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Pflegewohngruppe

Silke Boschert

veröffentlicht am 19.07.2024

Eine Pflegewohngruppe soll pflegebedürftigen Menschen in einer überschaubaren Gemeinschaft Unterstützung und Betreuung bieten. Dabei steht konzeptionell das gemeinschaftliche Wohnen im Vordergrund, mit dem Ziel, soziale Interaktionen und Freizeitaktivitäten zu fördern, um Einsamkeit zu verringern und ein Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Zielgruppen
  3. 3 Orientierung und Leitbild
  4. 4 Wohnraum
  5. 5 Vor- und Nachteile von Pflegewohngruppen
    1. 5.1 Vorteile einer Pflegewohngruppe
    2. 5.2 Nachteile einer Pflegewohngruppe
  6. 6 Finanzierung und Verträge
    1. 6.1 Ambulante Pflege-Wohngemeinschaften
    2. 6.2 Wohngruppen in vollstationären Pflegeeinrichtungen
  7. 7 Quellenangaben

1 Zusammenfassung

Eine Pflegewohngruppe ist eine unterstützende Wohnform, die pflege- und hilfsbedürftigen Menschen in einer (meist) überschaubaren Gemeinschaft, Unterstützung und Betreuung bieten soll. Im Vordergrund steht das Wohnen und Leben in einer gemeinschaftlichen Umgebung mit Freizeit und Alltagsgestaltung, welche darauf abzielt, soziale Interaktionen zu gestalten.

Durch das Zusammenleben in einer Gruppe soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass sich die Bewohnenden und deren Angehörige gegenseitig unterstützen. Das Zusammenleben in einer Gruppe soll zudem das Gefühl der Gemeinschaft fördern und dazu beitragen, Einsamkeit zu verringern.

Unter dem Begriff Pflegewohngruppe können stationäre Hausgemeinschaften oder Wohngruppen aber auch ambulante Wohngemeinschaften subsumiert werden. Im Setting der ambulanten Wohngemeinschaften gibt es die Unterscheidung zwischen einer offenen oder einer trägergestützten Wohngruppe. Mit dem Begriff offenen Wohngemeinschaft wird eine Gemeinschaft bezeichnet, in welcher sich mehrere Menschen selbstbestimmt zusammenfinden um miteinander zu leben. In einer trägergestützten Wohngruppe obliegt die rechtliche und praktische Organisation einem sogenannten Träger. Der Träger ist hierbei meist eine professionelle Organisation.

Der gemeinsame Nenner aller Gruppen ist das gemeinsame Leben in einer Gruppe. Die Unterscheidungen der Wohnoptionen bestehen einerseits im Raumangebot und andererseits in einem rechtlichen und organisatorischen Ansatz.

2 Zielgruppen

Pflegewohngruppen sollen eine innovative und unterstützende Wohnform bieten, die darauf abzielt, Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen ein selbstbestimmtes und würdevolles Leben zu ermöglichen. Diese Wohnform wurde besonders für folgende Zielgruppen konzipiert:

  • ältere Menschen mit Unterstützungs- und Betreuungsbedarf,
  • sowie für Menschen mit demenziellen Erkrankungen.

Sie kann jedoch auch jungen Menschen mit kognitiven, psychischen und/oder körperlichen Behinderungen, die Schwierigkeiten haben, einen eigenen Haushalt völlig selbstständig zu führen, eine wertvolle Wohnalternative bieten. In einer Pflegewohngruppe soll der Fokus auf Gemeinschaft und gegenseitige Unterstützung gelegt werden, wobei die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten jedes Einzelnen Berücksichtigung finden sollen.

In diesen Wohngruppen wird versucht, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Bewohnenden so viel Selbstständigkeit wie möglich bewahren können, während sie gleichzeitig professionelle Pflege und weitere Unterstützung in Anspruch nehmen können. Durch die kleine, familiäre Struktur der Wohngruppen können die Pflegekräfte auf die persönlichen Wünsche und Bedürfnisse der Bewohnenden besser eingehen, als in Pflegeeinrichtungen mit größeren Funktionseinheiten. Dies kann nicht nur die Lebensqualität der Bewohner:innen födern, sondern auch das Gefühl der Zugehörigkeit und Gemeinschaft unter den Bewohnenden stärken. Die täglichen Aktivitäten und die Gestaltung des Zusammenlebens werden gemeinsam geplant, um den Bewohnenden ein Gefühl von Mitbestimmung und Wertschätzung zu vermitteln.

Darüber hinaus bieten Pflegewohngruppen eine Alternative zur traditionellen Heimunterbringung oder zum ambulant betreuten Seniorenwohnen. Sie ermöglichen es Menschen mit Betreuungs- und Hilfebedarf, in einem unterstützenden Umfeld zu leben, das ihnen stärkere Unabhängigkeit geben kann und gleichzeitig Sicherheit bieten soll. Diese Wohnform kann dazu beitragen, die Lebensqualität der Bewohnenden durch soziale Interaktion, individuelle Pflegepläne und die Förderung der Selbstständigkeit zu erhöhen. Pflegewohngruppen können somit als ein bedeutender Schritt in Richtung einer inklusiven Gesellschaft, in der alle Menschen unabhängig von ihren Fähigkeiten ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen können, gesehen werden.

3 Orientierung und Leitbild

Die Grundideen von Pflegewohngruppen können mit Normalität und Kleinteiligkeit beschrieben werden. Sie sollen durch das familienähnliche und überschaubare Leben und Wohnen in der Gemeinschaft, eine hohe Lebensqualität mit sich bringen. Der Begriff „familienähnlich“ kann in diesem Bezug schnell in die Irre führen. Denn eine Familie im klassischen Sinn ist etwas anderes als das zweckgebundene Zusammenleben von Menschen. Daher ist es in diesem Kontext eher angebracht, ein Leitbild der Gruppenorientierung zu verwenden.

„Gruppen sind dabei generell äußeren, inneren und veränderten Bedingungen dynamisch ausgesetzt und folgen einem Grundmuster, haben eine eigene Identität, ein Ziel, sprechen sich gruppendynamische Rollen zu und durchlaufen auch Phasen.“ (Boschert 2020, S. 33)

4 Wohnraum

Pflegewohngruppen stellen eine innovative Wohnform dar, die den Bedürfnissen ihrer Bewohnenden auf eine besonders persönliche und gemeinschaftliche Weise gerecht werden soll. Sie zielen darauf ab, das Bedürfnis nach individuellem Raum und Privatsphäre mit dem Wunsch nach Gemeinschaft und sozialer Interaktion zu vereinbaren. Die Gestaltung der Gemeinschaftsräume spielt dabei eine zentrale Rolle, da sie nicht nur als Treffpunkt für gemeinsame Aktivitäten dienen, sondern auch Raum für individuelle Nutzung bieten. Sie sollen das Zusammenleben fördern, indem sie Gewohnheiten und ritualisierte Abläufe unterstützen, die für das soziale Miteinander innerhalb der Gruppe essenziell sind.

Die individualisierten Zimmer der Bewohner:innen sollen den individuellen Charakter jedes Einzelnen reflektieren und einen privaten Rückzugsort bieten, der die persönliche Autonomie und Würde der Bewohnenden respektiert. Diese Zimmer sind ein wichtiger Bestandteil des Konzeptes, da sie den Bewohnenden ermöglichen sollen, einen eigenen Bereich nach persönlichen Vorlieben und Bedürfnissen zu gestalten. Dies kann wesentlich zum Wohlbefinden und zur Zufriedenheit beitragen.

Die architektonische und konzeptionelle Gestaltung der Pflegewohngruppen soll auch Rücksicht auf die Bedürfnisse des Pflegepersonals und weitere externe Dienstleister nehmen. Speziell eingerichtete Räume und Bereiche sollen diese dabei unterstützen, ihre Aufgaben effizient und in einer angenehmen Arbeitsumgebung zu erfüllen. Dabei ist es wichtig, dass das Gesamtkonzept flexibel bleibt und sich den wandelnden Bedürfnissen der Bewohnenden und den auftretenden Veränderungen in der Pflegepraxis anpassen kann. Die Integration von offenen Wohnküchen und Bädern, die als Wellness-Oasen konzipiert sind, spiegelt einen aktuellen Wohntrend wider und soll dazu bei tragen, dass sich die Pflegewohngruppen nicht nur als funktionale Einheiten, sondern als echtes Zuhause anfühlen.

5 Vor- und Nachteile von Pflegewohngruppen

5.1 Vorteile einer Pflegewohngruppe

  • In einer Pflegewohngruppe leben mehrere Menschen zusammen und jedes Wohngrupppen-Mitglied hat ein eigenes Zimmer, welches nach den eigenen Wünschen eingerichtet werden kann. Gemeinschaftlich genutzte Räume wie Wohn- und Küchenbereich sollen den sozialen Austausch fördern und es ermöglichen, den Alltag in Gemeinschaft besser zu bewältigen.
  • Die Bewohnenden können Betreuungs- und Unterstützungsangebote gemeinsam nutzen. Eine Präsenzkraft übernimmt organisatorische, verwaltende und betreuende Tätigkeiten im Haushalt. Die Kosten können von den Bewohnenden gemeinsam aufgebracht werden.
  • Kosten die entstehen, können über einen passenden Verteilerschlüssel aufgeteilt werden.

5.2 Nachteile einer Pflegewohngruppe

  • Das Zusammenleben in einer Pflegewohngruppe mit Menschen, die sich zu Beginn überhaupt nicht kennen, kann herausfordernd sein. Die gewohnten Routinen von zu Hause lassen sich möglicherweise nicht immer beibehalten.
  • Ältere Menschen aber auch Menschen im Allgemeinen können Schwierigkeiten haben, sich in bereits bestehende Pflegewohngruppen zu integrieren.
  • Wohngemeinschafts-Mitglieder sind in Bezug auf Kompromissbereitschaft und Toleranz gegenüber den anderen Bewohnenden gefordert.
  • In einer Pflegewohngruppe leben ausschließlich alte und oder pflegebedürftige Menschen mit unterschiedlichster Ausprägung. Der Alltag wird oftmals von der Pflegebedürftigkeit dominiert und das Sterben ist ebenfalls häufig präsent. Die ständige Konfrontation mit Krankheit, Abhängigkeit und auch dem Sterben, kann zweifellos eine stimmungshemmende, bis bedrückende Wirkung auf die Bewohnenden haben.
  • Möglicherweise ist der Wohnraum im Vergleich zu der früheren Wohnung begrenzt.

6 Finanzierung und Verträge

Die rechtlichen Grundlagen und Finanzierungsmodelle für Pflegewohngruppen in Deutschland sind vielschichtig, nicht einheitlich geregelt und können sich nicht nur bezüglich der Art der Wohnform, sondern auch je nach Bundesland, deutlich unterscheiden.

6.1 Ambulante Pflege-Wohngemeinschaften

Ambulante Pflege-Wohngemeinschaften bieten eine Alternative für individuelles oder familienbasiertes Wohnen und zielen darauf ab, ein hohes Maß an Selbstbestimmung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Die Finanzierung dieser Wohnformen ist oft eine Kombination aus staatlichen Leistungen, wie zum Beispiel der Eingliederungshilfe, Pflegeleistungen und persönlichen Beiträgen. Auch hier können die spezifischen Regelungen und Leistungen je nach Bundesland variieren, was eine genaue Prüfung der lokalen Gesetze und Fördermöglichkeiten erfordert.

Unterschieden wird dabei, ob es sich um anbietergestützte oder selbstorganisierte Pflegewohngruppen handelt. Anbieterorganisierte oder trägerorganisierte Wohngemeinschaften werden von Pflege- und Betreuungsdiensten, Kommunen oder Einzelpersonen gegründet und geleitet.

Selbstorganisierte Wohngemeinschaften werden von den Bewohnenden selbst organisiert und den Wünschen der Bewohnenden entsprechend gestaltet. Im Fachjargon spricht man hier von Pflege-Wohngemeinschaften. Je nach Konzept unterstützt eine Präsenzkraft 24 Stunden an 7 Tagen die Woche organisatorisch und betreut und begleitet die Aufgaben im Haushalt. Die Pflege wird über einen externen ambulanten und freiwählbaren Dienst durchgeführt.

  • Für das Leben in einer Pflegewohngruppe müssen meist mehrere Verträge geschlossen werden (Mieter, Betriebsträger, evtl. mit der Gemeinschaft und ambulanten Diensten usw.).
  • Die Pflegekasse zahlt unter bestimmten Voraussetzungen Zuschüsse für eine Pflegewohngruppe.
  • Für Umbaumaßnahmen zur Anpassung an die Bedürfnisse der Bewohnenden gibt es ebenfalls Zuschüsse.

6.2 Wohngruppen in vollstationären Pflegeeinrichtungen

Wohngruppen in vollstationären Pflegeeinrichtungen bieten umfassende Pflege und Unterstützung für ältere Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, sich selbstständig zu versorgen. Die Kosten für einen Platz in einer solchen Pflegeeinrichtung sind in der Regel hoch und werden oft durch eine Mischung aus privaten Mitteln, der Pflegeversicherung und gegebenenfalls sozialer Unterstützung finanziert. Auch hier gibt es je nach Bundesland unterschiedliche Ansätze der Funktionseinheiten und entsprechender Unterstützungsleistungen, was die Komplexität von organisationalen und praxistauglichen Konzepten erhöht.

In vollstationären Pflegeeinrichtungen mit kleinen dezentralen Wohneinheiten sprechen wir von Wohngruppen oder Pflegewohngruppen. Hier gibt es neben den einzelnen und individualisierten Zimmern für die Bewohnenden auch gemeinsam genutzten Gemeinschaftsräume.

7 Quellenangaben

Boschert, Silke, 2020: Wohngruppen in der Altenpflege: Ein Baustein im Quartier. Hannover: Schlütersche Verlagsgesellschaft. ISBN 978-3-8426-0841-2 [Rezension bei socialnet]

Verfasst von
Silke Boschert
Vorstand Paul-Gerhardt-Werk und Geschäftsführung Diakonie Mittelbaden
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Zitiervorschlag
Boschert, Silke, 2024. Pflegewohngruppe [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 19.07.2024 [Zugriff am: 07.10.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/24616

Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Pflegewohngruppe

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