Paarberatung
Prof. Dr. Guy Bodenmann
veröffentlicht am 03.02.2025
Paarberatung oder Paartherapie bezeichnet eine professionelle Begleitung von Paaren, um ihre Beziehung und ihre Beziehungsoptionen zu reflektieren, Beziehungsressourcen zu aktivieren und zu stärken (z.B. Kommunikation, dyadisches Coping, Problemlösekompetenzen), das wechselseitige Commitment zu festigen oder die partnerschaftliche Sexualität zu verbessern, um die Beziehungszufriedenheit und -stabilität zu erhöhen.
Überblick
1 Ziele
Zu Beginn werden die Ziele geklärt, um den therapeutischen oder beraterischen Auftrag zu konkretisieren. Folgende Makroziele werden angesprochen:
- Klärung, ob eine Trennung oder eine Fortführung der Beziehung angestrebt werden
- Wunsch nach Verbesserung der Beziehungsqualität
- Wunsch nach einer Trennungs- oder Scheidungsbegleitung
In Abhängigkeit der Makroziele werden Mikroziele festgelegt, z.B. Verbesserung der Kommunikation, Erhöhung der Intimität, Stärkung des Commitment, Reanimation der Sexualität.
2 Methoden
Paarberatung oder Paartherapie bedient sich einer Vielzahl methodischer Ansätze:
- Systemische Ansätze: Kontextualisierung der Beziehung innerhalb sozialer und familiärer Dynamiken (z.B. Herkunftsfamilie)
- Kognitive Verhaltenstherapie: Förderung von dyadischen Kompetenzen (Kommunikation, dyadisches Coping, Problemlösefertigkeiten), Veränderung kognitiver Prozesse (Erwartungshaltungen, Attributionen, Visionen in Bezug auf die Paarbeziehung) und Bearbeitung negativer Gefühle und ihrer Hintergründe (Schemata), welche sich auf die Paardynamik auswirken
- Emotionsfokussierte Therapie: Arbeit an den emotionalen Bindungsmustern der Partner:innen
- Psychodynamische Ansätze: Bearbeitung von unbewussten Prozessen und ihrer Bedeutung für die Partnerschaft sowie Fokus auf persönliche Biografie und ihrer Bedeutung für die Partner:innenwahl und aktuelle Paardynamiken
- Lösungsorientierte Ansätze: Fokussierung auf vorhandene Ressourcen und Ziele anstelle von Problemen, wobei diese Ansätze sich systemisch oder verhaltenstherapeutisch verorten lassen.
3 Ablauf
Eine Paarberatung beginnt mit einem Erstgespräch, in welchem beide Partner:innen ihre Sicht der Probleme schildern (Problemanalyse), die Anliegen der Partner:innen geklärt und gemeinsame Ziele formuliert werden (Zielanalyse). In den darauffolgenden Sitzungen werden mittels spezifischer Methoden (z.B. Reziprozitätstraining, Kommunikationstraining, Problemlösetraining, 3-Phasen-Methode) oder typischer Interventionen (zirkuläres Fragen, Perspektivenwechsel etc.) die Schwierigkeiten des Paares bearbeitet und seine Ressourcen gezielt gefördert.
4 Anwendungsbereiche
Die Anlässe für eine Paarberatung oder Paartherapie können sehr vielfältig sein, u.a.:
- Kommunikationsschwierigkeiten
- Häufige Streitigkeiten oder Konflikte
- Stress aufgrund hoher externer Belastungen (z.B. Beruf, Familie, Kinder)
- Unbefriedigende Sexualität oder sexuelle Probleme
- Mannigfache Verletzungen und Enttäuschungen (z.B. Untreue)
- Fertilitätsprobleme und unerfüllter Kinderwunsch
- Unterschiedlichkeiten (unterschiedliche Bedürfnisse, diskrepanter Kinderwunsch, unterschiedliche kulturelle Hintergründe)
- Entfremdung und emotionale Distanzierung
- Fehlen einer Zukunftsperspektive und Wunsch nach Neuorientierung
- Schwierigkeiten mit Kindern und unterschiedliche Erziehungsvorstellungen (Co-Parenting)
- Behandlung von psychischen Störungen (z.B. Depression) mittels Paartherapie
5 Wirksamkeit
Zahlreiche Studien belegen die Wirksamkeit von Paarberatung oder Paartherapie bezüglich der Verbesserung der Beziehungsqualität. Die Wirksamkeit von kognitiver Verhaltenstherapie ist dabei am besten dokumentiert. Eine neuere Meta-Analyse zeigt keine Überlegenheit zwischen Verhaltenstherapie oder emotionsfokussierter Paartherapie. Insgesamt sind die verschiedenen Ansätze gleichermaßen erfolgreich.
6 Literaturhinweise
Bodenmann, Guy, 2012. Verhaltenstherapie mit Paaren: Ein bewältigungsorientierter Ansatz. 2., vollst. überarb. Auflage. Bern: Huber. ISBN 978-3-456-85106-8
Bodenmann, Guy, Widmer, K., Anderegg, R., & Bodenmann-Kehl, C., 2025. Tools für die Paartherapie. Hogrefe
Rathgeber, Maren, Paul-Christian Bürkner, Eva-Maria Schiller und Heinz Holling, 2019. The efficacy of emotionally focused couples therapy and behavioral couples therapy: A meta-analysis. In: Journal of marital and family therapy. 45(3), S. 447–463. ISSN 0194-472X
Roesler, Christian, 2019. Die Wirksamkeit von Paarberatung in Deutschland: ein Überblick über die Wirkungsforschung und Ergebnisse einer aktuellen bundesweiten Studie. In: Beratung Aktuell. 2, S. 4–25. ISSN 1439-5916
Schär, Marcel, 2016. Paarberatung und Paartherapie: Partnerschaft zwischen Problemen und Ressourcen. Berlin: Springer. ISBN 978-3-662-47481-5
Schindler, Kurt Hahlweg und Dirk Revenstorf, 2019. Partnerschaftsprobleme: Diagnose und Therapie. Handbuch für den Therapeuten. Berlin: Springer. ISBN 978-3-642-11728-2
Verfasst von
Prof. Dr. Guy Bodenmann
Universität Zürich
Psychologisches Institut
Lehrstuhl für Klinische Psychologie
Kinder/Jugendliche & Paare/Familien
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Es gibt 1 Lexikonartikel von Guy Bodenmann.
Zitiervorschlag
Bodenmann, Guy,
2025.
Paarberatung [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 03.02.2025 [Zugriff am: 08.02.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/29596
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Paarberatung
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