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People Analytics

Markus Krings

veröffentlicht am 22.04.2024

Synonyme: HR Analytics; Workforce Analytics

Etymologie: engl. people Menschen; engl. analytics Analytik

People Analytics bezeichnet die Anwendung datenbasierter Methoden im Personalmanagement, die über das herkömmliche Personalreporting und Personalcontrolling hinausgehen. Mithilfe von People Analytics können potenzielle Zusammenhänge identifiziert und Entwicklungsprognosen erstellt werden. Dies schafft die Grundlage für eine vorausschauende Personalarbeit und fundierte Entscheidungen im gesamten Personalbereich.

Überblick

  1. 1 Begriffsbestimmung
  2. 2 Potenziale
  3. 3 Anwendungsfelder
  4. 4 Neun Schritte-Modell
  5. 5 Hemmnisse
  6. 6 Quellenangaben

1 Begriffsbestimmung

Unternehmerische Entscheidungen wurden lange Zeit von Intuition und Erfahrung geleitet. Doch mit fortschreitender Digitalisierung gewinnen datengestützte Entscheidungen immer mehr an Bedeutung. Die Entwicklungen in der Datenerfassung und -analyse (Stichwort: „Big Data“) eröffnen zunehmend neue Möglichkeiten, vor allem im Personalmanagement. Dies hat zur Entstehung von People Analytics geführt, das auch als HR Analytics oder Workforce Analytics bekannt ist.

Um den Begriff People Analytics zu verstehen, ist es hilfreich, den Entwicklungsverlauf datengestützter Personalarbeit zu betrachten (Krings und Heister 2023, S. 19 f.; Reindl und Krügl 2017, S. 30 ff.):

  • Stufe 0 – Ausgangspunkt: Entscheidungen, die hauptsächlich auf Erfahrung basieren.
  • Stufe 1 – Personalreporting: ist auf das Berichtswesen fokussiert.
  • Stufe 2 – Personalcontrolling: umfasst Kennzahlen, Dashboards und Benchmarking.
  • Stufe 3 – People Analytics: enthält strategische Datenanalysen und Predictive Analytics.

In den ersten beiden Entwicklungsstufen, dem Personalreporting und Personalcontrolling, stehen vor allem die Sammlung und Darstellung von Daten im Vordergrund, wie Mitarbeiter:innenzahl, Krankheitsquote und Personalkosten. Hier werden Sachverhalte häufig durch direkte Vergleiche über die Zeit retrospektiv bewertet (Reporting) oder im Hinblick auf den aktuellen Stand (Controlling) interpretiert, um als Grundlage für Entscheidungen zu dienen.

People Analytics hingegen, als dritte Entwicklungsstufe, geht über diese ersten beiden Stufen hinaus. Es liefert gezielte Antworten auf konkrete Problemstellungen, indem hypothesenbasiert Beziehungen, Kausalitäten, Einflüsse und Wechselwirkungen untersucht werden. Dabei ist die Datennutzung häufig auf die Vorhersage zukünftiger Ereignisse ausgerichtet. Für die Untersuchung werden verschiedenste Datenquellen, sowohl interne als auch externe, herangezogen und gegebenenfalls auch miteinander kombiniert.

2 Potenziale

Die Mitarbeiter:innen sind der zentrale Erfolgsfaktor jedes sozialwirtschaftlichen Unternehmens. People Analytics verspricht, diesen Erfolgsfaktor besser zu verstehen und hilft, personalbezogene Fragen zu beantworten (Krings 2022, S. 57).

Zu den weiteren Potenzialen von People Analytics gehören (u.a. Krings und Heister 2023, S. 19 f.):

  • die Früherkennung von Unternehmenskrisen und kritischen Entwicklungen im Personalbereich, um rechtzeitig entsprechende Maßnahmen einzuleiten
  • die Unterstützung fundierter Personalentscheidungen durch schnellen und systematischen Zugriff auf Unternehmensdaten und Kennzahlen
  • die Antizipation zukünftiger Ereignisse und Trends im Personalmanagement
  • die Steigerung der Effizienz und Effektivität der Personalarbeit durch Optimierung von Kosten, Prozessen und Qualität
  • die Bereitstellung von Transparenz für Führungskräfte und Entscheidungsträger durch Daten zur besseren Steuerung ihrer Organisationseinheiten
  • die Bereitstellung individuell angepasster Leistungen für Mitarbeiter:innen
  • die Verbesserung der Employee Experience durch präzises Recruiting, passgenaue Personalentwicklungsprogramme und die gezielte Reduzierung von Fluktuation.

Insgesamt bietet der Einsatz von People Analytics dem Personalmanagement die Möglichkeit, seine strategische Bedeutung zu stärken und seine Rolle als wesentlicher Partner für die Geschäftsleitung sozialer Unternehmen zu festigen.

3 Anwendungsfelder

Die Anwendungsfelder von People Analytics sind breit gefächert und erstrecken sich über sämtliche Bereiche des Personalmanagements. In der nachstehenden Tabelle sind konkrete Beispiele entlang der Personalwertschöpfungskette dargestellt – von der Personalbeschaffung bis zum Personalaustritt, einschließlich der Personalverwaltung.

Tabelle 1: Anwendungsfelder von People Analytics (in Anlehnung an Krings und Heister 2023, S. 20 f.)
Personalwirtschaftlicher Aufgabenbereich Konkrete Anwendungsbeispiele für People Analytics
Personalbeschaffung
  • Welche Recruitingkanäle sind am erfolgreichsten?
  • Welche Kandidat:innen sind am geeignetsten?
Personaleinsatz
  • Welche Bedürfnisse haben Mitarbeiter:innen?
  • Welche Optimierungsmöglichkeiten bestehen in der Dienstplangestaltung? (basierend auf Personaleinsatzdaten)
Personalentlohnung
  • Welche motivationsfördernden Belohnungen oder Anerkennungen („Badges“) sollen zukünftig genutzt werden?
  • Besteht Anpassungsbedarf aufgrund einer ungerechten Entlohnungspolitik?
Personalbeurteilung
  • Welche Mitarbeiter:innen eignen sich für Führungspositionen?
  • Welche Mitarbeiter:innen zeigen besondere kommunikative Kompetenzen? (anhand digitaler Personalgespräche)
Personalentwicklung
  • Wie gelingt ein Wissenstransfer? (durch Analyse von Mitarbeiter:innenaktivitäten im Intranet)
  • Welche High Potentials bleiben bislang unentdeckt und welche Fähigkeiten bringen sie mit?
Personalaustritt
  • Was sind die Gründe für mögliche Austritte? (mittels Auswertung leitfadengestützter digitaler Personalaustrittsgespräche)
  • Wie wahrscheinlich ist das Entstehen einer Austrittswelle?
Personalverwaltung
  • Wie entwickelt sich die Mitarbeiter:innenstruktur?
  • In welchen Bereichen gibt es die meisten Krankheitsfälle und was sind die Gründe dafür?

4 Neun Schritte-Modell

Ein praxisorientiertes Modell für People-Analytics-Projekte besteht aus neun Schritten (Gärtner 2020, S. 36 f.):

  1. Problemdefinition
  2. Formulierung von Hypothesen
  3. Datensammlung
  4. Datenaufbereitung
  5. Datenanalyse
  6. Ableitung von Maßnahmen
  7. Überzeugungsarbeit
  8. Umsetzung
  9. Evaluation

Der Ausgangspunkt ist stets die Problemdefinition. Hierbei geht es darum, ein konkretes und abgrenzbares Problem zu erfassen und zu hinterfragen: Warum ist eine Untersuchung für die Organisation bedeutsam? Die Problemdefinition führt zu einer Liste von Hypothesen, wie das Problem angegangen werden kann. Die Hypothesen sollten ergebnisorientiert sein. Das bedeutet, dass im Voraus überlegt werden muss, welche Daten zur Lösung des Problems benötigt werden, welche Daten gesammelt werden können oder müssen und ob genügend Zeit und Personal für die Untersuchung zur Verfügung stehen. Dieser Schritt erfordert Erfahrung und Vorstellungskraft (über Projektablauf und erwartete Ergebnisse), kann aber verhindern, dass unnötig Ressourcen in ein ergebnisloses Projekt gesteckt werden. Erst danach sollte die hypothesengeleitete, datenschutzkonforme Datensammlung beginnen.

Die anschließende Aufbereitung der Daten nimmt erfahrungsgemäß den größten Teil der Arbeit ein. Die Anforderungen an die Datenqualität können je nach Projekt unterschiedlich sein. Im Allgemeinen sollten die Daten jedoch genau, konsistent, vollständig und anonymisiert sein.

Im Gegensatz zur Datenaufbereitung verläuft die Datenanalyse in der Regel recht zügig. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, verschiedene Modelle zu berechnen und auf ihre Leistungsfähigkeit hin zu überprüfen. Ebenso ist zu beachten, dass es unterschiedliche Ansätze geben kann, um das angestrebte Ziel zu erreichen.

Für alle Analysen gilt jedoch: Die Lösung liegt nicht ausschließlich in den Daten. Die Datenanalyse dient dazu, Problemfelder zu identifizieren und potenzielle Lösungsansätze aufzuzeigen. Die Ableitung und Entwicklung von Verbesserungsmaßnahmen obliegt allerdings der Verantwortung der Anwender:innen.

Vor der Umsetzung von Maßnahmen müssen alle Beteiligten überzeugt werden. Dies soll durch eine fundierte, sachliche Argumentation, unterstützt durch geeignete Visualisierungen wie Diagramme und Bilder, die auf die Zielgruppe zugeschnitten sind, erfolgen. Insbesondere durch eine passende Geschichte, die den Kontext veranschaulicht (Stichwort: „Storytelling“), können die Erfolgsaussichten für eine erfolgreiche Umsetzung erhöht werden.

Um die Umsetzung effektiv zu gestalten, kann, je nach Umfang des Projekts, auch professionelle Unterstützung im Bereich Change Management hinzugezogen werden. Abschließend erfolgt eine Evaluation, um festzustellen, ob die Analyse und die abgeleiteten Maßnahmen die erwarteten Ergebnisse erzielt haben oder ob Anpassungen erforderlich sind.

5 Hemmnisse

Ein zentrales Hemmnis liegt im Bereich der Datenhaltung. In der Vergangenheit zählte die Personalfunktion häufig zu den am wenigsten datengetriebenen Bereichen im Unternehmen (Biemann et al. 2017, S. 8). Dies führt dazu, dass bislang nur wenige Unternehmen in der Sozialen Arbeit über eine fortgeschrittene digitale Infrastruktur, die eine digitale Personalakte oder ein Data Warehouse einschließt, verfügt (Krings 2022, S. 109 ff.). Zwar ist People Analytics grundsätzlich auch mit rudimentärer Datenhaltung möglich, jedoch entfalten sich die Potenziale umso mehr und die Einführung wird umso leichter, je weiter die Personalprozesse digitalisiert sind und je professioneller die Datenhaltung erfolgt (Hammermann et al. 2022, S. 4).

Ein weiteres Hemmnis, das eng mit dem vorherigen verbunden ist, besteht in der mangelnden Kompetenz im Umgang mit Daten und Analysetools. Viele Sozialunternehmen verfügen nicht über ausreichend geschultes Personal, das in der Lage ist, komplexe Daten zu interpretieren und daraus fundierte Erkenntnisse abzuleiten. Oft fehlt es an spezifischem Know-how im Bereich Datenanalyse und -interpretation sowie an Erfahrung im Umgang mit entsprechender Software.

Ein drittes Hemmnis stellt der angemessene Umgang mit Daten dar. Die Anwendung von People Analytics kann grundsätzlich weitreichend sein und tiefe Einblicke gewähren, sogar bis in die Privatsphäre von Mitarbeiter:innen. Das Personalmanagement steht vor der Herausforderung, trotz aller technischen Möglichkeiten das richtige Gleichgewicht bei der Nutzung an datenbasierten Entscheidungshilfen zu finden. Dieses „richtige Maß“ sollte sich in sozialen Unternehmen durch folgende Aspekte auszeichnen (Krings und Heister 2023, S. 21):

  • Die Erhebung von aussagekräftigen Informationen erfolgt zielgenau und fokussiert.
  • Es wird darauf geachtet, dass sämtliche relevante Faktoren berücksichtigt werden, um die Akzeptanz der Mitarbeiter:innen zu gewährleisten.
  • Alle Datenschutzbestimmungen werden strikt eingehalten.
  • Die geplante Vorgehensweise ist ethisch und moralisch vertretbar.
  • Es besteht ein hohes Maß an Transparenz bezüglich der angewandten Methoden und der erzielten Ergebnisse, sowohl für das Management als auch für alle Mitarbeiter:innen.

6 Quellenangaben

Biemann, Torsten, Florian Englmaier, Dirk Sliwka und Ingo Weller, 2017. People Analytics – Personaldaten als Erfolgsfaktor. In: Personal quarterly: Wissenschaftsjournal für die Personalpraxis. 69(3), S. 8–15. ISSN 2193-0589

Gärtner, Christian, 2020. Smart HR: Digitale Tools für die Personalarbeit. Wiesbaden: Springer. ISBN 978-3-658-29430-4

Hammermann, Andrea, Judith Lehr und Alexander Burstedde, 2022. HR Analytics: Anwendungsfelder und Erfolgsfaktoren. IW-Report, Nr. 28, Köln

Krings, Markus, 2022. Das Personalmanagement sozialer Organisation im Zeitalter der Digitalisierung. Baden-Baden: Tectum. ISBN 978-3-8288-4832-0

Krings, Markus und Werner Heister, 2023. Neue Wege im Personalmanagement. In: SOZIALwirtschaft. 33(3), S. 19–21. ISSN 1613-0707

Reindl, Cornelia und Stefanie Krügl, 2017. People Analytics in der Praxis: Mit Datenanalyse zu besseren Entscheidungen im Personalmanagement. Freiburg: Haufe. ISBN 978-3-648-09602-4

Verfasst von
Markus Krings
Sozialmanager (M.A.) und Betriebswirt (B.A.)
Zertifizierter Systemischer Coach (INeKO, Universität zu Köln)
„Business-Transformation-Expert“, „Data-Process-Expert“ und „New-Work-Expert“ (jeweils IHK)
Innovationsgestalter (Social Impact)
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Es gibt 2 Lexikonartikel von Markus Krings.

Zitiervorschlag
Krings, Markus, 2024. People Analytics [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 22.04.2024 [Zugriff am: 15.02.2025]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/30084

Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/People-Analytics

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