Mensch-Tier-Beziehung
Prof. Dr. Frank Nestmann, Dr. Sandra Wesenberg
veröffentlicht am 10.01.2025
Mensch-Tier-Beziehungen sind die artübergreifenden sozialen Beziehungen von Mensch und Tier. Der Begriff umfasst u.a. persönliche Nahbeziehungen zwischen Menschen und Heimtieren, die durch Kontinuität, Reziprozität sowie Nähe und wechselseitige emotionale Verbundenheit gekennzeichnet sind.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Soziale Beziehungen zwischen Menschen und Tieren
- 3 Persönliche Beziehungen zwischen Menschen und Tieren
- 4 Bindungen zwischen Menschen und Tieren
- 5 Mensch-Tier-Beziehungen und psychosoziale Interventionen
- 6 Quellenangaben
1 Zusammenfassung
Der Begriff „Mensch-Tier-Beziehungen“ wird in verschiedener Hinsicht verwendet: Er dient einerseits zur allgemeinen Umschreibung der sozialen Beziehungen zwischen Menschen und Tieren, die sich im Verlauf einer jahrtausendelangen gemeinsamen Geschichte entwickelt und ausdifferenziert haben. Andererseits bezeichnet der Begriff insbesondere die individuellen persönlichen Beziehungen zwischen Menschen und „ihren“ Tieren, die von gegenseitiger Nähe und Vertrautheit geprägt sind und so auch Merkmale von Bindungen aufweisen.
2 Soziale Beziehungen zwischen Menschen und Tieren
Soziale Beziehungen benötigen mindestens zwei Individuen, deren Denken, Fühlen und Handeln aufeinander bezogen sind (u.a. Lenz 2009). Diese Beziehungen sind allerdings nicht auf Menschen beschränkt. Es können auch zwischen Menschen und Tieren soziale Beziehungen bestehen. Mensch und Tier handeln aufeinander bezogen, interagieren miteinander (in Annäherung oder Rückzug, Kontaktsuche oder -vermeidung) und lösen wechselseitig Emotionen und kognitive Reaktionen aus. Diese gegen- und wechselseitigen Emotionen, Kognitionen und Handlungen können wie in zwischenmenschlichen Beziehungen positive oder negative Qualitäten haben (Empfindungen von Freude und Sicherheit vs. Unsicherheit und Angst, Auslösen von Interesse, Aufmerksamkeit, Annäherung vs. Vorsicht, Vermeidung oder Abwehr). Sie können auch ambivalent oder indifferent sein – für eine oder beide Seiten. Solche sozialen Beziehungen sind zudem immer in spezifische ökologische Settings, Lebensräume und Funktionszusammenhänge der beteiligten Individuen eingewoben (Nestmann und Wesenberg 2021).
2.1 Voraussetzung für speziesübergreifende soziale Beziehungen
Voraussetzung für das Entstehen sozialer Beziehungen zwischen Individuen ist das Vorhandensein einer speziesübergreifenden kommunikativen Grundlage, die aufeinander bezogenes Verhalten möglich macht. Kommunikation kann über Speziesgrenzen gelingen, sofern die neurophysiologischen Wahrnehmungs-, Deutungs- und Reaktionspotenziale und -mechanismen der beteiligten Spezies sich ähneln. Nach Kotrschal (2009, S. 66)
„wird wechselseitiges Verstehen durch die gemeinsamen Prinzipien der Organisation von Verhalten, Persönlichkeitsstruktur und Stressbewältigung begünstigt“.
Das soziale Zusammenleben zwischen Menschen und Tieren beruht demnach auf einer
„stammesgeschichtlich entstandenen, gemeinsamen ‚sozialen Werkzeugkiste‘, vor allem auf einem in Anatomie und Funktionen weitgehend gemeinsamen ‚sozialen Gehirn‘“ (Kotrschal 2023, S. 668 f.).
Im Laufe der Evolution haben sowohl Menschen als auch bestimmte Tiere demnach sogenannte social tools entwickelt, die es ermöglichen, miteinander in Beziehung zu treten. Dabei besitzen insbesondere Säugetiere und Wirbeltiere „social tools“, die den menschlichen ähneln und damit eine Grundlage für Kommunikation und wechselseitiges „Verstehen“ bieten – dies wiederum ist eine zentrale Grundlage für die Ausformung persönlicher Mensch-Tier-Beziehungen (siehe unten). Die speziesübergreifenden Ähnlichkeiten lassen sich u.a. im sozial-sexuellen Verhalten, im Bindungsverhalten und im Verhalten bei Stress erkennen (Olbrich 2009a).
2.2 Kategorien und Bezeichnungen sozialer Mensch-Tier-Beziehungen
Soziale Beziehungen von Menschen können zu unterschiedlichen Tieren bestehen mit jeweils ganz verschiedenen „typischen“ Interaktions- und Beziehungsstrukturen und -qualitäten: Hosey und Melfi (2014) unterscheiden
- companion animals (Heimtiere)
- agricultural animals (Nutztiere)
- laboratory animals (Labortiere)
- zoo animals (Zootiere) und
- animals in the wild (Wildtiere).
Companion Animals bzw. Heimtiere sind (zumeist domestizierte) Tiere, mit denen Menschen heute primär aus sozio-emotionalen Gründen zusammenleben, meist ohne einen direkten praktisch-instrumentellen Nutzen (den viele dieser Tiere z.B. bei der Jagd, zum Schutz oder beim Transport in der Vergangenheit hatten). In der deutschsprachigen Fachliteratur meint der Begriff „Haustiere“ demgegenüber alle domestizierten Tierarten (in Abgrenzung zu Wildtieren), schließt also die meisten Nutz-, Heim- und Versuchstiere ein. In der Alltagssprache werden die Begriffe „Heimtier“ und „Haustier“ häufig synonym verwendet und bezeichnen Tiere, mit denen Menschen in ihrem privaten Alltag und Umfeld zusammenleben (Wesenberg 2024).
2.3 Mensch-Tier-Verhältnis in der Gesellschaft
Der Begriff „Mensch-Tier-Beziehung“ wird in der Literatur häufig eingegrenzt auf die sozialen (und zumeist persönlichen) Beziehungen zwischen Menschen und Heimtieren (companion animals) verwendet. Hiervon zu unterscheiden ist die breitere Perspektive auf gesellschaftliche „Mensch-Tier-Verhältnisse“ (u.a. Brucker et al. 2015), die etwa in den Human Animal Studies im Mittelpunkt stehen. Das Mensch-Tier-Verhältnis in modernen Gesellschaften ist durch große Unterschiede und verschiedene Ambivalenzen gekennzeichnet: So werden Tiere in persönlichen Nahbeziehungen zunehmend als eigenständige Subjekte anerkannt und zugleich besteht parallel eine Vielzahl gesellschaftlich legitimierter und akzeptierter Mensch-Tier-Interaktionen mit ökonomisierter, objektivierender Nutzungsperspektive auf die beteiligten Tiere, etwa im Rahmen der Nahrungsmittelproduktion oder von Tierversuchen. Die Human-Animal Studies betrachten diese Vielfältigkeit und Widersprüchlichkeit der Mensch-Tier-Verhältnisse in ihrer historischen Entwicklung und gesellschaftlich-kulturellen Variabilität. Sie untersuchen u.a. kritisch
„Machtverhältnisse in diesem Bereich, die künstliche Grenze zwischen Menschen und anderen Tieren, […] die Diskriminierung von Lebewesen auf Grund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Spezies (Speziesismus) [sowie] die Kategorisierung von Tieren“ (Kompatscher 2019).
Mensch-Tier-Beziehungen machen insofern also nur einen Teilbereich der Mensch-Tier-Forschung aus.
3 Persönliche Beziehungen zwischen Menschen und Tieren
Viele (soziale) Beziehungen von Menschen und ihren Heimtieren lassen sich als „persönliche Beziehungen“ mit ganz spezifischen Merkmalen und reziproken Qualitäten identifizieren. Persönliche Beziehungen entstehen dabei aus längeren, kontinuierlichen und wiederholten Interaktionen und werden ermöglicht, wenn die Beziehungspartner:innen als „Individuen“ füreinander bedeutsam werden. In der Mensch-Tier-Forschung wird ein grundlegendes Element solcher persönlichen Beziehungen mit dem Begriff der Du-Evidenz bezeichnet. Du-Evidenz beschreibt die Fähigkeit, ein anderes Lebewesen „als ein mir vertrautes Lebewesen, als ein Du perzipieren zu können“ (Olbrich 2009b, S. 257) und als unverwechselbares Individuum anzuerkennen.
Aufbauend auf großen Ähnlichkeiten in Wahrnehmungs-, Deutungs- und Reaktionspotenzialen und -mechanismen zwischen den beteiligten Spezies – also der von Kortschal (2023, S. 668) beschriebenen „gemeinsamen ‚sozialen Werkzeugkiste‘“ – wird die Wahrnehmung als Individuen und die wechselseitige Verständigung als Grundlage einer persönlichen Beziehung möglich. Persönliche Beziehungen werden dabei u.a. durch die Prinzipien der personellen Unersetzbarkeit sowie der Fortdaueridealisierung charakterisiert:
- Nach dem Prinzip der personellen Unersetzbarkeit ist die persönliche Beziehung einzigartig und keine:r der Beziehungspartner:innen austauschbar. Das bedeutet, die jeweilige persönliche Beziehung endet mit dem Ausscheiden eines der beteiligten Individuen und kann in ihren Qualitäten nicht deckungsgleich ersetzt werden.
- Das Prinzip der Fortdaueridealisierung bezeichnet das Ausgelegtsein persönlicher Beziehungen auf Kontinuität und Dauerhaftigkeit, die Wissen übereinander und damit auch vergangenheitsfundierte Erwartungen für die Gegenwart und Zukunft ermöglichen. Über eine ausgeprägte Interdependenz von wechselseitig bezogenem Denken, Fühlen und Handeln werden Vertrautheit, Beziehungssicherheit und eine hohe emotionale Reziprozität ermöglicht (Lenz und Nestmann 2009).
Serpell (2015) beschreibt persönliche Beziehungen zwischen Menschen und Heimtieren als mutualistisch, d.h. mit adaptiven Vorteilen für beide Seiten verknüpft. Sowohl Menschen als auch Tiere profitieren also in verschiedener Weise vom Zusammenleben. Insbesondere der Hund ist aufgrund einer langen gemeinsamen Entwicklungsgeschichte von etwa 35.000 Jahren (Kotrschal 2018) und einer genetischen und sozialen Anpassung an das Leben des Menschen prädestiniert für eine persönliche Mensch-Tier-Beziehung mit wechselseitigen Vorteilen. Hunde haben die größten struktur- und funktionsbezogenen hirnphysiologischen, kognitiv-behavioralen wie auch sozio-emotionalen Parallelitäten und Nähe zum Menschen entwickelt. Beispielsweise tendieren Hunde zur Imitation des Verhaltens ihrer Bezugspersonen und versuchen auch, ihre Reaktionen auf unbekannte Reize an dieses anzupassen (Range et al. 2011; Horn et al. 2012). Dies wird auch als soziales Referenzieren beschrieben und verbessert die Verhaltenskoordination in gemeinsamen Aktivitäten (Kotrschal 2016; Wynne 2019). Wenngleich Hunde die bei Weitem best- und häufigst untersuchten Heimtiere der Forschung zu Mensch-Tier-Beziehungen sind, so können persönliche Beziehungen von Menschen auch zu allen anderen Heimtieren entstehen. Im Jahr 2023 lebte in fast der Hälfte aller Haushalte in Deutschland mindestens ein Heimtier, wobei Katzen gemessen an den Haltungszahlen die beliebtesten Heimtiere waren (in 25 % der Haushalte), gefolgt von Hunden (21 %) und kleinen Tieren wie Kaninchen, Meerschweinchen oder Hamster (5 %) (ZZF und IVH 2024).
Die Qualität der individuellen persönlichen Mensch-Tier-Beziehung und deren subjektive Bedeutsamkeit kann nach heutigem Erkenntnisstand von vielfältigen Faktoren beeinflusst werden und kann sich beispielsweise interindividuell je nach persönlichen Lebensumständen und familiärer Situation (Bergler 2000; Wesenberg und Nestmann 2012; Luhmann und Kalitzki 2016), dem Lebensalter (Siegel 1990; Bures und Gee 2021) sowie der Art und Dauer der Tierhaltung (Bergler 2000) unterscheiden. Mensch-Tier-Beziehungen können – ebenso wie zwischenmenschliche Beziehungen – auch verschiedene problematische Facetten beinhalten und insbesondere schädigend für die Tiere sein, z.B. in Fällen von Tiermisshandlung (Flynn 2011; Arluke und Irvine 2017) oder Animal Hoarding (Arluke und Partronek 2023; Brakebusch et al. 2024).
4 Bindungen zwischen Menschen und Tieren
Viele persönliche Mensch-Tier-Beziehungen sind durch eine ausgeprägte emotionale Bezogen- und Verbundenheit der Beteiligten gekennzeichnet (Endenburg 1995) und erfüllen die Merkmale von Bindungen, die John Bowlby (2018) beschrieben hat. Nach Bowlby basiert Bindung auf der menschlichen evolutiv geprägten Neigung zu einem kontinuierlichen „Aufsuchen und Aufrechterhalten der Nähe eines anderen Lebewesens“ (2018, S. 192). Die Bindungstheorie ist heute ein weithin akzeptierter Erklärungsansatz für die vielfältigen positiven Wirkungen enger persönlicher Mensch-Tier-Beziehungen (Beck 2014). Andrea Beetz wies bereits vor 15 Jahren darauf hin, dass Bindungen zwischen Menschen und Tieren möglich sind (mit den entsprechenden positiven Effekten), zugleich aber nicht jede persönliche Beziehung zu Tieren Bindungsmerkmale aufweist:
„Ein Heimtier kann Bindungsbedürfnisse je nach Person in einem subjektiv vergleichbar empfundenen Ausmaß wie ein Mensch erfüllen. Aber nicht jede Beziehung zu einem Haustier ist eine Bindung, sondern oftmals sind andere Aspekte wie Dominanz- oder Prestigebedürfnisse, das Bedürfnis nach Gesellschaft und Freundschaft oder die instrumentelle Nutzung (z.B. bei der Jagd) vorrangig“ (Beetz 2009, S. 147).
Erkenntnisse aktueller Forschungsarbeiten zeigen eindrücklich, dass Bindungen zwischen Menschen und Tieren, insbesondere zwischen Menschen und Hunden, möglich und in ihren Qualitäten und Funktionen mit zwischenmenschlichen Bindungen durchaus vergleichbar sind (u.a. Julius et al. 2012; Solomon et al. 2019). Zwar spielen auch in persönlichen Mensch-Tier-Beziehungen und -Bindungen neben Zuneigung, Liebe und Vertrauen negative Emotionen wie Ärger, Wut oder Eifersucht (Lenz und Nestmann 2009) eine Rolle, allerdings ist die Entwicklung einer positiven und sicheren Bindung dominiert durch gegenseitige Interaktions- und Beziehungsqualitäten förderlicher Reziprozität und verknüpft mit verschiedenen positiven Wirkungen auf körperliche und psychische Gesundheit und Wohlbefinden sowie positive soziale Effekte (zum Überblick über die positiven bio-psycho-sozialen Wirkungen von Mensch-Tier-Beziehungen siehe Nestmann et al. 2016 und Wesenberg und Nestmann 2023).
5 Mensch-Tier-Beziehungen und psychosoziale Interventionen
Die Bedeutung von Mensch-Tier-Beziehungen – insbesondere die von Menschen und Heimtieren – wird in vielen sozialen, pädagogischen und psychosozialen Disziplinen, Arbeitsfeldern und Ausbildungen noch weitgehend unterschätzt, und das, obwohl in vielen Familien, Paarbeziehungen und insbesondere auch bei allein lebenden Personen Tiere eine zentrale Rolle im Alltag und im Leben der Menschen in allen Altersgruppen – vom Kleinkind bis zum hochaltrigen Menschen – spielen, als Familienmitglied, als Freund und Vertrauter, als Partner und Lebensmittelpunkt.
Die Bedeutung von Heimtieren als alltägliche Quelle von Freude, Abwechslung und Spaß, als Tröster und Garant von Sicherheit, als Spielkamerad und verschwiegener Zuhörer, als Assistent und Begleiter, als körpernaher Zuwendungskontakt und Vermittler von anderen Sozialkontakten etc., aber vor allem auch die potenziell belastenden Dimensionen der Heimtierhaltung spielen gerade in der Sozialen Arbeit eine ebenso wichtige wie bisher stark unterbelichtete Rolle:
- Insbesondere sozialökonomisch prekäre Lebenssituationen und Lebenslagen beeinträchtigen sowohl eine verantwortungsvolle Heimtierhaltung als auch oft damit verknüpftes Wohlbefinden von Mensch und Tier, z.B. wenn Futter- und Tierarztkosten nicht (mehr) aufgebracht werden können (Zier et al. 2012; Schulze 2023).
- Veränderung von Lebensumständen wie durch Krankheit und Pflegebedürftigkeit führen zu alltagspraktischen Problemen sowie zu
- psychischen Belastungen, wenn ein Heimtier nicht mehr versorgt werden kann oder etwa ein Umzug in eine Pflegeeinrichtung mit einer unfreiwilligen Abgabe des Tieres verknüpft ist (Wesenberg und Enders-Slegers 2018; Fox und Ray 2019; Toze et al. 2023).
Je enger die Mensch-Tier-Beziehung und je stärker die Bindung, desto schwieriger und belastender werden diese Entwicklungen und Herausforderungen erlebt – von Mensch und Tier.
Gerade in der Corona-Pandemie zeigte sich, wie Menschen in der faktischen wie gefühlten Verantwortung für ihre Heimtiere ihre eigene Gesundheitsvorsorge und -versorgung vernachlässigen und wie gerade bei sehr engen Bindungen eine besondere Sorge um die Tiere bestand und z.B. die Inanspruchnahme von psychosozialen und medizinischen Unterstützungsangeboten vermieden wurde, wenn drohte, dass man das Heimtier zurücklassen muss (Applebaum et al. 2020a; Applebaum et al. 2020b; McDonald et al. 2021).
Ein ähnlicher Befund zeigt sich auch in Studien zu Menschen,
- die von Wohnungslosigkeit (Tucker et al. 2018; Taylor et al. 2004),
- Suchterkrankungen (Schulze 2023) oder
- häuslicher Gewalterfahrung (Flynn 2011) betroffen sind.
Hier wird Tierhaltung zu einer Barriere im Hilfesystem, wenn Unterstützungs- und Unterkunftseinrichtungen keine Möglichkeiten bieten, die Tiere mit aufzunehmen.
Auch verschiedene weitere negative Formen und Facetten von Mensch-Tier-Beziehungen wie
- massive Trauerreaktionen bei Verlust des Tieres sowie die
- fehlende gesellschaftliche Akzeptanz dieser Trauer (Sharkin und Knox 2003; Wrobel und Dye 2003) oder
- schädigendes Verhalten gegenüber Tieren etwa durch Vernachlässigung (Nurse 2016, 2017) oder Misshandlung
verdeutlichen, wie notwendig es ist, dass sich soziale, pädagogische und psychosoziale Hilfedisziplinen und Helfer:innen sehr viel stärker als bisher mit der Bedeutung von Mensch-Tier-Beziehungen auseinandersetzen müssen – theoretisch-konzeptionell, empirisch sowie auch praktisch – hinsichtlich passender professioneller Handlungsoptionen (Wesenberg und Nestmann 2023).
Eine wichtige Interventionsform, die auf den Grundlagen und den verschiedenen Facetten von Mensch-Tier-Beziehungen aufbaut und vor allem deren positive bio-psycho-sozialen Effekte in unterschiedlichen sozialen, pädagogischen, psychosozialen, medizinischen und pflegerischen Aufgabenfeldern und Institutionen aufgreift und fördert, ist die tiergestützte Intervention (häufig auch als tiergestützte Therapie bezeichnet).
6 Quellenangaben
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Verfasst von
Prof. Dr. Frank Nestmann
Technische Universität Dresden
Institut für Sozialpädagogik, Sozialarbeit und Wohlfahrtswissenschaft (Lehrstuhl für Beratung und Rehabilitation)
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Dr. Sandra Wesenberg
Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin in Leipzig und Lehrbeauftragte an der Alice Salomon Hochschule Berlin
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Es gibt 2 Lexikonartikel von Frank Nestmann.
Es gibt 4 Lexikonartikel von Sandra Wesenberg.
Zitiervorschlag
Nestmann, Frank und Sandra Wesenberg,
2025.
Mensch-Tier-Beziehung [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 10.01.2025 [Zugriff am: 19.01.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/30085
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Mensch-Tier-Beziehung
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