Praxisintegrierte Ausbildung
Dr. Cornelia Becker
veröffentlicht am 13.02.2020
Die praxisintegrierte Ausbildung zur Erzieherin/zum Erzieher, kurz PiA, ist eine vergütete Form der Ausbildung, die die Praxiszeiten der klassischen Ausbildung einschließlich Berufspraktikum in drei Ausbildungsjahre integriert.
Überblick
- 1 Familienpolitischer Kontext
- 2 Ausbildungskonzept
- 3 Finanzierung
- 4 Qualität der Ausbildung – erste Erfahrungen
- 5 Zukunft der Ausbildungsform
- 6 Quellenangaben
- 7 Informationen im Internet
1 Familienpolitischer Kontext
Der Fachkräftebedarf in sozialpädagogischen Einrichtungen ist durch den quantitativen und qualitativen Ausbau der Betreuungsplätze für Kinder, besonders seit der Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz ab dem ersten Lebensjahr, deutlich angestiegen. Dies hat in einigen Bundesländern dazu geführt, neue Maßnahmen zu entwickeln, um weitere Zielgruppen für die Erzieher*innenausbildung zu gewinnen und Ausbildungskapazitäten zu erhöhen. Die praxisintegrierte und vergütete Ausbildungsform ist eine dieser Maßnahmen, die 2012 erstmals in Baden-Württemberg in einem Schulversuch, später in Bayern und Nordrhein-Westfalen eingeführt wurden. Insbesondere nach der Förderung im Rahmen der Fachkräfte-Offensive des Bundes folgten die anderen Bundesländer mit ähnlichen Modellen, z.B. die „Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen (OptiPrax)“ in Bayern.
2 Ausbildungskonzept
Die praxisintegrierte Ausbildung ist keine duale Ausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes, aber ähnelt dieser stark. Die Gesamtverantwortung der Ausbildung hat die ausbildende Fachschule für Sozialpädagogik, ganz wie in der klassischen vollzeitschulischen Form auch. Allerdings brauchen die Schüler*innen zusätzlich noch einen Ausbildungsvertrag mit einer Einrichtung, in der sie über drei Jahre als Praktikant*innen angestellt sind. Die Träger sind dann Ausbildungspartner der Fachschule und kooperieren als Lernorte stark miteinander, um in einem individuellen Ausbildungsplan das Ausbildungsziel zu erreichen. Der Anleitung in der Praxis kommt so eine sehr wichtige Rolle im Ausbildungsprozess zu.
Diese Verzahnung von Theorie und Praxis bzw. der hohe Praxisbezug erhöht neben der Vergütung für die neuen Zielgruppen die Attraktivität der Ausbildung.
Die Aufteilung der Praxisanteile und der schulischen Anteile ist häufig jeweils zwei bis drei Tage pro Woche, wochenweise Aufteilung und andere Blockmodelle sind prinzipiell aber auch möglich.
3 Finanzierung
Die praxisintegrierte Ausbildung wird unterschiedlich hoch vergütet, je nach Bundesland, Träger, Region und Ausbildungsjahr ist die Höhe der Vergütung zwischen 350 € und 1300 € angesetzt, in Baden-Württemberg mittlerweile tariflich geregelt: derzeit 1140 € im ersten Jahr, 1300 € im letzten Ausbildungsjahr, Stand 2019 (GEW 2018).
Für eine Querfinanzierung der Vergütung sind Anrechnungen auf den Personalschlüssel möglich. Auch dies ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. In Baden-Württemberg ist in jedem Jahr durchgängig bis zu 40 % Anrechnung möglich, in Bayern und NRW sind Anrechnungen jeweils vom Ausbildungsjahr abhängig und steigern sich dann von 0 % im ersten Jahr auf 33 % bzw. 50 % im zweiten und 100 % im dritten Ausbildungsjahr.
4 Qualität der Ausbildung – erste Erfahrungen
Die praxisintegrierte Ausbildungsform etabliert sich zunehmend als zusätzliches Modell parallel zur klassischen vollschulischen Ausbildung. Die Qualität der Ausbildung ist nicht wie anfangs befürchtet schlechter, im Gegenteil. Es wird sowohl von Praxisseite wie auch von Auszubildenden bestätigt, dass insbesondere der regelmäßige Praxisbezug einen Vorteil bietet. Man darf aber auch nicht vergessen, dass dies auch eine höhere Belastung für die Auszubildenden mit sich bringt. Schulferien entfallen, es gilt der übliche Urlaubsanspruch. An den Praxistagen müssen Aufgaben für die Schule erfüllt werden und die Praxis erwartet ein höheres Engagement von den Auszubildenden als in Kurzzeitpraktika.
5 Zukunft der Ausbildungsform
Die praxisintegrierte Ausbildungsform ist ein Erfolgsmodell (Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg 2016). Die Hoffnungen auf Erschließung neuer Zielgruppen haben sich erfüllt. Es spricht mehr Personen an, die mit beruflicher Vorerfahrung kommen und gerne einen anderen Weg einschlagen möchten, der Anteil männlicher Interessenten ist deutlich höher, ebenso der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund. Derzeit wird in Baden-Württemberg eine weitere Zielgruppe in den Blick genommen: die Personen mit familiären Verpflichtungen. Für sie soll PiA in Teilzeit angeboten werden.
Die Herausforderungen der Zukunft werden aber weniger in der Steigerung der Attraktivität für Auszubildende liegen, eher gilt es, mehr Träger für diese Ausbildungsform zu gewinnen. Die Förderungen bewirken zwar eine gewisse Steigerung, aber noch immer gibt es deutlich mehr Interessierte als Praxisstellen.
6 Quellenangaben
GEW, 2018. Entgelttabellen TVöD Kommunaler Sozial- und Erziehungsdienst [online]. Frankfurt a.M. Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), 05.06.2018 [Zugriff am: 11.02.2020]. Verfügbar unter: https://www.gew.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=69256&token=a61fcc04e8c7a56c78393bdfc02ce951cc61559d&sdownload=&n=GEW_Entgelttabelle_TVoeD_Kommunen_SuE_Web.pdf
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 2016. 2. Evaluationsbericht der praxisintegrierten Erzieherinnen- und Erzieherausbildung mit Ausbildungsbeginn 2012/2013 und -abschluss Sommer 2015 [online]. Stuttgart: Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, 18.01.2016 [Zugriff am: 12.02.2020]. Verfügbar unter: https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/​redaktion/​dateien/​Remote/km/bkspit_abschlussbericht_2016-01-18.pdf
7 Informationen im Internet
- Pia, OptiPrax und Co.: Aktuelle Entwicklungen praxisintegrierter und berufsbegleitender Erzieher/​innenausbildungen, Koordinationsstelle Chance Quereinstieg vom 12.11.2018
- Bundesprogramm Fachkräfteoffensive für Erzieherinnen und Erzieher: Wege in den Beruf, Informationen zur Ausbildungssituation in den einzelnen Bundesländern
Verfasst von
Dr. Cornelia Becker
Evangelischer Landesverband -
Tageseinrichtungen für Kinder in Württemberg e.V.
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Es gibt 1 Lexikonartikel von Cornelia Becker.
Zitiervorschlag
Becker, Cornelia,
2020.
Praxisintegrierte Ausbildung [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 13.02.2020 [Zugriff am: 25.01.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/28456
Link zur jeweils aktuellsten Version: https://www.socialnet.de/lexikon/Praxisintegrierte-Ausbildung
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