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Private Unfallversicherung

Dr. Markus Jacob

veröffentlicht am 21.10.2024

Englisch: private accident insurance

Rechtlicher Disclaimer: Herausgeberin und Autor:innen haften nicht für die Richtigkeit der Angaben. Beiträge zu Rechtsfragen können aufgrund geänderter Rechtslage schnell veralten. Sie ersetzen keine individuelle Beratung.

Die private Unfallversicherung deckt Risiken im privaten und beruflichen Umfeld infolge von Unfällen, die zu Gesundheitsschäden führen.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Unfall
  3. 3 Invalidität
  4. 4 Unfallregulierung
  5. 5 Neubemessung
  6. 6 Ausschlüsse
  7. 7 Obliegenheiten
  8. 8 Rückzahlung der Versicherungsleistung

1 Zusammenfassung

Kernstück einer jeden Unfallversicherung ist die Invaliditätsleistung, die bei voraussichtlich dauerhafter Einschränkung der Leistungsfähigkeit infolge eines Unfalls gezahlt wird. Häufig sind auch weitere Leistungen vereinbart, z.B. Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld oder eine Todesfallleistung.

Wesentliche Bestimmungen zur Unfallversicherung sind gesetzlich geregelt (§§ 178 ff. VVG [Versicherungsvertragsgesetz]). Die jedem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) enthalten weitere Leistungsvoraussetzungen, aber auch Leistungseinschränkungen und Ausschlusstatbestände.

2 Unfall

Der Unfallbegriff ist gesetzlich in § 178 VVG definiert und umschreibt ein plötzlich von außen auf den Körper der versicherten Person wirkendes Ereignis, durch welches diese unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Neben klassischen Unfällen wie Stürzen, Kfz-Unfällen o.Ä. gibt es eine Vielzahl weiterer Ereignisse, die im alltäglichen Sprachgebrauch nicht als „Unfall“ angesehen werden, die aber dennoch unter die gesetzliche Unfalldefinition fallen.

  • So werden auch solche kurzzeitigen Ereignisse als Unfall gewertet, die nicht plötzlich, also unerwartet und überraschend eintreten. Z.B. wird ein Sprung aus größerer Höhe mit entsprechend hartem Aufprall, bei welchem sich die oder der Versicherte eine Bänderverletzung zuzieht, als Unfall angesehen. Ebenso verhält es sich in dem Fall, dass ein:e Fußballer:in gegen einen Ball tritt und sich dabei verletzt.
  • Daneben können auch Ereignisse von längerer Dauer als Unfall gelten, wenn diese für die oder den Versicherte:n überraschend und unerwartet eintreten, weil sie oder er aufgrund äußerer Umstände unfähig ist, sich der fortdauernden Einwirkung wie z.B. ausströmendem Gas, einer sauerstoffarmen Umgebung, niedrigen Temperaturen oder übermäßiger Sonneneinwirkung zu entziehen. Beispielhaft genannt sei der Bergsteiger, der sich beim Abstieg in den Seilen verhängt und erfriert.
  • Auch das Arbeiten mit bzw. an Gegenständen kann als Unfall gelten, wenn dabei eine Gesundheitsschädigung auftritt. Erforderlich ist, dass der Vorgang eine gewisse Eigendynamik erfährt, bspw. die oder der Versicherte mit einer schweren Last ins Straucheln gerät oder mit einem Werkzeug abrutscht und sich dabei verletzt.
  • Tritt die Gesundheitsschädigung etwa in Form einer Sehnenverletzung im Zuge eines Bewegungsvorgangs ein, z.B. während des Gehens oder Laufens, ist wie folgt zu differenzieren: Geht der Bewegungsvorgang planmäßig vonstatten, liegt kein Unfall vor; beruht der Vorfall aber auf einem äußeren Ereignis wie z.B. einem rutschigen oder unebenen Boden, ist der Unfallbegriff erfüllt.
  • Weicht die oder der Versicherte einer Gefahrenlage, z.B. einem herannahenden Fahrzeug, aus und verletzt sich dabei, gilt dies ebenfalls als Unfall.
  • Eine Nahrungsaufnahme oder die versehentliche Einnahme giftiger Stoffe, die zu einer akuten Gesundheitsschädigung führt, können ebenfalls die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllen.
  • Insektenstiche und Zeckenbisse gelten ebenfalls als Unfälle.
  • Infektionen erfüllen ebenso den Unfallbegriff, da Bakterien oder Viren von außen in den Körper eindringen. Sie sind aber regelmäßig ganz oder teilweise vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
  • In Rechtsprechung und Literatur umstritten ist die Frage, ob optische oder akustische Wahrnehmungen den Unfallbegriff erfüllen können, so z.B. ein Schockzustand infolge der Beobachtung einer Brandkatastrophe.

Voraussetzung des Unfallbegriffs ist weiter, dass die Gesundheitsschädigung unfreiwillig eingetreten ist. Das Merkmal der Unfreiwilligkeit bezieht sich allein auf die Gesundheitsschädigung, nicht aber auf das Unfallereignis. Der oder die Versicherungsnehmer:in verliert also seinen bzw. ihren Versicherungsschutz nicht bereits deshalb, weil das Unfallgeschehen auf einem bewussten und gewollten Handeln beruht; erst wenn auch die hieraus resultierende Gesundheitsschädigung vom Vorsatz der versicherten Person umfasst ist, fällt diese aus dem Unfallbegriff heraus. Dies ist insbesondere bei Selbsttötungen und Fällen des (versuchten) Versicherungsbetrugs der Fall.

Nach Ziff. 1.4 AUB gelten Gesundheitsschäden an bestimmten Körperteilen als Unfall, sofern sie auf einer erhöhten Kraftanstrengung beruhen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die versicherte Person einen schweren Gegenstand abstützt und sich dabei das Ellenbogengelenk verrenkt oder sich bei einem Klimmzug die Muskulatur am Unterarm zerrt.

3 Invalidität

Führt der Unfall zu einer voraussichtlich dauerhaften Einschränkung der Leistungsfähigkeit, hat der bzw. die Versicherungsnehmer:in einen Anspruch auf eine Invaliditätsleistung. In aller Regel sehen die Versicherungsbedingungen vor, dass die Invalidität binnen einer bestimmten Frist, zumeist innerhalb eines Jahres seit dem Unfall, eingetreten sein muss.

Voraussetzung für einen Anspruch ist ferner, dass die Invalidität binnen einer in den AUB festgelegten Frist geltend gemacht und durch einen Arzt oder eine Ärztin festgestellt wird. Die Fristen betragen zumeist 15 Monate, sind teilweise aber auch länger. Gerade die ärztliche Invaliditätsfeststellung ist von erheblicher Bedeutung, da in der Praxis viele Ansprüche allein daran scheitern, dass es an einem solchen Attest fehlt. Denn die Bescheinigung des Arztes bzw. der Ärztin muss sowohl eine Aussage zum Unfall als auch zu den Unfallfolgen und deren Dauerhaftigkeit treffen. Allerdings muss der Versicherer den bzw. die Versicherungsnehmer:in auf diese Fristen hinweisen, was regelmäßig in dem zur Verfügung gestellten Formular zur Unfallanzeige geschieht.

Maßgeblich für die Höhe der Invaliditätsleistung ist zum einen die vereinbarte Versicherungssumme, zum anderen der Invaliditätsgrad. Insoweit differenzieren die AUB danach, ob ein Körperglied bzw. ein Sinnesorgan betroffen ist oder nicht. Im ersteren Fall sieht eine Gliedertaxe feste Prozentsätze für den Verlust oder die vollständige Funktionsunfähigkeit eines Glieds oder Gliedteils bzw. eines Sinnesorgans vor, z.B. einen Invaliditätsgrad von 55 % für den Verlust oder die Funktionsunfähigkeit einer Hand oder von 50 % für die Erblindung auf einem Auge. Ist das Glied bzw. Gliedteil oder das Sinnesorgan nur teilweise geschädigt, erhält der oder die Versicherungsnehmer:in den entsprechenden Bruchteil der Invaliditätsleistung. Ist z.B. die Hand zu 1/10 geschädigt, wird eine Invaliditätsleistung i.H.v. 55 % x 1/10 = 5,5 % der Invaliditätssumme fällig. Bei Funktionseinschränkungen des restlichen Körpers, also des Torsos oder des Kopfes, erfolgt die Invaliditätsbemessung danach, inwieweit die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Das exakte Maß der Funktionseinschränkung wird in aller Regel durch eine:n vom Versicherer beauftragte:n Mediziner:in festgelegt.

Lag hinsichtlich des durch den Unfall geschädigten Körperteils bereits eine gesundheitliche Einschränkung, eine sog. Vorinvalidität, vor, führt dies zu einer entsprechenden Kürzung der Invaliditätsleistung. Denn der Versicherer leistet nur für Unfallfolgen und nicht für bereits bestehende Vorschäden. Fehlte etwa der versicherten Person vor dem Unfall bereits der linke Fuß, und muss unfallbedingt das linke Bein amputiert werden, wird nur eine entsprechend verminderte Invaliditätsleistung fällig.

Haben Krankheiten oder Gebrechen an der Invalidität mitgewirkt, führt auch dies zu einer Kürzung des Leistungsanspruchs, sofern ein bestimmter Mindestprozentsatz – zumeist 25 % – überschritten ist. Hat z.B. Diabetes dazu beigetragen, dass eine Fußverletzung nicht heilte und deshalb der Fuß amputiert werden musste, führt dies zu einer deutlichen Minderung der Invaliditätsleistung.

Unfallversicherungen liegen häufig Besondere Bedingungen zugrunde, die zu einer Steigerung der Invaliditätsleistung führen können, so z.B. eine Progression, wonach die Versicherungsleistung mit steigendem Invaliditätsgrad überproportional ansteigt. Hierdurch kann sich insbesondere bei höheren Invaliditätsgraden eine erhebliche Steigerung der Invaliditätsleistung ergeben.

4 Unfallregulierung

Liegen dem Versicherer alle erforderlichen Unterlagen vor, muss er innerhalb der in den AUB festgelegten Fristen erklären, ob und ggf. inwieweit er den angemeldeten Anspruch anerkennt. Anschließend ist die Versicherungsleistung innerhalb von zwei Wochen zu erbringen. Sind noch Fragen offen, steht aber die Leistungspflicht dem Grunde nach fest, besteht ein Anspruch auf Zahlung eines Vorschusses.

5 Neubemessung

Der bzw. die Versicherungsnehmer:in kann bis zu drei Jahre nach dem Unfall eine Neubemessung des Invaliditätsgrads verlangen. Dem Versicherer steht dieses Recht nur zu, wenn er es sich in seiner Regulierungsentscheidung vorbehalten hat. Das Recht, eine Neubemessung zu verlangen, kann mehrfach ausgeübt werden, frühestens aber nach Ablauf eines Jahres seit der letzten Invaliditätsbemessung.

6 Ausschlüsse

Die AUB sehen regelmäßig einen ganzen Katalog von Ausschlusstatbeständen vor, mit welchem personen- bzw. umstandsbedingte Risiken vom Versicherungsschutz ausgenommen werden. Stürzt z.B. die versicherte Person die Treppe hinunter, weil ihr schwarz vor Augen geworden war, ist Versicherungsschutz aufgrund einer Bewusstseinsstörung ausgeschlossen. Nicht vom Versicherungsschutz umfasst sind auch Unfälle, die bei der Ausübung gefährlicher Sportarten wie etwa Gleitschirmfliegen oder Motorradrennen passieren. Gesundheitsschäden infolge von Heilmaßnahmen oder Eingriffen am Körper, z.B. das Injizieren einer Spritze, sind ebenfalls nicht vom Versicherungsschutz umfasst. Gesundheitliche Folgen von Infektionen sind je nach AUB vollständig oder teilweise ausgeschlossen, ebenso Gesundheitsschäden durch Vergiftungen. Auch psychische Reaktionen wie z.B. ein posttraumatisches Belastungssyndrom sind nicht im Versicherungsschutz enthalten. Einzelheiten ergeben sich aus den jeweiligen AUB.

7 Obliegenheiten

Den bzw. die Versicherungsnehmer:in treffen im Versicherungsfall die in den AUB vereinbarten Obliegenheiten. Hierbei handelt es sich um Verhaltenspflichten, z.B. wahrheitsgemäße Angaben zu machen oder sich von einem Arzt bzw. einer Ärztin untersuchen zu lassen. Eine Verletzung von Obliegenheiten kann im Einzelfall zu einer Leistungskürzung bis hin zum Leistungsausschluss führen.

8 Rückzahlung der Versicherungsleistung

Stellt sich heraus, dass dem bzw. der Versicherungsnehmer:in eine geringere Invaliditätsleistung zusteht als vom Versicherer reguliert, steht diesem bzw. dieser grundsätzlich ein Rückforderungsrecht in Bezug auf den zu viel gezahlten Betrag zu. Dies kommt in der Praxis zumeist dann vor, wenn der oder die Versicherungsnehmer:in eine höhere Invaliditätsleistung gerichtlich geltend macht und sich dann im Laufe des Rechtsstreits herausstellt, dass die vom Versicherer gezahlte Invaliditätsleistung nicht zu gering, sondern tatsächlich sogar überhöht war. Im Einzelfall kann allerdings die Geltendmachung des Rückforderungsrechts eine unzulässige Rechtsausübung darstellen, wenn bspw. der Versicherer im Zuge der Erbringung der Invaliditätsleistung den Eindruck erweckt hat, dass er deren Höhe endgültig klären wollte. Hier ist jeweils eine Einzelfallbetrachtung gefragt.

Verfasst von
Dr. Markus Jacob
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht
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Es gibt 1 Lexikonartikel von Markus Jacob.

Zitiervorschlag
Jacob, Markus, 2024. Private Unfallversicherung [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 21.10.2024 [Zugriff am: 26.01.2025]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/30292

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