Non-Adhärenz
Prof. Dr. Angelika Franz
veröffentlicht am 25.01.2019
Als Non-Adhärenz wird benannt, dass es vor allem PatientInnen mit chronischen Erkrankungen nicht gelingt, den Behandlungsanforderungen durch medikamentöse Therapie, durch therapeutische Hausaufgaben sowie durch Verzicht auf ungesunde Lebensstile in wirkungsrelevanter Weise nachzukommen, obwohl sie darüber mitentschieden haben.
Die von einer Behandlung erwartete Wirkung basiert auf dem zurzeit verfügbaren ärztlichen, pharmakologischen und therapeutischen Wissen und seiner Aneignung durch die Professionellen. Empirische Studien zeigen, dass sich Morbidität und Mortalität erhöhen, wenn die Therapiemitarbeit der Erkrankten unvollständig ist oder ganz fehlt. Gesundheitswesen und evtl. auch die Gesundheitsindustrie verlieren dadurch an Effektivität und Gewinn. Über den Stand des Wissens des Behandlungsteams und der PatientIn sowie ihre weiteren individuellen Kompetenzen hinaus wird Adhärenz/Non-Adhärenz von der Behandlungsbeziehung, den strukturellen Bedingungen des Gesundheitssystems, von sozioökonomischen Faktoren und durch die Art der Erkrankung und ihrer Therapie einschließlich deren erfahrenen Wirkungen und Nebenwirkungen mitbestimmt. Wird Non-Adhärenz in Abgrenzung zum älteren Verständnis von Non-Compliance im kooperativen Modell verortet – was in der Fachliteratur zumeist, aber nicht immer der Fall ist (siehe Hauptartikel zu Adhärenz 2.1) – bietet ausbleibende Therapiemitarbeit Anlass zur gemeinsamen Überprüfung durch Professionelle und PatientInnen. Die für Non-Adhärenz mitverantwortlichen Bedingungen – die des Gesundheitswesens, die Arbeitsbeziehung, die Art der Behandlung – können eruiert und möglicherweise verändert werden; und/oder Kranke werden darin unterstützt, für die Behandlung erforderliche Kompetenzen und Einstellungen zu erwerben und/oder eine zu ihrer Lebenswelt und Lebenssituation passendere Form der Umsetzung von Behandlungsanforderungen zu finden; dazu kann auch gehören, die Behandlung auszusetzen. Im Idealfall können sich PatientInnen in diesem Prozess mit Kranksein und Behandlung sowie mit der ärztlichen/therapeutischen/pharmazeutischen und der eigenen Norm auseinandersetzen, an Handlungskompetenz (Empowerment) gewinnen und die Erkrankung immer besser selbstbestimmt und selbstverantwortlich „managen“ (Koerfer und Albus 2015).
Quellenangaben
Koerfer, Armin und Christian Albus, 2015. Dialogische Entscheidungsfindung zwischen Arzt und Patient. In: Albert Busch und Thomas Spranz-Fogasy, Hrsg. Handbuch Sprache in der Medizin. Berlin, Boston: Walter De Gruyter, S. 116-134. ISBN 978-3-11-029578-8
Verfasst von
Prof. Dr. Angelika Franz
Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden
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