Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen
Prof. Dr. Norbert Huppertz
veröffentlicht am 13.12.2023
Als Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen werden Aktivitäten bezeichnet, die mithilfe von empirisch zuverlässigen Instrumenten durch geschulte Personen von außen (Fremdevaluation) oder von innen (Selbstevaluation) zur Prüfung und ggf. Steigerung sowie Sicherung des Gütestandes der Arbeit mit Blick auf möglichst alle Bereiche in Kindertageseinrichtungen durchgeführt werden.
Überblick
- 1 Zusammenfassung
- 2 Herausforderungen des Qualitätsmanagements in Kindertageseinrichtungen
- 3 Zentrale Begriffe
- 4 Gesamtqualität: Fünf Qualitätsbereiche
- 5 Qualitätserhebung
- 6 Qualitätssysteme allgemeiner Art
- 7 Qualitätssysteme der Wohlfahrtsverbände
- 8 Qualität, Bildungsplan und Erzieher:in
- 9 Weitere Desiderata
- 10 Quellenangaben
1 Zusammenfassung
Nicht nur in der Industrie, sondern auch im Sozial- und Bildungsbereich stellt man in zunehmendem Maße wissenschaftlich fundiert die Frage nach der Qualität, und zwar mit Blick auf Prozess-, Ergebnis-, Kontext-, Struktur- und Orientierungsqualität. Die Gesamtqualität einer Einrichtung konstituiert sich aus diesen einzelnen Sektoren. Eine wichtige Rolle spielt dabei u.a. die Qualitätssicherung.
Für die Kindertagesstätten wurden eine Reihe von Prüf- und Auswertungsinstrumenten entwickelt, die sich durchaus bewährt haben, aber in wichtigen Punkten der Veränderung und Nachbesserung bedürfen. Neben den Qualitätssystemen allgemeiner Art, z.B. Qualitätskonzept Kronberger Kreis, haben die Träger der Freien Wohlfahrtspflege ihre eigenen Systeme entwickelt, z.B. Caritas, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt.
2 Herausforderungen des Qualitätsmanagements in Kindertageseinrichtungen
Vorbemerkung: Hinter dem Begriff „Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen“ verbirgt sich eine ganz einfache Frage: Wie gut ist der Kindergarten bzw. die Kindertageseinrichtung? Früher, etwa seit Fröbel vor über 150 Jahren, wurde Kindergartenarbeit „einfach durchgeführt“; so wie sie war, so war sie, und kaum jemand fragte, ob sie denn auch gut, und zwar gut genug, sei. Das hat sich seit einigen Jahrzehnten geändert. Man begnügt sich nun nicht mehr damit, dass Kindergarten „stattfindet“, sondern es muss ein „guter“ Kindergarten sein, in dem „gute“ Arbeit stattfindet. Aber was ist gute Kindergartenarbeit und wie stellt man fest, ob sie „gut“ ist? Damit ist man bei der Frage nach der Qualität und danach, wie diese festgestellt und evtl. sogar gemessen werden kann. Das alles gereichte nicht immer allen Betroffenen zur Freude, sondern führte auch hier und da durchaus zu Verdruss – ja sogar zu Stellenwechsel und Kündigung.
Vielfältige Begrifflichkeit: Nicht nur der Kindergarten, sondern überhaupt Einrichtungen und Träger im Sozial- und Bildungswesen mussten sich ab einem bestimmten Zeitpunkt mit der Ökonomisierungsfrage befassen; und so hatte man es bald mit einer Anzahl von Phänomenen und Begriffen zu tun, die im Sozialwesen vorher unbekannt waren. Es war bald nicht nur von Qualitätsmanagement die Rede, sondern auch von Qualitätssicherung, Qualitätsentwicklung, Evaluation, Zertifizierung etc. Wie die Ökonomisierung um sich griff, konnte man z.B. daran erkennen, dass im Kindergarten die Eltern plötzlich zu „Kundinnen und Kunden“ werden sollten – zum Erstaunen derjenigen, die vorher in der Elternarbeit von ihnen als ihren Erziehungspartnern gesprochen hatten. In einer solchen Veränderung könnte man geradezu einen Wesenswandel vermuten. Das ist auch der Sache nach wohl nicht ganz von der Hand zu weisen; hört man doch derzeitig nicht selten in Gesprächen von gestandenen Erzieher:innen Sätze wie „Und dann die Eltern. Die sind doch heute ganz anders.“ Meistens sind das nicht gerade Lobeshymnen auf „die Eltern“.
3 Zentrale Begriffe
Durch die Benutzung einer Reihe von Begriffen, die erst Eingang in Sozialpädagogik und Sozialarbeit gefunden haben, sollte man sich nicht irritieren lassen; denn oft handelt es sich auch um Wörter, die fern und neu klingen, aber einen bekannten Sachverhalt meinen. Aus der Sammlung von Begriffen um Qualitätsmanagement sollen hier einige kurz beschrieben werden.
3.1 Qualitätsmanagement
Dieser Begriff, um den es hier in der Hauptsache geht, wird so definiert: „Qualitätsmanagement regelt, wer was, wann und wozu in einem Unternehmen bzw. in einer Einrichtung macht“ (Huppertz und Karch 2012, S. 17). „Mit Hilfe eines Qualitätsmanagements soll die Qualität von Leistungen sichergestellt und Prozesse der Qualitätsentwicklung eingeleitet werden. Es ist ein umfassendes Planungs-, Informations- und Kontrollsystem“ (ebd.).
Die etymologische Herkunft, also die Frage nach den Wurzeln des Wortes, lässt sich auch leicht klären. Zwei Wörter sind es, die dem neuen Fachbegriff zugrunde liegen: Qualität und Management. Der Begriff Qualität stammt ab von lat. qualitas, einer Ableitung von lat. qualis: „wie beschaffen“, „welcherlei“, „was für ein“. Es geht also im Wesentlichen darum, wie etwas beschaffen ist. „Management“ leitet sich ab von engl. manage (bewerkstelligen, leiten). „Management kann somit verstanden werden als die Gestaltung, Steuerung und Führung von Systemen, von Zielstellungen aller Art“ (Huppertz und Karch 2012, S. 17).
3.2 Qualitätsentwicklung
Manchmal ist anstelle von Qualitätsentwickung auch von Qualitätsverbesserung die Rede. Natürlich kann das auch immer nur gemeint sein im Zusammenhang mit Kindertageseinrichtungen: Man möchte ja nicht die Arbeit in ihrem Gütegrad verschlechtern, sondern steigern. Gerne wird dann davon gesprochen, dass man „noch“ besser werden wolle. Also möchte man die Arbeit insgesamt „weiterentwickeln“.
3.3 Qualitätssicherung
Geht es bei Qualitätsentwicklung um eine kontinuierliche und systematische Verbesserung der Arbeit, so liegt es nahe, auch daran zu denken, dass man das neue Qualitätsniveau nicht gefährden möchte. Haben bestimmte Maßnahmen in einer Einrichtung zum Erfolg geführt, wobei „Erfolg“ noch zu klären ist, dann will man natürlich, dass es so bleibt und dass dieser Erfolg sich auch in Zukunft einstellt – also „gesichert“ ist. Dazu müssen bestimmte Maßnahmen in der Einrichtung gleichsam verankert werden. Ein erfolgreiches Qualitätsmanagement soll sich verstetigen.
4 Gesamtqualität: Fünf Qualitätsbereiche
Dass ein rein wirtschaftliches Verständnis von Qualität und Qualitätsmanagement nicht eins zu eins auf pädagogische Einrichtungen übertragbar ist, liegt in der Art der Arbeit und in der Natur der Sache. Kindertageseinrichtungen sind Orte des gemeinschaftlichen Lebens und Lernens, in denen natürlich auch ökonomische Aspekte zu berücksichtigen sind. Dabei liegt der Akzent jedoch auf „auch“. Insofern ist der Blick hauptsächlich zu richten auf das, was Gesamtqualität der elementarpädagogischen Einrichtung zu nennen ist. Die Gesamtqualität konstituiert sich aus fünf verschiedenen Qualitätsbereichen, die sich gut verständlich kurz mit jeweils einer Frage erläutern lassen:
- Prozessqualität: Wie gut ist der Prozess der Bildung, Erziehung und Betreuung der Kinder?
- Strukturqualität: Wie gut sind die strukturellen Voraussetzungen, z.B. die Rahmenbedingungen, wie Personalschlüssel, Raum- und Sachausstattung?
- Ergebnisqualität: Wie gut sind die Entwicklungs- und Bildungsergebnisse, die mit der Arbeit erreicht werden, z.B. wie gut bewältigen die Kinder den Übergang von der Kindertageseinrichtung in die Schule?
- Kontextqualität: Wie gut ist der fachliche Austausch, z.B. mit der Fachberatung, gibt es Fortbildungsmöglichkeiten?
- Orientierungsqualität: Wie gut sind die Werte und Grundsätze, die der Arbeit zugrunde liegen und sichtbar werden, z.B. das Bild des Kindes, das Bild von Eltern, die pädagogischen Ziele und Werte?
(Huppertz und Karch 2012, S. 19)
Mithilfe dieser Fragen lässt sich die Gesamtqualität einer Einrichtung ermitteln. Dazu bedarf es sog. operationalisierter, d.h. möglichst eindeutig formulierter Erhebungsinstrumente, Frage- oder Beobachtungsbögen (z.B. in Huppertz und Karch 2012). Ein Beispiel zur Dimension der Prozessqualität:
Die fünf Qualitätsbereiche wurden in der Reihenfolge eins bis fünf genannt. Dabei stellt sich die Frage nach einer evtl. Rangfolge? Die Qualitätstheoretiker und Verfasser von Handbüchern verneinen dies. Unter pädagogischen Gesichtspunkten sollte aber der ganz konkreten und praktischen Erziehung und Bildung der Kinder, also der sog. Prozessqualität, der Vorrang zugesprochen werden und damit dem ganz persönlichen und alltäglichen Umgang und Stil der pädagogischen Fachkräfte gegenüber denjenigen, für die die Kindertageseinrichtungen da sind: die Kinder. Dies darf bei allem Eifer in Sachen Qualität gerade im Elementarbereich nie außer Acht bleiben.
5 Qualitätserhebung
Die Frage nach der Qualitätserhebung in einer Einrichtung bezieht sich darauf, wie man zu verlässlichen Erkenntnissen über die Güte der Arbeit kommen kann. Dabei geht es nicht um intuitive Einschätzungen aufgrund irgendwelcher diffuser Eindrücke, sondern vielmehr darum, einen wissenschaftlichen Ansatz zu verfolgen. Wer ist in der Lage, fundierte Auskünfte über den Qualitätsstand in einer Einrichtung zu geben? Wer ist in der Lage und befugt, objektiv die tatsächliche Qualität der Kindergartenarbeit zu ermitteln und dies gegebenenfalls sprachlich, evtl. schriftlich, klar darzulegen? In diesem Zusammenhang wird zwischen Fremd- und Selbstevaluation – evtl. auch einer Art Mischform zwischen beiden – unterschieden.
Bei der Fremdevaluation ist es so, dass Personen „von außen“ kommen und evaluieren. Dazu existieren inzwischen Gruppen und Institute, die sich die Aufgabe der Qualitätsprüfung und Qualitätsentwicklung zu ihrem Metier gemacht haben. Solche Unternehmen investieren in die Evaluationsarbeit Personal, Zeit und Nebenkosten – und sind deshalb auch ziemlich kostenintensiv. Auch Selbstevaluationen haben durchaus ihren Wert und ihre Berechtigung – allerdings bedarf es dazu einiger Voraussetzungen. Selbstevaluation bedeutet, dass die Einrichtung bzw. deren Personal den Evaluationsprozess bis hin zum Vorhandensein eines ausgeprägten Qualitätsmanagements selbst in die Hand nimmt und durchführt. Es kann sein, dass dabei aus verschiedenen Gründen im Einzelfall von Zeit zu Zeit Hilfen von außen erforderlich sind. In jedem Fall bedarf es für die Selbstevaluation empirischer Instrumente, die allerdings inzwischen zur Genüge vorliegen. Da für den Umgang damit sowie die ggf. erforderliche Umarbeitung solcher Erhebungsbögen o.ä. wenigstens wissenschaftliche Grundkenntnisse vonnöten sind, ist eine Schulung oder Fortbildung erforderlich. Die dazu notwendigen Kosten sollten im Budget einer jeden Einrichtung enthalten sein. Eine solche Evaluationsarbeit kann für die ganze Einrichtung lohnend und ertragreich sein. Man sollte damit rechnen, dass es Personen und Instanzen gibt, die gegen Selbstevaluation ihre Einwände haben, die aber bei näherem Hinsehen oft genug nicht „tragen“ – manchmal auch von Eigeninteressen geleitet sein dürften.
6 Qualitätssysteme allgemeiner Art
Dass dem Qualitätsmanagement in sozialen Einrichtungen historisch gesehen etwas fremdartige Wurzeln zugrunde liegen, muss nicht abschrecken und scheint heute kaum noch begreiflich; sind es doch Normierungsansätze – besonders der Industrie, die seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Gang kamen, z.B. DIN EN ISO etc. (dazu genauer Huppertz und Karch 2012, S. 21 ff.). Die sich damals ergebenden Entwicklungen konnten dem Sozialwesen Anstöße geben, waren aber eben aufs Ganze gesehen für ein Qualitätsmanagement im Sozialwesen, z.B. im Kindergarten, wenig bis nicht geeignet. Das Sozialwesen und die Bildungslandschaft in Deutschland gingen ihre eigenen Wege und entwickelten weitgehend eigene Systeme. Diese werden im Folgenden teilweise kurz benannt und erläutert.
EFQM: Das EFQM-Modell wurde Ende des 20. Jahrhunderts durch die Europäische Stiftung für Qualitätsmanagement (European Foundation for Quality Management) mithilfe von Unternehmen aus der Industrie entwickelt. Es wurde später aber für soziale Einrichtungen, u.a. Schulen und Kindergärten, erweitert (Huppertz und Karch 2012, S. 29 f.).
IQUE: Das Kürzel steht für „Intergrierte Qualitäts- und Personalentwicklung“. In diesem Modell wird vor allem die Bedeutung der Kindergartenleitung betont, ohne die Wichtigkeit aller anderen Instanzen (Träger, Eltern, Fachberatung) zu vernachlässigen. Die Qualitätsentwicklung erfolgt in zehn Schritten:
- Bestandsaufnahme in Form der Selbsteinschätzung
- Reihenfolge der Bearbeitung festlegen
- Handlungsziele ableiten
- Umsetzungsschritte und Verantwortlichkeiten vereinbaren
- Qualitäts- oder Zielvereinbarungen aufschreiben und unterschreiben
- Zwischenprüfungen festlegen
- Umsetzungsschritte dokumentieren
- Zielvereinbarungen überprüfen und fortschreiben
- Zielvereinbarungen mit dem Träger abschließen
- Information und Präsentation.
Qualitätskonzept Kronberger Kreis: Die schwerpunktmäßig an wirtschaftspolitischen Fragen interessierte Gruppe veröffentlichte 1998 das Qualitätsmanagementkonzept „Qualität im Dialog entwickeln, wie Kindertageseinrichtungen besser werden“. Dieses Konzept hat im frühpädagogischen Bereich viel Anklang gefunden – wohl deshalb, weil es durch seinen großen Umfang und Aufwand (474 Indikatoren bzw. Merkmale) der Komplexität der elementarpädagogischen Arbeit gerecht zu werden scheint.
päd.quiz – Nationaler Kriterienkatalog: Sieben Schritte werden für den Weg zum Qualitätssystem vorgeschlagen in dem vom deutschen Familienministerium 1999 veröffentlichten Konzept, das ab 2000 für mehrere Jahre gefördert wurde. Das Konzept ist umfassend und befindet sich nahe an der Praxis der Arbeit in Kindertageseinrichtungen.
Qualitätshandbuch für Träger: Von dem Münchener Staatsinstitut für Frühpädagogik und Medienkompetenz (IFP) aus wurde dieses Handbuch für Träger initiiert. Es bietet den Kindergartenträgern in vier Schritten die Möglichkeit der Selbstevaluation.
7 Qualitätssysteme der Wohlfahrtsverbände
Alle Wohlfahrtsverbände, besonders auch jene der „Liga der Freien Wohlfahrtspflege“ angehörenden, haben sich während der vergangenen Jahrzehnte um die Frage der Qualität in ihren Einrichtungen gekümmert – nicht zuletzt wohl auch wegen des Kosten- und Kürzungsdrucks, dem sie von außen ausgesetzt waren und sind. Da die Verbände im Sozial- und Bildungsbereich in Deutschland eine wichtige Rolle spielen, ist es nicht verwunderlich, dass sie ihre eigenen Qualitätssysteme entwickelten – wollten sie doch vor allem ihre jeweiligen Profile gewahrt wissen. Die Verbände und Träger erkannten rasch, dass eine schlichte Anwendung industrieller Qualitätssysteme auf den Sozial- und Bildungsbereich nicht tauglich sein kann, und fertigten demgemäß ihre Positionspapiere, aus denen keineswegs nur Begeisterung für die Neuerungen unter dem Stichwort „Qualität“ zu entnehmen ist. Die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege erstellten bald ihre eigenen Qualitätssysteme – inklusive entsprechender Handbücher – und stellten ihre eigenen Evaluationspersonen und -institute.
Die im Folgenden kurz skizzierten Systeme von Diakonie, Caritas und AWO sollen nicht die Bemühungen der anderen Verbände schmälern. Auch diese sind in ihren Selbstdarstellungen digital leicht einsehbar.
7.1 Diakonie
Das Bundesrahmenhandbuch evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder – Qualiätsmanagement in evangelischen Kindertageseinrichtungen wurde 2002 veröffentlicht. Es versteht sich als innerverbandliches Angebot. Das Diakonische Institut für Qualitätsentwicklung (DQE) bietet den Einrichtungen eine fachliche Begleitung an. Das Handbuch ist klar und übersichtliche aufgebaut. Es ist eingeteilt in theologische Dimensionen (christliches Menschenbild) sowie Praxis- und Qualitätsdimensionen. Außer diesem Handbuch haben evangelische Landesverbände und Institutionen Positionspapiere und weitere Materialien erarbeitet und den Einrichtungen zur Verfügung gestellt.
7.2 Caritas
Um das KTK-Gütesiegel des Caritasverbandes (KTK steht für Verband katholischer Tageseinrichtungen für Kinder) zu erhalten, müssen zwei Dimensionen in der Einrichtung erfüllt sein. Das Caritasqualitätsentwicklungsinstrument wird hier etwas ausführlicher beschrieben, um zu illustrieren, worauf sich die Qualitätsentwicklung bezieht.
In neun sog. Qualitätsbereiche ist das KTK-Siegel eingeteilt, um deren Überprüfung es bei der Qualitätsentwicklung geht:
- Kinder
- Eltern
- Kirchengemeinde
- politische Gemeinde
- Glaube
- Träger und Leitung
- Personal
- Mittel
- Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung.
Zu jedem Qualitätsbereich gibt es sog. Qualitätsanforderungen, für die als Konkretisierung Praxisindikatoren formuliert sind. So heißt es z.B. bei (9): „Eltern, Kinder, Mitarbeiterinnen, Träger werden regelmäßig nach Änderungsvorschlägen gefragt.“ Nachzuweisen ist die Erfüllung dieser Anforderung durch schriftliche Ergebnisse von Befragungen der Kinder, der Eltern, der Mitarbeiter:innen, des Trägers. „Eine Kindertageseinrichtung kann sich zusätzlich zertifizieren lassen und somit darlegen, dass sie nach den vorgegebenen Kriterien arbeitet. Bei einer erfolgreichen Zertifizierung wird ein entsprechendes Zertifikat, das KTK-Gütesiegel, ausgestellt. Hierfür kommt ein externer Auditor in die Einrichtung und begutachtet diese auf der Grundlage der Anforderungen des KTK-Gütesiegels“ (KTK 2008, S. 11). Der Auditor oder die Auditorin prüft, ob die vorgelegten Dokumente den Anforderungen entsprechen und ob diese weiterentwickelt werden. Dazu wird eine den Kriterien des KTK-Gütesiegels entsprechende Auditcheckliste angewendet. Aufgedeckte Mängel oder Entwicklungspotenziale werden angesprochen und geklärt. Das Zertifikat ist drei Jahre lang gültig. Innerhalb dieser Zeit wird einmal im Jahr ein Überwachungsaudit durchgeführt. Nach drei Jahren ist eine Rezertifizierung notwendig, um die Gültigkeitsdauer des KTK-Gütesiegels um weitere drei Jahre zu verlängern (a.a.O., S. 47).
Das Problem der vollumfänglichen Operationalisierung, das sich prinzipiell aller Arbeit im Sozialwesen bei den Qualitätsprüfungen stellt, zeigt sich auch beim KTK-Verfahren. Kann man z.B. genau wissen, wenn bei einer Formulierung wie „Stehen die Interessen, Bedürfnisse und Wünsche der Kinder im Vordergrund und prägen den Alltag?“ die Beurteilung „erfüllt“ gegeben wird, ob dann diese Beurteilung wirklich zutreffend ist? Man sollte – und das gilt nicht minder für das Qualitätsmanagement und die Qualitätsprüfung im Kindergarten –, sich stets bewusst bleiben, dass alle Wirklichkeitsprüfung im Bildungs- und Sozialwesen immer verbunden ist mit Deutung und Einschätzung. Das liegt in der Natur der Sache, und man muss darum wissen, damit entsprechend umgehen und es akzeptieren.
7.3 Arbeiterwohlfahrt
In der Qualitätspolitik der Arbeiterwohlfahrt werden alle Tätigkeitsbereiche berücksichtigt. Der Verband hat für jedes Arbeitsfeld sog. Muster-Qualitätsmanagment-Handbücher erarbeitet. Damit soll ein Rahmen geschaffen werden für die regionalen Träger zur Entwicklung ihrer jeweiligen Qualitätshandbücher. Das Muster-Qualitätsmanagement-Handbuch für Kindertageseinrichtungen der AWO – Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen der Arbeiterwohlfahrt trägt deutlich den Akzent der Offenheit. Im Prinzip werden vergleichbare Inhalte zur Sprache gebracht, wie in den Handbüchern und Systemen der anderen Trägerverbände, aber: dem Aspekt der Individualität der Einrichtung wird deutlich Rechnung getragen, denn jede Einrichtung ist anders. Das gilt ganz besonders für Kindergarten und Krippe. Und das muss bei allen im Bewusstsein bleiben, die sich – sei es als „Aktive“ oder als „Passive“ – mit Qualitätsmanagement und allem, was dazu gehört, befassen; die Kinder und Eltern sind jeweils anders, die Erzieher:innen, die Träger usw. Insofern bleibt es immer das Wagnis und die Gefahr bei generalisierten Instrumenten, „alle über einen Kamm zu scheren“. Die AWO möchte bewusst auf Standardisierung (Gleichmachen) verzichten. Kritiker:innen einer solchen Haltung weisen darauf hin, dass es dadurch aber beliebig und unkonkret bleibe.
8 Qualität, Bildungsplan und Erzieher:in
Bei den vorliegenden und hier teilweise kurz angeführten Qualitätssystemen richtet sich, wie wohl deutlich erkennbar, der Blick auf die Einrichtung, und zwar auf die Einrichtung und deren Arbeit insgesamt. Nun erscheint es geradezu trivial, darauf zu verweisen, wie unterschiedlich das Personal der Einrichtungen, also die einzelnen Personen als Professionelle und Menschen, sind, die jeweils für die Erziehung, Bildung und Betreuung der Kinder zuständig sind. Also gilt: Nicht nur jede Einrichtung ist anders, sondern jede Gruppe bzw. Erzieher:in ist anders. Es muss somit bei allen Qualitätsprüfungen der Blick geändert und geweitet werden in Richtung der einzelnen Personen. Das Gleiche gilt auch für Fragen der Evaluation, Qualitätsprüfung und des Qualitätsmanagements im Zusammenhang mit den Bildungsplänen.
Bei der wissenschaftlichen Begleitung des „Orientierungsplanes für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten und weiteren Kindertageseinrichtungen“ (MBarleben 2015b) von 2006 bis 2009 wurden in dem verwendeten Evaluationsinstrument regelmäßig die gefragten Aufgaben der pädagogischen Fachkräfte in der Ich-Form formuliert, z.B.: „Ich rege die Kinder zielgerecht dazu an, die Natur und ihre Phänomene sinnlich zu erfahren, z.B. Regen und Wind spüren.“ So oder ähnlich wurden die sechs Bildungsfelder (Körper, Sinne, Sprache, Denken, Gefühl und Mitgefühl, Sinn, Werte und Religion) evaluiert und somit gezeigt, dass und wie im Rahmen eines Qualitätsmanagements die inhaltliche Erziehung und Bildung der einzelnen pädagogischen Fachkräfte berücksichtigt werden kann.
Dieser Punkt wurde von Claudia Vossen, Mitarbeiterin in der wissenschaftlichen Begleitung, weiterentwickelt. Sie erarbeitete und erprobte ein eigenes Tool, wie die pädagogische Fachkraft auf leicht zu handhabende Weise im Qualitätsmanagement mitwirken kann, indem sie online einen Fragebogen zur Selbsteinschätzung bearbeitet, dessen Auswertung ihr Auskunft darüber gibt, wie der Qualitätsstand ihrer Arbeit im Hinblick auf die Erfüllung des Bildungsplanes ihres Bundeslandes ist, und zwar in genauen Prozentangaben, etwa „Ich erfülle den Bildungsplan immerhin zu 89 %“. Das Tool wird von Erzieher:innen gewünscht und gut angenommen, wie erforscht wurde (Das Instrument von Claudia Vossen kann eingesehen werden unter Vossen 2013).
Das Fehlen des Bereiches Prozessqualität mit Blick auf den vorgeschriebenen Bildungs- und Erziehungsplan wird auch in dem Qualitätssystem des „Institutes für Qualität in der Bildung“ (IQB o.J.) berücksichtigt. Das Handbuch hat als einen zentralen Teil die Erhebung und Prüfung der Umsetzung des baden-württembergischen Bildungsplanes für die Kindergärten, und zwar auch immer mit dem Blick auf das, was die einzelne Fachkraft in den einzelnen Bildungsbereichen mit Bezug auf jedes Kind jeweils tut.
In das Qualitätsmanagement und in die Evaluationen sollten somit die Bildungspläne und deren Umsetzung durch die einzelnen pädagogischen Fachkräfte in den Blick genommen werden; denn das ist es, was wirklich zählt, weil es bei den Kindern ankommt und was ihr gelingendes Leben tatsächlich ausmacht, z.B. mit Blick auf Sprache und Schulfähigkeit.
9 Weitere Desiderata
So wirklich gut und so gut gemeint auch in der Summe die Anstrengungen zur Qualitätsverbesserung und Qualitätssicherung im Elementarbereich sein mögen, in manchen Punkten scheint doch einiges nachzubessern zu sein. So wird z.B. kaum oder gar nicht auf die Frage nach dem praktizierten didaktischen Ansatz eingegangen. Ist es denn nicht eine Frage der Qualität, ob ein Kindergarten regelmäßig gezielte Angebote und Projekte, z.B. zu Naturthemen, durchführt, weil er nach dem Lebensbezogenen Ansatz arbeitet (MBarleben 2015a) – oder ob man sich bei den Bildungsinhalten lange befasst mit dem Thema „Dinosaurier“, weil es der situative Zufall aus den Wünschen einiger weniger Kinder gemäß dem Situationsansatz so vorsieht. In der gesamten Qualitätsdebatte und in den Systemen sowie Prüf- und Qualitätsansätzen ist nirgendwo die Rede davon, ob das pädagogische Personal überhaupt über die ausreichenden theoretischen Kenntnisse verfügt, um wirklich gute oder sehr gute Arbeit leisten zu können. Ist doch das die Grundvoraussetzung neben vielem anderen. In den Fragen der Qualitätssysteme erkundet man wohl, ob es Möglichkeiten der Teilnahme an Fortbildungen gibt, aber die Frage, ob die betreffenden Fortbildungen wirksam geworden sind in der Einrichtung, bleibt prinzipiell offen oder ganz ausgespart. – Es wäre im Rahmen von Qualität auch die Frage nach den Werten und den daraus resultierenden Zielen sowie deren Umsetzung wichtig. Ist es denn gleichgültig, ob die großen Werte Friede, Gerechtigkeit usw. gelehrt und gelernt, also nachhaltig erworben, werden oder nicht?
Das sind Punkte, die das wirklich Wesentliche der elementarpädagogischen Arbeit in Kindergarten und Krippe berühren. Sie sind wichtiger als die ordnungsgemäße Protokollführung über die Teamsitzung o.Ä. Es ist gut, wenn alles Administrative in Ordnung ist und in Ordnern greifbar ist und wenn die Ordner gut beschriftet sind – wichtiger aber ist das „Kerngeschäft“: die „Arbeit am Kind“. Alles Pädagogische hat Vorrang. Alles Sonstige dient diesem, – ist aber deshalb nicht bedeutungslos.
Auch der Bereich der Ergebnisqualität ist in den Systemen nicht gut bzw. gar nicht vertreten und wäre für die Qualitätsentwicklung im Kindergarten doch so wichtig. Ein Beispiel: Kindergärten in Deutschland haben keine Kenntnisse darüber, was aus den Kindern wird, die den Kindergarten verlassen und in die Schule wechseln – sollten. Diese Information bleibt vollständig in der Verantwortung der Schulverwaltung. Die jährlichen Statistiken auf Landesebene zeigen in allen deutschen Bundesländern korrekt die Einschulungsquoten sowie die Anzahl der Kinder, die dem Alter nach eigentlich hätten eingeschult werden sollen, aber (angeblich) nicht schulfähig waren bzw. nicht für schulfähig gehalten worden sind. Diese Kinder können als „Stolperkinder“ bezeichnet werden, da sie bereits an der Eingangstüre zur Schule „stolpern“. Die Problematik der nicht „ordnungsgemäß“ eingeschulten Kinder, überproportional viele Jungen mit Migrationshintergrund, ist bekannt – allerdings nicht an den relevanten Stellen. Die mangelnde Bewusstseinsbildung in Kindergärten über diese Problematik erschwert eine effektive Qualitätsverbesserung. Pädagogisches Fachpersonal ist oft nicht über die problematischen Zahlen in ihrem Bundesland informiert.
Die mangelnde Dokumentation und Bewertung der Schulfähigkeit der Kinder beim Übergang zum Schulalter verdeutlicht die Notwendigkeit einer Überarbeitung der Qualitätsmanagementsysteme im Kindergarten. Es bleibt fraglich, ob die Qualität der Arbeit in Kindergärten trotz der Einführung von Qualitätsmanagement tatsächlich verbessert wurde. Eine kritische Hinterfragung des Qualitätsmanagements im Kindergarten ist keine Ablehnung des Ziels, sondern eine Aufforderung zur gründlichen Überprüfung der Ausrichtung und Haltung.
10 Quellenangaben
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Bundesvereinigung Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder e.V. und Diakonisches Institut für Qualitätsentwicklung und Forschung gGmbH, Hrsg., 2002. Bundes-Rahmenhandbuch Evangelischer Tageseinrichtungen für Kinder: Ein Leitfaden zur Qualitätsentwicklung. Landshut: schoendruck.de
Huppertz, Norbert, 1992. Erleben und Bilden: Der lebensbezogene Ansatz als Modell für die Planung der Arbeit. Freiburg: Herder-Verlag. ISBN 978-3-451-26732-1
Huppertz, Norbert, 2007. Der Lebensbezogene Ansatz im Kindergarten. Norderstedt: Bod. ISBN 978-3-8334-7286-2
Huppertz, Norbert und Timo Karch, 2012. Qualitätshandbuch zum Orientierungsplan Baden-Württemberg: Selbst- und Fremdevaluation im Kindergarten. Oberried: PAIS-Verlag. ISBN 978-3-931992-33-0
Institut für Qualitätsentwicklung in der Bildung, [ohne Jahr]. INSTITUT FÜR QUALITÄTSENTWICKLUNG IN DER BILDUNG [online]. Rottweil: Stiftung Lernen-Fördern-Arbeiten [Zugriff am: 23.11.2023]. Verfügbar unter: https://www.lfa.org/das-institut/
Kronberger Kreis für Qualitätsentwicklung in Kindertageseinrichtungen, 2001. Qualität im Dialog entwickeln: Wie Kindertageseinrichtungen besser werden. 3. Auflage. Seelze-Velber: Kallmeyer. ISBN 978-3-7800-5701-3
MBarleben, 2015a. Der Lebensbezogene Ansatz – Formen und Methoden in der Praxis. Interview mit Prof. Huppertz. In: YouTube [online]. 27.04.2015 [Zugriff am: 23.11.2023]. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=ehLWiTD5_DU
MBarleben, 2015b. Orientierungsplan Baden-Württemberg – Kindergarten – Prof. Huppertz. In: YouTube [online]. 25.08.2015 [Zugriff am: 23.11.2023]. Verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=axC43d2uV5U
Meinhold, Marianne, 1997. Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Sozialen Arbeit. 2. Auflage. Freiburg im Breisgau: Lambertus-Verlag. ISBN 978-3-7841-1022-6
Scheuring, Wolf-Dieter, 2000. Qualität und Evaluation im Kindergarten – Beispiel Waldkindergarten. Oberried: PAIS-Verlag. ISBN 978-3-931992-12-5
Tietze, Wolfgang und Susanne Viernickel, Hrsg., Irene Dittrich, Katja Grenner, Bernd Groot-Wilken, Andrea Hanisch, Verena Sommerfeld, 2007. Pädagogische Qualität in Tageseinrichtungen für Kinder: Ein nationaler Kriterienkatalog. 3. Auflage. Berlin: Cornelsen Verlag Scriptor GmbH & Co. KG ISBN 978-3-589-24535-2 [Rezension bei socialnet]
Verband Katholischer Tageseinrichtungen für Kinder (KTK) – Bundesverband e.V., Hrsg., 2008. KTK-Gütesiegel: Bundesrahmenhandbuch. 2. Auflage. Freiburg im Breisgau: KTK. ISBN 978-3-933383-22-8
Vossen, Claudia Maren, 2013. Zur Beurteilung der Umsetzung des Bildungsauftrages in Kindergärten: Konzeption eines Selbstevaluationsinstruments für Erzieherinnen in Baden-Württemberg [Dissertation] [online]. Freiburg: Pädagogische Hochschule Freiburg [Zugriff am: 23.11.2023]. Verfügbar unter: https://phfr.bsz-bw.de/frontdoor/​deliver/​index/​docId/399/file/2013_05_28_Dissertation.pdf
Verfasst von
Prof. Dr. Norbert Huppertz
Professor für Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt Sozial- und Elementarpädagogik, mehrere Jahre auch Tätigkeit in der DDR
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Zitiervorschlag
Huppertz, Norbert,
2023.
Qualitätsmanagement in Kindertageseinrichtungen [online]. socialnet Lexikon.
Bonn: socialnet, 13.12.2023 [Zugriff am: 04.10.2024].
Verfügbar unter: https://www.socialnet.de/lexikon/27758
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