Promotion (Soziale Arbeit)
Prof. Dr. habil. Rudolf Schmitt
veröffentlicht am 23.07.2018
Die Definition einer Promotion findet sich in allen Promotionsordnungen in Varianten des folgenden Satzes: „Durch die Promotion wird über den erfolgreichen Studienabschluss hinaus die Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit durch eigene Forschungsleistungen nachgewiesen.“ (Promotionsordnung Freie Universität Berlin 2008). Die Promotion ist darüber hinaus eine der Bedingungen für die Bewerbung auf eine Professur an einer Hochschule.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Warum sollte das Promovieren in Sozialer Arbeit gefördert werden?
- 3 Welche Schwierigkeiten gibt es?
- 4 Varianten der formalen Betreuung je nach Promotionsordnung
- 5 Was ist eine für die Promotion geeignete Motivation?
- 6 Information zur Promotion und wissenschaftliche Sozialisation
- 7 Die Fragestellung und das Exposé als Weichenstellung
- 8 Betreuung und akademisches Leben
- 9 Finanzierung einer Dissertation
- 10 Forschungsmethodisches Handwerkszeug
- 11 Theoretische Anknüpfungen
- 12 Neuere Entwicklungen und Perspektiven
- 13 Quellenangaben
- 14 Literaturhinweise
- 15 Informationen im Internet
1 Zusammenfassung
Der folgende Text nennt Gründe für eine Promotion von AbsolventInnen Sozialer Arbeit, führt in die spezifischen Schwierigkeiten der Promotion nach FH-Abschluss ein, gibt einen Überblick über formale Varianten der Betreuung und Universitätsanbindung, skizziert relevante Phänomene wie das der geeigneten Motivation, Informiertheit und wissenschaftliche Sozialisation, das Exposé als Eintrittsdokument in das Promotionsverfahren, die inhaltliche Ausgestaltung der Betreuung, Varianten der Finanzierung, forschungsmethodisches Handwerkszeug und theoretische Einbindung einer Dissertation, bevor die gegenwärtigen Veränderungen notiert werden.
2 Warum sollte das Promovieren in Sozialer Arbeit gefördert werden?
Vermehrte Promotionen bieten verschiedenen Interessengruppen Vorteile:
- Eine Promotion erweitert den biografischen Spielraum.
- Die Disziplin der Sozialen Arbeit kann den Nachwuchs in der Lehre aus den eigenen Reihen der Promovierten rekrutieren.
- Die Profession und die Disziplin der Sozialen Arbeit sollte von den Forschungsanstrengungen profitieren können.
3 Welche Schwierigkeiten gibt es?
Das Recht, Promotionen abzunehmen, haben mit wenigen Ausnahmen nur Universitäten. Fachhochschulen in Deutschland (wie in Österreich und der Schweiz) verfügen in der Regel über kein eigenständiges Promotionsrecht. Somit hat die Mehrheit der ausgebildeten AbsolventInnen der Sozialen Arbeit keinen direkten Zugang zur Promotion.
Der Abschluss als FH-Diplom stieß auf Vorbehalte bei der Anerkennung als akademische Grundlage bei der Zulassung zur Promotion an einer Universität. Die häufig kritisierte Bologna-Reform hat in diesem Bereich immerhin ermöglicht, das Studium der Sozialen Arbeit an einer FH mit einem Mastergrad abzuschließen, der von der HRK (Hochschulrektorenkonferenz) mit universitären Master-Ausbildungen als formale Qualifikation gleichgesetzt wird (HRK 2011, 2013).
Allerdings entspricht kein universitärer Studiengang inhaltlich der an Fachhochschulen gelehrten Sozialen Arbeit. FH-AbsolventInnen müssen daher in den Bezugsdisziplinen Erziehungswissenschaft/Sozialpädagogik, Soziologie, Psychologie, Betriebswirtschaft o.ä. ihre Dissertation schreiben. Das bedeutet, dass FH-AbsolventInnen der Sozialen Arbeit häufig Zusatzleistungen erbringen müssen, weil ihr abgeleistetes Studium nicht als einschlägig für die universitäre Disziplin gilt, in der promoviert werden soll (z.B. für die Erziehungswissenschaft Nieke 2009; für die Soziologie Schröer 2010). Dieser Umstand wird auch nicht dadurch behoben, dass einige Universitäten derzeit ihre Studiengänge der Sozialpädagogik in „Soziale Arbeit“ oder „Social Work“ umbenannt haben, da sie in der Regel einer sozialpädagogisch-erziehungswissenschaftlichen Ausrichtung folgen. Diese Ausrichtung weist Überschneidungen, aber auch Differenzen zum genuinen Wissensbestand der Sozialen Arbeit auf, z.B. bei Themen, die kaum pädagogisch zu behandeln sind: Sozialrecht, Armut, Migration, Sucht, Straffälligkeit, öffentliche Gesundheitsfürsorge, Sozialmanagement, Klinische Sozialarbeit, Rehabilitation etc.
Das Bemühen um die Promotionsförderung in Sozialer Arbeit nach FH-Abschluss findet an dieser komplexen Bruchstelle statt und ist ein Sonderphänomen des deutschsprachigen Raums. International ist Sozialarbeit als Universitätsfach in den angelsächsischen Ländern seit den 1930er Jahren etabliert (Schmitt 2010), der Handlungsdruck auch in Deutschland nicht zu übersehen (Mergner 2011). Die fehlende Promotionsmöglichkeit in genuiner Sozialer Arbeit führt zu einem Problem bei der Konstitution des Fachs: Nach der Studie von Amthor (2008) entstammen nur 18,7 % der Lehrenden in Deutschland der genuinen Sozialarbeit, d.h. über 80 % der Lehrenden kamen (zu diesem Zeitpunkt) aus der Erziehungswissenschaft, der Soziologie, der Psychologie, der Medizin, der Betriebswirtschaft oder dem Rechtswesen. Es ist offensichtlich, dass dies mit der mangelnden Verfügung von nicht grundständig als SozialarbeiterInnen ausgebildeten Promovierten zusammenhängt.
Dieser extrem niedrige Selbstrekrutierungsgrad kann dazu führen, dass es Studierenden schwerfällt, sich mit den Lehrenden und dem Fach zu identifizieren. Zudem sind die Interessen und Loyalitäten der Lehrenden sehr oft noch an ihre universitären Herkunftsdisziplinen gebunden, was in Berufungskommissionen zu entsprechenden Bevorzugungen führen kann, und zu Publikationen in Kontext dieser Disziplinen, zum Teil offenbar mit der Hoffnung auf eine Universitätskarriere. Dies hat gravierende Folgen für die Entwicklung der akademischen Kultur der Sozialen Arbeit an den Fachhochschulen. Promotionsförderung hilft, die nächste Generation von ProfessorInnen der Sozialen Arbeit aus einem grundständigen Studium wachsen zu lassen.
4 Varianten der formalen Betreuung je nach Promotionsordnung
Neben der Vielzahl dieser Bezugsfächer gibt es nicht weniger als sechs Varianten der formalen Promotionsanbahnung, unabhängig davon, ob es sich um ein FH-Diplom oder einen FH-Master handelt. Maßgeblich sind die Promotionsordnungen der universitären Fakultäten; landes- und bundesrechtliche Rahmenordnungen sind für die konkrete Promotionsanbahnung irrelevant.
- Eine kooperative Promotion verbindet ZweitgutachterInnen der Herkunfts-FH mit ErstgutachterInnen einer Universität aus den oben genannten Fakultäten.
- Erst- und ZweitgutachterIn können auch beide von einer Universität stammen.
- Der/die ErstgutachterIn ist habilitierte/r FH-ProfessorIn und ist darüber hinaus Mitglied eines universitären Fachbereichs.
Bei diesen drei Varianten müssen bei einem FH-Diplom noch zusätzliche Leistungen an der Universität erworben werden, die entweder vom Promotionsausschuss der universitären Fakultät als Aufgabe benannt oder in einem separaten „Eignungsfeststellungsverfahren“ geleistet werden müssen. Auch bei einem Masterabschluss können Zusatzleistungen gefordert werden, wenn dieser für die Disziplin, in der promoviert werden soll, nicht als einschlägig gilt.
- In anderen europäischen Staaten (leider nicht Österreich und Schweiz) und den USA kann direkt in Sozialer Arbeit promoviert werden. Ebenso haben einige Hochschulen Abkommen zur Promotion mit ausländischen Hochschulen. Für diesen Zweck sind eigene Stipendien möglich.
- Für AbsolventInnen mit FH-Diplom ist der Zwischenschritt denkbar, dass ein Masterstudium abgeschlossen und dabei die Promotion vorbereitet wird.
- Die Dissertation erfolgt im Rahmen eines Promotionsstudiengangs oder eines Graduiertenstudiengangs, d.h. einem Verbund von HochschullehrerInnen aus mehreren Universitäten. Ein Graduiertenstudiengang umfasst neben dem promotionsbezogenen Studienangebot auch ein Stipendium.
Der notwendige Notendurchschnitt wird in der Promotionsordnung des gewählten universitären Fachbereichs genannt.
5 Was ist eine für die Promotion geeignete Motivation?
Viele sehr gute AbsolventInnen der Studiengänge Sozialer Arbeit trauen sich eine Dissertation nicht zu, wobei sich dabei auch die Frage nach einer geschlechterdifferenzierenden Promotionsförderung stellt, denn der relative Anteil der Frauen sinkt auch in der Sozialen Arbeit mit der Qualifikationshöhe (Botzum et al. 2017).
Zuweilen ist der Plan einer Promotion auch Prestige-Überlegungen geschuldet. Negativ-Motivationen, z.B. sich aus einer unbefriedigenden Praxis lösen oder Zeiten der Arbeitslosigkeit überbrücken zu wollen, sind als alleinige Gründe oft nicht lange tragfähig.
Es ist leichter, diese Probleme der Motivation zu benennen, als das zu beschreiben, was eine tragfähige Motivation sein könnte: Von einem Thema und einer Frage ergriffen sein, Interesse an Theorie und Forschungsmethoden, Lust am Schreiben, Ehrgeiz, eine Qualifikationshürde überwinden zu wollen, Aussicht auf differenzierte Tätigkeiten oder ganz eigene biografische Motive.
Aus welchen Quellen die Motivation auch stammt, sie sollte groß genug sein, für ca. drei bis sechs Jahre ein großes zeitliches und inhaltliches Engagement zu ermöglichen. Die Entscheidung zur Promotion sollte zur Lebenssituation passen sowie mit PartnerInnen und Familie abgestimmt sein. In der Regel besteht ein Gemisch aus unterschiedlichen Motiven, deren man sich bewusst sein sollte, weil dieses in bestimmten promotionsbezogenen Krisen deren Bewältigung fördern oder behindern kann.
6 Information zur Promotion und wissenschaftliche Sozialisation
Hinweise zu Promotionsmöglichkeiten, Stipendien oder Kolloquien waren lange dem universitären Bereich vorbehalten und galten (und gelten manchmal immer noch) als „Geheimwissen“, das möglichst nur den Mitgliedern des eigenen Kolloquiums, des eigenen Studiengangs oder befreundeten KollegInnen mitgeteilt wurde.
FH-AbsolventInnen fehlt in der Regel dieses explizite Wissen wie die informelle Einbettung in einen forschenden Kontext und damit persönliche Vorbilder. Die Promotionsförderung der Fachhochschulen hat in den letzten Jahren einige Instrumente entwickelt, um Zugänge zu im- und explizitem Wissen um die Promotion zu ermöglichen. Alle im folgenden genannten Hilfen sind über die Fachgruppe Promotionsförderung der DGSA zugänglich:
- Zu den klassischen Formen der Milieubildung, Habitus-Entwicklung und Wissenszirkulation im akademischen Bereich gehören Promotionskolloquien. Den Beginn einer organisierten Promotionsförderung stellen daher die Promotionskolloquien der DGSA dar, die von Albert Mühlum ab 1998 organisiert wurden. Seit 2012 tagen diese zweitägigen Kolloquien an drei Orten: im Frühjahr an der EH Freiburg, im Frühsommer an EH Bochum, im Herbst an der ASH Berlin (Gahleitner et al. 2012).
- Die monatliche Promotionsrundmail entwickelte sich aus einem informellen Nachrichtenverteiler der Hochschule Zittau/Görlitz und wurde 2006 als bundesweite Rundmail geöffnet, welche Nachrichten aus dem Wissenschaftskontext zu Tagungen, Stipendien und Promotionsmöglichkeiten zugänglich machte.
- Als Einführung in die wichtigsten Bestimmungen existiert seit 2008 eine inzwischen in der achten Überarbeitung vorliegende Promotionsbroschüre für FH-AbsolventInnen der Sozialen Arbeit (Schmitt 2017a).
- Das Lernen am Modell wird von einer Liste von derzeit über 130 Promotionen nach FH-Abschluss unterstützt; sie ist so angelegt, dass die Adressen der AutorInnen zugänglich sind, damit Promotionsinteressierte den Kontakt direkt aufnehmen können.
- HochschullehrerInnen können an den Fakultäten als Promotionsbeauftragte erste AnsprechpartnerIn für ein Dissertationsprojekt sein und regelmäßige Informationsveranstaltungen für Promotionsinteressierte anbieten. Dies Funktion kann an bestehende Ämter anknüpfen, z.B. das der Forschungsbeauftragten oder Gleichstellungsbeauftragten. Seit dem ersten Aufruf zur Benennung von Promotionsbeauftragten im November 2009 haben sich bis heute ca. 75 KollegInnen an 63 Fachbereichen zur Verfügung gestellt.
- Die Gründung der Fachgruppe Promotionsförderung der DGSA wurde 2009 von Albert Mühlum angeregt. Sie lädt alle Aktiven des Felds der Promotionsförderung ein, insbesondere die Promotionsbeauftragten an den Fakultäten, um den engagierten HochschullehrerInnen den Austausch in der Fachgesellschaft zu ermöglichen.
- Die Jahrestagungen der DGSA bieten seit 2009 regelmäßig mindestens ein Panel zur Promotion an. Seit 2018 wird eine Vorkonferenz für den wissenschaftlichen Nachwuchs mit einem speziellen Angebot (Poster- und Präsentationsforen) veranstaltet.
- Über die oben erwähnte Webseite der Fachgruppe ist eine Übersicht über vorhandene Promotionskolloquien und Graduiertenkollegs abrufbar.
7 Die Fragestellung und das Exposé als Weichenstellung
Bei der Beratung von Promotionsentwürfen zeigen sich häufig zwei Problematiken:
- Der Ausgangspunkt ist eher ein „Schreiben über“ ein Phänomen statt einer klaren Forschungsfrage, die auf eine offene Lücke im Wissensbestand zielt.
- Sehr oft ist die Forschungsfrage so unklar oder so groß, sodass mehrere Themenstellungen enthalten sind, die jeweils andere Wege der Bearbeitung erfordern.
Damit ist ein späteres Scheitern wahrscheinlich. Die Forschungsfrage und ihre Einbettung in einer praktischen oder theoretischen Wissenslücke ist zentral, weil sich davon die genaue Klärung der heranzuziehenden Theoriehintergründe, die Entscheidung für spezifische Erhebungs- und Auswertungsmethoden, ein Forschungsdesign sowie ein realistischer Zeitplan ableiten – damit sind auch die Inhalte des 10-15-seitigen Exposés benannt.
Neben der Recherche zum eigentlichen Thema zeigen sich oft Lücken in der forschungsmethodischen Ausbildung bei AbsolventInnen von Fachhochschulen, aber auch von Universitäten. Darüber hinaus müssen oft Grundlagentheorien des Fachs neu erschlossen werden. Aufgabe einer Dissertation ist es, neues Wissen zu schaffen, und es bedarf dieses Aufwands, um sich den Stand des bereits vorhandenen Wissens zu einer Fragestellung zu erarbeiten. Diese Aussicht sollte nicht zur Resignation führen, sondern dazu, einen individuellen „Bildungsplan“ zur akademischen Nachsozialisation zu erstellen.
Inzwischen werden von mehreren Veranstaltern Workshops zum Schreiben von Exposés angeboten.
8 Betreuung und akademisches Leben
Die Suche nach universitären ErstgutachterInnen findet jenseits der Schwelle des hegemonialen universitären Systems mit anderen Habitus-Anforderungen statt. An den Hochschulen scheint es für KollegInnen ungewohnt, dass die Förderung von Promotionen zum Dienstgeschäft gehört. Beides, die anderen Regeln des universitären Systems und die mangelnde Unterstützung durch die Herkunftshochschule, führen dazu, dass AbsolventInnen von Fachhochschulen ungeschickt im Kontakt mit Universitäten erscheinen.
Kontaktanbahnungen in diesem Milieu funktionieren über das Vorweisen enger theoretischer, forschungsmethodischer und gegenstandsbezogener Anknüpfungspunkte, d.h. mit einem vielversprechenden und zum/zur ErstgutachterIn anschlussfähigen Exposé. Das legt nahe, dass Inhalte, Theoriehintergründe und forschungsmethodische Vorlieben in hohem Maße kompatibel sein sollten. Das Studieren von Publikationslisten und Veröffentlichungen potenzieller ErstgutachterInnen sollte daher Pflicht sein. Räumliche Nähe allein ist kein hinreichendes Kriterium; da die Arbeit an der Dissertation sich über Jahre hinzieht, sollte die persönliche Passung geprüft, z.B. bei einem Tagungsbesuch, und die Form der Betreuung explizit abgesprochen sein.
Die Betreuung durch Erst- und ZweitgutachterInnen ist oft auch an Universitäten verbesserungswürdig und bedarf besonders im Kontext der Sozialen Arbeit der Stärkung eines wissenschaftsinteressierten Milieus. Nur durch Doktorandenkolloquien, Mitgliedschaften in promotionsnahen Zirkeln, Mailinglisten, Workshops und Tagungen entsteht ein intellektuelles Klima, das Anregungen für das eigene Arbeiten gibt, Sackgassen supervidiert und aus der manchmal lähmenden Abhängigkeit von Erst- und ZweitgutachterInnen heraus hilft. Diesen Beratungsbedarfen stehen die oben bereits genannten etablierten Strukturen der Unterstützung von Promotionen in der Sozialen Arbeit gegenüber.
9 Finanzierung einer Dissertation
Eine Promotion kann über vier verschiedene Möglichkeiten finanziert werden:
- Man kann neben einer regulären Arbeit promovieren: Das ist sehr anstrengend, ergibt manchmal gute Praxis-Theorie-Vernetzungen, und dauert oft fünf Jahre oder länger. Die für die Bewerbung an einer FH als ProfessorIn notwendigen drei bis fünf Jahre Praxiserfahrung sind hier eher nebenbei erreichbar.
- Es gibt (nicht sehr oft) Qualifikationsstellen an Hochschulen oder (häufiger) an Universitäten, in denen erwartet wird, dass man neben bereits beginnender Lehrtätigkeit an der Dissertation arbeitet und damit für spätere Bewerbungen bereits Erfahrungen in der Lehre und in Hochschulgremien nachweisen kann. Die Dauer der Qualifikationsstellen umfasst oft anderthalb Jahre, nach einer bestandenen Evaluation meist weitere anderthalb Jahre.
- Im Rahmen einer MitarbeiterInnenstelle in einem Forschungsprojekt bzw. Drittmittelprojekt (halbe Stellen) kann promoviert werden. Auch hier ist auf die Arbeitsbelastung hinzuweisen, eine Promotion dauert hier meistens länger als drei Jahre.
- Man bemüht sich um ein Stipendium oder ein gefördertes Promotionskolleg. Der geförderte Zeitraum umfasst meist zwei Jahre, Verlängerungen sind meistens möglich. Einen Überblick über Stipendien bietet die Promotionsbroschüre, aktuelle Stipendien werden auch regelmäßig in der Promotionsrundmail verschickt. Die Güte des Exposés ist wesentlich für einen Stipendienantrag.
Betrachtet man die Promotionsdauer, lässt sich festhalten, dass oft Mischformen von Finanzierungen bestehen, dass bspw. mit einem Stipendium die Promotion begonnen und während einer beruflichen Tätigkeit beendet wurde.
10 Forschungsmethodisches Handwerkszeug
Die Soziale Arbeit ist, wenn man ihre Publikationen verfolgt, empirisch geworden (Sommerfeld 2010). Die Zahl explorierender und evaluierender Studien nimmt zu. Dem korrespondiert die Ausbildung in qualitativen oder quantitativen Forschungsmethoden an den Hochschulen nur sehr begrenzt. Forschungsmethodenkenntnisse werden meist erst im Rahmen der Dissertation erworben. Darum spielen in den oben genannten Medien der Information zur Promotion Hinweise zu Forschungsmethoden und ihrer Vermittlung eine prominente Rolle. Eine Ausbildung in Forschungsmethoden schließt die Kenntnis der Stärken und Schwächen einzelner Verfahren ein. Für spätere Bewerbungen im Hochschulbereich ist ein breites Profil vertrauter Forschungsmethoden unter Umständen hilfreicher als eine enge Spezialisierung.
11 Theoretische Anknüpfungen
Das dicht gedrängte Studium an einer Fachhochschule bedeutet in der Regel, dass neben den Kernfächern in mehreren Bezugswissenschaften wenige Originaltexte, sondern Zusammenfassungen gelesen werden. Bei dem Primat der Praxisorientierung ist das auch kaum vermeidbar, jedoch bedarf es dann Kompensationsmöglichkeiten in der Promotionsphase, um sich einen größeren Theorieüberblick zu verschaffen.
Das Curriculum einiger Master-Ausbildungen macht Hoffnung auf eine bessere Integration und Vertiefung dieses Wissens. In dieser Hinsicht bedarf es der Selbstprüfung und der Beratung von Promovierenden, um einen eigenen Bildungsplan zu erstellen, welche Theoriehorizonte in welcher Reihenfolge erworben werden sollen. Eine Dissertation ist nicht nur eine reine Forschungsarbeit, sondern auch der Einstieg in den Theoriezusammenhang einer Disziplin. Mit einer Promotion kann angenommen werden, dass jemand die Breite seines Fachs überschaut und dessen Wissen an einer Stelle besonders vertieft hat.
12 Neuere Entwicklungen und Perspektiven
Derzeit haben in einigen Bundesländern unterschiedliche Reformen des Promotionsrechts und der Promotionsanbahnung begonnen (Schmitt 2017b).
- Das zum 1.1.2016 verabschiedete hessische Hochschulgesetz ermöglicht es, dass das eigenständige Promotionsrecht für forschungsstarke Fachrichtungen verliehen werden kann. Ein Promotionszentrum der Hochschulen Rhein-Main (Wiesbaden), Frankfurt und Fulda hat seinen Betrieb aufgenommen.
- Bayern entwickelt die kooperative Promotion zur Verbundpromotion weiter, in der jeweils ein das Fach und das Land umgreifendes Promotionskolleg FHs und Universitäten im Hinblick auf Kooperationen zusammenbringt; das Fachforum „Sozialer Wandel“ ist für die Soziale Arbeit gedacht.
- In Nordrhein-Westfalen hat sich die erste Fachgruppe des Graduierteninstituts für angewandte Forschung NRW an der TH Köln gegründet. Das Graduierteninstitut NRW als gemeinsame wissenschaftliche Einrichtung der Fachhochschulen in Nordrhein-Westfalen hat den hochschulgesetzlichen Auftrag, kooperative Promotionen an Fachhochschulen und Universitäten zu ermöglichen.
In anderen Bundesländern gibt es Hinweise auf Veränderungen, aber derzeit noch keine institutionalisierten Formen eines besseren Zugangs von FH-AbsolventInnen zur Promotion.
Die wichtigste Forderung derzeit ist an die KollegInnen der Fachhochschulen zu richten: Es braucht engagierte KollegInnen, die den Studierenden glaubwürdig einen forschenden Habitus vorleben, die AbsolventInnen auf diese biografische Alternative hinweisen und sich die Zeit nehmen, ihnen bei der derzeit noch unvermeidbaren Fremdplatzierung an den Universitäten die Regeln dieses Milieus zu erklären.
13 Quellenangaben
Amthor, Ralph-Christian, 2008. Von Orientierung, Vorbildern und beruflichem Habitus. In: Ralph-Christian Amthor, Hrsg. Soziale Berufe im Wandel. Baltmannsweiler: Schneider, S. 229–256. ISBN 978-3-8340-0460-4
Botzum, Edeltraud, Gudrun Ehlert, Sarah Bestmann-Häseler und Julia Reimer, 2017. Warum Geschlecht zählt – geschlechtsbezogene Aspekte im Promotionsprozess. In: Gudrun Ehlert, Silke Birgitta Gahleitner, Michaela Köttig, Stefanie Sauer, Gerhard Riemann, Rudolf Schmitt und Bettina Völter, Hrsg. Forschen und Promovieren in der Sozialen Arbeit. Opladen: Barbara Budrich, S. 102–112. ISBN 978-3-8474-2070-5 [Rezension bei socialnet]
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Mergner, Ulrich, 2011. „…und was ist mit dem third level?“ In: Björn Kraus, Herbert Effinger, Silke Birgitta Gahleitner, Ingrid Miethe und Sabine Stövesand, Hrsg. Soziale Arbeit zwischen Generalisierung und Spezialisierung. Das Ganze und seine Teile. Opladen: Budrich, S. 205–217. ISBN 978-3-86649-434-3 [Rezension bei socialnet]
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Sommerfeld, Peter, 2010. Entwicklung und Perspektiven der Sozialen Arbeit als Disziplin. In: Silke Birgitta Gahleitner, Herbert Effinger, Björn Kraus, Ingrid Miethe, Sabine Stövesand und Juliane Sagebiel, Hrsg. Disziplin und Profession Sozialer Arbeit. Entwicklungen und Perspektiven. Opladen: Barbara Budrich, S. 29–44. ISBN 978-3-86649-336-0 [Rezension bei socialnet]
14 Literaturhinweise
Ehlert, Gudrun, Silke Gahleitner, Michaela Köttig, Stefanie Sauer, Gerhard Riemann, Rudolf Schmitt und Bettina Völter, Hrsg., 2017. Forschen und Promovieren in der Sozialen Arbeit. Opladen: Barbara Budrich. ISBN 978-3-8474-2070-5 [Rezension bei socialnet]
Schmitt, Rudolf und Sebastian Schröer, 2018. Bibliografie: Promotion nach FH-Abschluss in Sozialer Arbeit [online]. [Zugriff am 23.07.20188]. Verfügbar unter: https://f-s.hszg.de/fileadmin/​Redakteure/​Fakultaeten/​Sozialwesen/​MitarbeiterInnen/​ProfessorInnen/​schmitt/​promotion/​bibliografie_promotion_nach_fh-abschluss_in_sozialer_arbeit.pdf.
15 Informationen im Internet
- Fachgruppe Promotionsförderung der DGSA
- Promotionsbroschüre der Fachgruppe Promotionsförderung der DGSA
- Informationen zur Promotion nach FH-Abschluss von Prof. Dr. Rudolf Schmitt, Hochschule Zittau/Görlitz
Verfasst von
Prof. Dr. habil. Rudolf Schmitt
Sozialwissenschaftler
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Es gibt 2 Lexikonartikel von Rudolf Schmitt.
Zitiervorschlag
Schmitt, Rudolf,
2018.
Promotion (Soziale Arbeit) [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 23.07.2018 [Zugriff am: 13.01.2025].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/27639
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