßigkeit der „Ammenzüchterei, die darin besteht, daß die Landmädchen sich schwängern lassen, um nach der Geburt ihrer Kinder sich als Amme an eine wohlhabende Berliner Familie vermieten zu können“ (Bebel 1996, S. 630).

Bebels damalige Einwände sind für die Gegenwart in abgewandelter Form erneut aktuell. Auftraggeber aus der reichen westlichen Welt sowie Leihmutterschaftsvermittler nutzen die soziale und ökonomische Notlage aus, in der sich Frauen in Schwellen- und Entwicklungsländern befinden. In Indien ist dies im Jahr 2016 rechtlich unterbunden worden, danach ebenfalls in Kambodscha oder Thailand (Sanders 2017, S. 927). Zuvor war in Indien mit Leihmutterschaftskliniken ein Geschäftszweig entstanden, dessen Jahresumsatz sich auf ca. 400 Mio. US-Dollar belief. Abgesehen von der Verdinglichung als Leihmütter sind Frauen in Indien massiv bedrängt worden, Eizellen zum Weiterverkauf an Bestelleltern herzugeben bzw. sie zu „spenden“ – mit hohem Profit für die kommerziellen Vermittler. Vermittlungsagenturen machten sich dabei die indische religiöse Konnotation des Wortes „spenden“ zunutze; das Spenden gilt dort herkömmlich als religiös verdienstvoll (Bärnreuther 2020).

Angesichts derartiger Missstände, die bis zur Biosklaverei und zum Kinderhandel reichen, ist es unerlässlich, Kriterien zu entwickeln, um von den fragwürdigen, verwerflichen und inhumanen Ausprägungen der Leihmutterschaft eine vertretbare Praxis abzugrenzen. Normative Kriterien, die auf eine humanverträgliche, ethisch akzeptable Regulierung abzielen, werden in diesem Beitrag an späterer Stelle dargelegt (s. unten den Abschnitt „Ethische Gesichtspunkte“). Zunächst sind fachwissenschaftliche Beurteilungen des Sachverhalts anzusprechen.

4 Medizinische und psychosoziale Aspekte heutiger Tragemutterschaft

Zwischen der Leihmutter und dem von ihr ausgetragenen Kind besteht keine genetische Verwandtschaft. Dies gilt jedenfalls für die vollständige Leihmutterschaft, bei der die Eizelle von der Auftraggeberin oder von einer dritten Person, einer Eizellspenderin, stammt. Die epigenetischen Einflüsse, die die austragende Frau auf das Kind eventuell ausübt (Liehr 2018, S. 189), bewirken keine genetische Verwandtschaft. Wenn ein Kind im Uterus einer fremden Frau heranwächst, sind seine pränatale Bindung an die Frau und die hormonellen Bedingungen seines Werdens andere als bei einer „natürlichen“ Schwangerschaft. Nach derzeitigem Kenntnisstand resultiert für das Kind hieraus entwicklungspsychologisch jedoch kein Schaden (Schölmerich 2018).

Medizinisch lässt sich das Austragen eines Kindes durch eine Leihmutter am ehesten mit Schwangerschaften vergleichen, die nach sonstigen, routinemäßig durchgeführten reproduktionsmedizinischen Behandlungen erfolgen. Im Normalfall der In-vitro-Fertilisation sind Sterilitätsprobleme einer Frau oder eines Mannes der Anlass dafür, dass bei dem Paar Samen- und Eizellen außerkörperlich zusammengeführt werden. Nach einer solchen In-vitro-Befruchtung ist die Rate an Schwangerschaftskomplikationen und an kindlichen Schädigungen gegenüber Schwangerschaften nach natürlicher Zeugung statistisch erhöht; dies hält sich in der Regel jedoch in engen Grenzen und wird medizinisch als tolerabel angesehen (Ludwig und Ludwig 2020). Ähnlich verhält es sich den bislang bekannten Daten zufolge bei Geburten nach Leihmutterschaft (Strowitzki 2018, S. 26 f.). Die empirische Grundlage der Studien, die medizinisch speziell zur Leihmutterschaft vorliegen, ist indes noch recht schmal. Es wurden ebenfalls Daten publiziert, die skeptischer stimmen (im Vergleich mit der „normalen“ In-vitro-Fertilisation bei Leihmutterschaft eine erhöhte Rate von Zwillingsschwangerschaften, problematische Ergebnisse bei Ultraschalluntersuchungen, vermehrte Rate des Absterbens von Feten, verstärkt Notwendigkeit von Kaiserschnitt; Rasouli et al. 2020). Insgesamt wird zurzeit aber durchgängig das Fazit gezogen, dass medizinisch gegen eine Leih- oder Tragemutterschaft keine prinzipiellen Einwände zu erheben sind.

Was die Frauen anbelangt, die ein fremdes Kind ausgetragen haben, ist über Depressionen nach der Geburt und der Abgabe des Kindes berichtet worden (Strowitzki 2018, S. 27). Darüber hinaus sind zur Leihmutterschaft psychosoziale Gesichtspunkte zu bedenken. Es ist zu prüfen, ob bei Kindern, die von einer Ersatzmutter zur Welt gebracht worden sind, psychologische Auffälligkeiten zutage treten. Den zurzeit verfügbaren Studien zufolge ist dies grundsätzlich nicht zu befürchten (Bujard und Thorn 2018, S. 640 f.).

5 Große Bandbreite rechtlicher Regulierungsansätze weltweit

Die rechtlichen Normierungen zur Leihmutterschaft weichen weltweit erheblich voneinander ab. In manchen Staaten (z.B. Belgien) ist keine explizite Gesetzes- oder Rechtsbestimmung vorhanden. Daher darf sie dort praktiziert werden – allerdings mit dem Manko potenzieller Rechtsunsicherheiten für die Bestelleltern, für die Ersatzmutter und für das Schicksal des Kindes nach seiner Geburt.

5.1 Verbotsnormen

Ausdrücklich untersagt ist Leihmutterschaft z.B. in Frankreich, Italien, der Bundesrepublik Deutschland oder der Schweiz. Die in vielem sehr liberale Schweiz positioniert sich zur Leihmutterschaft besonders rigoristisch, da die Verbotsnorm Verfassungsrang besitzt. Art. 119 Abs. 2 lit. d der Schweizer Bundesverfassung lautet: „Die Embryonenspende und alle Arten von Leihmutterschaft sind unzulässig“.

Derartige staatliche Verbote erstrecken sich prinzipiell nur auf das jeweilige Inland. Insoweit bleibt für Interessierte der Ausweg offen, sich im Ausland um eine Leihmutter zu bemühen, sodass weltweit ein beträchtlicher „Leihmutterschaftsmedizintourismus“ eingesetzt hat. Zu den beliebten Reiseländern gehörte die Ukraine (Bernard 2014, S. 354 ff.). Durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine sind die dortigen Leihmütter und ihre Kinder im Jahr 2022 in dramatische Nöte geraten.

5.2 Rechtsfragen bei grenzüberschreitenden Leihmutterschaften

Für die Bestelleltern besitzt ihr Leihmutterschaftstourismus – das Ausweichen auf das Ausland wegen Verbots im Inland – Schattenseiten. Bei grenzüberschreitenden Leihmutterschaften können Rechtsdilemmata aufbrechen. Im Extremfall darf das Kind nach seiner Geburt in den Staat, in dem die Bestelleltern wohnen, nicht einreisen. Vor allem kann es für die Wunscheltern schwierig werden – bezogen auf das Kind, das eine Frau in ihrem Auftrag im Ausland geboren hat – in ihrem eigenen Land rechtlich als Eltern anerkannt zu werden. In der Rechtsprechung zeichnet sich hierzu inzwischen freilich länderübergreifend die Tendenz ab, im Sinne der Bestelleltern zu entscheiden. Zur Begründung betonen einschlägige Gerichtsentscheidungen – z.B. in Frankreich (Gummersbach 2018, S. 110) – das Argument des Kindeswohls bzw. das Recht des Kindes auf eine gedeihliche Entwicklung in einer Familie, die für es sorgt (Koch 2018, S. 162 ff., 168 f.). Die Wunschmutter, die mit dem Kind genetisch nicht verwandt ist, muss sich unter Umständen jedoch einem umständlichen, langwierigen Anerkennungsverfahren stellen. Sie muss eine Stiefkindadoption beantragen, wohingegen ihr Partner, der Bestellvater und Samengeber, aufgrund seiner genetischen Verbundenheit mit dem Kind auch im Rechtssinn als Vater gilt.

Generell wird man festhalten können, dass die Rechtsprechung und das rechtswissenschaftliche Schrifttum aus der Vergangenheit gelernt haben oder zu lernen beginnen. Bei den Kindern, die von einer Ersatzmutter geboren worden sind, soll nicht wiederkehren, was ehedem nicht- oder unehelichen Kindern widerfuhr: Benachteiligungen, Ungleichbehandlung und faktische Schlechterstellung gegenüber Kindern, die den gesellschaftlichen Konventionen gemäß in einer bürgerlichen Ehe zur Welt gebracht worden waren.

5.3 Zulässigkeit z.B. in Israel oder in den USA

Eine Reihe von Staaten haben Rechtssicherheit hergestellt und die Leihmutterschaft gestattet, sei es durch Gesetz oder in anderer Form. Zu ihnen gehören Griechenland, die Niederlande, Großbritannien, Israel, Kanada sowie zahlreiche US-Bundesstaaten (Dethloff 2018, S. 57 f.). Manchmal ist kommerzielle Leihmutterschaft erlaubt. Beispielhaft werden nachfolgend Regelungen aus Israel und aus den USA, dort namentlich aus Kalifornien, vor Augen geführt.

In Israel ist Leihmutterschaft frühzeitig im Jahr 1996 zugelassen worden. Kulturgeschichtlich lässt sich dies damit erklären, dass dieser Umweg, zu Nachkommen zu gelangen, schon in der hebräischen Bibel bejaht worden war und dass im Judentum herkömmlich Pronatalismus bzw. Fortpflanzungsfreundlichkeit herrschen. Die Erzeugung von Kindern galt in der jüdischen Überlieferung als sittlich-religiöse Pflicht. Aufgrund der mutterrechtlichen Tradition des Judentums wurde in Israel 1996 die – im Rechtsvergleich ungewöhnliche – Bestimmung geschaffen, eine Leihmutter müsse derselben Religion angehören wie das Paar, an das sie das Kind abgibt. Ausnahmen müssen von einer Kommission genehmigt werden. Einer solchen Ausnahmegenehmigung bedarf es ebenfalls, falls eine Leihmutter verheiratet sein sollte (Benshushan und Schenker 1997, S. 1832).

Am 27. Februar 2020 traf das höchste Gericht Israels eine bemerkenswerte Richtungsentscheidung zugunsten homosexuell lebender Männer. Es beschloss, dass aus Gründen der Nichtdiskriminierung homosexuelle Männer nicht länger dazu gezwungen werden dürfen, sich zwecks Ersatzmutterschaft an Frauen im Ausland zu wenden. Das Gericht verlangte vom Gesetzgeber, Leihmutterschaft innerhalb eines Jahres auch inländisch für männliche Wunscheltern zu gestatten. Nachdem die Regierung Netanjahu untätig geblieben war, bekräftigte das Gericht am 11. Juli 2021, einzeln oder in Partnerschaft lebende homosexuelle Männer müssten ein Kind von einer Frau in Israel austragen lassen können, und setzte eine Frist von 6 Monaten. Im Januar 2022 ist das entsprechende Gesetz in Kraft getreten.

In den USA sind für die Normierungen der Leihmutterschaft die Bundesstaaten zuständig. Im US-Bundesstaat New Hampshire existiert ein Gesetz (Engelhardt 2018, S. 142 ff.); in anderen Staaten, etwa Kalifornien, beruhen die Regularien auf Richterrecht. Oftmals ist in den USA kommerzielle Leihmutterschaft legal. Eine Frau, die hierzu bereit ist, kann sich an eine Agentur wenden. Vertraglich werden mit ihr Beträge in der Größenordnung von 20.000 bis 60.000 US$ vereinbart. Pro Jahr werden in Nordamerika pro Jahr schätzungsweise ca. 6.000 Kinder von Leihmüttern geboren. In insgesamt 37 Jahren habe es sich – so wird berichtet – in weniger als 40 Fällen ereignet, dass eine Frau das Kind, das sie ausgetragen hat, nicht abgeben wollte. Diese wenigen Fälle seien vor allem dann zustande gekommen, wenn die austragende Frau mit dem Kind genetisch verwandt war, weil sie ihre eigene Eizelle zur Verfügung gestellt hatte (Oberhäuser 2018, S. 172 ff.). Wie in vielen anderen Staaten außerhalb und innerhalb der USA zog man in Kalifornien die Konsequenz, nur vollständige Leihmutterschaften zuzulassen. Die Eizellen, die mit dem Samen eines Wunschvaters befruchtet und der Tragemutter eingesetzt werden, müssen von einer Dritten gespendet worden sein, sofern sie nicht von der Bestellmutter selbst stammen. Hiermit möchte man verhindern, dass zwischen der austragenden Frau und dem Kind während der Schwangerschaft eine zu enge innere Bindung aufgebaut wird. Die benötigten Eizellspenden werden von Leihmutterschaftsagenturen vermittelt und erfolgen in Kalifornien „in aller Regel anonym“ (Oberhäuser 2018, S. 178).

Als wichtiger Bestandteil der kalifornischen Rechtslage ist zu betonen, dass die Auftraggeber bzw. die Wunscheltern schon vor der Geburt des Kindes einen Gerichtsbeschluss (parentage order) veranlassen können, der die Elternschaft auf sie überträgt. Daher erscheinen sie auf der kalifornischen Geburtsurkunde als Eltern. Davon abgesehen regeln kalifornische Leihmutterschaftsverträge zahlreiche Einzelheiten bis hin zu medizinischen Voruntersuchungen oder Lebensführungspflichten der Tragemutter während der Schwangerschaft. Einen Schwangerschaftsabbruch dürfen die Bestelleltern der Leihmutter aus Rechtsgründen nicht verwehren. Andererseits: „Treibt die Leihmutter trotz physischer oder psychischer Krankheiten des Kindes nicht ab, sind die Wunscheltern nicht verpflichtet, das Kind nach der Geburt in ihre Obhut zu nehmen“ (Engelhardt 2018, S. 145).

6 Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland

6.1 Verbot durch den Gesetzgeber

In der Bundesrepublik Deutschland sind Leihmutterschaften unzulässig. Das einschlägige Verbot wurde 1990 in das Embryonenschutzgesetz hineingeschrieben. § 1 Abs. 1 Nr. 7 dieses Gesetzes unterbindet es, dass Ärztinnen oder Ärzte einen durch außerkörperliche Befruchtung entstandenen Embryo einer Ersatzmutter einsetzen. Darüber hinaus hat das Adoptionsvermittlungsgesetz losgelöst von der Reproduktionsmedizin die Herbeiführung einer Leihmutterschaft generell verboten (§ 13a-d AdVermiG).

6.2 Gerichtsentscheidungen

Die Verbote greifen für das deutsche Inland. Folgerichtig wählen Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland den Ausweg, Leihmutterschaft im Ausland zu nutzen, etwa in der Ukraine oder in Kalifornien (ein Erfahrungsbericht aus Kalifornien: Meyer-Spendler 2016). Dies ist legal, muss aber unter erschwerenden Umständen realisiert werden. Ärztinnen und Ärzte, die in Deutschland praktizieren, dürfen keine Unterstützung leisten, z.B. durch medizinische Untersuchungen oder indem sie Auslandsadressen vermitteln (Schumann 2020, S. 340). Nachdem ein Kind im Ausland von einer Leihmutter geboren wurde, kann es in der Bundesrepublik für Wunsch- oder Bestelleltern unter Umständen langwierig und umständlich werden, juristisch den Elternstatus zu erlangen.

Immerhin: Gerichtsurteile haben inzwischen zum Teil Abhilfe geschaffen und ein bemerkenswertes Maß an Rechtsklarheit hergestellt. Relativ große Schwierigkeiten bestehen immer noch, wenn die Elternschaft der deutschen Auftraggeber:innen im Ausland lediglich von einer Behörde, etwa einem Standesamt, bescheinigt worden ist. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung, die der Bundesgerichtshof 2019 bezogen auf ein in der Ukraine geborenes Kind getroffen hat (BGH, Beschl. v. 20.3.2019 – XII ZB 530/17). Die Leihmutter hatte das Kind für ein deutsches heterosexuelles Paar zur Welt gebracht. Der Mann, der der genetische Erzeuger war und bei dem das Kind in Deutschland aufwachsen sollte, galt in der Bundesrepublik sofort auch rechtlich als Vater. Der Ehefrau bzw. der Partnerin, die zur sozialen Mutter des Kindes werden soll, bleibt in einer derartigen Fallkonstellation kein anderer Weg als ein Adoptionsantrag (Stiefkindadoption). Der Antrag wird in aller Regel dann aber zum gewünschten Ergebnis führen, sodass das Kind in Deutschland letztendlich bei dem Paar heranwachsen kann, für das es im Ausland von der Leihmutter ausgetragen worden ist.

Weniger hürdenreich sieht es juristisch für die Bestelleltern aus, sofern im Geburtsland des Kindes nicht nur ein behördlicher Bescheid, sondern ein Gerichtsbescheid angefertigt wurde, der ihre Elternschaft bestätigt. In einem solchen Fall können sie in der Bundesrepublik sofort juristisch zu „Eltern“ werden. Dies bekräftigte der Bundesgerichthof 2014 zugunsten von zwei in homosexueller Partnerschaft lebenden Männern, denen in Kalifornien gerichtlich die Elternschaft bestätigt worden war (BGH, Beschl. v. 10.12.2014 – XII ZB 463/13). Eine gerichtliche Festlegung zur Elternschaft (parental order) ist z.B. ebenfalls in Großbritannien möglich und üblich. Anders als in Kalifornien dürfen dort jedoch keine Personen aus dem Ausland eine Tragemutter in Anspruch nehmen, sodass Großbritannien für deutschen Leihmutterschaftstourismus nicht infrage kommt.

Für deutsche Staatsangehörige bricht gegebenenfalls eine weitere Frage auf: Lassen sich die ihnen durch die ausländische Leihmutterschaft entstandenen Kosten als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen? Das Finanzgericht Münster hat hierzu im Jahr 2021 abschlägig entschieden (FG Münster, Urt.v. 7.10.2021 – 10 K 3172/19 E). Es ließ für die Kläger, zwei Männer in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft, jedoch die Revision zu, die zurzeit (April 2022) beim Bundesfinanzhof anhängig ist (BFH – VI R 29/21). Möglicherweise wird der Fall von höchsten deutschen oder europäischen Gerichten entschieden werden. Dem Verfahren kommt erhebliche Tragweite zu. Denn die Klageschrift ist so angelegt, dass sie auf der Begründungsebene die Frage aufwirft, ob es überhaupt verfassungsgemäß ist, dass der deutsche Gesetzgeber Leihmutterschaften im Inland verboten hat.

Im rechtswissenschaftlichen Schrifttum ist dieses pauschale Verbot mit durchschlagenden Argumenten kritisiert worden (z.B. Dethloff 2018, S. 65 f.; Reitter 2020, S. 385). Gegenwärtig scheint sich auch politisch die Auffassung durchzusetzen, dass Reformen und Liberalisierungen notwendig sind.

6.3 Reformtendenzen in der Rechtspolitik

Zu der Grundsatzfrage, ob das generelle Verbot der Leihmutterschaft im Inland noch haltbar ist, bahnt sich in Deutschland auf politischer Ebene ein Meinungswandel an. Im Jahr 2013 hatte der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD Leihmutterschaft kategorisch abgelehnt, indem er sie als menschenwürdewidrig bezeichnete (Koalitionsvertrag 2013, S. 99). Demgegenüber bekundet die seit Dezember 2021 amtierende Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP in ihrem Koalitionsvertrag, die Legalisierung von Leihmutterschaften im Inland prüfen zu wollen (Koalitionsvertrag 2021, S. 116). Schon zuvor hatte der Familienbericht, den die frühere christdemokratisch geführte Bundesregierung veranlasst hatte, für das Inland eine kontrollierte, regulierte Zulassung der Leihmutterschaft empfohlen (Deutscher Bundestag 2021, S. 88).

7 Religiöse Sichtweisen

Mit Leihmutterschaft befassen sich gleichfalls die verschiedenen Religionen. Dies erklärt sich daraus, dass sich Religionen herkömmlich besonders stark für die Ehe- und Sexualmoral interessieren – religionsgeschichtlich in der Spannbreite zwischen kultischer Überhöhung von Sexualität einerseits, schroffer Abwertung von Sexualität als Sünde andererseits. Zur Leihmutterschaft changieren die Voten, die Kirchen und Religionen bislang abgegeben haben, zwischen vorsichtiger Akzeptanz und eindeutiger Ablehnung.

7.1 Breites Spektrum von Auffassungen außerhalb des Christentums

Abgesehen vom Christentum finden sich zur Leihmutterschaft religiös ganz gegensätzliche Sichtweisen. Die Fortpflanzungsfreundlichkeit des Judentums wurde voranstehend bereits erwähnt. Kinder galten als Segen Gottes – eine alte Leitidee, die bis heute nachwirkt. Der säkulare Staat Israel hat die Nutzung der modernen Reproduktionsmedizin einschließlich der Leihmutterschaft sehr liberal geregelt. Inzwischen dürfen dort auch homosexuelle Paare inländisch eine Frau für eine Tragemutterschaft gewinnen. Östliche Religionen – Buddhismus, Hinduismus – halten Leihmutterschaft für statthaft (Benshushan und Schenker 1997, S. 1834).

Für den Islam ergibt sich ein gespaltenes Bild. Der sunnitische Islam sieht Gefahren von Ehebruch und Unzucht und verneint die Legitimität von Leihmutterschaft. Anders verhält es sich im schiitischen Islam, von dem insbesondere der Iran geprägt ist. Er hält Eizellspenden und Leihmutterschaft für annehmbar (Ilkilic 2011, S. 12 f.; Serour und Serour 2021, S. 428). Religionsgeschichtlich basiert dies unter anderem darauf, dass der schiitische Islam die Institution der Zeitehe (Mut’ah) kennt, der gemäß sich ein Mann neben seiner Ehe mit einer nicht verheirateten Frau zeitweise in einem weiteren Eheverhältnis befinden darf (Inhorn 2006, S. 435 f.).

Bei Leihmutterschaften und Eizellspenden sind Frauen die Handlungssubjekte. Die Handlungskonstellation, die analog für Männer zu nennen ist, ist die Samenspende. Im Islam werden Samenspenden durchweg für unzulässig gehalten; ebenso wird in den verschiedenen Strömungen des Islam die Adoption von Kindern abgelehnt (Rohe 2009, S. 97, 362, 376). An derartigen Vorgaben zeigt sich exemplarisch ein Grundsatzproblem, das religiöse, einschließlich christlich-kirchlicher, Standpunkte aufwerfen. Die verschiedenen Religionen oder Denominationen berufen sich auf ihre jeweiligen Traditionen, die intern höchste Autorität genießen und unter Umständen sogar als direkte Gebote Gottes gelten, sodass sie nicht hinterfragt werden dürfen. Inhaltlich spiegeln sich in vielen religiösen Standpunkten zu Sexualität, Ehe und Familie aber paternalistische, Frauen diskriminierende, sexualasketische oder sonstige moralische Auffassungen ab, die vormodern sind. In der Gegenwart bedürfen sie historisch-kritischer Analyse und einer rationalen Prüfung, zu der die Religionen teilweise kaum, nur schwerfällig oder gar nicht bereit sind. Diese Schwierigkeit kehrt ebenfalls im Christentum wieder.

7.2 Die abwehrende Position christlicher Kirchen

In der Bundesrepublik Deutschland haben die christlichen Kirchen die Meinungsführerschaft zu biomedizinischen Fragen verloren, die sie in zurückliegenden Jahrzehnten noch besaßen. Dennoch fließen ihre Anschauungen in die öffentliche und vor allem in die politische Debatte ein, sodass sie an dieser Stelle zu erwähnen sind. Zur Leihmutterschaft äußern sie sich abweisend. Für die römisch-katholische Kirche ist sie absolut inakzeptabel (Kongregation für die Glaubenslehre 1987, S. 23). Immer wieder hat der Vatikan pauschal und kategorisch untersagt, Eizellen außerhalb des Mutterleibs zu befruchten. Moralisch sei es zwingend erforderlich, dass ein Kind in einem natürlichen leiblichen Akt von Eheleuten erzeugt werde. Daher hat die katholische Kirche sogar verheirateten heterosexuellen Paaren verboten, zum Zweck der Sterilitätstherapie Embryonen außerkörperlich erzeugen zu lassen (Kongregation für die Glaubenslehre 1987, S. 24 ff.). Schon allein wegen ihres absoluten Nein zur In-vitro-Fertilisation/zur außerkörperlichen Befruchtung verurteilt das römisch-katholische Lehramt ebenfalls die Leihmutterschaft.

Die deutschen evangelischen Kirchen haben sich seit den 1980er Jahren zur Fortpflanzungsmedizin gleichfalls immer wieder generell kritisch und ablehnend geäußert. Was speziell die Leihmutterschaft anbelangt, laufen ihre Voten, die sich mit Biomedizin, Sexual-, Ehe- und Familienmoral beschäftigen, auf ein Nein hinaus (Rose 2018). Wichtig ist jedoch: Anders als der Katholizismus kennt das evangelische Christentum kein zentrales Lehramt, sodass die evangelische Kirche keine schlechthin verbindlichen Festlegungen vornehmen kann. Faktisch herrscht zu biomedizinischen Fragen in der protestantischen Theologie und Ethik die gleiche Meinungsvielfalt wie in der gesamten Gesellschaft.

7.3 Sonderproblem: Die Kirche als Arbeitgeber

Im Jahr 2022 ist die Leihmutterschaft in Deutschland kirchlich zu einem Streitthema eskaliert, das in den Medien breites Aufsehen fand. Der Kantor des evangelischen Braunschweiger Doms Gerd-Peter Münden, der aufgrund seiner Kinderchorarbeit weit über Braunschweig hinaus hohe Reputation genießt, wurde im März 2022 von der Braunschweigischen Landeskirche fristlos entlassen. Er hatte die Überlegung oder die Absicht geäußert, gemeinsam mit seinem aus Kolumbien stammenden Mann eine Leihmutterschaft in Kolumbien in Anspruch zu nehmen. Der kirchliche Arbeitgeber wandte ein, dies stehe im Widerspruch zu den ethischen Grundsätzen der evangelischen Kirche.

Den zurzeit (April 2022) vorliegenden Informationen ist nicht zu entnehmen, auf welche kirchenrechtlich verbindlichen Vorgaben die Braunschweiger Kirche sich eigentlich präzis stützt. Ihre Position dürfte auf tönernen Füßen stehen, weil evangelisch-kirchliche Dokumente zu diesem Thema zwar abweisend, aber insgesamt vage sind und weil hierzu keine evangelische kirchliche „Lehre“ vorliegt. Zudem hatte es sich lediglich um eine Absichtsbekundung gehandelt, die der Kantor nicht in die Tat umgesetzt hat.

An dem Vorgang wird eine spezifisch deutsche Problematik sichtbar. Die evangelische Kirche kündigte ihrem Arbeitnehmer im Rahmen des kirchlichen Arbeitsrechts, das in wesentlichen Punkten – unter anderem: Durchgriffsmöglichkeit des Arbeitgebers auf private Angelegenheiten – vom allgemein geltenden staatlichen Arbeitsrecht abweicht. Andere europäische Staaten kennen kein derartiges Sonderarbeitsrecht der Kirchen. Nach seiner Entlassung reichte der Kantor im März 2022 bei einem staatlichen Gericht Kündigungsschutzklage ein (Norddeutscher Rundfunk 23.3.2022). In den zurückliegenden Jahren haben deutsche staatliche Arbeitsgerichte ungeachtet der Besonderheiten der kirchlichen Moral wiederholt zugunsten der Beschäftigten, ihrer Selbstbestimmungsrechte und ihres Rechts auf Privatsphäre entschieden. Dies erfolgte auch deswegen, weil der Europäische Gerichtshof in zwei Grundsatzurteilen („Chefarztfall“; „Fall Egenberger“) im Jahr 2018 die Grundrechte von kirchlich Beschäftigten gegenüber den kirchlichen Arbeitgebern gestärkt hat.

Der aus Braunschweig berichtete Fall unterstreicht, dass die Positionen der Kirchen zur Biomedizin, hier konkret zur Leihmutterschaft, der kritischen Analyse bedürfen. Dies gilt erst recht angesichts ihrer Machtstellung als Arbeitgeber. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Kirchen aus historischen Gründen nach dem Staat der größte Arbeitgeber; von ihnen werden ca. 1,8 Mio. Menschen beschäftigt. Die kirchlich-religiösen Standpunkte zur Biomedizin und Biomoral sind auf mehreren Ebenen kritisch zu diskutieren: innerreligiös und binnenkirchlich, im Licht ethischer Kriterien, die rational verallgemeinerbar sind, sowie auf der Basis der staatlichen Rechtsordnung und der staatlich garantierten Grundrechte.

8 Ethische Gesichtspunkte

Mit Blick auf die gesamte Gesellschaft und auf die Rechtsordnung ist es unerlässlich, Leihmutterschaft ethisch zu durchdenken. Kriterien der Ethik überschneiden sich mit Rechtsnormen, sodass sie zugleich rechtspolitisch relevant sind. Verfassungsrechtlich (Wapler 2018, S. 110 ff.) und ethisch sind für die Bewertung von Leihmutterschaft gewichtige Menschenrechte in den Vordergrund zu rücken:

  • die Selbstbestimmungsrechte der Wunsch- oder Bestelleltern,
  • die Schutz- und Persönlichkeitsrechte der Frau, die bereit ist, für andere Personen ein Kind austragen,
  • das Wohl und die Interessen des potenziellen Kindes. Seine Rechte sind bereits im Vorhinein, vor seiner Erzeugung zu beachten.

Nachfolgend werden diese drei Punkte in verschiedene Richtungen hin erläutert.

8.1 Fortpflanzungsfreiheit

Jede Person, die sich ein eigenes Kind wünscht, kann sich auf ihre Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechte berufen, zu denen die Fortpflanzungsfreiheit bzw. die reproduktive Autonomie gehören. Spätestens seit der Weltbevölkerungskonferenz der Vereinten Nationen von Kairo 1994 wird die Fortpflanzungsfreiheit als fundamentales individuelles Menschenrecht eingestuft. Sie legitimiert es, den Wunsch nach einem eigenen Kind auch mithilfe moderner Hochleistungsmedizin, nämlich der Reproduktionsmedizin, sowie mit Unterstützung Dritter zu realisieren. Ethisch und rechtlich kommt ihr sehr hohes Gewicht zu. Auf ihre Fortpflanzungsfreiheit können sich Menschen mit Kinderwunsch auf jeden Fall solange stützen, wie ihre Wünsche und Vorhaben Dritten keinen Schaden zufügen und ihnen die Rechte Dritter nicht entgegenstehen.

Insofern ergeben sich freilich auch ganz bestimmte Grenzen. Die Bestelleltern müssen den Rechten und der Menschenwürde des erhofften Kindes Rechnung tragen. Konkret ist es z.B. unhaltbar, wenn Bestelleltern die Übernahme eines Kindes verweigern, weil es mit Behinderungen geboren wurde. Darüber hinaus wird die Fortpflanzungsfreiheit der Bestelleltern durch die Schutzrechte der Leihmütter eingegrenzt. Es ist inakzeptabel, wenn Leihmütter entrechtet und inhuman behandelt werden.

Sodann ist die Klarstellung wichtig, dass Menschen mit Kinderwunsch eine dritte Person zum Zweck ihrer eigenen Fortpflanzung nur subsidiär, hilfsweise in Anspruch nehmen dürfen. Ethisch ist es geboten, von der Fortpflanzungsfreiheit verantwortlich Gebrauch zu machen; sie legitimiert weder Willkür noch egoistisches Verhalten. Deswegen darf Leihmutterschaft nicht beliebig oder aus eigener Bequemlichkeit erbeten werden, z.B. um sich selbst Belastungen durch eine Schwangerschaft zu ersparen. Stattdessen sind ethische Kriterien oder – medizinisch ausgedrückt – Indikationen zu beachten, die es rechtfertigen, unter Berufung auf die eigene Fortpflanzungsfreiheit Eizellspenderinnen und Ersatzmütter anzufragen. Sofern ein heterosexuelles Paar Auftraggeber ist, muss eine medizinische Indikation vorliegen, etwa das genetisch bedingte Fehlen der Gebärmutter bei der Frau, die sich ein Kind wünscht. Analog können männliche homosexuelle Partner, die sich ein Kind wünschen, eine biologische Indikation geltend machen. Denn sie sind von Natur aus nicht selbst in der Lage, das von ihnen erhoffte und gewünschte Kind auszutragen.

8.2 Schutzrechte der austragenden Frau

Die Rechte der austragenden Frau – ihre Schutz-, Abwehr- und Freiheitsrechte – sind ethisch von besonders hohem Belang. Indem sie anderen Personen für die Erfüllung eines Kinderwunsches ihren eigenen Körper zur Verfügung stellt, setzt sie sich physischen sowie psychischen Belastungen und gesundheitlichen Risiken aus. Mit ihren Schutz- und Freiheitsrechten ist es unvereinbar, dass sie aus ihrem persönlichen Lebensumfeld gerissen und zum Aufenthalt in sogenannten Leihmütterhäusern genötigt wird (Bujard und Thorn 2018, S. 644). Weil die Selbstbestimmungsrechte der austragenden Frau vollumfänglich gewahrt bleiben müssen, ist Leihmutterschaft nur unter der Voraussetzung legitim, dass die Tragemutter aus eigener Überzeugung eingewilligt hat – und zwar auf der Grundlage, umfassend informiert, aufgeklärt und beraten worden zu sein. Während der Schwangerschaft sind ihre individuellen Persönlichkeitsrechte vollumfänglich in Kraft, sodass die Wunscheltern oder deren Agentur ihr z.B. das Recht auf Schwangerschaftsabbruch nicht absprechen dürfen.

Unabdingbar ist es, dass für ihren Versicherungsschutz gesorgt wird. Darüber hinaus ist es legitim und sogar geboten, sie materiell abzusichern (Gassner 2013, S. 61). Die Aufwandsentschädigung und das Entgelt, das ihr wegen Verdienstausfall fairerweise zusteht, kann eine beträchtliche Höhe erreichen. Letzteres zeigt sich in Großbritannien. Dort genehmigen Gerichte, die das Kind mittels Elternverfügung den Bestelleltern zuordnen, Vergütungen auch noch im Nachhinein (Schwind 2018, S. 122 f.). In Großbritannien waren Modalitäten der Leihmutterschaft erstmals im Jahr 1985 rechtlich normiert worden. Aufwandsentschädigung und Entgelt sind dort in die sogenannte altruistische Leihmutterschaft integriert worden. Kommerzielle Leihmutterschaft ist in Großbritannien rechtlich unzulässig.

Hier zeigt sich zugleich, dass aufgrund der Möglichkeit und der Notwendigkeit materieller Entschädigung altruistische Motive und ökonomische („kommerzielle“) Aspekte faktisch ineinander übergehen. Insofern ist die einschlägig gewordene Abgrenzung – altruistische versus kommerzielle Leihmutterschaft – nur eingeschränkt aussagekräftig. Klare Grenzziehungen sind geboten, sobald Fremdbestimmung droht. Dies ist der Fall, wenn Dritte eine wirtschaftliche oder soziale Notlage von potenziellen Tragemüttern ausnutzen oder wenn Frauen in Abhängigkeit von kommerziellen Vermittlern oder Agenturen zu geraten drohen.

Um die Rechte der austragenden Frau zu verdeutlichen, bietet es sich an, die Trage-, Leih- oder Ersatzmutterschaft mit der Lebendspende von Organen zu vergleichen. In manchen Staaten werden Lebendorganspenden häufiger praktiziert als in der Bundesrepublik Deutschland. Doch auch in Deutschland fallen sie, trotz gesetzlicher Restriktionen, quantitativ ins Gewicht. Unerlässliche Bedingung ist es, dass die gesunde Person, die einer oder einem Erkrankten ein Organ, vor allem ihre Niere oder einen Teil ihrer Leber spendet, gründlich informiert wurde und freiwillig zugestimmt hat.

Der Sache nach geht es auch bei der Leihmutterschaft um die Hergabe eines Organs, nämlich der Gebärmutter. Die Tragemutter gibt ihr Organ allerdings nicht dauerhaft ab, sondern stellt es den Bestelleltern temporär, für die Zeitspanne der Schwangerschaft, zur Verfügung. Daher kann von einer „Schwangerschaftsspende“ gesprochen werden (Kreß 2013, S. 243). Es empfiehlt sich, ethisch und rechtlich zur Wahrung der Schutz- und Freiheitsrechte der austragenden Frau – der Leihmutter bzw. der Schwangerschaftsspenderin – Kriterien zu formulieren, die den international etablierten Standards der Lebendorganspende entsprechen.

8.3 Kindeswohl und die vorwirkenden Rechte des Kindes

Nicht zuletzt sind das Wohl und die Interessen des Kindes hervorzuheben, das von einer Leihmutter bzw. von einer Schwangerschaftsspenderin ausgetragen wird. Hierzu sind mehrere Teilaspekte auseinanderzuhalten.

  1. In zurückliegenden Jahren wurde oft der Einwand erhoben, Leihmutterschaft führe zu einer „gespaltenen Mutterschaft“, die das Kindeswohl bedrohe. Aufgrund empirischer Studien ist dieser Einwand, der auch für den deutschen Gesetzgeber leitend war, nicht mehr haltbar (Bujard und Thorn 2018, S. 640 f.). Bemerkenswerterweise bleiben die sozialen Eltern, bei denen das Kind aufwächst, nach der Geburt mit der austragenden Frau oftmals in Kontakt (Kim 2019). Dies kommt der Entwicklung und der Identitätsfindung des Kindes zugute und wird insbesondere bezogen auf homosexuelle Bestelleltern berichtet (Carone et al. 2018). Im Ergebnis zeichnet sich ab, dass aufgrund von Leihmutterschaften bzw. von Schwangerschaftsspenden keine sogenannte gespaltene Mutterschaft zu befürchten ist, die für das Kind abträglich wäre. Stattdessen eröffnen sich Optionen einer konstruktiv gestalteten „geteilten“, „partizipativen“ Elternschaft der verschiedenen Beteiligten. 
  2. Zu den wesentlichen Persönlichkeitsrechten jedes Kindes gehört sein Recht auf Kenntnis seiner genetischen Herkunft. Es hat Anspruch darauf, über die Voraussetzungen seiner Geburt unterrichtet zu werden. Dieses Recht ist bereits vorwirkend – vor der Geburt und sogar vor der Erzeugung eines Kindes – zu beachten (Kreß 2020, S. 666 ff.). Aus diesem Grund sind anonym bleibende Leihmutterschaften fragwürdig, die z.B. in Israel praktiziert werden (Benshushan und Schenker 1997, S. 1832). Unvertretbar ist sodann, dass Frauen anonym bleiben, die ihre Eizellen hergeben, damit diese mit dem Samen von Wunschvätern befruchtet und den austragenden Frauen implantiert werden. Denn mit der Eizellspenderin ist das Kind genetisch verwandt. Zu diesem letztgenannten Punkt zeigt sich nicht nur in Israel, sondern auch in Kalifornien eine Schieflage. Dort bleiben die Namen und Daten der Eizellspenderinnen zumeist verborgen – mit der Folge, dass das Recht von Kindern auf Kenntnis ihrer genetischen Herkunft verletzt wird. Beispielgebend ist demgegenüber die Regelung in Großbritannien, wo keine anonymen, sondern nur personalisierte Eizellspenden zulässig sind.
  3. Ein grundlegendes Recht eines Kindes ist sein Gesundheitsschutz. Am Maßstab des Gesundheitsschutzes haben sich sämtliche Angebote und Handlungsmöglichkeiten der Fortpflanzungsmedizin bemessen zu lassen. Wenn Ärztinnen und Ärzte die Erzeugung eines Kindes mit reproduktionsmedizinischen Interventionen unterstützen, dürfen für das Kind hierdurch keine gesundheitlichen Schäden verursacht werden, die vorhersehbar, vermeidbar oder unverhältnismäßig sind (Kreß 2020, S. 665 ff.). Zur Leihmutterschaft ist nach heutigem Kenntnisstand in dieser Hinsicht grundsätzlich weitgehend „Entwarnung“ zu geben. Der Transfer einer extrakorporal befruchteten Eizelle in den Uterus der austragenden Frau scheint für das Kind keine gesundheitlichen Risiken mit sich zu bringen, die unkalkulierbar oder per se unvertretbar wären. Diese Einschätzung, dass Leihmutterschaften bzw. Schwangerschaftsspenden unter Aspekten des Gesundheitsschutzes durchaus vertretbar sind, verstärkt sich nochmals, wenn man sie mit einem anderen Behandlungsansatz vergleicht, der neuerdings realisiert wird, nämlich mit der Uterusspende.

8.4 Zum Vergleich: Uterustransplantationen

Seit dem zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts werden Uterusspenden praktiziert. Einer Frau, die sich ein Kind wünscht, wird eine fremde, gespendete Gebärmutter implantiert, mit deren Hilfe sie schwanger werden kann. Bei heterosexuellen Paaren liegt einer solchen Uterustransplantation gegebenenfalls die gleiche medizinische Indikation zugrunde wie der Leihmutterschaft/der Schwangerschaftsspende: Einer Frau mit Kinderwunsch fehlt eine eigene funktionsfähige Gebärmutter. Um dies zu kompensieren, kann sie sich einen Uterus einpflanzen lassen, der von einer anderen Frau stammt. Als Spenderinnen kommen Hirntote oder – medizinisch erfolgversprechender – Lebendspenderinnen in Betracht.

Das Verfahren wurde in Schweden entwickelt. Die rechtlichen, medizinischen und ethischen Probleme sind hier nicht zu entfalten (Kreß 2020, S. 673 f.). Hier ist nur auf einen ganz bestimmten Sachverhalt aufmerksam zu machen: Wenn ein Kind in einem Uterus heranwächst, den sich seine Mutter von einer anderen Frau hat spenden lassen, entstehen für dieses Kind gesundheitliche Zusatzrisiken. Der Schwangeren müssen Immunsuppressiva verabreicht werden, damit sie die ihr implantierte Gebärmutter nicht abstößt. Dieser Medikamentation ist auch der in ihr heranwachsende Fetus ausgesetzt, was für ihn gesundheitliche Schäden bewirken kann (z.B. Zaami 2021, S. 6149 ff.). Bei einer Leihmutterschaft – dem Austragen des Fetus im eigenen Uterus einer anderen Frau – entfällt eine solche risikoträchtige Medikamentierung. Die Uterustransplantation ist zurzeit als hochexperimentelles Verfahren einzustufen, zu dem „keine hinlänglichen Langzeituntersuchungen zu den Ergebnissen des Verfahrens mit Fokus auf die Gesundheit von Mutter und Kind“ vorliegen (Depenbusch und Schultze-Mosgau 2020, S. 297).

Nützlich wären Studien, die die Gesundheitslasten für Feten bei einer Leihmutterschaft/​Schwangerschaftsspende einerseits, einer Uterusspende andererseits vergleichen und gegeneinander abwägen. Solche Studien vorzulegen, ist eine Bringschuld der Medizin. Möglicherweise sind die gesundheitlichen Risiken für das Kind bei einer Leihmutterschaft/​Schwangerschaftsspende geringer als bei einer Uterusspende/​Uterustransplantation. Abgesehen von allen sonstigen Argumenten ist es auch aus diesem Grund unplausibel, dass in der Bundesrepublik Deutschland Leihmutterschaften pauschal verboten sind, wohingegen Uterustransplantationen als legal gelten und sie inländisch durchgeführt werden. Im Vergleich zur Uterusspende als Lebendorganspende dürfte die Leihmutterschaft/die Schwangerschaftsspende in vielen Fällen eine Alternative darstellen, die medizinisch und psychosozial den Vorzug verdient.

8.5 Psychosoziale Beratung

Voranstehend sind Grundrechte und Grundwerte angesprochen worden, die in Anbetracht von Leihmutterschaften ethisch relevant sind. Zuletzt ging es um den Gesundheitsschutz. Zusätzlich sind aus ethischer Sicht Verfahrensregeln hervorzuheben, die sicherzustellen haben, dass Leihmutterschaften humanverträglich durchgeführt werden. Personen mit Kinderwunsch, die daran denken, eine Leihmutter in Anspruch zu nehmen, und Frauen, die zur Schwangerschaftsspende/​Leihmutterschaft bereit sind, sollten auf jeden Fall die Möglichkeit haben, sich bei ihren Vorüberlegungen, ihren Planungen, später im Umfeld der Geburt sowie beim Aufwachsen des Kindes psychosozial beraten und begleiten zu lassen. Obwohl Vorformen der heutigen Leihmutterschaft bereits aus zurückliegenden Jahrhunderten bekannt sind (s. oben die Abschnitte über kulturgeschichtliche Hintergründe), handelt es sich heutzutage um einen ungewöhnlichen Vorgang, der von den gesellschaftlichen Konventionen abweicht. Daher sollte das öffentliche Gesundheitswesen sicherstellen, dass Personen, die an Leihmutterschaft interessiert oder hiervon betroffen sind, nicht nur medizinisch informiert, aufgeklärt und beraten werden. Vielmehr sollte für sie auch psychosoziale Beratung bereitgestellt werden. Entsprechende Angebote sind in anderen Staaten bereits aufgebaut worden, sodass man im Fall der Zulassung der Leihmutterschaft in der Bundesrepublik Deutschland von den Erfahrungen im Ausland profitieren kann.

9 Rechtspolitischer Klärungsbedarf

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Fortpflanzungsmedizin insgesamt rechtlich völlig unzureichend geregelt. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird im Schrifttum und von Fachgremien eine zeitgemäße Gesetzgebung gefordert (hierzu statt vieler: Nationale Akademie der Wissenschaften 2019). In diesem Zusammenhang wird künftig ebenfalls die Leihmutterschaft zu regeln sein.

Die anzustrebende Regulierung wird der Grundrechtstrias Rechnung zu tragen haben, die voranstehend entfaltet worden ist: Fortpflanzungsfreiheit der Personen mit Kinderwunsch; Schutzrechte der Frau, die das Kind austrägt; Kindeswohl und vorwirkende Kinderrechte. Darüber hinaus wird eine gesetzliche Normierung unter anderem folgende Punkte zu berücksichtigen haben: medizinische Qualitätssicherung; Zertifizierung von Zentren, die Leihmutterschaft medizinisch unterstützen; Aufbau eines Angebots psychosozialer Beratung und Begleitung für die Betroffenen; medizinische und sozialwissenschaftliche Begleit- und Langzeitfolgenforschung.

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Verfasst von
Prof. Dr. Hartmut Kreß
Professor für Sozialethik an der Universität Bonn
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Zitiervorschlag
Kreß, Hartmut, 2022. Leihmutterschaft [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 23.06.2022 [Zugriff am: 20.09.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/29243

Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Leihmutterschaft

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