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Qualifikationsprofil

Prof. Dr. Reinhold Weiß

veröffentlicht am 24.08.2019

Geltungsbereich: Der Beitrag bezieht sich auf die bildungspolitischen Aspekte von Qualifikationsprofilen, nicht auf Fragen der Personalentwicklung.

Ein Qualifikationsprofil beschreibt die im Laufe des Lebens erworbenen Qualifikationen eines Menschen. Grundlage können anerkannte Abschlüsse im Bildungswesen sein, aber auch Nachweise über non-formal oder informell erworbene Kompetenzen im Arbeitsleben oder im privaten Bereich.

Überblick

  1. 1 Zusammenfassung
  2. 2 Qualifikationen – Kompetenzen
  3. 3 Systematisierungsansätze
  4. 4 Vielfalt der Verfahren und Instrumente
  5. 5 Dokumentation von Qualifikationen
  6. 6 Bilanzierung von Kompetenzen
  7. 7 Validierung und Anerkennung von Kompetenzen
  8. 8 Quellenangaben
  9. 9 Literaturhinweise
  10. 10 Informationen im Internet

1 Zusammenfassung

Qualifikationsprofile können für unterschiedliche Zwecke erstellt werden. Das können Bewerbungsverfahren, Beratungsprozesse (z.B. im Rahmen der Berufs- und Karriereberatung), eine Validierung von Kompetenzen oder auch Entscheidungen im Rahmen der Personalentwicklung von Unternehmen und Organisationen sein. Je nach Zweck und Zielgruppe sind Detaillierungsgrad, Umfang und Strukturierung, Methoden und Aufwand sehr unterschiedlich.

2 Qualifikationen – Kompetenzen

Als Qualifikation wird im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) das „formale Ergebnis eines Beurteilungs- und Validierungsprozesses“ verstanden, „bei dem eine dafür zuständige Stelle festgestellt hat, dass die Lernergebnisse einer Person vorgegebenen Standards entsprechen“ (Bund-Länder-Koordinierungsstelle 2013, S. 30). Entsprechend sind Qualifikationsnachweise Dokumente (z.B. Zeugnisse, Zertifikate, Diplome), die den Erwerb einer Qualifikation bestätigen. Ein Qualifikationsprofil ergäbe sich somit aus der Summe der vorliegenden Qualifikationsnachweise und ihrer Bewertung.

Von Qualifikationen sind Kompetenzen zu unterscheiden. Im Europäischen Qualifikationsrahmen werden Kompetenzen definiert als „nachgewiesene Fähigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und/oder methodische Fähigkeiten in Arbeits- und Lernsituationen und für die berufliche und persönliche Entwicklung zu nutzen“ (Empfehlung des Rates 2017, S. 20). Im Deutschen Qualifikationsrahmen wird dieses Verständnis dahingehend präzisiert, dass mit Kompetenz die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen bezeichnet wird, „Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten“ (Bund-Länder-Koordinierungsstelle 2013, S. 45). In diesem Sinne wird Kompetenz als „umfassende Handlungskompetenz“ interpretiert.

Die in Zeugnissen dokumentierten Qualifikationen machen indessen nur einen Teil des Wissens, der Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Menschen aus. Ein Großteil der Qualifikationen wird in non-formalen und informellen Kontexten außerhalb von Schulen und Hochschulen erworben (Kommission 2000, S. 9; CEDEFOP 2016). Mit non-formalem Lernen sind Lernprozesse gemeint, die zwar organisiert und zielgerichtet sind, etwa in der Weiterbildung, aber nicht auf den Erwerb anerkannter Abschlüsse abzielen. Informelles Lernen hingegen ist zumeist nicht-intentional und nicht didaktisch strukturiert. Es erfolgt vielmehr im Alltag, im Prozess der Arbeit wie auch in der Freizeit, zum Beispiel bei der Ausübung von Hobbies, in der Familie oder in sozialen Gruppen. Eine Dokumentation oder gar Zertifizierung erfolgt in der Regel nicht. Die dabei erworbenen Kompetenzen können unter Umständen aber auf anerkannte Abschlüsse angerechnet werden oder eine Zulassung zu Bildungsgängen ermöglichen. Zwischen formalen, non-formalen und informellen Lernprozessen bestehen vielfältige Schnittmengen und Übergänge. Sie sind daher nicht strikt voneinander abgegrenzt, sondern stellen ein Kontinuum dar.

3 Systematisierungsansätze

Um die Qualifikationen und Kompetenzen eines Individuums einordnen zu können, stehen verschiedene Systematisierungsansätze zur Verfügung. Sie ordnen die im Laufe des Lebens erworbenen Abschlüsse und Kompetenzen nach der Komplexität der Anforderungen bzw. den erreichten Lernergebnissen unterschiedlichen Niveaus zu. Eine einfache Systematik ist beispielsweise die Unterscheidung von Anfängern, Fortgeschrittenen und Experten. 

Eine hierarchische Zuordnung von Bildungsabschlüssen nimmt auch der

Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) vor (Bund-Länder-Koordinierungsstelle 2013). Er ordnet die nationalen Bildungsabschlüsse vom Sekundarbereich bis zum quartären Bereich des Bildungswesens entlang einer achtstufigen Skala. Sie reicht von der Berufsausbildungsvorbereitung auf dem Niveau eins über die Abschlüsse einer drei- oder dreieinhalbjährigen Berufsausbildung auf Niveau vier bis zur Promotion auf dem Niveau acht. Grundlegend für die Zuordnung der Abschlüsse sind die erworbenen fachlichen und personalen Kompetenzen. Mit dieser Systematik nimmt der DQR auf den Europäischen Qualifikationsrahmen (EQR) Bezug und ermöglicht eine Zuordnung zu vergleichbaren europäischen Bildungsabschlüssen.

Darüber hinaus gibt es hierarchisch aufgebaute Systematisierungsansätze für unterschiedliche Kompetenzdomänen (z.B. Muttersprache, Fremdsprache, IT). Der Europäische Referenzrahmen für fremdsprachliche Qualifikationen (GER) unterscheidet drei grundlegende Level:

  1. Elementare Sprachverwendung,
  2. Selbstständige Sprachverwendung,
  3. Kompetente Sprachverwendung.

Sie sind weiter differenziert, sodass sich insgesamt sechs Niveaustufen (A1/A2; B1/B2; C1/C2) ergeben. Die einzelnen Niveaus sind auf der Grundlage der erreichten sprachlichen Kompetenzen definiert. Mit diesem Instrument lassen sich die durch die verschiedenen fremdsprachlichen Zertifikate und Sprachendiplome (z.B. GMAT, TELC, TOEFL) dokumentierten Kompetenzen einordnen.

Analog der Systematisierung von fremdsprachlichen Kompetenzen hat die EU-Kommission eine Systematisierung von IT-Kompetenzen in Auftrag gegeben (Carretero et al. 2017). Das Ergebnis ist eine achtstufige Skalierung auf der Grundlage der Komplexität der zu lösenden Aufgaben, dem Grad der Handlungsautonomie sowie der kognitiven Leistungen (Erinnerung und Wiederholung, Verständnis, Anwendung, Evaluation, kreative Neuschöpfung). Der Qualifikationsrahmen für IT-Kompetenzen wird sukzessive weiterentwickelt und ergänzt. Er kann als Instrument sowohl der Selbsteinschätzung als auch der Kompetenzbewertung durch fachliche Stellen eingesetzt werden.

4 Vielfalt der Verfahren und Instrumente

Aus der Summe der im Laufe einer Bildungs- und Berufskarriere erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen ergibt sich ein individuelles Qualifikations- oder Kompetenzprofil. Zu ihrer Erstellung stehen zahlreiche Instrumente und Verfahren zur Verfügung. Eine grobe Einteilung kann nach folgenden Kriterien erfolgen:

  • Zielgruppen: Qualifikationsprofile können offen sein für alle Interessenten oder sich auf bestimmte Zielgruppen konzentrieren. Je spezifischer sie angelegt sind, umso aussagefähiger und detaillierter sind ihre Aussagen.
  • Intention: Qualifikationsprofile können für Bewerbungen verwendet werden oder als Grundlage für Beratungsprozesse dienen. Sie können für die Zulassung zu Bildungsgängen verwendet werden oder auch betriebliche Auswahlentscheidungen legitimieren.
  • Kompetenzverständnis: Qualifikationsprofile können sich auf die Erfassung formaler Qualifikationen, also der erworbenen Abschlüsse, beschränken. Sie können aber auch Nachweise non-formaler Lernprozesse (z.B. Zertifikate aus der Weiterbildung) einbeziehen oder sich auf informell erworbene Kompetenzen erstrecken.
  • Unabhängigkeit: Qualifikationsprofile können auf einer Selbsteinschätzung oder auf einer Beurteilung durch unabhängige ExpertInnen basieren.
  • Zweck: Entwicklungsorientierte Verfahren beschreiben die Kompetenzen einer Person, sie werden vor allem in Beratungsprozessen und für diagnostische Zwecke eingesetzt. Anforderungsorientierte Verfahren hingegen orientieren sich an einem vorgegebenen Standard (z.B. Bildungs- oder Berufsabschlüssen). Sie kommen daher bei Zulassungs-, Anerkennungs- und Validierungsverfahren zum Einsatz.
  • Methodik: Grundsätzlich kann zwischen dem Einsatz biografieorientierter und testbasierter Methoden unterschieden werden. In der Regel werden verschiedenen Methoden miteinander kombiniert, zum Beispiel Gespräche, Beobachtungen, Präsentationen, Arbeitsproben und Simulationen.
  • Kosten: Es gibt im Internet verschiedene Instrumente, die kostenlos bereitgestellt werden. Auch Angebote öffentlicher Einrichtungen sind entweder kostenlos oder kostengünstig verfügbar. Die Dienstleistungen privater Anbieter hingegen müssen in der Regel bezahlt werden. Dabei können unter Umständen hohe Kosten anfallen.
  • Unterstützung: Es gibt Instrumente und Verfahren, die eigenständig und in relativ kurzer Zeit abgeschlossen werden können. Die meisten Verfahren der Kompetenzfeststellung sind aber recht aufwendig und dauern mehrere Stunden oder sogar Tage. Sie werden deshalb in der Regel zusammen mit begleitenden Serviceleistungen wie Beratung, Coaching oder Seminaren angeboten.

Verschiedene Instrumente und Verfahren sollen im Folgenden exemplarisch beschrieben werden. Eine schwerpunktmäßige Zuordnung erfolgt danach, ob sie vorwiegend einer Dokumentation von Qualifikationen dienen, eine Bilanzierung von Kompetenzen oder die Validierung und Anerkennung von Kompetenzen zum Gegenstand haben. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen damit nicht eignungsdiagnostische Fragen oder die Erstellung von Qualifikationsprofilen im Rahmen der Personalentwicklung, sondern bildungspolitische Perspektiven.

5 Dokumentation von Qualifikationen

Eine vergleichsweise wenig aufwendige Form eines Qualifikationsprofils besteht in der Dokumentation und strukturierten Zusammenstellung der auf unterschiedlichem Wege erworbenen Qualifikationen. Beispiele für diese Variante sind der Qualipass und der Europass.

Der Qualipass hält Erfahrungen und Kompetenzen fest, die durch ehrenamtliches Engagement in der Schule, in Vereinen, im Gemeinwesen oder in Projekten, durch Kurse, Auslandsaufenthalte, Praktika oder berufliche Weiterbildungsangebote erworben wurden. In einer Dokumentenmappe werden alle Nachweise übersichtlich zusammengestellt. Er wendet sich zum einen an Jugendliche im Übergang von der Schule in die Berufsausbildung oder weiterführende Bildungsgänge. Zum anderen gibt es auch eine Variante für Erwachsene. Zur Erfassung der verschiedenen Aktivitäten stehen eine Reihe von Vorlagen, die aus dem Internet heruntergeladen werden können, zur Verfügung. Initiator des Qualipasses ist die Jugendstiftung Baden-Württemberg.

Der Europass wurde von der Europäischen Kommission entwickelt, um die Mobilität in Europa zu unterstützen. Mit diesem Transparenzinstrument können alle im In- und Ausland erworbenen Qualifikationen und Kompetenzen europaweit verständlich dokumentiert werden (Nationale Agentur Bildung für Europa 2015). Er orientiert sich zunehmend an Lernergebnissen, dennoch dominieren formale Nachweise. Der Europass wendet sich vor allem an jüngere Menschen, die sich bei einer Bildungseinrichtung oder einem Unternehmen im Inland wie auch in anderen europäischen Ländern bewerben wollen. Der Europass besteht aus insgesamt fünf Dokumenten:

  • Mit Hilfe eines online Editors kann der Europass Lebenslauf nach einem einheitlichen Schema erstellt werden. Er informiert sowohl über formale Qualifikationen als auch über darüber hinaus gehende Kenntnisse und Fertigkeiten.
  • Der Europass Sprachenpass ermöglicht eine Dokumentation der sprachlichen Kompetenzen und listet die erworbenen sprachlichen Diplome und Zertifikate auf. Mit Hilfe eines Rasters zur Selbstbeurteilung können die individuellen sprachlichen Kompetenzen eingeschätzt und entsprechend den Niveaus des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens eingestuft werden.
  • Der Europass Mobilität besteht aus den Nachweisen über Lernaufenthalte im europäischen Ausland. Dokumentiert werden sowohl Praktika als auch berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder Studienaufenthalte.
  • Die Europass Zeugniserläuterungen informieren über den jeweiligen Ausbildungsberuf und liefern eine Kurzbeschreibung der erworbenen Kenntnisse, Fertigkeiten und Kompetenzen. Außerdem geben sie Hinweise zu Dauer, Art und Niveau der Ausbildung sowie zum jeweiligen Bildungsgang. Erstellt werden die Zeugniserläuterungen von den im jeweiligen EU-Mitgliedsland zuständigen Behörden.
  • Das Europass Diploma Supplement beschreibt den absolvierten Studiengang. Es sorgt dafür, dass auch in einem anderen Land Art, Niveau, Kontext, Inhalt und Status des jeweiligen Studiengangs nachvollzogen werden können. Ausgestellt wird es von der Hochschule, die den Abschluss vergeben hat.

Durch eine strukturierte und transparente Darstellung der Schul-, Hochschul- und Berufsabschlüsse sowie sonstiger Lernerfahrungen sorgen die Europass-Dokumente für ein Gesamtbild der Qualifikationen eines Menschen. Zahlreiche Arbeitgeber erwarten inzwischen, dass Bewerbungen auf Basis des Europasses erstellt werden.

6 Bilanzierung von Kompetenzen

Während der Europass im Wesentlichen vom Einzelnen selbst als Grundlage für eine Bewerbung erstellt wird, handelt es sich bei einer Kompetenzfeststellung um ein Verfahren, das der Karriere- und Laufbahnplanung, der Vorbereitung eines beruflichen Wechsels oder einem Wiedereinstieg dient. Neben formellen Qualifikationen werden verstärkt auch non-formal und informell erworbene Kompetenzen berücksichtigt. Im Rahmen eines Beratungsprozesses kommen Selbsteinschätzungen, Fremdbeurteilungen durch ExpertInnen und gegebenenfalls Testverfahren zum Einsatz. Das Ergebnis ist ein von ExpertInnen erstelltes Dokument.

Dazu gibt es zahlreiche Verfahren, die unter unterschiedlichen Bezeichnungen, mit unterschiedlichen Zielen und Zielgruppen von unterschiedlichen Einrichtungen angeboten werden (Erpenbeck et al. 2017). Sie lauten unter anderem: Kompetenzenbilanz, Qualipass, ProfilPASS, Talentkompass NRW, Myskills, Kombi-Laufbahnberatung, KODE, KOMpetenzPASS oder hamet2. Im Folgenden werden nur einige Verfahren beispielhaft aufgeführt und skizziert. Weiterführende Informationen finden sich auf den entsprechenden Web-Seiten.

Der ProfilPASS wurde im Rahmen eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes entwickelt. Seine Anwendung wird vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) wissenschaftlich begleitet (DIE und IES 2016). Der ProfilPASS dient der Ermittlung und Dokumentation von Kompetenzen, die aufgrund einer Berufsausbildung, im Ehrenamt, während der Erwerbstätigkeit, in der Freizeit und in der Familientätigkeit erworben wurden. Dazu werden im Internet eine Reihe von Formularen bereitgestellt, die kostenlos heruntergeladen und vom Ratsuchenden ausgefüllt werden können. Die individuellen Angaben sollen in vier Stufen konkretisiert werden: Benennen – Beschreiben – Auf den Punkt bringen – Bewerten. Zusätzlich werden Dokumente in Form von Zeugnissen über erworbenen Abschlüsse, Arbeitszeugnisse und Nachweise über ehrenamtliche Tätigkeiten einbezogen. Ergänzend wird die Inanspruchnahme einer begleitenden Beratung empfohlen. Sie kann unter bestimmten Voraussetzungen gefördert werden.

Der TalentKompass NRW unterstützt Menschen bei der beruflichen (Neu-)Orientierung und Entwicklung durch die Feststellung ihrer Interessen und Talente, der Identifizierung von Potenzialen sowie der Planung von Umsetzungsschritten. Initiator und Herausgeber ist das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS 2018). Der TalentKompass NRW bezieht Erfahrungen aus der gesamten Biografie ein, und zwar unabhängig davon, ob sie im Laufe der Ausbildung, im Beruf oder im Privatleben erworben worden sind. Er sieht folgende fünf Schritte vor:

  1. die eigenen Fähigkeiten erkennen,
  2. die eigenen Interessen einschätzen,
  3. den persönlichen Kompass zusammen fügen,
  4. die eigenen Potenziale neu kombinieren und Ideen für die berufliche Zukunft entwickeln, 
  5. ein berufliches Ziel formulieren und erste Schritte in die beschriebene Richtung gehen.

Es wird empfohlen, den TalentKompass NRW im Rahmen eines Beratungsprozesses oder eines Gruppenkurses zu bearbeiten. Dazu bieten Beratungsstellen eine kostenlose Beratung an. In Unternehmen kann der TalentKompass NRW auch für Zwecke der Personalentwicklung eingesetzt werden.

Mit MYSKILLS können die beruflichen Kompetenzen einer Person mit Hilfe eines computergestützten Testverfahrens sichtbar gemacht werden. Der Test wurde von der Bertelsmann-Stiftung zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit (2017) entwickelt. Im Mittelpunkt stehen die beruflichen Kompetenzen. Myskills kann in 30 verschiedenen Berufen und in sechs verschiedenen Sprachen eingesetzt werden. Der Test wird vor allem genutzt, um die Selbsteinschätzungen von Arbeitssuchenden als Grundlage für Beratungsprozesse zu identifizieren. Die Teilnahme ist kostenlos und freiwillig.

7 Validierung und Anerkennung von Kompetenzen

Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben sich 2012 das Ziel gesetzt, bis 2018 nationale Systeme für die Validierung des nicht formalen und informellen Lernens einzuführen. Mit Validierung wird ein Verfahren bezeichnet, „bei dem eine zugelassene Stelle bestätigt, dass eine Person die anhand eines relevanten Standards gemessenen Lernergebnisse erzielt hat“ (Rat der Europäischen Union 2012). Ein Validierungsverfahren beginnt mit der Identifizierung der Erfahrungen einer Person, sieht eine Dokumentation und Bewertung dieser Erfahrungen vor und schließt mit einer Zertifizierung der Ergebnisse ab. Als Ergebnis einer Validierung kann eine teilweise oder vollständige Anerkennung der Qualifikationen erfolgen.

Zur Validierung und Anerkennung von Kompetenzen gibt es in Deutschland verschiedene Verfahren. Seit langem bewährt ist die Zulassung von Berufstätigen mit einschlägiger Berufserfahrung zur sogenannten Externenprüfung nach § 45 BBiG. Danach ist zur Prüfung in einem anerkannten Ausbildungsberuf zuzulassen, wer anhand von Dokumenten nachweisen kann, dass er die erforderlichen Kompetenzen erworben hat oder das Eineinhalbfache der normalerweise für eine Berufsausbildung erforderlichen Zeit in dem Beruf tätig gewesen ist, in dem die Prüfung abgelegt werden soll.

Eine weitere Möglichkeit hat das „Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen“, das sogenannte „Anerkennungsgesetz“, geschaffen (BMBF 2017). Danach haben Personen, die einen beruflichen Abschluss im Ausland erworben haben, einen gesetzlichen Anspruch, ihn in Deutschland anerkennen zu lassen. Dazu werden die im Ausland erworbenen Qualifikationen nach einheitlichen Kriterien und in einem geregelten Verfahren auf ihre Gleichwertigkeit überprüft. Es endet mit einem Anerkennungsbescheid. Er stellt entweder die Gleichwertigkeit fest oder dokumentiert die wesentlichen Unterschiede der ausländischen Abschlüsse im Vergleich zum deutschen Referenzabschluss. Das Dokument erhöht die Transparenz der erworbenen Qualifikationen und erleichtert somit eine Bewerbung um Arbeitsplätze oder den Übergang in eine Weiterbildung.

Weiterer Handlungsbedarf besteht im Hinblick auf ein geregeltes Verfahren, um Erwerbstätigen ohne Berufsabschluss einen Zugang zu einem Berufsabschluss oder einer Teilanerkennung ihrer im Erwerbsleben erworbenen Kompetenzen zu ermöglichen. Dazu wurde zusammen mit den Kammerorganisationen ein Verfahren modellhaft entwickelt und erprobt (DHK und DIHK 2018). Im Rahmen eines von den zuständigen Stellen durchgeführten Validierungsverfahrens wird ein Urteil über den Grad der Vergleichbarkeit der festgestellten Berufskompetenzen mit der Referenzqualifikation ausgesprochen. Die Anerkennung der beruflichen Abschlüsse bleibt indessen den zuständigen Prüfungsausschüssen vorbehalten. Dieses Modell soll in Zukunft flächendeckend ausgebaut werden.

8 Quellenangaben

BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung, Hrsg., 2017. Bericht zum Anerkennungsgesetz 2017 [online]. Berlin [Zugriff am: 09.05.2019]. Verfügbar unter: https://www.bmbf.de/upload_filestore/pub/Bericht_zum_Anerkennungsgesetz_2017.pdf

Bund-Länder-Koordinierungsstelle für den Deutschen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen, Hrsg., 2013. Handbuch zum Deutschen Qualifikationsrahmen [online]. Struktur – Zuordnungen – Verfahren – Zuständigkeiten. Stand: 1.8.2013. [Zugriff: am 19.01.2019]. Verfügbar unter: https://www.dqr.de/media/content/DQR_Handbuch_01_08_2013.pdf

Bundesagentur für Arbeit (BA), Hrsg., 2017. MySkills [online]. Berufliche Kompetenzen erkennen. Nürnberg [Zugriff am: 09.05.2019]. Verfügbar unter: https://con.arbeitsagentur.de/prod/apok/ct/dam/download/documents/dok_ba014958.pdf

Carretero, Stephanie, Rain Vuorikari und Yves Punie, 2017. DigComp 2.1 [online]. The Digital Competence Framework for Citizens. With eight proficiency levels and examples of use. Luxembourg: European Commission [Zugriff am: 14.08.2019]. Verfügbar unter: http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC106281/web-digcomp2.1pdf_(online).pdf

Cedefop, 2016. Europäische Leitlinien für die Validierung nicht formalen und informellen Lernens [online]. Cedefop reference series, No 104. Luxemburg: Europäische Union [Zugriff am: 29.04.2019]. Verfügbar unter: http://dx.doi.org/10.2801/669676. ISBN 978-92-896-1980-6

Deutscher Handwerkskammertag (DHK) und Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Hrsg., 2018. Talente sichtbar machen [online]. Validierung als neuer Weg in der Berufsbildung. Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Verbundprojekts „Abschlussbezogene Validierung nonformal und informell erworbener Kompetenzen“ von Handwerkskammern und Industrie- und Handelskammern (Projekt Valikom). Berlin: Deutscher Handwerkskammertag [Zugriff am: 07.06.2019]. Verfügbar unter: https://www.valikom.de/inhalt/aktuelles/downloadbereich unter „Ergebnisse und Handlungsempfehlungen des Verbundprojekts“

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung (DIE) und Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung (IES), 2016. ProfilPASS: Stärken erkennen, Stärken nutzen. 3. Auflage. Bielefeld: W. Bertelsmann [Zugriff am: 03.05.2019]. Verfügbar unter: https://www.profilpass.de/media/pp_workbook_zum_ausdruck.pdf. ISBN 978-3-7639-5778-1

Empfehlung des Rates vom 22. Mai 2017 über den Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen und zur Aufhebung der Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 zur Einrichtung des Europäischen Qualifikationsrahmens für lebenslanges Lernen. In: Amtsblatt der Europäischen Union, 15.6.2017 (2017/189/03) [Zugriff am: 27.04.2019]. Verfügbar unter: https://www.dqr.de/media/content/EQR_Empfehlung_2017de.pdf

Erpenbeck, John, Lutz von Rosenstiel, Sven Grote und Werner Sauter, Hrsg., 2017. Handbuch Kompetenzmessung: Erkennen, verstehen und bewerten von Kompetenzen in der betrieblichen, pädagogischen und psychologischen Praxis. 3. Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel. ISBN 978-3-7910-3511-6

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, 2000. Memorandum über Lebenslanges Lernen. Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen. 30.10.2000. SEK(2000) 1832. Brüssel [Zugriff am: 07.06.2019]. Verfügbar unter: https://www.hrk.de/uploads/tx_szconvention/memode.pdf

MAGS – Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen, Hrsg., 2018. TalentKompass NRW [online]. Fähigkeiten und Interessen erkennen und einsetzen. 3. Auflage. Düsseldorf [Zugriff am: 03.05.2019]. Verfügbar unter: www.talentkompass.nrw.de

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Rat der Europäischen Union, 2019. Empfehlung des Rates vom 20. Dezember 2012 zur Validierung nichtformalen und informellen Lernens [online]. 2012/C 398/01 [Zugriff am: 08.05.2019]. Verfügbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32012H1222(01)&from=DE

9 Literaturhinweise

Coste, Daniel, Brian North und John Trim, 2013. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Stuttgart: Langenscheidt bei Klett Sprachen. ISBN 978-3-12-606520-7
Titel der englischsprachigen Fassung: „Common European Framework of Reference for Languages: Learning, teaching, assessment“. Verfügbar unter: http://rm.coe.int/1680459f97

Dehnbostel, Peter und Philipp Gonon, Hrsg., 2002. Informelles Lernen: Eine Herausforderung für die berufliche Aus- und Weiterbildung. Bielefeld: Bertelsmann. ISBN 978-3-7639-3064-7

Gutschow, Karin, 2010. Anerkennung von nicht-formal und informell erworbenen Kompetenzen [online]. Bericht an den Hauptausschuss. Wissenschaftliche Diskussionspapiere, Heft 118. Bonn: Bundesinstitut für Berufsbildung [Zugriff am: 03.05.2019]. Verfügbar unter: https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/show/6258

Gutschow, Karin und Julia Jörgens, Herausforderungen bei der Einführung von Verfahren zur Validierung nicht formalen und informellen Lernens in Deutschland. Ergebnisse eines Szenario-Delphis. In: BIBB-Report 1/2018 [Zugriff am: 06.05.2019]. Verfügbar unter: https://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/publication/show/8607. ISSN 1866-7279

MAGS – Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen, Hrsg., 2017. TalentKompass NRW [online]. Leitfaden für den Einsatz in Beratungsgesprächen und Kursangeboten. 3. Auflage. Düsseldorf [Zugriff am: 03.05.2019]. Verfügbar unter: www.talentkompass.nrw.de

Preißer, Rüdiger und Reinhard Völzke, 2007. Kompetenzbilanzierung: Hintergründe, Verfahren, Entwicklungsnotwendigkeiten. In: REPORT Zeitschrift für Weiterbildungsforschung [online]. 30(1), Seite 62 - 71 [Zugriff am: 30.04.2019]. ISSN 0177-4166. Verfügbar unter: http://www.die-bonn.de/id/3549

10 Informationen im Internet

Verfasst von
Prof. Dr. Reinhold Weiß
Forschungsdirektor Bundesinstitut für Berufsbildung (im Ruhestand)
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Zitiervorschlag
Weiß, Reinhold, 2019. Qualifikationsprofil [online]. socialnet Lexikon. Bonn: socialnet, 24.08.2019 [Zugriff am: 03.10.2024]. Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/6021

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