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Patientenedukation

Dr. Anke Höhne

veröffentlicht am 24.01.2025

Etymologie: lat. educare erziehen

Englisch: patient education; patients’ education

Unter Patientenedukation versteht man fachlich fundierte, pädagogisch-psychologische Interventionen, um Patienten und Patientinnen, Pflegebedürftige und deren Angehörige in ihrem Kohärenzgefühl zu stärken.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Konzepte und Begriffe der Patientenedukation
    1. 2.1 Beratung
    2. 2.2 Information
    3. 2.3 Schulung
    4. 2.4 (Familien-)Moderation
  3. 3 Theoretische Grundlagen der Patientenedukation
  4. 4 Handlungsfelder der Patientenedukation
  5. 5 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Patientenedukation wird als zentrale Aufgabe der Gesundheitsfachberufe angesehen. Eine besondere Rolle kommt dabei den Pflegefachkräften zu, da sie von allen Gesundheitsfachberufen die Berufsgruppe ist, die am häufigsten im Kontakt mit Patient:innen und ihren Angehörigen steht. In der sog. „sprechenden Pflege“ geht es darum, zu schulen, Verständnis aufzubauen und zu beraten.

Patientenedukation bezieht sich dabei auf unterschiedliche theoretische Ansätze, Konzepte und Modelle. Als Hauptaufgabe wird bei der Patientenedukation angesehen, die Eigenständigkeit der Klient:innen zu wahren und Kompetenzen bei ihnen zu fördern, damit sie möglichst selbstbestimmt in ihrem Alltag handeln und entscheiden können (Schieron und Segmüller 2021).

Patientenedukation kann in allen Settings der Gesundheitsversorgung angewandt werden.

2 Konzepte und Begriffe der Patientenedukation

Eine Vorreiterrolle für die Entwicklung des Arbeitsgebietes Patientenedukation hat das Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/​Herdecke gespielt, namentlich Prof. Dr. Angelika Zegelin (Zegelin, Sunder und Segmüller 2018). Unter Patientenedukation werden dem Verständnis der „Wittener Schule“ nach psychologisch-pädagogische Interventionen verstanden, die dabei helfen, den Gesundheitszustand und die Bewältigung der Erkrankung zu verbessern. Zegelin wies immer wieder auf die große Bedeutung der Pflege als größter Berufsgruppe im Gesundheitswesen für die Gesundheitsbildung hin und prägte in diesem Zusammenhang den Begriff der „sprechenden Pflege“ (Abt-Zegelin 2016).

Zu den zentralen Aufgaben der Patientenedukation gehören Information, Schulung und Beratung. Aber auch die Moderation unterschiedlicher Standpunkte zur Pflegesituation (z.B. zwischen Angehörigen und erkrankten oder pflegebedürftigen Menschen) gehört zum Aufgabenspektrum der Patientenedukation.

2.1 Beratung

Pflegebezogene Beratung wird als ein professionelles, kommunikatives Angebot betrachtet, in dem die Beraterin oder der Berater die Ratsuchenden bei ihren Anliegen ergebnisoffen unterstützt (Schieron und Segmüller 2021). An der Universität Witten wurden in einer Arbeitsgruppe um Angelika Abt-Zegelin das Wittener Konzept zur pflegebezogenen Edukation und die Wittener Werkzeuge als Beratungsansatz dieses Konzepts entwickelt, die Pflegende dabei unterstützen sollen, eine förderliche Kommunikation mit Klient:innen und Angehörigen zu praktizieren.

2.2 Information

Die häufigste Kommunikationsstrategie für Pflegende ist die Information von Patient:innen und Angehörigen. Dabei geschieht die Informationsvermittlung im Pflegealltag häufig nebenbei, quasi begleitend zu anderen pflegerischen Maßnahmen. Im Mittelpunkt stehen beim Informieren die Bereitstellung von Informationen, Unterstützung beim Verstehen von Informationen und bei der Suche nach weiterführenden Informationen zum Anliegen der Patient:innen oder der Angehörigen. Eine Möglichkeit der Informationsvermittlung in der Pflege stellen die Patienteninformationszentren dar.

Patienteninformationszentren sind Einrichtungen, die in der Regel in Krankenhäusern angesiedelt sind und in denen sich Patient:innen, Angehörige und interessierte Bürger:innen zu evidenzbasierten Gesundheitsthemen informieren können. Sie beherbergen ein breites Spektrum an gesundheitsbezogenen Informationen für diese Zielgruppen. Die Patienteninformationszentren verfolgen das Ziel, evidenzbasierte Informationen zu Gesundheit und Krankheit vorzuhalten, damit die Patient:innen eine aktive Rolle in der eigenen Gesundheitsfürsorge übernehmen können. Sie folgen dabei bestimmten Grundsätzen der Beratung (Dautel und Mayle 2015):

  • Es werden keine Diagnosen gestellt und keine Therapievorschläge unterbreitet.
  • Die Patient:innen werden nicht in eine bestimmte Richtung beeinflusst.
  • Bisherige Behandlungen werden nicht kommentiert und bewertet.
  • Es werden ausschließlich Informationen und Beratung zu anerkannten Verfahren gegeben.
  • Der Besuch im Patienteninformationszentrum ist als Ergänzung und nicht als Ersatz für eine ärztliche Konsultation gedacht.

Konzipiert und geleitet werden Patienteninformationszentren von entsprechend qualifizierten Pflegekräften, da die Initiative für die Gründung und Etablierung von Patienteninformationszentren in Deutschland von der Pflegewissenschaft ausging. Sie stellen damit ein pflegerisches Handlungsfeld dar.

2.3 Schulung

Ein Schwerpunkt pflegerischer Edukation sind Schulungen, die sich an Patient:innen, pflegende Angehörige oder auch beruflich Pflegende richten. Unter einer Schulung wird dabei eine geplante Lernerfahrung verstanden, die aus mehreren Schritten besteht und die auf ein konkretes Lernziel ausgerichtet ist (Schneider 2002). Schulungen können als Gruppenschulung oder als Einzelschulung geplant und durchgeführt werden. Patient:innenschulungen richten sich meist an Menschen mit chronischen Erkrankungen. Mit den Schulungen soll vor allem das Wissen über die Erkrankung bei den chronisch erkrankten Menschen vertieft und erweitert sowie der Umgang mit der Erkrankung verbessert werden.

Eine Form von Schulungen stellen Mikroschulungen dar, die Patient:innen in kurzen Einheiten pflege- oder gesundheitsbezogenes Wissen vermitteln (Schieron 2024).

2.4 (Familien-)Moderation

Unter Moderation im Kontext der Patientenedukation wird verstanden, dass bei unterschiedlichen Sichtweisen auf den angemessenen Umgang mit der Erkrankungs- bzw. Pflegesituation eines Angehörigen die Klärung zwischen den Vertreter:innen der unterschiedlichen Standpunkte durch eine Pflegekraft unterstützt wird. Die Moderation ist als pflegerische Aufgabe schon länger bekannt. Unter den Hauptstrategien pflegebezogener Edukation stellt sie jedoch die jüngste Methode dar.

Die pflegebezogene Moderation wird als allparteiliche Gesprächsführung durchgeführt, d.h. eine neutrale Person moderiert zwischen den Konfliktparteien, um eine für alle Beteiligten akzeptierte Lösung der Pflegesituation zu erzielen. Die Vorgehensweise ist dabei mit der Mediation bei Konfliktsituationen in unterschiedlichen privaten und beruflichen Kontexten vergleichbar.

Familienmoderation bezieht sich konkret auf die Moderation von Konflikten durch professionell Pflegende, die sich an pflegende Angehörige richtet. Das Besondere an der Familienmoderation ist, dass sowohl Wissen über die Vorgehensweise bei familiären Konflikten als auch pflegebezogenes Wissen (z.B. über die Pflegeversicherung, Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige) erforderlich ist (Schieron 2021b).

3 Theoretische Grundlagen der Patientenedukation

Patientenedukation nimmt auf verschiedene theoretische Ansätze Bezug (Schieron 2021a). Dazu zählen vor allem:

4 Handlungsfelder der Patientenedukation

Die Handlungsfelder pflegebezogener Edukation sind sehr vielfältig und umfangreich (Überblick bei Schieron 2021c). Dazu gehören beispielsweise:

  • Advanced Practice Nursing (auch Advanced Nursing Practice genannt)
  • Altenhilfe und Altenpflege
  • Community Health Nurses
  • Beratung und Schulung in verschiedenen Arbeitsfeldern angrenzender Gesundheitsfachberufe (z.B. Hebammen)
  • unterschiedliche Arbeitsfelder der Pflege (z.B. ambulante Krankenpflege, Pflege im Krankenhaus, Schulgesundheitspflege).

5 Quellenangaben

Abt-Zegelin, Angelika, 2016. Die sprechende Pflege. In: Die Schwester, der Pfleger. 55(4), S. 60–62. ISSN 0340-5303

Corbin, Juliet M. und Anselm L. Strauss, 2004. Weiterleben lernen. Bern: Huber. ISBN 978-3-456-84018-5

Dautel, Anja und Regina Mayle, 2015. Aufgaben und Arbeitsalltag im Patieteninformationszentrum des Marienhospitals Stuttgart. In: Tanja Segmüller, Hrsg. Beraten, Informieren und Schulen in der Pflege: Rückblick auf 20 Jahre Entwicklung. Frankfurt/Main: Mabuse Verlag, S. 203–215. ISBN 978-3-86321-291-9

Prochaska, James O. and Carlo C. DiClemente, 1984. The transtheoretical approach: Crossing traditional boundaries of therapy. Homewood: Dow Jones/​Irwin. ISBN 978-0-89464-848-9

Schieron, Martin, 2021a. Theoretische Ansätze. In: Martin Schieron, Christa Büker und Angelika Zegelin, Hrsg. Patientenedukation und Familienedukation in der Pflege: Praxishandbuch zur Information, Schulung und Beratung. Bern: Hogrefe, S. 61–78. ISBN 978-3-456-86041-1 [Rezension bei socialnet]

Schieron, Martin, 2021b. Grundlagen der Moderation. In: Martin Schieron, Christa Büker und Angelika Zegelin, Hrsg. Patientenedukation und Familienedukation in der Pflege: Praxishandbuch zur Information, Schulung und Beratung. Bern: Hogrefe, S. 207–214. ISBN 978-3-456-86041-1 [Rezension bei socialnet]

Schieron, Martin, 2021c. Handlungsfelder pflegebezogener Edukation. In: Martin Schieron, Christa Büker und Angelika Zegelin, Hrsg. Patientenedukation und Familienedukation in der Pflege: Praxishandbuch zur Information, Schulung und Beratung. Bern: Hogrefe, S. 215–269. ISBN 978-3-456-86041-1 [Rezension bei socialnet]

Schieron, Martin, 2024. Pflegebezogene Mikroschulungen. Bern: Hogrefe. ISBN 978-3-456-85966-8

Schieron, Martin und Tanja Segmüller, 2021. Patientenedukation als Aufgabe der Gesundheitsfachberufe. In: Ingrid Darmann-Finck und Karl-Heinz Sahmel, Hrsg. Pädagogik im Gesundheitswesen [online]. Heidelberg: Springer [Zugriff am: 21.01.2025]. ISBN 978-3-662-61428-0. doi:10.1007/978-3-662-61428-0_41-1

Schieron, Martin, Christa Büker und Angelika Zegelin, Hrsg., 2021. Patientenedukation und Familienedukation in der Pflege: Praxishandbuch zur Information, Schulung und Beratung. Bern: Hogrefe. ISBN 978-3-456-86041-1 [Rezension bei socialnet]

Schneider, Kordula, 2002. Neue Arbeitsfelder in der Pflege – eine definitorische Klärung von Beratung, Anleitung und Schulung. In: Unterricht Pflege. 7(4), S. 2–8. ISSN 1615-1046

Zegelin, Angelika, Nadine Sunder und Tanja Segmüller, 2018. Patientenedukation in der Pflege – Themensammlung und Unterrichtsvorschläge. In: PADUA. 13(5), S. 369–376. ISSN 1861-6186

Verfasst von
Dr. Anke Höhne
Dipl.-Sozialwiss., Referentin bei SUCHT.HAMBURG gGmbH, Systemische Beraterin und Familientherapeutin
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Zitiervorschlag
Höhne, Anke, 2025. Patientenedukation [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 24.01.2025 [Zugriff am: 13.02.2025]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/7618

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