Personalentwicklung
Univ.-Prof. em. Dr. Manfred Becker
veröffentlicht am 03.06.2020
Es ist Aufgabe der Personalentwicklung, Personen bzw. Personengruppen bei ihrer Entwicklung von ihrem jeweils bereits erreichten Entwicklungsstand in einen anderen, nach Möglichkeit höheren Entwicklungsstand zu begleiten und zu unterstützen. Die PE-Arbeit teilen sich die zu entwickelnde Person (Selbstentwicklung), die Führungskräfte (PE als nicht delegierbare Führungsaufgabe) und die Personalabteilung (Servicefunktion PE).
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Definition von Personalentwicklung
- 3 Die Inhaltsbereiche der Personalentwicklung: Bildung als PE im engen Sinne
- 4 Individuelle Förderung als zweite Säule der Personalentwicklung
- 5 Organisationsentwicklung in einer dynamischen Arbeitswelt
- 6 Wandel der Anforderungen an die Personalentwicklung
- 7 Ausblick auf die Personalentwicklung der Zukunft
- 8 Quellenangaben
1 Zusammenfassung
Personalentwicklung ist Holschuld und Bringschuld gleichermaßen. Jeder Mensch ist daran interessiert und dazu verpflichtet, seine Talente (Begabungen) in verwertbare Befähigung (Qualifikation) zu transformieren. Die Führungskräfte sind verpflichtet, Wege und Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung aufzuzeigen, Entwicklungsbereitschaft zu fördern und die konkrete Entwicklung aktiv zu unterstützen. Die Personalabteilung hat die Aufgabe, Konzepte, Methoden, Maßnahmen und Evaluierungsinstrumente der PE zu erarbeiten und für eine anforderungsgerechte PE zur Verfügung zu stellen. Dabei verfolgen die Protagonisten von Personalentwicklung eigene Interessen. So wollen z.B. Unternehmen mit einer systematischen Personalentwicklung sicherstellen, dass die Belegschaft die an sie gestellten Anforderungen professionell bewältigt. Der Staat ist daran interessiert, dass die wirtschaftliche Leistungsstärke des Landes durch eine gezielte, systematische PE gesichert und die internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt. Die Beschäftigten wollen mit PE ihre berufliche Position verbessern.
2 Definition von Personalentwicklung
Als Grundlage der PE-Arbeit soll folgende Definition gelten:
„Personalentwicklung umfasst alle Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung, die von einer Person oder Organisation zur Erreichung spezieller Zwecke zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden“ (Becker 2013, S. 5).
Kernbereiche der PE sind die Bildung (PE im engen Sinne), Förderung (PE im erweiterten Sinne) und Organisationsentwicklung (PE im weiten Sinne). Bildung kann als der traditionelle Kern der PE, Förderung als der aktuelle Boombereich der PE und Organisationsentwicklung (OE) als das umfassende Konzept der zielorientierten Veränderung von Strukturen, Prozessen, Personen und Beziehungen einer Organisation verstanden werden (Becker und Labucay 2012). Bildung und Förderung sind individualpädagogisch auf die Entwicklung einzelner Menschen ausgerichtet. OE erweitert dieses individualpädagogische Paradigma um die sozialpädagogische Komponente der Entwicklung von Personenmehrheiten.
Bildung | Förderung | Organisationsentwicklung |
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PE im engen Sinn = Bildung |
PE im erweiterten Sinn = Bildung + Förderung |
PE im weiten Sinn = Bildung + Förderung + Organisationsentwicklung |
3 Die Inhaltsbereiche der Personalentwicklung: Bildung als PE im engen Sinne
3.1 Berufsausbildung
Bildung als PE im engen Sinne wird in Berufsausbildung, Weiterbildung und Führungsbildung unterteilt. Weitere, aber eher randständige Bildungsbereiche, wie Anlernen und kurzzyklische Unterweisung am Arbeitsplatz, kommen hinzu. Geeignete Bildungsmaßnahmen, leistungsfähige Verfahren, der richtige Ort und die Bindung der Bildungsmaßnahmen an die zu erfüllenden Anforderungen, zeichnen eine bedarfsgerechte und zielbezogene PE aus. Weil die Anforderungen der Arbeitswelt akzelerieren, sind auch die PE-Maßnahmen zunehmend personalisiert, d.h. für einzelne Beschäftigte maßgeschneidert, zu konfigurieren. Die konkret zu gestaltenden PE-Maßnahmen sind einerseits als Standardangebote (PE-Fabrik) und andererseits als maßgeschneiderte Programme für einzelne SpezialistInnen (PE-Manufaktur) zu gestalten.
Das Tempo der Veränderungen, das Erfordernis situativer Flexibilität, machen es erforderlich, die Berufsausbildung umfassend zu reformieren. Der Vorschlag zur Modularisierung der Berufsausbildung (Becker 2013, S. 277–282), die Verzahnung der Erstausbildung mit der Weiterbildung, die Stärkung des arbeitsintegrierten Lernens, die Förderung der Sozialkompetenz und der Änderungswilligkeit und Veränderungsfähigkeit, beschreiben den Reformbedarf der dualen Berufsausbildung. Die Erfordernisse der Digitalisierung treten hinzu. Die Fähigkeit zu intensiver Kooperation sollte bereits in der Berufsausbildung eingeübt werden. Eine leistungsstarke und gleichzeitig für die AbsolventInnen der allgemeinbildenden Schulen attraktive duale Berufsausbildung soll modular organisiert sein. Das von Becker vorgeschlagene Modularisierungskonzept unterteilt die Berufsausbildung in drei Modulbereiche:
- Basismodul der Berufsausbildung
- Kernmodule der Berufsausbildung
- Spezialmodule der Berufsausbildung.
Die Berufsausbildung startet mit dem Basismodul, das eine einheitliche Grundausbildung mit einer Dauer zwischen drei und sechs Monaten vorsieht. Im Basismodul sollten die elementaren Aspekte des Ausbildungsberufs erläutert werden. Es sollte auch die besondere Form des kooperativen Arbeitens im Basismodul eingeübt werden. Die sozial-integrierende Säule der Berufsausbildung zielt darauf ab, den jungen Menschen Orientierung, Teilhabe und Entfaltungsmöglichkeiten zu eröffnen. Die funktional-qualifizierende Säule der Berufsausbildung vermittelt einen ersten Einblick in die konkreten Tätigkeiten und Anforderungen des jeweiligen Berufs. Kooperationsfähigkeit, Teamorientierung, Gewinnung und Nutzung von Informationen, das Begreifen der komplexen Zusammenhänge der Arbeit und die Einführung in die Betriebsgemeinschaft stehen auf dem Programm des Basismoduls. Am Ende des Basismoduls sollten die Auszubildenden wissen, ob der gewählte Ausbildungsberuf ihren Neigungen und Eignungen entspricht.
Die Ausbildung in den Kernmodulen zielt auf die Vermittlung der Kerntätigkeiten des Berufs, auf die fachtheoretische Durchdringung der Berufstätigkeit, den Umgang mit Arbeitsmethoden, Arbeitsschutz, Wirtschaftlichkeit und auf das Verständnis der komplexen Arbeitszusammenhänge. Der Aufbau berufstypischer Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Kooperationsfähigkeit, Methoden- und Sozialkompetenz sowie wirtschaftliches Denken und Handeln, sind wesentliche Anforderungen an Auszubildende in dieser Ausbildungsphase. In den Kernmodulen werden die berufstypischen Tätigkeiten gelernt und die Kooperationsbefähigung wird vertieft. Die Kernmodule weiten den fachlichen Horizont und sollen die Entscheidungsfindung für einen bestimmten Teilaspekt eines Berufs stärken.
Ziel der Ausbildung in den Spezialmodulen ist die Erreichung einer vollverantwortlichen Professionalität in einem Spezialgebiet des jeweiligen Berufs. Der Umgang mit speziellen Arbeitsmethoden, die professionelle Nutzung von Einrichtungen und Maschinen, die richtige Nutzung von Daten und Informationen, gehören zum Curriculum der Spezialmodule. Arbeitsschutz sowie die Zusammenarbeit in Netzwerken, gehören ebenfalls zu den Ausbildungsinhalten der Spezialmodule. Es kann sinnvoll sein, dass die Vertiefung der Berufsausbildung in zwei Spezialmodulen erfolgt, weil damit die Entscheidungsgrundlage für das spätere Tätigkeitsgebiet verbreitert wird.
Mit den Spezialmodulen schließt die Berufsausbildung ab. Der Auszubildende nimmt eine Tätigkeit in einem der erlernten Spezialgebiete auf.
Die Berufsausbildung ist mit der Weiterbildung so zu verzahnen, dass Ausbildungsinhalte auch als Weiterbildung erworben werden können. Dadurch erweitert sich die Professionalität und die Einsatzmöglichkeit der Beschäftigten.
3.2 Systematische Weiterbildung
Weiterbildung soll die Menschen befähigen, Veränderungen und Neuerungen kompetent zu bewältigen. Weiterbildung zielt auf die Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit. Persönliche Entwicklungsmöglichkeiten sollen eröffnet werden. Wie eine OECD Studie belegt, korreliert die Teilnahmebereitschaft für Weiterbildung mit dem vorher bereits erworbenen Bildungsstand und der ausgeübten Tätigkeit einer Person. In Deutschland hat nur ein Drittel großes Interesse an beruflicher Weiterbildung. Die Werte sind über die Jahre 2014–2018 nahezu gleichgeblieben (Statista 2019). Geringqualifizierte und ältere Beschäftigte meiden die Teilnahme an Weiterbildung in besonders hohem Maße. Daher ist es auch Aufgabe der Weiterbildung, die Motivation für Weiterbildung in allen Altersgruppen zu fördern und diejenigen für die Weiterbildung zu gewinnen, die bisher eher weiterbildungsabstinent gewesen sind.
Insbesondere die Anforderungen aus Digitalisierung, Vernetzung und Nutzung der künstlichen Intelligenz in allen Bereichen der Wertschöpfung, sollten ihre Entsprechung in der Weiterbildung finden. Die Digitalisierung fordert die Weiterbildungsverantwortlichen heraus, sowohl die Ziele, die Inhalte als auch die Methoden der Weiterbildung zu überdenken. Neue Formate der Weiterbildung sind zu entwickeln. Weiterbildung „near the job“ und „within the job“ werden ebenso zunehmen wie Blended Learning, Distance Learning und Digital Learning. Der Druck auf das lebenslange Lernen wächst, weil die Veränderungen der Anforderungen nur mit einer systematischen und rechtzeitigen Weiterbildung zu meistern sind.
3.2.1 Weiterbildung in der Arbeitswelt 4.0
Die Arbeitswelt 4.0 setzt auf Heterogenität, Individualität und Situationsgerechtigkeit. Es entwickelt sich ein „At Will Management“ mit den Teilgebieten „At Will Connecting“, „At Will Constructing“ und „At Will Contracting“. Dauerhafte Arbeitsverhältnisse sind nur dann noch zu halten, wenn die MitarbeiterInnen zu lebenslangem Lernen bereit sind und durch Weiterbildung in die Lage versetzt werden, die rasch wechselnden Anforderungen professionell zu bewältigen. Wird diese personale Flexibilität nicht erreicht, werden die Beschäftigungsverhältnisse erodieren, rasche Beschäftigungswechsel (Fast moving Employment) und schließlich Arbeitslosigkeit werden folgen.
Die Weiterbildung der Zukunft wird in weit größerem Umfange als „Brown Bag Development“ in Kleinsteinheiten arbeitsplatznah und arbeitsintegriert vermittelt werden. Ad hoc Arbeitsgruppen entstehen, Kooperationen über Abteilungs- und Organisationsgrenzen hinaus dienen der Erweiterung des beruflichen Horizonts. Die Zusammenarbeit in sogenannten Communities of Learning and Practice (CoP) nimmt zu.
Weiterbildung in der Arbeitswelt 4.0 sollte auf nachfolgende Aspekte achten:
- Diskursbasierte Entscheidungsfindung, teamorientierte Arbeitsausführung und dezentrale Verantwortlichkeit für Menge, Güte, Zeit und Kosten der Wertschöpfung sind verstärkt zu vermitteln.
- Vertrauensvolle Zusammenarbeit, Offenheit für die Ideen der Teammitglieder, tutorielles Lernen als besondere Form des kooperativen Austausches von Wissen, Können und Erfahrungen sind stark zu fördern.
- Kollegiale Beratung und systematische Entwicklungsberatung (SEB) durch professionelle Coaches sollten die Selbstständigkeit fördern.
- Verstärkte Konzentration der Führung auf Unterstützung und Vertretung der Interessen der Teams nach innen und nach außen, müssen die Führungskräfte lernen und praktizieren.
- Innovationen sind in rascher Folge zu entwickeln, kreatives Know-how gewinnt an Bedeutung.
3.2.2 Führungskräfteentwicklung neu denken
Die Aufgaben der Führungskräfte werden in „Strukturale Führung“ einerseits und in „Personale Führung“ andererseits unterteilt. In der Arbeitswelt der Zukunft verlagert sich der Schwerpunkt der Führung zur strukturalen Führung. Die Algorithmen der Arbeitssysteme setzen als „Digital Leadership“ die Standards für die repetitiven Arbeiten, steuernde Eingriffe der Führungskräfte werden entbehrlich. Die strukturale Führung durch Systeme übernimmt die Kontrolle über die operative Arbeit. Die Algorithmisierung folgt dem Trend der Substitution humaner Intelligenz durch artifizielle Intelligenz überall dort, wo die Arbeit programmiert werden kann.
Den Führungskräften obliegt es, als „Facilitators“ dafür zu sorgen, dass die Arbeitsbedingungen erträglich sind, der erforderliche Weiterbildungsbedarf erhoben und die notwendige Weiterbildung durchgeführt wird. Führungskräfte der mittleren Führungsebene kommt die Aufgabe zu, die Weiterbildung der ExpertInnen in den jeweiligen Funktionsbereichen sicherzustellen und dafür Sorge zu tragen, dass die Zusammenhänge der komplexen Wertschöpfung verstanden werden. Konkret wird die Führung der Zukunft mehr und mehr zur Führung „mit der Binde vor den Augen“. Autonome, gut ausgebildete SpezialistInnen, sind von Führungskräften zu führen, die deren Arbeit nicht beurteilen können. Der Aufbau von Systemvertrauen, persönlich belastbarer Beziehungen, von Loyalität und Teamgeist, sind prominente Aufgabe der Führungskräfteentwicklung auf allen Ebenen.
Weil die Grenzen der Organisationen durch Cloud-Beziehungen, Netzwerke und Kooperationen in großem Umfange überschritten werden (Entgrenzungsthese), der gemeinsame Arbeitsort durch Netzwerkkooperationen abgelöst wird (Fluide Beschäftigung), kommt der Führung aus der Distanz eine wachsende Bedeutung zu. Physische, psychische und intellektuelle Distanz sind konstruktiv zu gestalten. Der professionelle Umgang mit Distanz ist in das Führungskräftetraining zu integrieren.
3.2.3 Neue Lernformen für dynamische Unternehmen
Kontinuierliche Verbesserung (KVP), Design Thinking, Management Cockpits, Scrum, Six Sigma, Kanban, Business Model Canvas, Behavior Modeling, selbstlernende und selbst gesteuerte Gruppen, Problemlösungsteams, Communities of Practice (CoP) und die Wiederentdeckung der Kreativitätstechniken nennen neue Formen der Steuerung von Organisationen und des Lernens in Organisationen. Die neuen Formen der Zusammenarbeit zielen allesamt auf die Bewältigung wachsender Komplexität, Dynamik und Unsicherheit. Die Organisationsentwicklung erlebt eine Renaissance.
3.2.3.1 Kontinuierliche Verbesserung als Auftrag der Personalentwicklung
Bereits als Klassiker zu bezeichnen, ist der Ansatz des Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) zur situationsgerechten Erledigung von Aufgaben. In der Echtzeit-Philosophie der Digitalwirtschaft erfährt dieser Ansatz eine Renaissance. Die PE hat die Aufgabe, die Beschäftigten für den fortgesetzten Wandel zu motivieren und zu qualifizieren. KVP ist zu verstehen als Prozess der andauernden Suche nach Verbesserungen. Alle Beschäftigten sind aufgefordert, fortgesetzt Rationalisierungspotenziale aufzufinden. Die kontinuierliche Suche nach Rationalisierungspotenzialen erfolgt in KVP-Zirkeln. KVP-Zirkel sind das zentrale Element des umfassenden „Total Quality Management“. KVP hat seinen Ursprung in der Kaizen Philosophie (Kai = Verändern; Zen = zum Bessern).
Der Personalentwicklung kommt die Aufgabe zu, die mentale Bereitschaft und intellektuelle Befähigung für notwendige Veränderungen zu erzeugen und zu erhalten. Die verbesserte Befähigung macht eine intensivere Beteiligung möglich, höhere Arbeitszufriedenheit bei gleichzeitiger Leistungsverbesserung wird möglich. Als institutionalisierte Foren besprechen KVP-Teams Probleme, erarbeiten Lösungen, entscheiden über Interventionen in das Arbeitssystem und setzen Verbesserungen konsequent in die tägliche Arbeit um. Das Maßnahmen-Controlling misst und bewertet den Transfererfolg und entscheidet über die Fortsetzung der Verbesserungsrunden (Becker 2013, S. 250 ff.). Diese konsequent qualitätsorientierte kooperative Arbeitsweise muss gelernt und eingeübt werden. Diese Aufgabe übernehmen die OrganisationsentwicklerInnen. Sie unterstützen als MethodenspezialistInnen die Ideengenerierung, die Maßnahmenplanung, die Umsetzung und die Evaluation von Veränderungsprozessen.
3.2.3.2 Die SCRUM-Methode als arbeitsintegrierte Form des Lernens
Das „Konzept“ SCRUM konzentriert sich auf den Prozess der Arbeitserledigung. Dieser soll „agil“, im Verständnis des Adjektivs agil, erfolgen. Ohne Beachtung des ursprünglichen Konzeptes von Talcott Parsons verkürzt SCRUM die Erhaltung und Entwicklung sozialer Systeme auf das Tempo, die Agilität der Veränderungen (Parsons 1951). Parsons stellt seine Untersuchung einleitend unter die Zielsetzung „to bring together, in systematic and generalized form, the main outlines of a conceptual scheme for the analysis of the structure and the process of social systems“ (Parsons 1951; Kühl 2019). Die verkürzte Fassung von AGIL auf „hurtig“ kann für den Fortbestand sozialer Systeme gefährlich werden, weil Tempo allein kein ausreichender Schutz gegen negative Einflüsse sein kann. Soziale Systeme sind auf Dauer nur (über)lebensfähig, wenn die Aspekte des Gesamtsystems beachtet werden.
3.2.4 AGIL ist mehr als schnell
Unternehmensführung wird mit dem Adjektiv „agil“ verknüpft, was nach Duden so viel heißt wie „von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig“. Schnelligkeit, Wendigkeit, Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft sind die Schlagworte der AGIL-Auguren. Talcott Parsons hat mit dem Akronym AGIL eine umfassende Analyse der unternehmerischen Inwelt und der unternehmerischen Umwelt vorgenommen.
Talcott Parsons fragt nach dem Zustand elementarer Grundfunktionen eines sozialen Systems, die für das Überleben des Systems entscheidend sind. Nach Parsons muss ein System vier Funktionen erfüllen. Diese sind
- Adaptation (Anpassung an Veränderungen),
- Goal Attainment (Zielverfolgung unter wechselnden Bedingungen),
- Integration (Eingliederung von Ideen, Menschen, Verfahren, Werten) und
- Latency (Aufrechterhaltung eines konstruktiven Verhältnisses von Stabilität und Wandel).
Ein System lebt stets im Spannungsfeld von Ordnung und Entwicklung, von „Mutabilitas et Stabilitas“. Strukturen, Prozesse, personale Interessen und Ziele, organisationale Pläne und Gestaltungsabsichten werden verteidigt (Stabilitas) oder infrage gestellt (Mutabilitas). Überleben kann nach dem AGIL-Schema eine Organisation nur dann, wenn sie über die erforderliche Fähigkeit zur Anpassung an Veränderungen verfügt (Adaptation). Die Beschäftigten müssen Signale veränderter Anforderungen wahrnehmen und in konkrete Aktionen umsetzen, die geeignet sind, die Anschlussfähigkeit des Systems Unternehmung an die Umwelt zu gewährleisten. Soziale Systeme und vor allem Unternehmen sind auf die Erreichung ökonomischer, ökologischer, sozialer und humaner Ziele programmiert. „Goal Attainment“ verlangt die Fähigkeit, Ziele zu setzen, zu erreichen und zu bewerten. Unternehmen sind soziale Systeme, deren Mitglieder im Unternehmen Geborgenheit und Gelegenheit zur Entfaltung suchen und finden müssen. Schaffen Unternehmen den erforderlichen Zusammenhalt nicht (Integration), dann löst sich das soziale System auf, Unternehmen verschwinden vom Markt. Voraussetzung der Überlebensfähigkeit ist das Schaffen, Erhalten und Weiterentwickeln von Ordnung und Regeln des Miteinanders (Latency).
Parsons unterteilt die Einflussbereiche der Entwicklung sozialer Systeme einerseits nach den Kriterien „aktiv“ und „passiv“ und andererseits in „instrumental“ und „konsumatorisch“. Das kulturelle und das soziale System treten dem Beschäftigten gewissermaßen passiv gegenüber. Das kulturelle und das soziale System sind in einer Organisation „vorhanden“. Es ist Aufgabe der Personalentwicklung, die Menschen mit dem System vertraut zu machen und die Integration zu bewirken. Das leistet „instrumental“ das Verhaltenssystem, das aktiv Impulse der Integration und der Entwicklung des Systems setzt. Passen die Werte des Unternehmens, die jeweilige Kultur, zu den (mitgebrachten) Werten der Beschäftigten, dann „konsumieren“ die Beschäftigten die Kultur. Sie „konsumieren“ die Werte des sozialen Systems und leben diese dann aktiv.
Die Mitglieder einer Organisation müssen durch Personalentwicklung und Führung in die grundlegenden Regeln, Politiken und Verfahrensweisen einer Organisation eingewiesen werden. Führung hat dafür zu sorgen, dass die Basisregeln eingehalten werden und dadurch der Koordinationsaufwand verringert wird.
4 Individuelle Förderung als zweite Säule der Personalentwicklung
Förderung, die zweite Säule der Personalentwicklung, kann mit Fug und Recht als der Boombereich der PE bezeichnet werden. Individualisierung und Personalisierung der Arbeit verlangen auf die einzelne Person zugeschnittene Fördermaßnahmen. Als Definition für den Bereich Förderung gilt:
„Förderung umfasst alle Maßnahmen, die von einer Person oder Organisation zur Stabilisierung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit und zur beruflichen Förderung und Entwicklung zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden“ (Becker 2013, S. 447).
4.1 Good Slack, Bad Slack, No Slack
Start- und Zielpunkt individueller Förderung sind die Tätigkeiten und Anforderungen, die in Stellenbündeln erfasst werden. Diese sind Grundlage der individuellen Förderung. Wenn die Tätigkeiten und Anforderungen sehr schnell wechseln, dann sind grundsätzlich zwei Wege der Förderung möglich. Einerseits könnte man im Verständnis der Enzyklopädisierung jedem Wechsel eine entsprechend angereicherte Förderung an die Seite stellen. Je schneller die Tätigkeiten und Anforderungen akzelerieren, desto häufiger wechseln die Inhalte der Förderung. Dieser Weg ist ökonomisch und pädagogisch nicht sinnvoll, weil die Personalentwicklung aufgebläht würde, ohne wirksam zu sein. Andererseits kann man fragen, welche Tätigkeiten und Anforderungen auch im Wandel erhalten bleiben. Es sind dies die Kerntätigkeiten und die Basisanforderungen. Im Verständnis der Elementarisierung würde sich die Personalentwicklung und insbesondere die Förderung darauf konzentrieren, fundamentale Bildung zu vermitteln. Diese kann dann in unterschiedlichen Variationen von Tätigkeiten und Anforderungen eingesetzt werden. Elementarisierung ist pädagogisch und wirtschaftlich ertragreich. Diese Basisbefähigung kann als „Slack-Potenzial“ bezeichnet werden. Personaler und organisationaler Slack sind zu verstehen als Handlungs-, Eingreif- und Umstellungsreserven, die es Personen und Organisationen erlauben, internen und externen Wandel situationsgerecht zu meistern. Slack-Potenziale sind dreifach zu unterscheiden in „No Slack“, „Bad Slack“ und „Good Slack“. No Slack meint, dass Beschäftigte tun, was sie können und können, was sie tun. Sie verfügen über keine positiven oder negativen Bildungsreserven. No Slack muss als theoretischer Grenzfall eingestuft werden, weil es in der Praxis stets Bildungsüberschüsse und Bildungsdefizite geben wird. Bad Slack ist die nach Art, Ausmaß und zeitlicher Verfügbarkeit falsch dimensionierte Befähigung der Belegschaft. MitarbeiterInnen können, was nicht verlangt wird und können nicht, was von ihnen verlangt wird. Bad Slack entsteht aus Koordinationsfehlern, aus Informationsdefiziten, ineffektiven Strukturen, aus falscher und aus fehlender Bildung. Verfügen MitarbeiterInnen über Bildungsreserven, die nicht benötigt werden, dann können sie damit keine Einkommen generieren, weil diese Bildung nicht knapp ist. Andererseits fehlt es den Unternehmen an Umstellungsbefähigung, wenn Bildung nicht oder falsch wahrgenommen wird.
Good Slack unterstellt, dass die MitarbeiterInnen über Umstellungsreserven verfügen, die sie situationsgerecht zur Erfüllung wechselnder Anforderungen benötigen und einsetzen. Würden Personen und Organisationen keine überschüssige Qualifikation aufbauen, wären sie im „hic et nunc“ gefangen. Beschäftigte müssten befürchten, ihre Arbeit zu verlieren, wenn der enge Bildungsvorrat obsolet wird. Es würde an Innovationsreserven, an Umstellungsbefähigung fehlen. Anpassungen an wechselnde Anforderungen wären nicht oder nur verzögert möglich. Good Slack zeigt sich wie folgt:
- „Braintrusts“, „Thinktanks“, die ihre variationsreiche Bildung in die Entwicklung von Innovationen einbringen.
- F&E-Personal, das mit fluider Befähigung kreative Neuerungen erarbeitet und erprobt.
- Bildungszeiten, die zum Aufbau diffuser, transferfähiger, redundanter und integrativer Kompetenz genutzt werden, bauen Good Slack auf.
- Die Ermunterung und Förderung der persönlichen Entwicklung durch Führungskräfte ist eine Investition in Good Slack.
- Die Gewährung von Leerzeiten, Reflexionszeiten, kreativen Auszeiten können Beschäftigte nutzen, um Good Slack aufzubauen.
- Teamgespräche, Konfliktgespräche, Orientierungsworkshops, sind gewissermaßen als „good time“ Quelle der Erneuerung und Reorganisation.
- Netzwerkarbeit und Allianzen, die als Risikomanagement und strategisches Warnsystem Veränderungsnotwendigkeiten aufzeigen, sind ebenfalls Investitionen in Good Slack.
4.2 Systematische Entwicklungsberatung
Systematische Entwicklungsberatung (SEB) ist ein methodisch teilstandardisiertes Personalentwicklungsinstrument zur zielgerichteten und geplanten Analyse, Beratung und Unterstützung von Personen zur Verbesserung der konkreten Handlungsbefähigung, unter Berücksichtigung der persönlichen Voraussetzungen und Ziele sowie realistisch gegebener und zu erwartende Entwicklungsmöglichkeiten.
Um in der dynamischen Arbeitswelt zurechtzukommen, bedarf es der professionellen Unterstützung der persönlichen und beruflichen Lebensplanung, der beruflichen Entwicklung und es bedarf der konkreten Unterstützung durch die Stationen des Berufslebens. Die systematische Entwicklungsberatung unterstützt Menschen in beruflichen Entscheidungssituationen und begleitet sie aktiv im beruflichen Arbeitsalltag.
Die SEB zielt auf
- die Analyse der persönlichen Stärken und Schwächen
- die Analyse der organisatorischen Voraussetzungen und der betrieblichen Entwicklungsmöglichkeiten in dynamischen Organisationen
- die Gestaltung des individuellen Entwicklungsweges und
- berücksichtigt die persönlichen und der betrieblichen Rahmenbedingungen für eine ausbalancierte berufliche Entwicklung.
Die zentralen Bausteine der SEB sind
- Entwicklungsanalyse
- Entwicklungsberatung
- Entwicklungsdokumentation.
Die Entwicklungsanalyse bildet die Basis der SEB. Es werden die Entwicklungswünsche und die Entwicklungsmöglichkeiten erhoben. MitarbeiterInnen stärken ihre Selbstwahrnehmung und ihre Selbstregulationsbefähigung. Die Entwicklungsberatung dient als Hilfe zur Selbsthilfe der Stärkung des Selbstbewusstseins und der Selbstregulierungskompetenz. Die Entwicklungsdokumentation bestimmt konkret die einzelnen Entwicklungsschritte und die für deren Erreichung erforderliche Personalentwicklung.
4.3 Strukturierte MitarbeiterInnengespräche
Das strukturierte MitarbeiterInnengespräch (SMG) gewinnt in der dynamischen Arbeitswelt ebenfalls an Bedeutung. Der Dialog zwischen Führungskräften und Beschäftigten zu Leistung, Verhalten, Zielen und Potenzialen stellt sicher, dass das Richtige richtig getan wird. Das SMG festigt die Beziehungen, erhöht die Transparenz und sichert Orientierung in der turbulenten Arbeitswelt.
Konkret zielt das SMG darauf ab:
- Leistung und Verhalten zu erfassen und zu beurteilen
- Gemeinsame Vereinbarungen zur Verbesserung von Leistung und Verhalten zu treffen
- Eine offene, vertrauensvolle und transparente Zusammenarbeit und Kommunikation zu fördern
- Formelle Anerkennung der erbrachten Leistung zu gewährleisten
- Klarheit über Ziele und Aufgaben zu schaffen
- Die Beziehungssituation zwischen MitarbeiterIn und Vorgesetzter/m positiv zu beeinflussen
- Die eigene Leistung und das eigene Verhalten zu reflektieren
- Eigenverantwortung und -initiative zu stärken
- Potenziale sichtbar zu machen
- Entwicklungsmöglichkeiten und damit verbundenen PE-Unterstützungsbedarf aufzuzeigen
Insgesamt kommt der individuellen Förderung eine große Verantwortung für die Erfüllung der organisatorischen Anforderungen und der persönlichen Ziele der Beschäftigten zu.
4.4 Coaching
Coaching bezeichnet die Unterstützung von MitarbeiterInnen oder Führungskräften (Coachee) durch eine psychologisch geschulte BeraterIn (Coach) in einer individuellen oder kollektiven Krisensituation. Coaching stellt dabei ein gezieltes Personalentwicklungsinstrument dar, in dessen Zentrum der/die Ratsuchende (Coachee) steht. Mit der Hilfe des Coachs werden Verhaltensweisen optimiert, Stärken aufgebaut und Schwächen abgebaut.
Anlässe für ein Coaching können vielfältig sein, z.B. persönliche Weiterentwicklung oder Neuorientierung, Rollen- oder Wertekonflikte aufgrund organisationaler Veränderungen, Spannungen zwischen Beruf und Familie, Konflikte in der Arbeitsgruppe oder im Unternehmen.
Es werden drei Formen von Coaching unterschieden. Das häufig verbreitete Einzel-Coaching findet individuell zwischen MitarbeiterIn oder Führungskraft und dem Coach statt. Peer-Coachings finden zwischen MitarbeiterInnen einer Arbeitsgruppe oder zwischen Führungskräften und ihren MitarbeiterInnen statt. Gruppen-Coachings können durch eine Seminargruppe in Selbstorganisation oder durch einen externen Coach geleitet werden.
Externe Coaches werden häufig von Führungskräften des Top-Managements bevorzugt, da sie eine größere Akzeptanz genießen, eine neutrale Perspektive einnehmen und man mit ihnen auch vertrauensvoll Inhalte besprechen kann. Demgegenüber kennen interne Coaches das Unternehmen und sind eher kostengünstig einsetzbar.
Der Coaching-Prozess erfolgt in mehreren Phasen und wird in einem Coaching-Vertrag festgehalten. In der ersten Phase der Problemwahrnehmung werden zunächst Misserfolge, Unzufriedenheit oder Konflikte offengelegt, die dann in der Problemanalyse eingehender untersucht werden. Coach und Coachee suchen dann nach Lösungswegen. Es wird das weitere Vorgehen und ein Zeitrahmen festgelegt, in dem Verhaltensänderungen eingeübt werden sollten. Gute Coaches zeichnen sich durch Diskretion, Einfühlungsvermögen und ein verantwortungsvolles Umgehen mit ihrer Rolle und ihrem Auftrag aus. Voraussetzung für ein erfolgreiches Coaching sind das Beherrschen personenzentrierter Einzelberatung und eine positiv wertschätzende Grundhaltung der KlientIn gegenüber. In einem partnerschaftlichen Dialog leistet der Coach Hilfe zur Selbsthilfe und fördert Zielsuche und Zuversicht des Coachees.
4.5 Mentoring
Mentoring bezeichnet eine PE-Beziehung zwischen einer BeraterIn, der MentorIn und einem Ratsuchenden, dem Mentee. Mentoring dient der persönlichen Weiterentwicklung des Mentees als auch der beruflichen Förderung. Eine Form des Mentoring ist das Cross-Mentoring, bei dem die MentorIn eines Unternehmens einen Mentee eines anderen Unternehmens betreut. Als Definition kann gelten:
„Mentoring bezeichnet das zielbezogene Beratungsverhältnis zwischen einem Berater oder einer Beratergruppe (Mentor/​Mentoren) und mehreren Ratsuchenden (Mentees), das mit dem Ziel der beruflichen und persönlichen Förderung der Mentees/​Mentee-Gruppe, zeitlich befristet, geschaffen wird“ (Becker 2013, S. 667).
Mentoring verbindet die PE-Säulen miteinander
- PE im engen Sinne „Bildung“: Allgemeine und spezielle Trainings zur Stabilisierung der gegenwärtigen und zur Vorbereitung auf künftige Tätigkeiten
- PE im erweiterten Sinne „Förderung“: Individuelle Beratung und Begleitung zur Stärkung von Stärken und zum Abbau von Schwächen
- PE im weiten Sinne „Organisationsentwicklung“: Gruppenbezogene Maßnahmen zur Verbesserung von Leistung und Zusammenarbeit in Teams und zwischen Teams
Mentoring-Formen sind zu unterscheiden
- nach dem Grad der Institutionalisierung
- Informelles Mentoring (Dauer, Intensität und Inhalt situativ bestimmt)
- Institutionelles Mentoring (formell organisiertes Förderinstrument mit festgelegten Zielen, Inhalten, Partnern, Ablauf, Dauer)
- nach der Anzahl der Mentees
- Einzel-Mentoring = Coaching
- Gruppenmentoring, Team-Mentoring
- nach dem Durchführungsort
- Internes Mentoring (MentorIn/​Mentee gehören demselben Unternehmen an)
- Externes Mentoring (MentorIn/​Mentee gehören unterschiedlichen Unternehmen an)
- Cross-Mentoring (MentorInnen des einen Unternehmens sind MentorInnen von Mentees anderer Unternehmen)
Die Funktion der MentorIn oder der MentorInnengruppe konzentriert sich auf Hilfe beim systematischen Knüpfen von Kontakten (Networking), auf die Vermittlung informaler Strukturen, die personenbezogene Weitergabe von Wissen und Erfahrung, die Integration in die Unternehmenskultur und das Aufgabengebiet, die Vermittlung von Normen und Werten der Unternehmenskultur, die Vermittlung sozial erwünschter Formen des beruflichen Miteinanders und die Unterstützung der beruflichen Entwicklung.
Ziele der MentorIn:
- Anstöße für die eigene Reflexion des Führungsverhaltens, von Denk-/​Handlungsmustern
- Freude an der Vermittlung von Erfahrungswissen
- Vorleben/​Verdeutlichen von guter Führung
- Aufspüren von Potenzialen
- Austauschmöglichkeit mit anderen MentorInnen (intern oder extern, je nach Durchführungsart)
Ziele des Mentee:
- Stärkung/​Entwicklung eigener Kompetenzen und Fähigkeiten
- Spiegelung/​Kommentierung: Reflexion der bisherigen Laufbahn und Planung weiterer Schritte
- Förderung von Selbstvertrauen/​Selbstsicherheit
- Entwicklung von fördernden Kontakten und Aufbau eines entsprechenden Netzwerks
- Klärung von Karrierezielen
- Kompetenter Umgang mit Widerständen/Schwierigkeiten in der beruflichen Entwicklung
- Kennenlernen verschiedener Strategien zum Erreichen beruflicher/persönlicher Ziele
Themenfelder im Mentoring:
- Entwicklung der Organisation
- Beachtung der Unternehmenssituation
- Beachtung normativer Vorgaben und Spielregeln der Organisation
- Gestaltung von Beziehungen zu KollegInnen, MitarbeiterInnen und der direkten Führungskraft
- Fragen zur laufenden Arbeit
- Berufliche Entwicklung, Karriere
- Besprechung von Karrierezielen
Mentoring und Coaching weisen eine inhaltliche Nähe zur Systematischen Entwicklungsberatung und zu den vielfältigen Formen des „Personal-Nudging“ auf. Bei allen personenbezogenen Fördermaßnahmen steht das Ziel „Hilfe zur Selbsthilfe“ im Vordergrund. Nudging, gut gemeinte Bevormundung, gelangt mit der Digitalisierung in ein neues Entwicklungsstadium. Bisher konzentrierte sich die wohlmeinende Bevormundung auf gute Ratschläge von Eltern an ihre Kinder, von SchulbetreuerInnen an SchülerInnen, von LebensberaterInnen, SchuldnerberaterInnen, KarriereberaterInnen an Beschäftigte.
4.6 Individuelles und institutionelles Nudging
Nudging ist zu unterteilen in personales und in institutionales Nudging. Institutionales Nudging versorgt z.B. mit einer wachsenden Zahl von „Thinktanks“ ManagerInnen mit Informationen und Meinungen. Die stetig wachsende Akzeleration macht es erforderlich, sich Rat zu holen. Die Bestimmungen der Unternehmensverfassung, die jährlichen Zielvereinbarungen, die Bevormundung durch Algorithmen, fördern Nudging-Aktivitäten.
Mögliche Folgen sind zu beachten. Zu starke Beeinflussung kann das Vermögen der Menschen, ihr Leben selbst zu gestalten und zu verantworten, einschränken.
Die Personalentwicklung ist die Institution, die sich des professionellen Nudgings annimmt. Das verlangt sozialwissenschaftliche und psychologische Kompetenz. Die PersonalentwicklerIn schätzt den Beratungsbedarf ab und zieht sic h mit wachsender Selbstregulierungskompetenz zurück. Gelungenes Nudging mündet in verbesserten Entscheidungen und in sicherem Handeln.
5 Organisationsentwicklung in einer dynamischen Arbeitswelt
Organisationsentwicklung umfasst als ganzheitlicher, managementgeleiteter Prozess der Gestaltung und Veränderung von Organisationseinheiten und Organisationen alle Maßnahmen der direkten und indirekten Beeinflussung von Strukturen, Prozessen, Personen und Beziehungen (Becker und Labucay 2012, S. 2).
Das Ineinandergreifen der vier Gestaltungsebenen der OE gewinnt in der Arbeitswelt an Bedeutung, weil sich die Strukturen, Prozesse, Beziehungen und die Personen verändern müssen. Anlassbezogen sind Teams zu bilden und aufzulösen, Prozesse sind an die wechselnden Anforderungen anzupassen, die Belegschaft muss sich auf die wechselnden Anforderungen einstellen, Beziehungen überschreiten die Grenze der Organisation und sind maßgebend dafür, dass das Verhalten von „make“ or „buy“ der betrieblichen Leistungserstellung gelingt. Routine weicht Kontingenz, situative Wissenskombination der Duplizierung von Erfahrung. Es ist Aufgabe der OE, die Strukturen zu gestalten, die Prozesse zu bestimmen, Motivation und Qualifikation zu sichern und die erforderlichen internen und externen Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Flexibilität als permanente Anforderung muss durch die Fähigkeit zur situativen Neukonfiguration der Arbeit gewährleistet sein. Die Arbeitswelt 4.0 erfindet sich tagtäglich neu, kontinuierliche Verbesserung und Innovation (KVP) werden zum Normalzustand.
Die Personal- und Organisationsentwicklung gewinnt an Bedeutung. Das „Internet der Dinge“ kann als gigantische Potenzialität, als Ressourcenreservoire für unzählige „ad hoc Kombination der Leistungserstellung und Leistungsverwertung“ nur funktionieren, wenn die physikalischen Objekte (artifizielle Intelligenz) mit menschlicher Leistung und Kreativität (humane Intelligenz) effektiv und effizient gekoppelt werden. Kernkompetenz der Arbeitswelt 4.0 wird die Fähigkeit sein, das Tempo und die Präzision der Beschaffung, Nutzung und Veränderung von Informationen dem jeweils situativen Bedarf anzupassen. Die Arbeitswelt 4.0 ist durch eine erhöhte Veränderungsrate gekennzeichnet, wobei sich auch Wertschöpfungsketten, Organisationsformen und Qualifikationsprofile durch immer kürzerer Halbwertszeiten auszeichnen.
5.1 Organisationsentwicklung in der Arbeitswelt 4.0
Für die Etablierung der Arbeitswelt 4.0 in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung sind die erforderlichen Strukturen zu bestimmen und aufzubauen. Kennzeichen der Aufbauorganisation in der Arbeitswelt 4.0 sind dezentrale Aufgabenerledigung, Aufgabensteuerung und Ad-hoc-Variation der Verantwortung, Ausführung und Qualitätssicherung. Die Arbeitswelt 4.0 verlangt die von Henry Mintzberg vorgeschlagene „Adhokratie“ (Mintzberg 1979). Die These, wonach interner und externer Druck durch Komplexität, Dynamik und Unsicherheit hierarchische Organisationen in eher organische Ad-hoc-Organisationen verändert, wird sich mit der Implementierung der Arbeitswelt 4.0 weiter bestätigen. Nach Mintzberg gilt:
- Je dynamischer die Umwelt, in die eine Organisation eingebunden ist, umso organischer ist die Organisation zu gestalten; Stichwort „Konziliare Organisation“ (Labucay 2010, S. 132).
- Je komplexer die Umwelt, umso mehr sind Organisationen gezwungen, intern Komplexität zu reduzieren; das Management von Unsicherheitszonen gewinnt an Bedeutung (Kühl 1995, S. 92 ff. ).
- Je diverser die Beschaffungs-, Arbeits-, Absatz- und Informationsmärkte eines Unternehmens sind, umso notwendiger wird eine Reduktion von Komplexität durch klassische Organisationsgestaltung.
- Je größer der Wettbewerb, desto größer die Neigung, Rationalisierungsanstrengungen zu forcieren; Stichwort „Make or buy“ als situative Entscheidung der Eigenfertigung oder des Fremdbezugs von Leistungsanteilen.
Kontinuierliche Verbesserung und Innovation KVP bekommen mit der Arbeitswelt 4.0 eine starke Bedeutung. Die AkteurInnen müssen die kontinuierliche Veränderung und das lebenslange Lernen verinnerlichen, Vorläufigkeit und Kontingenz der Strukturen akzeptieren und Prozesse als Austausch von Menschen und Menschen, Menschen und Maschinen sowie Maschinen und Maschinen optimal organisieren. Das ganzheitliche systemische Geflecht der Beziehungen bringt es mit sich, dass Veränderungen an einer Stelle des Systems stets Auswirkungen auf andere Elemente des Systems und auf das Gesamtsystem haben (Variabilität und Kontingenz der Strukturen, Prozesse, Personen, Beziehungen nehmen zu). Wie weit die USA der Entwicklung in Deutschland voraus sind, zeigt ein 20 Jahre altes Zitat aus dem Jahre 2000: „The fundamental core (of production 4.0) is the development and astute deployment and utilization of intangible assets, of which knowledge, competence, and intellectual property are most significant. […] Also included are other intangibles such as brands, reputations and customer relationships“ (Teece 2000, S. 3).
5.2 Communities of Practice
Communities of Practice CoP sind Lern- und Arbeitsgemeinschaften, deren Charakteristika darin bestehen, dass sie miteinander arbeiten, füreinander einstehen, gemeinsam lernen, emotional und intellektuell miteinander verbunden sind, ihre Aktivitäten als Gemeinschaft ausführen, gesamtschuldnerisch verantworten und die Erträge als Gemeinschaft erzielen. Etienne Wenger definiert CoP wie folgt:
„Communities of Practice are groups of people who share a concern or a passion for something they do and learn how to do it better as they interact regularly“ (Wenger o.J., S. 4).
Vielleicht trifft das Beispiel einer Fallschirmgruppe, die gemeinsam Formationssprünge absolviert, den Kern der CoP am besten. Sie springen gemeinsam, sind aufeinander angewiesen, verantworten das Gelingen und das Wohlergehen der Mitglieder solidarisch, sind allesamt vom Fallschirmspringen begeistert und möchten jeden weiteren Sprung perfekter fliegen als den vorangegangenen.
CoP zeichnen folgende Kernelemente aus:
- Gemeinsame Interessen, starke belastbare Kohäsion und ein fundamentales Commitment für die gemeinsame Arbeit
- Bewusste Zustimmung und freiwilliger Eintritt in die CoP
- Übereinstimmung in der Basisbefähigung (den Kernkompetenzen) aller Mitglieder der CoP
- Offene Kommunikation über die besondere Befähigung einzelner CoP-Mitglieder und die besondere Bedeutung des Wissens für die Hervorbringung der gemeinsamen Leistung
- Anerkennung der Expertise der CoP durch Externe (relevante Umwelt) als Voraussetzung der Vermarktung des CoP-Shared Knowledge
- Produktive Kopplung von Lernen und Arbeiten durch gemeinsames Lernen und Arbeiten, Wissensteilung und Wissensnutzung im Vollzug der Arbeit
- Die Gemeinschaft als verbindende und bindende Institution
- Cops entstehen nicht primär durch technische Kopplung von Menschen im Prozess der Arbeit, sondern aus dem „Spirit of Community“, dem Gemeinschaftsempfinden
- Das gemeinsame Wertfundament, die gemeinsamen Interessen und Vorlieben bestimmen den Zusammenhalt und die Leistungsfähigkeit der CoP
- Symbole, Satzungen, Kleidung, Zeremonien der Aufnahme etc. dienen als Initiationsriten der Stärkung der CoP.
- Die Intention, die Art und das Ausmaß einer Handlung der CoP gründen im gemeinsam geschaffenen Fundament von Ressourcen
- Gemeinsame Erlebnisse und Gespräche (Touching Times) stärken die Kohäsion und das Commitment der CoP-Mitglieder.
CoP sind Werte- und Werkgemeinschaften, die den internen Wettbewerb begrenzen, das gemeinsame Lernen pflegen und sich gegen andere Gruppen mit dem Ziel der besseren Durchsetzung der eigenen Interessen abgrenzen. CoP ähneln in Struktur, Kommunikation, Interessenwahrnehmung und Verantwortlichkeit Allmende-Genossenschaften.
Die CoP passen vom sozio-technischen Design ideal zur Arbeitswelt 4.0. CoP sind interessengeleitete Gemeinschaften mit hoher Gruppenkohäsion, intensivem Gruppenlernen und domänenspezifischer Befähigung zur Erledigung spezifischer Aufgaben. Das domänenspezifische der CoP generiert aus der Zusammenarbeit mehr als die Addition der Teilleistungen. Es entsteht eine einmalige, unverwechselbare und nachahmungsresistente Gemeinschaftsleistung. Das Domänen-Design der CoP ist ideal geeignet, geschlossen aufzutreten und die Interessen der CoP nach innen und nach außen durchzusetzen. Nach innen bewirken Kohäsion, Geschlossenheit, Vertrauen und gegenseitige Unterstützung eine Begrenzung des Wettbewerbs der CoP Mitglieder untereinander. Ein weiterer Vorteil der CoP ist die Universalität. CoP können problemlos in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen eingesetzt werden. Communities of Practice dienen der Durchsetzung strategischer Ziele. Teams übernehmen als optimale Strukturform der Zusammenarbeit die Umsetzung strategischer Ziele, indem das erforderliche Wissen und Können in die Aufgabenerledigung eingebracht wird. CoP verbinden im klassischen Verständnis der OE Lernen und Arbeiten miteinander, die Teammitglieder sind miteinander vertraut und vertrauen einander. Das verbessert die Bereitschaft, Wissen miteinander zu teilen. CoP schaffen eine optimale Nutzung des impliziten und des expliziten Wissens und erreichen damit einen Wissens-, Performanz-, Qualitäts- und Innovationsvorsprung gegenüber traditionellen Arbeitsformen. CoP beschreiten als informale emotionale und intellektuelle Gemeinschaften die formalen Grenzen der organisatorischen Teileinheiten und die Grenzen der Organisation. CoP sind „Cross boundary organizations“. Führen aus der Distanz ist in CoP leichter möglich als in traditionalen Hierarchien. CoP arbeiten innovationsorientiert und wirken so als „kreative Impulsgeber“ aktiv an der Weiterentwicklung der Organisation mit. CoP vermeiden den schädlichen Look-in pfadabhängiger Strategien und die Schwerfälligkeit der auf Dauer angelegten Strukturorganisationen.
6 Wandel der Anforderungen an die Personalentwicklung
Wenn sich die Tätigkeiten und Anforderungen, die Geschäftsmodelle, die Art und Weise der Arbeitserledigung, die Kooperationsformen und die Ansprüche der Menschen an ihre Arbeit rasch verändern, dann muss sich auch die Befähigung der PersonalentwicklerInnen verändern. Wenn Unternehmen und Beschäftigte in eine sichere Zukunft geführt werden sollen, dann sollte die Personalentwicklung „kreativer Impulsgeber“ für die Bewältigung des Wandels sein. Diese Vorreiterfunktion kann die Personalentwicklung nur erfüllen, wenn sie ihre eigene Befähigung durch gezielte Weiterbildung à jour hält.
Die Professionalisierung der PE-MitarbeiterInnen sollte proaktiv garantieren, dass die PersonalentwicklerInnen die anstehenden Trends frühzeitig wahrnehmen und proaktiv Bildungs- und Fördermaßnahmen entwickeln, damit Unternehmen und Beschäftigte die Veränderungen annehmen und bewältigen.
Zentraler Auftrag an die PE ist es
- mit lebenslangem Lernen den Willen und die Fähigkeit zur Veränderung zu stärken
- Lernen und Arbeiten so miteinander zu verzahnen, dass Lernerfordernisse erkannt und mit geeigneten Maßnahmen in Befähigung umgesetzt werden
- Teamentwicklung und Denken in Netzwerken zu fördern
- die Metapher von der lernenden Organisation durch den Aufbau von Communities of Practise CoP voranzutreiben
- Präsenzlernen, Online-Lernen und selbstgesteuertes Lernen zu forcieren
- Lernpartnerschaften und Lernkooperationen in den Unternehmen und zwischen Unternehmen aufzubauen
- Digital Learning und Development aufzubauen.
Es sollte Aufgabe der PE in der digitalen Transformation sein, die Menschen darüber aufzuklären, was sich als Folge der Arbeitsteilung zwischen den Beschäftigten und den Maschinen verändert. PE sollte klären, wie der Einzelne in die digitalisierte Wertschöpfung eingebunden ist und sollte klären, was die PE tun kann, damit die Digitalisierung ökonomisch und human gestaltet wird. Der PE kommt auch die Aufgabe zu, den Dialog über moralisch-ethische, technische, politische und soziale Ziele, Inhalte, Folgen und Nebenfolgen der Digitalisierung einzuleiten. Es ist Aufgabe der PE, eine humane und eine leistungsstarke Digitalkultur aufzubauen. Den Betroffenen sind die erforderlichen Kenntnisse über die Variablen/Algorithmen zu vermitteln. Der Dialog zwischen Management, Mitbestimmung, MitarbeiterInnen, der Personalabteilung und der IT-Abteilung sollte auf ein neues Fundament der Arbeitsteilung und der Verantwortlichkeit gestellt werden. Die Unternehmensverfassungen sind auf ihre Tauglichkeit für die Arbeitswelt 4.0 zu überprüfen und ggfs. Anzupassen. MedienberaterInnen, digitale Ombudsleute, können als institutionelle Beratungsinstanz den Transformationsprozess unterstützen. Die digitale Revolution der Arbeitswelt 4.0 braucht eine digitale Revolution des Lernens.
7 Ausblick auf die Personalentwicklung der Zukunft
Agenturen bieten weltweit Online-Kurse an. Die „Massive open online Courses (MOOC)“ werden weltweit z. T. unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Mit diesen Angeboten wird Bildung zu einem „quasi freien“ Gut. Der freie Zugang zu Online-Bildungsangeboten kann als Trend der Liberalisierung der Bildung und der Senkung der individuellen Bildungskosten bewertet werden. Das kann folgende Vorteile haben:
- Bedarfsgerechte „Echtzeitbildung“ stärkt die unmittelbare Verwertbarkeit des Gelernten.
- Die Aus- und Weiterbildung wird zunehmend individualisiert und modularisiert werden:
- MOOC-Module können für die Basisqualifizierung eingesetzt werden, Realmodule dienen der speziellen Qualifizierung.
- KOMBI-Module MOOC und REAL werden nach dem personalisierten Bedarf organisiert.
Smartphones bieten bereits Assistenzsysteme an, die das individuelle Lernen steuern und überwachen. Google „Knowledge Graphs“ hat fast 50 Milliarden Fakten gesammelt. Das Wissen ist in 600 Millionen Objektbereiche sortiert. Algorithmen erfassen die individuellen Lernbedarfe und dokumentieren die Teilnahme und den Lernfortschritt aus Bildungsmaßnahmen. Digitalisierung und Personalisierung verändern die Aufgaben der LehrerInnen, AusbilderInnen und TrainerInnen. Sie werden mehr und mehr zu KommentatorInnen, Facilitators und LernunterstützerInnen. Datenbanken ordnen die Lernenden in Lerntypologien ein, ermitteln die persönlich beste Art und Weise zu lernen, messen die Lernerfolge und die Ausdauer, mit der gelernt wird. Vergleiche mit jeweils repräsentativen Peergroups geben dem Lernenden individuelles Feedback zum Lernerfolg, zur Notwendigkeit von Lernverhaltensänderungen und zur Nutzung von Lerninfrastruktur. Sympathie und Antipathie der Lehrenden sind bei den „seelenlosen“ Big Data Advisors aus dem Lernen ausgeschlossen.
Weiterbildungsagenturen und Vermarktungsagenturen übernehmen die Wahrung der Interessen der WissensarbeiterInnen und die Vermarktung des Humanvermögens in der digitalen Arbeitswelt. Neue Berufsorganisationen werden entstehen, z.B. der „Deutsche Verband der Humanvermögenskapitalisten Deutschland e.V.“ Wissensagenturen übernehmen die Zusammenführung von WissensanbieterInnen und WissensnachfragerInnen (Unternehmen und Behörden). Der Wissensschutz wird drastisch verschärft werden müssenist zu beachten, weil immer mehr Menschen von der Vermarktung ihrer Befähigung leben müssen. Die Sicherungssysteme zur Absicherung der Wechselfälle des Lebens werden mit der Arbeitswelt 4.0 wesentlich entlastet werden, weil die Substitution der humanen durch die artifizielle Intelligenz Entlastung und neues Finanzvolumen für Sozialleistungen erbringt. Die Zusammenarbeit der Unternehmen national und international wird zunehmen, die Arbeitsteilung wird weiter globalisiert werden. Damit wächst der Wettbewerb um Arbeitsplätze, Bildungschancen und Bildungsmärkte.
Es geht in der Arbeitswelt der Zukunft um die zentrale Frage, wer Koch und wer Kellner in der digitalen Arbeitswelt sein wird. Wenn die reale und die virtuelle Welt miteinander verwoben sind, wenn Maschinen und Systeme immer klüger werden, wenn cloudbasierte Dienste den virtuellen Anteil an der Arbeits- und Lebenswelt stetig vergrößern, dann müssen die Menschen lernend in die Lage versetzt werden, die reale, die virtuelle und die kombinierte cyber-physische Welt zu beherrschen. Sie müssen Nutzen und Gefahren der „Augmented Reality (AR)“ abwägen können (Becker 2016). Es ist sicherzustellen, dass der arbeitende Mensch „Herr im Hause“ bleibt und seine Geschicke als gebildeter Mensch selbst bestimmt. Gerät er unter die Kuratel der Systeme, dann ist seine Freiheit bedroht.
Personalentwicklung kommt die zentrale Aufgabe zu, die Würde, die Selbstständigkeit, die Eigenverantwortung und die Teilhabe der Menschen in allen Lebensbereichen mit klugen Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung sicherzustellen.
8 Quellenangaben
Becker, Manfred, 2013. Personalentwicklung: Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis. 6., überarb. und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. ISBN 978-3-7910-3243-6 [Rezension bei socialnet]
Becker, Manfred, 2016. Cyberservice in Cybererde. In: SERVICE TODAY. 30(3), S. 15–17. ISSN 1869-3024
Becker, Manfred und Inéz Labucay, 2012. Organisationsentwicklung: Konzepte, Methoden und Intrumente für ein mordernes Change Management. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. ISBN 978-3-7910-2303-8
Jochmann, Walter und Frank Stein, 2019. Agil oder nicht agil. In: Personalführung. 51(5), S. 47–53. ISSN 0723-3868
Kühl, Stefan, 1995. Wenn die Affen den Zoo regieren: Die Tücken der flachen Hierarchien. 2. Auflage. Frankfurt: Campus. ISBN 978-3-593-35159-9
Kühl, Stefan, 2019. Renaissance eines Schemas: Agile Praktiker. In: FAZ [online]. 16.02.2019 [Zugriff am: 19.03.2020]. Verfügbar unter: https://www.faz.net/aktuell/​karriere-hochschule/​manager-deuten-das-agil-schema-von-talcott-parsons-um-16036307.html
Labucay, Inéz, 2010. Konziliare Organisation: Strukturen, Prozesse, Personen und Beziehungen [Dissertation]. Universität Halle. Wiesbaden: Gabler. ISBN 978-3-8349-2357-8
Mintzberg, Henry, 1979. The Structuring of Organizations. Englewood Cliffs, New York: Prentice-Hall. ISBN 978-0-13-855270-1
Parsons, Talcott, 1951. The Social System. London: Routlledge & Kegan Paul Ltd.
Statista, 2019. Anzahl der Personen in Deutschland, die im Leben großen Wert auf Erfolg im Beruf legen, von 2015 bis 2019 [online]. Hamburg: Statista GmbH, 25.07.2019 [Zugriff am: 18.07.2019]. Verfügbar unter: https://de.statista.com/statistik/​daten/​studie/​264232/​umfrage/​lebenseinstellungbedeutung-von-erfolg-im-beruf/
Teece, David J., 2000. Managing intellectual Capital. Oxford: Oxford Univ. Press. ISBN 978-0-19-829541-9
Wenger, Etienne, [ohne Jahr]. Communities of practice: A brief introduction. [Zugriff am: 19.03.2020]. Verfügbar unter: https://pdfs.semanticscholar.org/84d6/e4deccf799fbc18c6a2b7a86911e62cbe78d.pdf
Verfasst von
Univ.-Prof. em. Dr. Manfred Becker
Jahrgang 1946; Studium, Promotion und Habilitation an der Johannes- Gutenberg-Universität Mainz, Von 1990-2011 Universitätsprofessor für BWL an den Universitäten Duisburg und Halle-Wittenberg. Professor Becker war zehn Jahre Personalmanager bei Opel und General Motors Europe.
Professor Becker ist Wissenschaftlicher Leiter der eo ipso personal- und organisationsberatung GmbH in Mainz und im Ehrenamt Mittelstandslotse der Landesregierung Rheinland-Pfalz.
Forschungsschwerpunkte: Personalentwicklung, Leadership, Change und Diversity Management, Corporate Social Responsibility, Arbeits- und Lebenswelt 4.0.
Veröffentlichungen: Standardwerke zur Personal- und Organisationsentwicklung, zur Personalarbeit und zum Themen des Diversity Management. Autor und Referent zu personalwirtschaftlichen Themen der Arbeits- und Lebenswelt 4.0.
Aktuelles Buch: Das digitale Narrativ. Wer schreibt es und was steht drin. München und Mering 2019.
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Es gibt 1 Lexikonartikel von Manfred Becker.
Zitiervorschlag
Becker, Manfred,
2020.
Personalentwicklung [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 03.06.2020 [Zugriff am: 25.01.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/802
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Personalentwicklung
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