Pädagogik der Achtung
Prof. Dr. Manfred Liebel, Dr. Urszula Markowska-Manista
veröffentlicht am 22.06.2018
Was heute als Pädagogik der Achtung bezeichnet wird, verbindet sich vor allem mit dem Werk des polnisch-jüdischen Kinderarztes, Pädagogen und Schriftstellers Janusz Korczak. Er hat seine pädagogischen Überlegungen auf der Basis der Erfahrungen formuliert, die er über 30 Jahre in zwei Waisenhäusern mit jüdischen und anderen proletarischen Kindern in Warschau gemacht hatte. Die Bezeichnung stammt nicht von Korczak selbst, sondern wurde im deutschsprachigen Raum erst in der späteren Rezeption seines Werkes geprägt (Beiner 1987) und hat sich inzwischen eingebürgert. Mit ihr wird ausgedrückt, dass im pädagogischen Handeln den Kindern mit Respekt begegnet wird und ihre Sichtweisen und Rechte strikt beachtet werden. In einem weiteren Sinn können unter dem Begriff Pädagogik der Achtung auch andere pädagogische Ansätze gefasst werden, die sich an den Bedürfnissen und Interessen der Kinder orientieren sowie antipaternalistisch und dialogisch konzipiert sind.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Biografisches und Rezeption
- 3 Grundgedanken der Pädagogik der Achtung
- 4 Kinderrechte als Basis der Erziehungskritik
- 5 Konstitutionelle Pädagogik
- 6 Handlungskompetenz der Kinder
- 7 Despotie und Heuchelei der Erwachsenen
- 8 Kinder als Hoffnungsträger
- 9 Die Kindergesellschaft
- 10 Das ungewisse Wissen über Kinder
- 11 Heutige Herausforderungen einer Pädagogik der Achtung
- 12 Danksagung
- 13 Quellenangaben
- 14 Literaturhinweise
- 15 Informationen im Internet
1 Zusammenfassung
„Die Gesellschaft hat dir einen kleinen Wildfang in die Hand gegeben, damit du ihn zurechtbiegst, zur Ordnung rufst und gut verträglich machst – und jetzt wartet sie ab. – Auch der Staat wartet, die Kirche, der künftige Arbeitgeber. – Sie fordern, warten, passen auf. – Der Staat fordert loyalen Patriotismus, die Kirche kirchlichen Glauben, der Arbeitgeber Ehrlichkeit, und alle verlangen Durchschnittlichkeit und Unterwürfigkeit.“ (Korczak 1919-20/1999, S. 149)
Um die Hintergründe von Korczaks Pädagogik sichtbar zu machen, beginnen wir unsere Betrachtungen mit einigen Hinweisen zu Korczaks Lebensweg und skizzieren die Rezeption seines Werks in Polen und Deutschland. Sodann geben wir einen Überblick über die Grundgedanken seiner Erziehungskritik und Pädagogik und machen deutlich, warum Kinderrechte darin einen besonderen Platz einnehmen. Diesen Überblick vertiefen wir, indem wir in den weiteren Abschnitten Korczaks Reflexionen zum Verhältnis von Erwachsenen und Kindern, sein Vertrauen in die Handlungskompetenz der Kinder und die im Rahmen seiner Pädagogik zentrale Bedeutung der Gruppenbildung und Selbstregierung der Kinder beleuchten. Unsere Betrachtungen schließen wir mit einigen Gedanken zu Korczaks Wissensverständnis und den Bezügen zu anderen Ansätzen einer Pädagogik der Achtung ab.
2 Biografisches und Rezeption
Janusz Korczak (ursprünglicher Name Henryk Goldszmit) wurde als Kind einer jüdisch-polnischen Familie 1878 in Warschau geboren. Schon als junger Mann interessierte er sich für die sozial benachteiligten Kinder und suchte sie in Warschauer Elendsvierteln auf. Während seines Medizinstudiums war er als pädagogischer Betreuer in Sommerkolonien für Kinder in sozialen Notlagen tätig. Im Alter von 34 Jahren entschied er sich, die pädagogische Arbeit mit benachteiligten Kindern zu seiner Lebensaufgabe zu machen.
Nach seinem Studium arbeitete Korczak zunächst als Arzt am Berson-und-Bauman-Kinderkrankenhaus, fast acht Jahre lang – mit Pausen, als er zur Armee mobilisiert wurde und aufgrund von Auslandsreisen. Im Jahr 1912 übernahm er die Leitung des jüdischen Waisenhauses Dom Sierot (Haus der Waisen), das ebenso wie das 1919 gegründete Waisenhaus für proletarische Kinder Nasz Dom (Unser Haus) zur wichtigsten Erfahrungsbasis seiner pädagogischen Überzeugungen wurde. Wie Jadwiga Bińczycka (2009, S. 14) schreibt, betrachtete Korczak die Waisenhäuser „auch als Hauptfeld seiner Studien zu Kindern und Kindheit“.
Am 5. August 1942 wurde Korczak mit etwa 200 der von ihm betreuten Kinder und seinen MitarbeiterInnen in das Vernichtungslager Treblinka deportiert und dort ermordet. Wenige Monate zuvor hatte Korczak noch angeboten, im größten Waisenhaus des Ghettos (Główny Dom Schronienia in der Dzielnastraße 39) mitzuarbeiten. Hierhin wurden Kinder gebracht, die auf der Straße lebten und durch Unterernährung oder schwere Verletzungen dem Sterben preisgegeben waren. Er wollte so dazu beitragen, den Kindern wenigstens einen würdevollen Tod zu ermöglichen.
Janusz Korczak war zu seiner Zeit bereits populär als der „Herr Doktor“ oder der „Alte Doktor“ und wurde auch von den Kindern so genannt. Seine pädagogische Praxis und die Entwicklung seiner Gedanken sind eng mit seinen Mitarbeiterinnen, vor allem mit Stefania Wilczyńska und Maria (Maryna) Falska verbunden. Ohne diese beiden Frauen wäre seine Pädagogik nicht denkbar gewesen (Godel-Gaßner und Krehl 2013; Kicińska 2015). Über Stefania Wilczyńska schreibt Ireneusz Pyrzyk:
„Seine unzertrennliche Gefährtin Stefa war ihm mit ganzer Seele ergeben. Sie liebte und kümmerte sich um ihn, sogar um seine Kleidung. Sie hat sich in ihren Bemühungen um ihn nicht geschont. Ihr Einfluss auf Korczak war immens. ‚Ohne Stefa wäre ich niemand‘, hat er einmal einem Freund erzählt. Sie leitete das Waisenhaus und begleitete Korczak bis zum Ende. Sie hat seine pädagogischen Konzepte jeden Tag mit großer Überzeugung umgesetzt“ (Pyrzyk 2006/2007, S. 113).
In Polen begann die Sammlung von Materialien und Erinnerungsstücken aus Korczaks Leben und Arbeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Aufgrund des internationalen Interesses an Korczak als Person und als Pädagoge wurde 1977 am Institut für Pädagogische Studien in Warschau das „Korczak-Laboratorium“ gegründet. Seit dem Jahr 1993 wird die Arbeit des Laboratoriums am Korczakianum, einem Zentrum für Dokumentation und Forschung des Museums von Warschau, fortgeführt.
Im deutschen Sprachraum wurde das pädagogische und literarische Werk von Janusz Korczak erst relativ spät rezipiert. In der Bundesrepublik Deutschland wurde Korczak seit der posthumen Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels im Jahr 1972 und die Laudatio von Hartmut von Hentig (1972) bekannt. Die Bedeutung seiner Gedanken wurde zunächst vor allem von Menschen in der pädagogischen Praxis wahrgenommen. In der Erziehungswissenschaft wurden trotz zahlreicher Einzelveröffentlichungen seine pädagogischen Errungenschaften bis heute nur halbherzig anerkannt (Beiner 2013). In der DDR gab es ebenfalls seit den 1970er-Jahren vereinzelte Initiativen, sein Werk bekannt zu machen (Engemann-Reinhardt 2013). Zwischen 1996 und 2010 wurden Korczaks Sämtliche Werke in 16 Bänden und zwei Ergänzungsbänden mit Berichten von Zeitzeugen in deutscher Sprache veröffentlicht (herausgegeben von Friedhelm Beiner u.a.).
3 Grundgedanken der Pädagogik der Achtung
3.1 Achtung vor dem individuellen Kind
Die Bezeichnung „Pädagogik der Achtung“ lehnt sich an eine Schrift Korczaks aus dem Jahr 1928 an, der er den Titel „Das Recht des Kindes auf Achtung“ (Korczak 1928/1999) gegeben hatte. In dieser Schrift führte Korczak die Achtung vor dem Kind als grundsätzliche pädagogische Kategorie ein. Michael Kirchner (2013, S. 215) sieht in ihr nicht nur einen Beitrag zu den Rechten des Kindes, sondern auch über das pädagogische Verhältnis: „Die Achtung vor dem jeweils einzigartigen Kind, die Achtung vor dem heutigen Tag und die Achtung vor der nicht planbaren Zukunft des Kindes bestimmen für ihn das rechte Maß an Zuwendung und Distanz.“ Die Achtung vor dem Kind konkretisiert sich für Korczak „im Mut zur Nähe und zur Distanz“ (ebd., S. 216), was auch als „pädagogischer Takt“ bezeichnet werden kann. Dieser weist bei Korczak folgende Aspekte auf: Er „(a) differenziert das Machtgefälle zwischen dem Erwachsenen und dem Kind, (b) er erleichtert die Akzeptanz von vorgegebenen Tatsachen (Abhängigkeiten des Kindes, ein Mehr an Erfahrung und Wissen des Erwachsenen), der ‚Takt‘ (c) moderiert und moduliert die zwischenmenschliche Kommunikation und (d) stabilisiert das gegenseitige Vertrauen“ (ebd., S. 222 f.).
Jadwiga Bińczycka, eine der wichtigsten polnischen Wissenschaftlerinnen, die Korczak und sein Vermächtnis erforscht, schreibt, dass Korczak in dem Buch „Das Recht des Kindes auf Achtung“ „die Einstellung der Abneigung und Respektlosigkeit gegenüber Kindern seitens der Erwachsenen enthüllte. Er forderte eine Änderung der Position des Kindes, der Kinderrechte – nicht im Bereich der Erklärungen, sondern der tatsächlichen Beobachtung“ (Bińczycka 2009, S. 29)
Die Erfahrungen mit Menschen, Orten und Zeiten, in denen Korczak lebte, aufwuchs und arbeitete, beeinflussten stark seinen Ansatz, der auf der Achtung vor jedem und jeder Einzelnen basierte. Korczak lernte die schlimmsten Bedingungen des Lebens von Kindern kennen, die Dimensionen ihrer Marginalisierung, Ausgrenzung und Armut. Auf einer Versammlung der polnischen Gesellschaft „Hilfe für Waisen“ sagte er einmal: „Was für eine Tragödie das moderne Leben doch ist, und welche Schande es für diese Generation ist, die ihren Kindern eine Welt ohne Ordnung hinterlässt“ (Korczak 1933/2004, S. 219). Die Ordnung der Welt müsse deshalb damit beginnen, die Angelegenheiten der Kinder zu ordnen.
Korczaks Pädagogik zielt in radikaler Weise auf die Selbsttätigkeit und Selbstständigkeit des Kindes. Diese sollen dadurch erreicht werden, dass den Kindern im Rahmen der pädagogischen Institution Erfahrungsräume bereitgestellt werden, in denen sie selbst die bestimmenden AkteurInnen sind. Doch um sie wirksam werden zu lassen, bedürfen sie behutsamer pädagogischer Begleitung, die „weder durch ein Zuviel an Nähe, noch durch ein Zuwenig an Distanz manipuliert werden“ (Kirchner 2013, S. 219). Die Achtung gegenüber dem Kind umfasst damit zwei Dimensionen:
- die Achtung gegenüber den Kompetenzen des Kindes ungeachtet seines Alters und
- die Achtung gegenüber den Besonderheiten jedes einzelnen Kindes.
3.2 Notwendigkeit einer dialogischen Beziehung
Den Hintergrund hierfür bildet die Überzeugung, dass der oder die pädagogisch Handelnde über das jeweilige Kind und die Gruppe der Kinder nie genug wissen kann, um vorzugeben, was das Kind tun oder unterlassen soll oder was für es das Beste sei. Diese Erkenntnisse können nur schrittweise und immer aufs Neue im Dialog mit den Kindern gewonnen werden. So hatten die Kinder „das Recht zu sprechen, öffentlich ihre Meinung über Dom Sierot und Nash Dom zu äußern, sie haben nicht nur ihren eigenen Fortschritt und die Leistungen ihrer Freunde öffentlich bewertet, sondern auch das Verhalten der Betreuerinnen und Betreuer“ (Smolińska-Theiss 2012, S. 19).
Mit seiner Pädagogik der Achtung wurde Korczak auch zum Pionier des Kampfes für Kinderrechte. Als Fürsprecher der Kinder, der für sie als unterdrückte Gruppe spricht, forderte er, die Kinder von Geburt an, auf jeder Stufe ihres Lebens, als kompetente Menschen anzuerkennen. In seinen täglichen Bemühungen, während seiner Radio-Chats und in seinen Publikationen, befürwortete er das Recht der Kinder, sie selbst zu sein, so, wie sie in dieser Phase des Lebens sind. In „Das Recht des Kindes auf Achtung“ schreibt Korczak:
„Die Forscher haben erklärt, dass der erwachsene Mensch sich von Beweggründen leiten lässt, das Kind aber von Impulsen; der Erwachsene denkt logisch, das Kind ist in trügerischen Vorstellungen befangen; der Erwachsene hat einen Charakter, eine gefestigte moralische Physiognomie, das Kind verfängt sich im Chaos der Instinkte und Gelüste. Man erforscht das Kind nicht als einen andersartigen psychischen Organismus, sondern als einen niederen, schwächeren, ärmeren“ (Korczak 1928/1999, S. 412).
Korczak stellte die konventionelle Auffassung infrage, die die Diskriminierung von Kindern in Bezug auf das Alter rechtfertigt. Mit dem Wunsch, diese Einseitigkeit der dem Alter der Kinder zugeschriebenen Attribute zu leugnen, schrieb er:
„Dieser Bigos [polnischer Saukrauteintopf mit Wurst oder Fleisch; Anm. d. Verf.] aus Erwachsenen aber, diese hinterwäldlerische Anschauungen und Überzeugungen, die Psychologie einer Herde, ihre Vorurteile und Angewohnheiten, die leichtfertigen Handlungsweisen der Väter und Mütter, das Ganze von Kopf bis Fuß unverantwortliche Leben der Erwachsenen. Die Fahrlässigkeit, die Faulheit, die stupide Sturheit, die Gedankenlosigkeit, die Dummheit der Erwachsenen, die Tollheiten und Alkoholexzesse. – Dagegen der Ernst, die Bedächtigkeit, die Ausgeglichenheit der Kinder, ehrliche Verpflichtungen, Erfahrung im eigenen Bereich, ein Kapital an gerechten Ansichten und Urteilen, taktvolle Zurückhaltung in ihren Forderungen, ein feines Empfinden, ein untrügliches Gefühl für das Richtige. – Ob wohl jeder beim Schachspiel mit einem Kind gewinnt?“ (Korczak 1928/1999, S. 412).
Mit besonderem Augenmerk auf die ungleiche Stellung der Kinder in der Gesellschaft, ihre sklavenähnliche Abhängigkeit von Erwachsenen, wies er auf die Möglichkeit hin, Veränderungen einzuführen, die Bereiche der Kooperation, Mitverantwortung und Partizipation auf der Grundlage der Achtung vor anderen Menschen signalisierte. Jadwiga Bińczycka (2009, S. 14) hebt hervor, Korczak habe das Kind immer vor dem Hintergrund seiner konkreten Lebensbedingungen gesehen. Er versuchte, alle Probleme und Situationen in der Gesellschaft, denen das Kind gegenüberstand, zu berücksichtigen. Diese Ideen wurden im emanzipatorischen, antipaternalistischen Bildungskonzept Korczaks reflektiert und entwickelt. Basierend auf verschiedenen Formen der Selbstbestimmung und Partizipation von Kindern, respektiert dieses Konzept die Bedürfnisse und Wünsche der Kinder. Gleichzeitig motiviert es Kinder, an ihrer eigenen Persönlichkeit zu arbeiten, und ermutigt sie, aktiv und unabhängig zu sein.
4 Kinderrechte als Basis der Erziehungskritik
4.1 Lebensweltliches Verständnis der Kinderrechte
Korczaks Pädagogik der Achtung hängt eng mit seinem lebensweltlichen Verständnis der Kinderrechte zusammen, die für das Verhältnis von Kindern und Erwachsenen zentrale Bedeutung haben (Kerber-Ganse 2009; Liebel 2013b). In seiner täglichen Pädagogik unter den Kindern des Kinderheims postulierte Korczak eine Erziehung, die die Entwicklung der Kinder, ihre Individualität und ihre Neugier auf die Welt unterstützt. Es war das Gegenteil einer Erziehung, die das Kind zwingt, die Realität durch die Perspektive der Erwachsenen zu sehen. „Das Kind hat das Recht auf Individualität und Einzigartigkeit. Zwang kann durch freien Willen ersetzt werden“ (Kmieć und Kołodziej 2012, S. 3). In seinem pädagogischen Hauptwerk „Wie liebt man ein Kind“ (zuerst erschienen 1919/20) formulierte Korczak eine „Magna Charta Libertatis“ der Kinderrechte, die folgende Rechte umfasste: das Recht des Kindes auf den Tod, das Recht des Kindes auf den heutigen Tag und das Recht des Kindes, das zu sein, was es ist. Diese Rechte unterstreichen in bewusst provozierender Weise den Anspruch der Kinder, sich aus der absoluten Dominanz, dem „Despotismus“ der Erwachsenen zu befreien (zur Interpretation Beiner 2008, S. 25–28; Hebenstreit 2017, S. 234–247). Ein Jahrzehnt später verdichtete Korczak diese Grundrechte zum „Recht des Kindes auf Achtung“ (Korczak 1928/1999). Die von ihm formulierten Grundrechte des Kindes bilden die Basis seiner Erziehungskritik ebenso wie seiner Pädagogik. Damit wird ausgedrückt, dass die Kinder im Verhältnis zu ihren ErzieherInnen eine eigenständige Stellung haben und der Umgang mit ihnen im Dialog auf gleicher Augenhöhe stattfinden muss. So legte Korczak den ErzieherInnen nahe, für all ihre Worte und Handlungen verantwortlich zu sein. Er richtete die folgenden Worte an sie: „Sei du selbst – suche deinen eigenen Weg. – Lerne dich selbst kennen, ehe du Kinder zu erkennen trachtest. – Mache dir klar, wo deine Fähigkeiten liegen, ehe du anfängst, den Kindern den Bereich ihrer Rechte und Pflichten abzustecken“ (Korczak 1919-20/1999, S. 147).
Im Verhältnis zwischen Kindern und ErzieherInnen kommt vor allem der Frage der Macht Bedeutung zu. Aus Korczaks Sicht ist Erziehung oft Gewalt. Diese Gewalt sah er vor allem gegeben und zugleich verdeckt durch die „Macht der professionellen Diagnose, das Einsortieren kindlichen Verhaltens in Schubladen, die Überlegenheit der scheinbar wissenschaftlichen Beweisführung, die Behandlungsmethoden, die als Gegenwehr entwickelt werden“ (Hebenstreit 2017, S. 213). In der Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern wandte sich Korczak gegen jegliche Stigmatisierung und Diskriminierung, wobei er der Diskriminierung aufgrund des geringen Alters besondere Aufmerksamkeit widmete. In Anbetracht der Tatsache, dass ein solches Verhalten gegenüber Kindern nicht selten ist, insbesondere bei Kindern marginalisierter Bevölkerungsgruppen, forderte er eine Erziehung, die Autonomie, Subjektivität und Achtung für das Kind fördert.
Korczak kritisierte den erzieherischen Blick, der in den Kindern nur Schwächen und Defizite sieht, „denen gegenüber der Erwachsene sich als positives Vorbild präsentieren kann“ (ebd.). Auch gegenüber der oft vorgegebenen erzieherischen Liebe des Erwachsenen zum Kind war er äußerst skeptisch. In seiner Erziehungskritik fragte er, wie sich das Erwachsenen-Kind-Verhältnis tatsächlich darstellt, vor allem, wie es durch die Kinder selbst erlebt wird. In seinem Verständnis von Erziehung „kommt es nicht auf die Selbstsicht der Erwachsenen an, die von ihrer Selbstlosigkeit und Kindzugewandtheit überzeugt sind, sondern auf die Reflexion der Auswirkungen pädagogischen Handelns aus kindlicher Perspektive“ (ebd., S. 217).
4.2 Für ein selbstbestimmtes Leben in Würde
Aus Korczaks Sicht besteht die wichtigste Aufgabe der ErzieherInnen darin, dem Kind zu ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben in Würde zu führen. Deshalb dürfe es der „Despotie der Erwachsenen“, die Korczak in der Gesellschaft ebenso wie in der Familie gegeben sah, nicht ohnmächtig ausgeliefert sein. In diesem Sinne haben die ErzieherInnen die vornehmliche Aufgabe, die Kinder sowohl zu beschützen als auch zu ermutigen und ihnen Räume für selbstbestimmtes Handeln zu bieten. Dieses Handeln ist zumindest in den pädagogischen Institutionen Handeln in der Gemeinschaft der Kinder. Korczak bezeichnete sie als „Kindergesellschaft“ und maß ihr eine besondere Bedeutung für die Persönlichkeitsbildung bei.
Diese Kindergesellschaft war Korczaks bevorzugte Welt. Hier – im Dialog und Austausch mit den Kindern – schöpfte er selbst enorme Kraft, um den vielen Belastungen und Widrigkeiten seines Lebens zu widerstehen (Beiner 2011; Liebel und Markowska-Manista 2017). Er tat dies nicht als jemand, der den Kindern nur helfen wollte, sondern als Pädagoge, der die Kinder als ebenbürtige PartnerInnen sah, von denen auch er selbst immer wieder lernen konnte.
Zu den Beispielen für Korczaks innovative Aktivitäten in der Kindergesellschaft und zugleich „eines der außergewöhnlichsten Experimente in der Geschichte der Presse“ (Gliński 2014, o. S.; übers. v. Verf.) zählt die Zeitung „Die Kleine Rundschau“ (polnisch: Mały Przegląd). Es war eine von den Kindern geschriebene Zeitung für Kinder und Erwachsene, die dazu beitragen sollte, die Stimme der Kinder wahr- und ernst zu nehmen. In der „Kleinen Rundschau“ schrieben Kinder über ihre täglichen Probleme und ihr Leben aus eigener Perspektive. Das Ziel ihrer Texte war, in realen Situationen zu helfen. Einige von ihnen waren tatsächlich effektiv: Unterstützung geben, verstehen, andere auf die Probleme aufmerksam machen und sie lösen. Korczak beschrieb „Die kleine Rundschau“ als eine Zeitung, die anders als alle anderen auf der Welt ist. Die ständige Bezugnahme auf die Meinungen der LeserInnen und KorrespondentInnen war ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeitsweise. Sie wurde mit Achtung gegenüber jedem Autor und jeder Autorin gestaltet. „Die kleine Rundschau“ wurde 1926 von Korczak gegründet und als wöchentliche Beilage der jüdischen Tageszeitung „Unsere Rundschau“ (polnisch: Nasz Przegląd) veröffentlicht (sie ist in der digitalen Bibliothek POLONA zugänglich unter: https://polona.pl).
5 Konstitutionelle Pädagogik
Um den Kindern die Erfahrung eines selbstbestimmten Lebens und des respektvollen Umgangs in der Gemeinschaft zu ermöglichen, maß Korczak Regeln in der pädagogischen Einrichtung große Bedeutung bei. Diese Regeln sollten immer von den Kindern mitgestaltet und getragen sein. Beiner (2008, S. 72) spricht deshalb unter Bezug auf eine Bemerkung von Korczak, in der er sich als „konstitutionellen“ Pädagogen bezeichnet hatte, von „konstitutioneller Pädagogik“. Diese Regeln sollten garantieren, dass die Kinder lernen und die Gelegenheit finden, sich frei zu äußern, in rücksichts- und respektvoller Weise miteinander umzugehen und Konflikte auszutragen. In der gleichberechtigten Kommunikation und gemeinsam zu treffenden und für alle (auch für die Erwachsenen) verbindlichen Entscheidungen sah Korczak die wichtigsten Elemente jeder Gemeinschaft, auch der Erziehungsgemeinschaft. Organe der freien Meinungsäußerung, Kommunikation und Entscheidungsfindung waren für die Kinder in den Waisenhäusern unter anderem: ihre selbst gestalteten Zeitungen, die Anschlagtafel (Schwarzes Brett), der Briefkasten für vertrauliche Mitteilungen, das Dank- und Entschuldigungstagebuch, das Parlament und die Vollversammlung aller Kinder der Einrichtung, der Selbstverwaltungsrat und das Kindergericht.
5.1 Kindergericht
Besondere Bedeutung für den Umgang mit Konflikten hatte das Kindergericht (auch Kollegial- oder Kameradschaftsgericht genannt). Seine pädagogische und aktivierende Rolle war immens wichtig. Korczak bemerkte, dass diese Form der Aktivität des Kindes die Position der SchülerInnen (passiv, abhängig von der Macht der ErzieherInnen) im Bildungsprozess veränderte. Diese Veränderung wurde erreicht, indem Respekt für jedes Individuum gelehrt wurde. Mit Blick auf die entscheidende Rolle des Kameradschaftsgerichts verweist Korczak auf sein eigenes Beispiel als eines Erziehers, dessen Verhalten ebenfalls der Beurteilung durch das Gericht unterlag. Seine Zuständigkeit umfasste Fälle, die sowohl Kinder als auch Erwachsene betrafen. Die Funktion der RichterInnen wurde von den Kindern (jeweils fünf bildeten ein Gericht) sowie einem/einer ErzieherIn als SekretärIn wahrgenommen. Ein spezieller Kodex wurde entwickelt, der zum Beispiel die folgenden Regeln umfasste:
„Wenn jemand etwas Böses getan hat, ist es am besten, ihm zu verzeihen. Wenn er aus Unwissenheit etwas Schlimmes angestellt hat, so weiß er es jetzt. Wenn er es aus Gedankenlosigkeit getan hat, wird er in Zukunft vorsichtiger sein. Wenn er etwas Böses tut, weil es ihm schwerfällt, sich anzupassen, wird er sich bemühen. Wenn er es getan hat, weil er dazu überredet wurde, wird er in Zukunft nicht mehr auf andere hören. – Wenn jemand etwas Böses getan hat, ist es am besten, man verzeiht ihm und wartet, bis er sich bessert. – Das Gericht aber muss die Stillen schützen, damit ihm die Aggressiven und Aufdringlichen kein Unrecht zufügen; das Gericht muss die Schwachen schützen, damit die Starken sie nicht quälen; es muss die Gewissenhaften und Fleißigen gegen die Nachlässigen und Faulen in Schutz nehmen; das Gericht muss für Ordnung sorgen, denn Unordnung belastet die guten, stillen und gewissenhaften Kinder am meisten. – Das Gericht ist nicht die Gerechtigkeit, aber es soll nach Gerechtigkeit streben; das Gericht ist nicht die Wahrheit, aber es möchte die Wahrheit finden“ (Korczak 1919-20/1999, S. 274).
99 der 100 Paragrafen des Gesetzes dienten der Entschuldigung und Versöhnung oder der Klärung, indem die Behandlung des Falles unterbrochen und zum Nachdenken aufgefordert wurde (zu den Regeln Rogowska-Falska 1928/1959, S. 33 f.). Nach den Vorstellungen von Korczak sollte das Gericht als moralische Instanz zum Ausgangspunkt der vollen Gleichberechtigung der Kinder werden. In „Wie liebt man ein Kind“ begründete er, warum er dieser Institution große Bedeutung beimaß:
„Das Kind hat ein Recht auf die ernsthafte Behandlung seiner Angelegenheiten, auf ihre gerechte und ausgewogene Beurteilung. Bis heute war alles vom guten Willen und den Launen des Erziehers abhängig. Das Kind hatte kein Recht auf Einspruch. Diesem Despotismus müssen Grenzen gesetzt werden“ (Korczak 1919-20/1999, S. 273).
RichterInnen waren die Kinder selbst. Sie wurden in jeder Woche per Los aus denjenigen Kindern bestimmt, gegen die kein Verfahren anhängig war. Jeder und jede konnten sich an das Gericht wenden, Kinder ebenso wie die erwachsenen Angehörigen der pädagogischen Institution. Das Gericht hatte nicht die Aufgabe zu bestrafen, sondern zu versöhnen. Die pädagogische Funktion des Gerichts begründete Korczak folgendermaßen:
„Das Gericht ist nicht vergnüglich – das ist wahr. Aber es wurde auch nicht zum Vergnügen eingeführt. – Seine Aufgabe ist es, Recht und Ordnung zu wahren – und dafür zu sorgen, dass der Erzieher nicht wie ein Hirte oder Pferdeknecht ganz ordinär mit der Peitsche und Geschrei Gehorsam erzwingen muss, sondern dass er ruhig und verständig – zusammen mit den Kindern überlegt, berät und urteilt. Diese wissen nämlich oft besser, wer Recht hat oder inwieweit einer Unrecht hat. Aufgabe des Gerichts ist es, Zank durch Gedankenarbeit zu ersetzen und Wutausbrüche in pädagogische Einwirkung zu verwandeln“ (ebd., S. 301).
In Ergänzung zum Gericht gab es eine Gerichtszeitung, einen Gerichtsrat und ein Notariatsbuch. Die Zeitung sollte das Klagerecht und die Konfliktbearbeitung durch Veröffentlichung von Gerichtsfällen, von Urteilen und Problemdiskussionen stützen. Der Gerichtsrat war eine zweite Gerichtsinstanz. Er bestand aus einem Erzieher oder einer Erzieherin und zwei RichterInnen aus dem Kreis der Kinder, die durch geheime Abstimmung für drei Monate gewählt wurden. Das Notariatsbuch wurde von einem Erzieher oder einer Erzieherin geführt. Es hielt Tauschgeschäfte unter den Kindern fest und sollte unbemerkte „Gaunereien“ verhindern.
5.2 Selbstregierung
Die Organe der Selbstregierung hatten ebenfalls eine wichtige pädagogische Funktion (Hofmann 2013). Korczak verstand Selbstregierung und Beteiligung der Kinder allerdings nicht als eine pädagogische Methode, „sondern vielmehr entwickelt er Methoden, um die Beteiligung des Kindes zu ermöglichen“ (Bartosch 2017, S. 21). Er sah darin in erster Linie ein Recht der Kinder.
In den Vollversammlungen der Waisenhäuser berieten alle Kinder über die anstehenden Probleme mit dem Ziel, sich untereinander und mit dem Heimpersonal zu verständigen und einvernehmliche Lösungen zu finden. Korczak war davon überzeugt, dass die Verständigung sich nicht von allein ergibt, sondern die Kinder ebenso wie die ErzieherInnen müssten sie sich „erarbeiten“ (Korczak 1919-20/1999, S. 271):
„Das Kind muss wissen, dass es freimütig seine Stimme erheben darf und dass sich das lohnt, dass es nicht Ärger und Unwillen hervorruft und dass es verstanden wird. Mehr noch: Es muss sicher sein, dass es von seinen Kameraden weder ausgelacht noch dass es verdächtigt wird, es wolle sich einschmeicheln. – Eine Konferenz verlangt eine reine und würdige moralische Atmosphäre. – Es gibt keine sinnlosere Komödie als die Einführung von Wahlen und Abstimmungen, die zu einem für den Erzieher günstigen Ergebnis führen sollen. Außerdem müssen die Kinder die Technik erlernen, wie so eine Konferenz durchgeführt wird. Es ist nicht einfach, etwas mit einer großen Zahl von Beteiligten zu beraten“ (ebd.)
Aus der Vollversammlung heraus wählten die Kinder ein Parlament, das wie das politische Parlament der Erwachsenen „Sejm“ genannt wurde. In der Heimzeitung des Nasz Dom begründete er dessen Aufgaben so:
„Wir haben so gesagt: ‚Die Kinder sollen selbst regieren. Wenn sie das gut besorgen, dann wird es ihnen gutgehen; wenn sie schlecht regieren, wird es ihnen schlechtgehen. So werden sie lernen, gut zu regieren, sie werden vorsichtig sein, weil sie wollen, dass es ihnen gutgeht.‘ Wir haben gesagt: ‚Wir wählen einen Sejm. Die Kinder wählen selbst ihre Abgeordneten. [...] Die Kinder werden selbst bestimmen. Wer vier Stimmen bekommt, ist Abgeordneter des Sejm. Dann wird jede Angelegenheit auf der Sitzung des Sejm vorgebracht, und die Abgeordneten werden nach ihrer Beratung entscheiden, was getan werden soll, um das Beste zu erreichen.‘ Wir haben so gedacht: ‚Wir, die Erwachsenen, wissen viel von einem Kind, doch wir können uns irren. Aber das Kind weiß, ob es ihm gutgeht oder schlecht.‘ Der Sejm selbst soll beraten, was man tun muss, damit jeder ruhig ausschlafen kann, ruhig beten, ruhig essen, lernen und spielen kann. Der Sejm selbst soll beraten, was man tun kann, damit nicht einer den anderen belästigt, stört, schlägt und betrügt. Der Sejm soll darüber beraten, was man tun soll, damit es bei uns keine Tränen und Klagen gibt und es fröhlich bei uns zugeht“ (Korczak 1921b/2003, S. 392 f.).
Neben dem Sejm gab es einen Selbstverwaltungsrat, der aus dem Gerichtsrat hervorgegangen war. An ihn wurden diejenigen Angelegenheiten delegiert, die sich oft wiederholten und darum eine Prüfung erforderten, warum sie immer wieder vorkommen und wie man dem vorbeugen kann. Maria Falska, die wichtigste Mitarbeiterin Korczaks im Nash Dom, beschrieb den Sinn des Selbstverwaltungsrats mit folgenden Worten:
„Das Recht des Kindes, sich zum eigenen Leben zu äußern und darüber zu entscheiden, dort, wo es ein Experte ist und sein kann, kommt zu ihm nicht als Geschenk – als der gute Wille des Erziehers, im Gewand eines gigantischen ‚selbstverwalterischen Statuts‘, als ein künstliches Gebilde, an dem sich im allgemeinen das reale Leben einer Schar nicht verzahnen kann, – nicht als verschwommener, unentschlossener, wohl kaum dauerhafter – Verzicht des Erziehers auf seine Rechte zugunsten einer Kindergruppe, sondern unwillkürlich, hinter dem Rücken des Erziehers – langsam, Schritt für Schritt – kristallisiert es sich aus den Bedürfnissen des Alltags heraus“ (Rogowska-Falska 1928/1959, S. 42, zit. n. Beiner 2008, S. 83).
6 Handlungskompetenz der Kinder
Korczak hatte großes Vertrauen in die Handlungskompetenz der Kinder. Er setzte diese nicht mit jener der Erwachsenen gleich, er verstand die Kinder nicht als kleine Erwachsene, sondern betonte ihre spezifische Weise, sich die Welt anzueignen und sich mit ihren Lebensbedingungen auseinanderzusetzen. Am Kind nahm er sogar Eigenschaften wahr, in denen es dem Erwachsenen überlegen ist: „Seine Gefühlswelt ist mächtiger als unsere, weil sie noch durch keine Hemmungen eingeschränkt ist“ (Korczak 1919-20/1999, S. 77). In intellektueller Hinsicht verstand er bei aller Verschiedenheit das Kind dem Erwachsenen als ebenbürtig: „Das Kind kann nicht ‚denken wie ein Erwachsener‘, aber es kann auf kindliche Weise über ernste Probleme der Erwachsenen nachdenken; der Mangel an Wissen und Erfahrung zwingen es zu einer anderen Denkweise“ (ebd., S. 101).
Schon das sehr junge Kind nahm Korczak als „eine weltentdeckende und weltverarbeitende Person“ (Beiner 2008, S. 22) wahr. Dies demonstrierte er beispielsweise durch den Hinweis, dass schon das Kleinkind auf seine Weise „studiert. Es hat im Verlauf seiner Untersuchungen schon Grundsätze gewonnen, Vermutungen angestellt und Fragen aufgeworfen“ (Korczak 1919/1999, S. 36). Das Kind sei ein „Forscher in seinem Laboratorium“ (ebd., S. 40). Schon der Säugling sei „darum bemüht, die äußere Welt zu beherrschen: Es möchte das Schlechte in seiner Umgebung, die feindlichen Kräfte, bekämpfen und sich die guten, behütenden Geister zu seinem Wohl dienstbar machen“ (ebd., S. 37). Das Kind sei bestrebt, die Geheimnisse der Umwelt zu beherrschen, aus denen Gutes und Böses hervorgeht. Es spreche schon, bevor es sprechen kann, aber „in einer minimalen Sprache, es denkt in einer Sprache von Bildern und Gefühlserinnerungen. […] Es versteht die Sprache, zwar nicht die Worte, aber die Mimik und die Modulation der Stimme“ (ebd., S. 42).
Mit großer Intensität und sehr detailgenau imaginierte Korczak, was in einem kleinen Kind vor sich geht, das versucht, sich die Welt anzueignen. Er verstand dessen Bemühen als „Arbeit“ (ebd., S. 53):
„Bronek möchte die Tür öffnen. Er schiebt einen Stuhl heran. Er bleibt stehen und ruht sich aus, bittet aber nicht um Hilfe. Der Stuhl ist schwer, er hat sich abgerackert. Jetzt zieht er einmal an einem Bein, dann am anderen. Die Arbeit geht langsamer, aber leichter voran. Schon ist der Stuhl nahe bei der Tür, ihm scheint, er schafft es, er klettert hinauf, steht. Er kommt ins Wanken, kriegt Angst, steigt wieder herunter. Er schiebt den Stuhl dicht an die Tür, aber seitlich der Klinke. Ein zweiter fehlgeschlagener Versuch. Keine Spur von Ungeduld. Er beginnt erneut zu arbeiten, er legt nur längere Ruhepausen ein. Zum dritten Mal klettert er hinauf; ein Bein in der Luft, ein Handgriff, auf sein Knie gestützt versucht er, das Gleichgewicht zu halten, ein neuer Anlauf, die Hand umklammert die Kante – er liegt auf dem Bauch, eine Pause, er wirft den Körper nach vorn, kniet, befreit die Beine aus seinem Kittelchen, steht. Arme Liliputaner im Reich der Riesen. Immer den Kopf nach oben gereckt, um etwas zu sehen. Das Fenster ist irgendwo weit oben, wie im Gefängnis. Um sich auf den Stuhl zu setzen, muss man ein Akrobat sein. Ein Einsatz aller Muskeln und der ganzen Intelligenz, um endlich die Türklinke zu erreichen“ (ebd.)
Ein großes Problem sah Korczak darin, dass das Spiel der Kinder von ihrer „Arbeit“ getrennt (gesehen) bzw. nicht in seiner Ernsthaftigkeit anerkannt wird. In „Wie liebt man ein Kind“ schrieb er:
„Das Spiel ist nicht so sehr das Element des Kindes als vielmehr das einzige Gebiet, auf dem wir ihm in größerem oder kleinerem Umfang gestatten, die Initiative zu ergreifen. Im Spiel fühlt sich das Kind bis zu einem gewissen Grad unabhängig. Alles andere ist eine zeitweilige Gunst, ein momentanes Zugeständnis, auf das Spiel hat das Kind ein Anrecht. – Wenn es Pferdchen spielt, Soldat, Räuber, Feuerwehr, entlädt es seine Energie in scheinbar zweckvollen Bewegungen, vorübergehend erliegt es einer Illusion oder entflieht bewusst dem grauen Alltag des wirklichen Lebens. Deshalb lieben Kinder die Gesellschaft von Gleichaltrigen mit lebhafter Phantasie, vielseitiger Initiative und einem reichen Schatz von Motiven, die aus Büchern stammen, so sehr: Sie erliegen deren oft despotischer Herrschaft deshalb so leicht, weil sie ihre nebelhaften Vorstellungen in einen Schein von Wirklichkeit verwandeln können. Kinder sind in Anwesenheit von Erwachsenen und Fremden gehemmt, sie schämen sich ihrer Spiele, weil sie um deren Bedeutungslosigkeit wissen. – Wie viel besseres Wissen um den Mangel an wirklichem Leben und wie viel Sehnsucht danach liegt in den Spielen der Kinder“ (Korczak 1919-20/1999, S. 87 f.).
Und kurz darauf fügte Korczak in der Absicht, der Sichtweise des Kindes gerecht zu werden, hinzu: „Viele Kinderspiele sind Arbeit“ (ebd., S. 89).
7 Despotie und Heuchelei der Erwachsenen
Korczak betrachtete das Kind nicht wie die meisten ReformpädagogInnen nur im Rahmen pädagogischer Institutionen und im Verhältnis zu den hier tätigen ErzieherInnen, sondern mit Blick auf ihre Stellung in der Gesellschaft und den gesellschaftlich produzierten Generationenverhältnissen. Diese nahm er als zutiefst gestört wahr. Auch dort, wo die Beziehung nicht durch körperliche Gewalt geprägt war, sah er „die Kinder einer strukturellen Unterdrückung und damit strukturellen Gewalt ausgeliefert“ (Hermeier 2006, S. 117 f.). Als problematisch erachtete er, dass die Kinder nicht in eine gemeinsame Lebenswelt der Generationen eingebunden, sondern davon getrennt sind. In seinen „Radioplaudereien“ beklagte Korczak den Zwiespalt und das Ungleichgewicht zwischen Erwachsenen und Kindern:
„Entweder das Leben der Erwachsenen – am Rande des Lebens der Kinder. Oder das Leben der Kinder – am Rande des Lebens der Erwachsenen. – Wann wird jener Moment der Freimütigkeit eintreten, da das Leben der Erwachsenen und das der Kinder gleichwertig nebeneinanderstehen werden?“ (Korczak 1939/1999, S. 459).
Korczak sah ein großes Problem darin, dass „wir Erwachsene“ die Kinder von unserem Leben trennen und nicht wahrnehmen, dass die Kinder uns auch gleichen, und dass wir den Kindern keine Möglichkeit geben, unser Leben kennenzulernen und sich darin einzumischen. In „Das Kind in der Familie“ (erster Teil der Tetralogie „Wie liebt man ein Kind“) schrieb Korczak:
„Wenn wir die Menschheit in Erwachsene und Kinder einteilen und das Leben in Kindheit und Reife, so haben wir in beiden Fällen sehr, sehr viele Kinder. In den eigenen Kampf und die eigenen Sorgen vertieft, nehmen wir sie nur nicht wahr, so wie wir früher die Frauen nicht wahrgenommen haben, die Bauern, die unterdrückten Schichten und Nationen. Wir haben uns so eingerichtet, dass uns die Kinder wenig stören, dass sie möglichst wenig darüber erfahren, wer wir eigentlich sind und was wir wirklich tun“ (Korczak 1919-20/1999, S. 75)
Auf die in der ersten Auflage dieser Schrift gestellte Frage: „Ist unser Verhältnis zu den Kindern nicht Ausdruck der Egozentrik der Erwachsenen?“ (Korczak 1919-20/1999, S. 85) – fügte Korczak in der zehn Jahre später erschienenen zweiten Auflage hinzu, er habe seinerzeit noch nicht gewusst, „dass ein Kind sich so gut erinnert, so geduldig wartet. Viele Irrtümer rühren daher, dass wir dem Kind in Zwang, Sklaverei und Fron begegnen, dem verdorbenen, erbitterten, rebellischen Kind. Man muss sich große Mühe geben, herauszufinden, was sein wahres Wesen ist, was es sein könnte“ (ebd.). Und er ergänzte:
„Wir haben den Kindern die hübsche Uniform der Kindlichkeit angezogen und glauben, dass sie uns lieben, ehren und uns vertrauen, dass sie unschuldig, gutgläubig und dankbar sind. Wir spielen ganz untadelig die Rolle der selbstlosen Betreuer; im Gedanken an die Opfer, die wir gebracht haben, sind wir ganz gerührt und, so kann man sagen, fühlen uns vorläufig recht wohl dabei. Die Kinder glauben zunächst alles, dann zweifeln sie, sie bemühen sich, den unterschwellig auftauchenden Verdacht wegzustecken, manchmal kämpfen sie gegen ihn an, aber wenn sie sehen, dass der Kampf umsonst ist, beginnen sie, uns zu täuschen, zu übervorteilen, auszunützen“ (ebd., S. 96).
Den Grund für die Herrschaft der Erwachsenen sah Korczak vor allem darin, dass Kinder keine eigenen Rechte und meist auch kein Eigentum besitzen. Für ihn unterschied sich das Kind vom Erwachsenen darin, „dass es nichts verdient und gezwungen ist, klein beizugeben, weil wir für seinen Unterhalt sorgen“ (Korczak 1919-20/1999, S. 77). Etwa zehn Jahre später fügte er in dem Essay „Das Recht des Kindes auf Achtung“ hinzu: „Durch diese Armut des Kindes und die Gnade materieller Abhängigkeit – ist das Verhältnis der Erwachsenen zu den Kindern verdorben“ (Korczak 1928/1999, S. 388). In der materiellen Abhängigkeit sah Korczak „den entscheidenden Herrschaftsschlüssel der Erwachsenen“ (Hermeier 2006, S. 120).
Korczak sah das Verhältnis der Erwachsenen zu den Kindern von Heuchelei geprägt. In einem „psychologischen Roman“, den er „Wenn ich wieder klein bin“ nannte, schrieb er: „Ja, wir leben nahe beieinander, aber nicht miteinander“ (Korczak 1925/2000. S. 261). „Es gibt anscheinend zwei Arten von Leben: das ihre – ernstzunehmende, das Achtung verdient, und das unsere, eine Art Scherz“ (ebd., S. 270). Auf der einen Seite projizierten sie ihre eigenen Wünsche und Zukunftshoffnungen auf ihre Kinder, auf der anderen Seite werde ihnen eine gesellschaftliche Minderwertigkeit zugeschrieben. Der darin liegende Widerspruch verschärfe sich noch dadurch, dass die Erwachsenen die moralischen Ansprüche, die sie an die Kinder richten, in ihrem eigenen Leben nur unvollkommen oder gar nicht verwirklichen. Nicht persönliche Defizite der Erwachsenen machte er dafür verantwortlich, sondern die ungerechten Strukturen des gesellschaftlichen Systems.
Als einen wesentlichen Grund für die Heuchelei und die Unterdrückung der Kinder betrachtete Korczak, dass die zeitgenössische Gesellschaft von einer egoistischen Individualisierung geprägt ist. Er unterschied diese deutlich von der „Individualität“ und der individualisierenden Sichtweise, die seine dialogisch konzipierte Pädagogik kennzeichnet. Wenn er davon sprach, dass „hundert Kinder – hundert Menschen“ (Korczak 1919-20/1999, S. 152) sind, meinte er, dass jeder Mensch ein einzigartiges Individuum sei, das mit seinen je besonderen Charakteristiken zu achten ist. Dagegen bringe der in der Gesellschaft vorherrschende egoistische Individualismus die Menschen in Gegensatz zueinander und führe zur Herrschaft der Großen und Starken über die Kleinen und Schwachen. „Aus der Dominanz des egoistischen Interesses lassen sich alle von Korczak diagnostizierten Phänomene, wie Doppelmoral, Scheinheiligkeit, Willkürherrschaft und Machtbehauptung ableiten“ (Hermeier 2006, S. 146).
8 Kinder als Hoffnungsträger
Korczak sah in den Kindern Hoffnungsträger für eine bessere Gesellschaft. Seine Hoffnungen basierten nicht auf Projektionen, sondern auf genauen Beobachtungen der Welt und der Empfindungen der Kinder. Basierend auf einer eingehenden Beobachtung der von ihm betreuten Kinder schrieb Korczak in „Wenn ich wieder klein bin“:
„Die Erwachsenen meinen, Kinder könnten nur herumtollen und allerlei Unsinn faseln, dabei sagen sie eine ferne Zukunft voraus, sie streiten darüber und debattieren. Die Erwachsenen werden sagen, die Menschen werden niemals Flügel besitzen, aber ich war erwachsen, und ich sage, sie können Flügel besitzen“ (Korczak 1925/2000, S. 164)
Jenseits der Verstrickungen der Erwachsenen sah er die Kinder ihre eigenen Urteile fällen und dabei gerade auf die Missstände verweisen, deren Bekämpfung sich die ältere, herrschende Generation zu entziehen versucht. In diesem Sinne verstand er das Kind als zutiefst demokratisch empfindendes Wesen mit einem eigenen Gerechtigkeitssinn: „Das klare, demokratische Empfinden des Kindes kennt keine Hierarchie. Vorläufig tun ihm der Schweiß des Tagelöhners und der Hunger des Altersgenossen noch weh, es leidet mit einem gequälten Pferd, mit einem geschlachteten Huhn“ (Korczak 1928/1999, S. 389; zum Gerechtigkeitssinn von Kindern Liebel 2013a, S. 217 ff.). Gerechtigkeit galt ihm als Voraussetzung für das Gelingen demokratischer Prozesse. Ein gleichberechtigtes Verhältnis der Generationen und eine Anerkennung der Kinder als kompetente AkteurInnen sind in dieses Gerechtigkeitsverständnis eingeschlossen.
Schon in einem Vortrag im Jahr 1921 (Der Frühling und das Kind) identifizierte Korczak das Kind als Vorboten einer besseren Welt. Doch er tat dies nicht in dem heute mehr denn je üblichen instrumentellen Sinne, in dem vom Kind als der „Zukunft der Gesellschaft“ gesprochen wird, sondern in dem Sinne, dass das Kind die besseren Seiten der Gesellschaft verkörpert:
„Es ahnt den Frühling, ahnt den Augenblick voraus, wo der Mensch sich nicht nur mit dem Menschen verständigen wird, nicht nur der Weiße mit dem Schwarzen, der Reiche mit dem Armen, der Mann mit der Frau und der Erwachsene mit dem Kind – sondern auch mit der Sonne und den Sternen, dem Wasser und der Luft, mit der weißen Birke und dem Maiglöckchen, mit dem Hund und der Lerche. Es ahnt voraus, dass wir nicht nur in Schweiß und Kampf, sondern durch Spiel und freudiges Bemühen das erreichen werden, wonach die Menschheit sehnsüchtig über Kreuze und Scheiterhaufen hinweg, in Schweiß und Blut, tragisch, einsam und von Gott verlassen, strebt“ (Korczak 1921a/1997, S. 11).
Korczak war davon überzeugt, dass gerade die kindliche Ehrlichkeit (die oft als „Naivität“ abgewertet wird) und das von gesellschaftlichen Einflüssen und Konventionen noch relativ unberührte Gerechtigkeitsempfinden des Kindes den Erwachsenen wertvolle Impulse bei der Entscheidungsfindung geben könnten. Bei der Beteiligung der Kinder ging es ihm nicht darum, dem Kind völlige Autonomie in gesellschaftlichen und politischen Fragen zuzusprechen. Er bestritt nicht, dass Kindern die oft nötige Erfahrung und das Wissen fehlen, und wies sogar ausdrücklich darauf hin, dass sie auf die Hilfe der Erwachsenen angewiesen sind. Doch er erwartete, dass die Sichtweisen und Äußerungen des Kindes auch im politischen Bereich ernst genommen werden und bei den zu treffenden Entscheidungen Berücksichtigung finden. Geschehe dies nicht, würden in den Kindern Charaktereigenschaften gezüchtet, die das Zusammenleben zur Qual machten und eine demokratisch und gerecht zu nennende Ordnung in immer weitere Ferne rückten.
„Das Gefühl der Ohnmacht erzieht zur Verehrung der Stärke; jeder, nicht nur der Erwachsene, sondern jeder Ältere und Stärkere, kann seine Unzufriedenheit brutal ausdrücken, seine Forderung durch Stärke bekräftigen und Gehorsam erzwingen: Er kann ungestraft Unrecht tun. Durch unser eigenes Beispiel lehren wir zu verachten, was schwächer ist. Eine schlechte Schule, eine schlechte Prognose“ (Korczak 1928/1999, S. 385 f.).
Um dieser niederschmetternden Prognose entgegenzuwirken, setzte Korczak darauf, dass gerade die Kinder, die in besonderem Maße sozial benachteiligt, marginalisiert und unterdrückt sind, gegenteilige Erfahrungen machen können, die ihre Widerstandskraft stärken. Im Vertrauen auf den „sozialen Instinkt“ der Kinder und ihren zumindest latenten Gerechtigkeitssinn wollte er „eine Kindergesellschaft auf den Prinzipien der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit, der gleichen Rechte und Pflichten aufbauen“ (Korczak 1925/2004, S. 207).
9 Die Kindergesellschaft
Wie oben gezeigt, maß Korczak dem eigenen Handeln der Kinder, ihrem eigenen Einsatz für ihre Rechte, große pädagogische Bedeutung bei. Er tat dies nicht, wie es bis heute häufig geschieht, um die Kinder an demokratische Gepflogenheiten zu gewöhnen und sie auf ihre Staatsbürgerrolle vorzubereiten, sondern um ihnen die Gewissheit zu vermitteln, respektiert zu werden und ihr Umfeld beeinflussen zu können und damit das Generationenverhältnis auf eine neue gleichberechtigte und gleichwertige Grundlage zu stellen. Die den Kindern ermöglichte Partizipation war für ihn auch kein pädagogischer Trick, um die Kinder bei der Stange zu halten oder Konflikten aus dem Wege zu gehen, sondern sie sollte ihrem demokratischen Gerechtigkeitssinn, den er in ihrem „sozialen Instinkt“ verwurzelt sah, entsprechen und ihn stärken. Den Raum hierfür sah er in der von den Kindern selbst geregelten ‚Kindergesellschaft‘, die er in der pädagogischen Einrichtung, aber auch darüber hinaus im gesellschaftlichen Leben zu fördern versuchte. Sie sollte den Kindern Erfahrungen ermöglichen, die sie in der „despotischen Gesellschaft“ nicht machen können und sie dadurch stärken. Doch dachte er daran, dass die Kinder politisch agieren könnten? Können wir die von Korczak angestrebte und in den beiden Waisenhäusern praktizierte „Kindergesellschaft“ als eine Form politischer Partizipation verstehen, die über das pädagogische Verhältnis und die pädagogischen Institutionen hinausweist? Welchen politischen Sinn hatte die Kindergesellschaft? Wurde sie von Korczak eher als eine Form von Gegenmacht oder eher als Mittel der Selbsterziehung verstanden?
Friedhelm Beiner (2008) sieht in Korczaks Konzeption der Kindergesellschaft vor allem die Basis dessen, was dieser als „Selbsterziehung“ bezeichnet, wobei Korczak nicht nur die Kinder im Auge gehabt habe, sondern auch die Erwachsenen, mit denen die Kinder zusammenleben und zu tun haben. Beiner (ebd.) ist unseres Erachtens zu Recht der Ansicht, dass dem politisch denkenden Erziehungsreformer Korczak „eine wohlwollende Einstellung der Erzieher zum Kind nicht ausreichte, sondern, dass er darüber hinaus eine strukturelle Veränderung der Umgangsweisen und der gesamten Erziehungsorganisation anstrebte“ (ebd., S. 12). Über die notwendige Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Würde des Kindes hinaus sei es ihm „um die Veränderung der Abhängigkeit und Unmündigkeit der Kinder stabilisierenden Strukturen der Erziehung in Heimen, Familien, Kindergärten, Schulen, Ausbildungsstätten u. ä.“ (ebd.) gegangen.
Auch wenn Korczak den später von Johan Galtung (1975) geprägten Begriff der „strukturellen Gewalt“ noch nicht zur Verfügung hatte, habe er doch bereits in deutlichen Worten formuliert, so Beiner (2008, S. 12), „dass die überlieferten Strukturen von Erziehungseinrichtungen eine gleichberechtigte Mitwirkung der Kinder an ihren eigenen Angelegenheiten nicht zuließen; dass Kinder vielmehr, wie ehemals die Arbeiter und Bauern, wie die Schwarzen und Frauen, immer noch Mitglieder einer unterdrückten Bevölkerungsgruppe, einer benachteiligten Klasse waren, die sich aus ihrer Unfreiheit, ihrer Stimm-, Recht- und Besitzlosigkeit emanzipieren müssten, um als geachtete und selbstbestimmende Mit-Bürger ihr Leben mitgestalten zu können.“ In diesem Sinne habe sich Korczak spätestens seit der 1912 erfolgten Gründung des Waisenhauses Dom Sierot dafür eingesetzt, die den Kindern angetane strukturelle Gewalt durch eine strukturelle Partnerschaft, durch demokratische Organisations- und Umgangsformen zu ersetzen.
Zumindest in seinen späteren Schriften ging Korczak über die Betrachtung des Erziehungsverhältnisses in der pädagogischen Institution hinaus. Im Vorwort der 1929 erschienenen zweiten Auflage von „Wie liebt man ein Kind“ erhoffte er sich „Denkanstöße durch eine kleine Gruppe von den Kindern des Internats für die Welt der Erwachsenen, ihre Phänomene und ihre Regeln; sie weisen immer deutlicher: von der Selbstverwaltung der Kinder zum Weltparlament“ (Korczak 1919-20/1999, S. 140). Im selben Jahr kritisierte Korczak in seinem Essay „Das Recht des Kindes auf Achtung“: Während das Kind gedrängt werde, sich „mit seinem Schulbuch, dem Ball und der Puppe“ (Korczak 1928/1999, S. 387) zu beschäftigen, schwane ihm, „das Bedeutende und Mächtige, was über Freud und Leid entscheidet, was bestraft und belohnt oder gar zerbricht, geschieht ohne seine Beteiligung, über seinen Kopf hinweg“ (ebd.). Im Vertrauen auf den Gerechtigkeitssinn und das „klare demokratische Empfinden“ der Kinder forderte Korczak deshalb vehement eine umfassende Mitsprache der Kinder in der Gesellschaft. Ihnen müsse vertraut und erlaubt werden, „sich zu organisieren“, denn die wirklichen „Experten“ seien sie (ebd., S. 398).
Schon seit seiner eigenen Jugendzeit lenkte Korczak den Blick auf die unzumutbaren Lebensverhältnisse insbesondere der Kinder in den Armenvierteln und geißelte die ihnen angetane soziale Ungerechtigkeit (z.B. in seinem 1901 erschienenen Roman „Kinder der Straße“; Korczak 1901/1996; Liebel und Markowska-Manista 2017). In seiner zuerst 1919 veröffentlichten Schrift „Wie liebt man ein Kind“ z.B. verglich er die Missachtung der Kinder insgesamt mit dem, was früher den Frauen, Bauern und unterdrückten Schichten und Nationen widerfahren sei (Korczak 1919-20/1999, S. 71). In einem kurz danach gehaltenen Vortrag „Der Frühling und das Kind“ begründete er die Notwendigkeit, um die Rechte der Kinder zu kämpfen, mit den Worten:
„Das Kind ruft nach Befreiung, das Kind ruft um Hilfe. Das Kind hasst seine Kindheit, – es erstickt. […] Ein Drittel der Menschheit sind Kinder und Jugendliche, ein Drittel des Lebens ist die Kindheit. Kinder werden nicht erst zu Menschen – sie sind bereits welche. Von den Erträgen und Reichtümern der Welt gehört ihnen ein Drittel – und dies zu Recht und nicht aus Gnade. Die Früchte eines Drittels der siegreichen Gedanken der Menschheit gehören ihnen“ (Korczak 1921a/1997, S. 25).
Als eine noch immer unterdrückte Bevölkerungsgruppe müssten die Kinder die Möglichkeit bekommen, sich aus ihrer Unfreiheit, ihrer Stimm-, Recht- und Besitzlosigkeit zu emanzipieren, um als selbstbestimmte BürgerInnen ihr eigenes und das gesellschaftliche Leben mitgestalten zu können. Allerdings misstraute Korczak politischen Ideologien, die aus seiner Sicht von der Wirklichkeit abgehoben sind und den individuellen Eigenarten, Empfindungen und Denkweisen der Menschen, zumal der Kinder, nicht die nötige Aufmerksamkeit und Achtung entgegenbringen.
10 Das ungewisse Wissen über Kinder
Ein elementarer Bestandteil von Korczaks Pädagogik der Achtung ist seine Überzeugung, dass wir über Kinder wenig wissen und auch die Wissenschaften kein verlässliches oder gar endgültiges Wissen erbringen können (Kirchner et al. 2018). In „Wie liebt man ein Kind“ schreibt er:
„Wie, wann, wie viel – warum? Ich ahne viele Fragen, die auf Antwort warten. Zweifel, die Aufklärung fordern. Ich antworte: ‚Ich weiß nicht.‘ Immer, wenn du ein Buch aus der Hand legst und beginnst, den Faden eigener Gedanken zu spinnen, hat das Buch sein angestrebtes Ziel erreicht. – Wenn du rasch umblätterst – Vorschriften und Rezepte suchst und dich ärgerst, dass es so wenige sind – wisse, falls es da Ratschläge und Hinweise gibt, entspricht das nicht dem Willen des Autors. Ich weiß nicht und kann nicht wissen, wie mir unbekannte Eltern unter unbekannten Bedingungen ein mir unbekanntes Kind erziehen können“ (Korczak 1919-20/1999, S. 10).
Dies ist ein Grund, warum er sich den Kindern immer abwartend und mit Neugierde näherte. Darin gründete auch sein Interesse, immer aufs Neue von den Kindern zu lernen. Er sah sich mit den Kindern „im gleichen Boot und […] [konnte] ebenfalls wie diese nicht über den gemeinsamen Horizont hinaus Gewissheit für sein Handeln beanspruchen“ (Bartosch 2017, S. 25). Obwohl er als ausgebildeter Arzt immer wieder auf naturwissenschaftliche Methoden zurückgriff, um sein Wissen über Kinder zu verfeinern, wusste er, dass er über die wissenschaftliche Erkenntnis keine unumstößlichen Wahrheiten gewinnen konnte (Göppel 2004). Nichtwissen wurde für Korczak „zur positiven Quelle von Erfahrung, das Unauslotbare in jeder Situation, die Unerschöpflichkeit des Anderen wie die Rätselhaftigkeit der Welt – all das zieht er ins Denken und ins Verstehen“ (Hutflötz 2017, S. 78).
Korczak sah sich auf den Dialog mit den Kindern angewiesen und ging mit seiner Verantwortung für die Kinder ebenso wie in seinen Äußerungen über Kinder vorsichtig und pragmatisch um. Er war davon überzeugt, dass die Verständigung zwischen den Menschen Vorrang haben muss gegenüber wie auch immer begründeten Vorentscheidungen. Dies ist auch der Grund, warum er die Kinder nicht wie in der Entwicklungspsychologie und der Kindermedizin seiner Zeit üblich, nach Reifestufen einteilte, sondern nach den Bedingungen suchte, die es Kindern in jedem beliebigen Alter ermöglichen, sich zu äußern und ihr eigenes Leben (mit) zu gestalten.
Korczak verstand seine Pädagogik nicht als eine Lehre, die auf feststehenden Gewissheiten aufbaut und auf alle Kinder in gleicher Weise anwendbar ist. Er plädierte für Selbstverbesserung und Selbsterziehung, die intrapersonale Arbeit der ErzieherInnen an sich selbst. Im Unterschied zu manchen Tendenzen in der Reformpädagogik, die in romantischer Tradition das Kind zum messianischen Heilsboten hochstilisierten, blieb Korczak gegenüber jeder Art von Idealisierung des Kindes oder „naiven pädagogischen Heilsversprechen überaus skeptisch“ (Fuchs 2017, S. 55). Er pflegte zu sagen: „Wir erziehen euch, aber auch ihr erzieht uns auch“ (Korczak 1992/2003, S. 422) und brachte damit sein Bestreben zum Ausdruck, das Ziel zu erreichen, die Welt der Erwachsenen und der Kinder, wenn auch nur im Mikrokosmos, zu verbessern. Es war also ein bilateraler Prozess, der Gleichheit vorsah und auf Kooperation sowie auf der Subjektivität von Erwachsenen und Kindern basierte. Schließlich war es ein Prozess, der kognitive und entwicklungsmäßige Vorteile mit allen Konsequenzen für beide Seiten sicherzustellen versuchte.
11 Heutige Herausforderungen einer Pädagogik der Achtung
Korczaks Annahme, dass in der Beziehung zwischen dem Erwachsenen und dem Kind das gegenseitige Recht auf Achtung und folglich auf Freiheit und ein würdevolles Leben nicht verletzt werden darf, ist bis heute gültig und stellt eine große Herausforderung für die pädagogische Praxis dar. Seine Überlegungen sind nicht nur relevant für die Heimerziehung, sondern für alle pädagogischen Einrichtungen und den alltäglichen Umgang der Erwachsenen mit Kindern. Wenn zum Beispiel die wichtigsten Elemente seiner konstitutionellen Pädagogik in den Schulen beachtet würden, wären diese nicht wiederzuerkennen. Korczak verstand seine Überlegungen allerdings nie im Sinne eines Rezepts, das auf alle Fragen eine treffende Antwort bereithält, sondern im Sinne einer Orientierung, die die jeweiligen Bedingungen beachten muss und ihr genaues Studium erfordert.
Korczaks Pädagogik weist viele Bezüge zu anderen pädagogischen Konzeptionen auf, die die Bedürfnisse und Interessen der Kinder (und anderer Beteiligter am Erziehungsprozess) in den Mittelpunkt stellen. Dies gilt – bei allen Unterschieden – zum Beispiel für manche Ansätze in der Reformpädagogik, wie etwa jene von Siegfried Bernfeld (1921/1969), Alexander Sutherland Neill (1945, 1950, 1969, 1970) oder für die sog. Befreiungspädagogik, die der brasilianische Pädagoge und Philosoph Paulo Freire (1973) konzipierte und die vornehmlich in Lateinamerika praktiziert wird. Solche Bezüge finden sich auch in der Debatte um die Arbeit mit autonomen Kindergruppen (z.B. Hoernle 1923/1969; Hering 2003) oder sog. Kinderrepubliken (Kamp 2006; Richartz 1981).
Folgen wir Korczaks Überlegungen, so kann der Gedanke der Partizipation und Selbstregierung von Kindern allerdings nicht nur als Methode oder gar Trick verstanden werden, um die Kinder bei der Stange zu halten und zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Korczaks Pädagogik der Achtung ist im Kern gegen jede Art von Paternalismus im Umgang mit Kindern gerichtet und stellt den Machtvorsprung der Erwachsenen und damit auch der professionellen pädagogischen AkteurInnen infrage. Sie fordert nicht nur zum gleichberechtigten Dialog heraus, sondern auch zu grundlegenden Änderungen der Machtstrukturen, in die jede Art von Erziehung eingebettet und von denen sie beeinflusst ist.
12 Danksagung
Wir danken Marta Ciesielska, Leiterin des Korczak-Archivs „Korczakianum“ (wissenschaftliche Stelle des Warschauer Museums), für ihre Unterstützung bei der bibliografischen Recherche zu diesem Text.
In den bibliografischen Angaben zu Korczak befindet sich an erster Stelle das Jahr der polnischen Erstveröffentlichung (auch aus dem Nachlass) und an zweiter Stelle das Erscheinungsjahr des jeweiligen Bandes der deutschsprachigen Sämtlichen Werke, aus dem zitiert wurde.
13 Quellenangaben
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Kicińska, Magdalena, 2015. Pani Stefa. Warszawa: Wydawnictwo Czarne. ISBN 978-83-8049-087-1
Kirchner, Michael, 2013. Janusz Korczak: Über die Bedeutung des ‚pädagogischen Takts‘ für die Balance von Nähe und Distanz im pädagogischen Verhältnis. In: Rosemarie Godel-Gaßner und Sabine Krehl, Hrsg. Facettenreich im Fokus. Janusz Korczak und seine Pädagogik – Historische und aktuelle Perspektiven. Jena: Edition Paideia, S. 213–226. ISBN 978-3-944830-07-0
Kirchner, Michael, Sabine Andresen und Kristina Schierbaum, 2018. Janusz Korczaks ‚schöpferisches Nichtwissen‘ vom Kind. Beiträge zur Kindheitsforschung. Wiesbaden: Springer VS. ISBN 978-3-658-11684-2 [Rezension bei socialnet]
Kmieć, Jolanta und Anna Kołodziej, 2012. Janusz Korczak (Henryk Goldszmit) na tle epoki. In: Koniński Kurier Oswiatowy. Nr. 3–4 (98–99), S. 3–4. ISSN 2081-1527
Korczak, Janusz, 1901/1996. Kinder der Straße. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 1, bearb. v. F. Beiner und E. Dauzenroth. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 7–193. ISBN 978-3-579-02340-3
Korczak, Janusz, 1919-20/1999. Wie liebt man ein Kind. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 4, bearb. u. komm. v. F. Beiner und S. Ungermann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 7–314. ISBN 978-3-579-02343-4
Korczak, Janusz, 1921a/1997. Der Frühling und das Kind. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 5, bearb. v. E. Dauzenroth und F. Beiner. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 7–28. ISBN 978-3-579-02344-1
Korczak, Janusz, 1921b/2003. Der Sejm und das Gericht. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 13, bearb. u. komm. v. F. Beiner und S. Ungermann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 392–393. ISBN 978-3-579-02352-6
Korczak, Janusz, 1925/2000. Wenn ich wieder klein bin. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 3, bearb. u. komm. v. F. Beiner und S. Ungermann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 133–276. ISBN 978-3-579-02342-7
Korczak, Janusz, 1925/2004. Theorie und Praxis. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 9, bearb. und komm. v. F. Beiner. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 239–242. ISBN 978-3-579-02348-9
Korczak, Janusz, 1928/1999. Das Recht des Kindes auf Achtung. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 4, bearb. u. komm. v. F. Beiner und S. Ungermann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 383–413. ISBN 978-3-579-02343-4
Korczak, Janusz, 1933/2004. 25 Jahre Tätigkeit der Gesellschaft „Hilfe für Waisen“ [Äußerungen Korczaks auf der Jahreshauptversammlung der Gesellschaft „Hilfe für Waisen“]. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 9, ediert von F. Beiner und E. Dauzenroth. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 218–219. ISBN 978-3-579-02348-9
Korczak, Janusz, 1939/1999. Fröhliche Pädagogik. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 4, bearb. u. komm. v. F. Beiner und S. Ungermann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 415–493. ISBN 978-3-579-02343-4
Korczak, Janusz, 1992/2003. Man muss das verstehen. In: Janusz Korczak. Sämtliche Werke, Bd. 13, bearb. u. komm. v. F. Beiner und S. Ungermann. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, S. 422. ISBN 978-3-579-02352-6
Liebel, Manfred, 2013a. Kinder und Gerechtigkeit. Über Kinderrechte neu nachdenken. Weinheim und Basel: Beltz-Juventa. ISBN 978-3-7799-2837-9 [Rezension bei socialnet]
Liebel, Manfred, 2013b. Janusz Korczaks Verständnis der Kinderrechte als Handlungsrechte. In: Manfred Liebel, Hrsg. Janusz Korczak – Pionier der Kinderrechte. Ein internationales Symposium. Berlin und Münster: LIT, S. 63–82. ISBN 978-3-643-12068-7 [Rezension bei socialnet]
Liebel, Manfred und Urszula Markowska-Manista, 2017. Mit Hoffnung der Verzweiflung und Hilflosigkeit widerstehen. Nachdenken über Janusz Korczak. In: Rolf Göppel und Margherita Zander, Hrsg. Resilienz aus der Sicht der betroffenen Subjekte. Die autobiografische Perspektive. Weinheim und Basel: Beltz-Juventa, S. 83–109. ISBN 978-3-7799-3462-2 [Rezension bei socialnet]
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14 Literaturhinweise
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Steiger, Siegfried, Agnieszka Maluga und Ulrich Bartosch, Hrsg., 2017. Der Blick ins Freie. Im Diskurs mit Janusz Korczak. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. ISBN 978-3-7815-2207-7 [Rezension bei socialnet]
15 Informationen im Internet
- Deutsche Korczak-Gesellschaft e.V.:
- Korczakianum, Warschau
- Janusz Korczak Association of Canada
- Europäische Janusz Korczak Akademie / The Jewish Agency
- Digitale Bibliothek POLONA zu Schriften Korczaks (polnisch)
Verfasst von
Prof. Dr. Manfred Liebel
Prof. a.D. für Soziologie an der Technischen Universität Berlin, Unabhängiger Kindheits- und Kinderrechtsforscher
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Dr. Urszula Markowska-Manista
Visiting Professor & Program Director: MA Childhood Studies and Children´s Rights
University of Applied Sciences Potsdam/Fachhochschule Potsdam
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Es gibt 1 Lexikonartikel von Manfred Liebel.
Es gibt 1 Lexikonartikel von Urszula Markowska-Manista.