Selbsthilfekontaktstelle
Selbsthilfekontaktstellen sind Einrichtungen mit hauptamtlichem Personal zur Unterstützung von Selbsthilfeaktivitäten auf örtlicher/​regionaler Ebene (Selbsthilfe).
Institutioneller Ansatz und Fachkonzept wurden von der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG), entwickelt. Die DAG SHG hat Empfehlungen zu Ausstattung, Aufgabenbereichen und Arbeitsinstrumenten von Selbsthilfekontaktstellen vorgelegt. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) hat 1987–1991 in den alten und 1992–1996 in den neuen Bundesländern Modellprogramme zu Selbsthilfekontaktstellen durchgeführt, die zur Profilierung und Verankerung beitrugen.
Die Nationale Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (NAKOS) führt in der Datenbank ROTE ADRESSEN – Selbsthilfeunterstützung in Deutschland im Jahr 2023 303 Selbsthilfekontaktstellen. Durch die zusätzlichen 28 Außenstellen gibt es an 331 Standorten in Deutschland Angebote zur Selbsthilfeunterstützung (NAKOS 2024). Nach Rückmeldung von 203 Selbsthilfekontaktstellen in einer NAKOS-Erhebung im Jahr 2022 unterstützen allein diese rund 30.000 Selbsthilfegruppen im Einzugsgebiet (NAKOS 2023).
In dem Forschungsprojekt „Gesundheitsbezogene Selbsthilfe in Deutschland“ (SHILD) wurde im Jahr 2014 erhoben, dass Selbsthilfekontaktstellen durchschnittlich über 2,1 hauptamtlich angestellte Mitarbeitende verfügen, die sich eine Vollzeitstelle teilen. Ermittelt wurden im Schnitt 180 Selbsthilfegruppen pro Selbsthilfekontaktstellen, wobei rund drei Viertel informelle, nicht verbandlich organisierte Gruppen sind, sowie insgesamt 300.000 Beratungsfälle (Kohfahl et al. 2016).
Selbsthilfekontaktstellen arbeiten niedrigschwellig, öffentlichkeits- und netzwerkorientiert. Die Angebote sind sektoren-, themen- und trägerübergreifend. Besondere Zugangsvoraussetzungen für Nutzer:innen bestehen nicht. Leistungen sind z.B. Information und Aufklärung von Bürger:innen und professionellen Fachkräften, Vermittlung an Selbsthilfegruppen, Bereitstellung von Räumen und Arbeitsmitteln, Unterstützung bei der Gründung sowie Hilfen bei der Gruppenarbeit (Fortbildung, supervisorische Begleitung), bei der Öffentlichkeitsarbeit und bei Fragen der Selbsthilfeförderung. Selbsthilfekontaktstellen stärken Selbstorganisation und Selbstverantwortung, Freiwilligkeit und Gegenseitigkeit sowie die gemeinschaftliche Problemlösungsfähigkeit und Interessenvertretung (Empowerment, Patientenbeteiligung). Selbsthilfekontaktstellen sind Impulsgeber für bürgerschaftliches Engagement. Im Versorgungssystem haben sie Wegweiserfunktion, im Gemeinwesen sind sie Orte der Begegnung und Drehscheibe für die Zusammenarbeit von Gruppen untereinander und mit anderen Organisationen/​Einrichtungen.
Die Förderung von Selbsthilfekontaktstellen durch Kommunen und Länder ist uneinheitlich und oft unzureichend; in einigen Bundesländern gibt es Förderrichtlinien. Verpflichtet zur Förderung sind die gesetzlichen Krankenkassen (§ 20h SGB V) und bei komplementärer Förderung durch die Bundesländer auch die soziale Pflegeversicherung (§ 45d SGB XI) (Selbsthilfeförderung).
Zur Zusammenarbeit, Qualitätssicherung und Interessenvertretung bestehen in allen Bundesländern Arbeitsgemeinschaften von Selbsthilfekontaktstellen. In Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Thüringen gibt es mittlerweile auch landesweit tätige Selbsthilfekontaktstellen. Auf Bundesebene fungiert die NAKOS als Fachstelle, Netzwerk- und Serviceeinrichtung.
Quellenangaben
NAKOS, 2024. Die ROTEN ADRESSEN [online]. Berlin: Nationale Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe, 15.02.2024 [Zugriff am: 19.10.2024]. Verfügbar unter: https://www.nakos.de/adressen/rot/
NAKOS, 2023. Zahlen und Fakten: Selbsthilfegruppen [online]. Berlin: Nationale Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe, 23.06.2023 [Zugriff am: 19.10.2024]. Verfügbar unter: https://www.nakos.de/informationen/​Zahlen_und_Fakten/​Selbsthilfegruppen/
Kohfahl, Christopher, Frank Schulz-Nieswandt und Marie-Luise Dierks, Hrsg. 2016. Selbsthilfe und Selbsthilfeunterstützung in Deutschland. Reihe Medizinsoziologie, Band 24. Münster: LIT-Verlag. ISBN 978-3-643-13267-3 [Rezension bei socialnet]
Informationen im Internet
- Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (DAG SHG)
- Nationale Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe (NAKOS)
- Fachportal der NAKOS
Verfasst von
Peggy Heinz
Stellvertretende Geschäftsführerin
NAKOS - Nationale Kontakt- und Informationsstelle
für Selbsthilfe
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